TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/29 D14 264212-3/2009

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Veröffentlicht am 29.10.2012
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Spruch

D14 264212-3/2009/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Windhager als Vorsitzenden und durch die Richterin Mag. Riepl als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.11.2009, FZ. 05 12.070-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.09.2012 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hinsichtlich Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 2 iVm. Abs. 5 Asylgesetz 2005 auf Dauer unzulässig ist.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die mittlerweile erwachsene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und Moslem, ihre Eltern XXXX und XXXX (D14 264209-3/2009 und D14 264210-3/2009) und ihre minderjährigen Geschwister XXXX und XXXX (D14 264214-3/2009 und D14 264215-3/2009), stellten am 09.08.2005 Anträge auf Gewährung von Asyl, nachdem sie am selben Tag beim illegalen Grenzübertritt von einer Polizeistreife aufgegriffen worden waren.

 

Am XXXX wurde die minderjährige Schwester XXXX (Zl. D14 401687-2/2009) im Bundesgebiet geboren und für diese am 28.07.2008 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Im Zulassungsverfahren wurden die Eltern der Beschwerdeführerin am 12.08.2005 und am 24.08.2005 vor der Erstaufnahmezentrum Ost niederschriftlich einvernommen, wobei für die damals minderjährige Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe und auch keine gesundheitliche Beeinträchtigung durch ihre Eltern geltend gemacht wurden.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.08.2005 wurde die Zuständigkeit Polens zur Durchführung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin festgestellt und ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Polen verfügt. Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Unabhängigen Bundesasylamt nicht stattgegeben, sondern die Entscheidung des Bundesasylamtes bestätigt (Bescheid vom 12.10.2005). Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 21.01.2009 Folge gegeben und der Bescheid des UBAS vom 12.10.2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.07.2009, Zl. S4 264212-0/2009/9E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid der Erstaufnahmestelle Ost vom 29.08.2005 gemäß § 32a Abs. 1 AsylG 1997 stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und zur Durchführung des materiellen Asylverfahrens an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

 

I.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurden die Eltern der Beschwerdeführerin am 27.10.2009 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, niederschriftlich einvernommen.

 

Die Eltern erklärten im Wesentlichen, deshalb ausgereist zu sein, da der Vater Probleme mit Privatpersonen (insbesondere mit 2 Nachbarn) gehabt habe. Letztlich habe es eine Anzeige von einem der Widersacher gegen den Vater gegeben. Der Vater sei von diesem in tatsachenwidriger und verleumderischer Weise bezichtigt worden, ein Wahhabit zu sein bzw. diese zu unterstützen.

 

Die Mutter begründete ihre Furcht im Herkunftsstaat mit einem Vorfall im Jahr 2000, wo sie Zeugin eines Mordes geworden sei.

 

Im Übrigen schilderten die Eltern von häuslichen Übergriffen durch maskierte Männer bzw. Kadyrows Leute, u.a. im Zusammenhang mit Geldforderungen.

 

Nachdem sie von der Anzeigenerstattung erfahren hätten, hätten sie sich zur Ausreise entschlossen, bevor ernsthafte Konsequenzen für den Vater oder womöglich für alle Familienmitglieder eingesetzt hätten.

 

Die Mutter erklärte zur Beschwerdeführerin und ihren Geschwistern, dass allen Familienmitgliedern dieselben Probleme wie dem Vater drohen könnten.

 

I.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.11.2009, Zl. 05 12.070-BAG, wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I) und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). In Spruchpunkt III wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AslyG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

I.4. Gegen diesen Bescheid wurde durch die Mutter der Beschwerdeführerin fristgerecht (Poststempel vom 11.12.2009) Beschwerde erhoben, in der dieser vollinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wurde.

 

Am 14.06.2012 und am 31.07.2012 langten betreffend die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen zahlreiche Unterlagen zur Integration sämtlicher Familienangehörigen ein (OZ 2, 3).

 

I.5. Am 20.09.2012 fand vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der die Eltern zur Aktualität ihrer Fluchtgründe bzw. zu einer mittlerweile erfolgten Integration der Familie befragt wurden (OZ 6Z). An der Verhandlung nahm auch ein Vertreter (ohne Zustellvollmacht) teil.

 

Dabei wurden aktuelle Länderberichte zur Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien verlesen und dem Vertreter zur schriftlichen Stellungnahme übergeben.

 

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung wurde ein Konvolut an Unterlage zur Integration der Beschwerdeführerin, ihres Vaters und ihrer Geschwister vorgelegt.

 

Infolge der Beschwerdeverhandlung langte am 01.10.2012 eine Stellungnahme ein, in der das Vorbringen der Eltern aus der Beschwerdeverhandlung chronologisch zusammengefasst wiedergegeben wurde. (OZ 7)

 

Am 02.10.2012 langte eine weitere Stellungnahme ein, in der die integrativen Bestrebungen der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet dargelegt wurden, wobei erneut entsprechende Unterlagen vorgelegt wurden (OZ 8, 9).

 

I.6. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten des Bundesasylamtes betreffend die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen, Zl. 05 12.070-BAG, 05 12.068-BAG, 05 12.069-BAG, 05 12.071-BAG, 05 12.072-BAG und 08 06.583-BAG, in die Einvernahme der Eltern im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 20.09.2012 sowie in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Stellungnahmen und Unterlagen sowie durch Einsichtnahme in die Feststellungen des Asylgerichtshofs zur Lage in Tschetschenien, Stand Juli 2012.

 

I.7. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wurde Folgendes festgestellt:

 

Die mittlerweile volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig. An ihrer Identität und ihren familiären Verhältnissen haben sich infolge der Vorlage entsprechender Dokumente keine Zweifel ergeben.

 

Die Beschwerdeführerin war in ihrem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten ausgesetzt und drohen ihr solche auch in Zukunft nicht. Die von ihren Eltern vorgebrachten Gründe für die Ausreise aus der Russischen Föderation respektive Tschetschenien werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

 

Der Beschwerdeführerin droht zum Entscheidungszeitpunkt im Herkunftsstaat weder eine unmenschliche Behandlung, Todesstrafe oder unverhältnismäßige Strafe bzw. eine sonstige individuelle Gefahr.

 

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin steht ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat nicht entgegen. Auch sonst war keine anderweitige Gefährdung im Gefolge ihrer Rückkehr feststellbar, die einer Verletzung der durch die EMRK geschützten Rechte gleichkäme.

 

Die Beschwerdeführerin hält sich im Bundesgebiet gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern auf, in deren Asylverfahren mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, Zlen. D14 264209-3/2009/13E, D14 264210-3/2009/11E, D14 264214-3/2009/12E D14 264215-3/2009/10E und D14 40687-2/2009/10E festgestellt worden ist, dass deren Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation auf Dauer unzulässig ist.

 

Hinsichtlich der aktuellen Situation in der Russischen Föderation und insbesondere in Tschetschenien wird auf die auf den vorzitierten Quellen beruhenden, dem Vertreter der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs vorgehaltenen und in den Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, Zlen. D14 264209-3/2009/13E und D14 264210-3/2009/11E, betreffend die Eltern der Beschwerdeführerin wiedergegebenen Länderfeststellungen verwiesen und werden diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BG BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

II.1.2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idgF sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem 31.03.2009 beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 idF BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002, geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 3 AsylG 1997 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf die Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 8 AsylG 2005 idF FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, ist § 10 AsylG 2005 idF FrÄG 2009 auf alle am oder nach dem 01.01.2010 anhängigen Verfahren nach dem AsylG 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem AsylG 1997, die vor dem 01.01.2010 erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG 2005, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gilt. Gemäß dieser Übergangsbestimmung sind alle Ausweisungen, die mit einer asylrechtlichen Entscheidung, gleichgültig ob diese gemäß dem AsylG 1997 oder dem AsylG 2005 erfolgt, zu verbinden sind, künftig gemäß § 10 AsylG 2005 auszusprechen, da nur diese Norm die für notwendig erachtete Bestimmtheit hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausweisung gewährleistet. Eine Zurückweisung oder Abweisung des Asylantrags gemäß dem AsylG 1997 soll im Regelungsregime des § 10 AsylG 2005 als eine entsprechende Entscheidung nach dem AsylG 2005 gelten und daher mit einer Ausweisung verbunden werden. Für Verfahren vor dem Asylgerichtshof gilt dies naturgemäß nur insoweit, als eine vom Bundesasylamt erlassene Ausweisung bekämpft wurde und somit einen relevanten Verfahrensgegenstand vor dem Asylgerichtshof darstellt (ErläutRV 330 BlgNR 24. GP, S. 27).

 

Da die gesetzliche Vertretung für die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Beschwerdeführerin einen Asylantrag am 09.08.2005 gestellt und die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid am 27.11.2009 erlassen hat, ist das Verfahren nach dem AsylG 1997 idF AsylG-Novelle 2003 fortzuführen. Für die Ausweisungsentscheidung gilt § 10 AsylG 2005 idgF.

 

II.2. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

 

II.2.1. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).

 

Kriminelle Machenschaften reichen als Begründung eines Asylantrages jedoch nicht aus (VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0111, 0112, 0113; VwGH vom 26.07.2000, 2000/20/0250).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

II.2.2. Mangels eigener Fluchtgründe bzw. durch den Verweis auf die Fluchtgründe der Eltern ist betreffend die Beschwerdeführerin auf die Begründung in den Erkenntnissen betreffend ihre Eltern vom heutigen Tag (Zlen. D14 264209-3/2009/13E und D14 264210-3/2009/11E) zu verweisen und wird diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben. Die Probleme ihrer Eltern betreffend eine Verfolgung in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien haben sich als nicht glaubhaft erwiesen. Aus den Gesamtangaben ihrer Eltern war nicht ableitbar, dass diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätten. Ihr Fluchtvorbringen hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen und liegt im Fall ihrer Eltern keine aktuelle Verfolgung vor und ist eine solche auch in Zukunft vollkommen unwahrscheinlich.

 

Für die Beschwerdeführerin, die keine eigenen Fluchtgründe dargelegt hat, sondern sich ausschließlich auf die Probleme ihrer Eltern bezieht, war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

II.3. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

 

II.3.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs 1 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Das Vorliegen der Voraussetzungen des A§ 57 Abs 2 wurde überdies bereits einer Prüfung gemäß § 7 AsylG unterzogen und dort verneint.

 

Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03). Vergleiche dazu auch die Judikatur des VwGH v. 13.11.2001, GZ. 2000/01/0453; Erkenntnis v. 21.08.2001, GZ. 2000/01/0443, insb. Auch VwGH v. 16.07.2003, 2003/01/0059 betreffend des Nichterreichens der Schwelle des Art. 3 MRK auch bei prekärer Unterkunftssituation des Beschwerdeführers.

 

II.3.2. Im vorliegenden Fall gibt es weder einen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Russische Föderation den in § 8 AsylG 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch einen Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unzulässig machen könnten. Den Länderfeststellungen zur Situation in der Russischen Föderation respektive in Tschetschenien ist nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in eine menschrechtswidrige Lage im Sinne des § 8 AsylG 2005 geraten könnte.

 

Bereits in den Erkenntnissen betreffend die Eltern wurde dargelegt, dass die Beschwerdeführerin und ihre Familie bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in keine existenzbedrohende Situation geraten würden. Neben Unterstützungsmöglichkeiten durch nach wie vor im Herkunftsstaat aufhältige Verwandte ist es für die Beschwerdeführerin und ihre Familie zumutbar, aus eigenem die notwendige Lebensgrundlage zu sichern.

 

Die mittlerweile volljährige Beschwerdeführerin hält sich auch nach Eintritt ihrer Volljährigkeit unvermindert in ihrem Familienverband auf. Die Beschwerdeführerin und ihr bald volljähriger Bruder sind jung, gesund und gebildet. Wie ihrem Vater wird es auch der Beschwerdeführerin und ihrem Bruder im Herkunftsstaat möglich sein, einer Arbeit nachzugehen und damit den gemeinsamen Lebensunterhalt bzw. die notwendige Lebensgrundlage zu bestreiten. Die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen haben demnach im Fall ihrer Rückkehr keine existenzbedrohende Situation zu befürchten.

 

In diesem Zusammenhang wird auch auf die in den Länderfeststellungen konstatierte Gewährleistung der Grundversorgung in der Russischen Föderation sowie auf die von der Rechtsprechung des Gerichtshofes für Menschenrechte (für die Unzumutbarkeit der Abschiebung von Fremden in ihren Herkunftsstaat) angenommene "hohe Schwelle" des Art. 3 EMRK hingewiesen (vgl. dazu z.B. VfGH 6.3.2008, B 2004/07 mwN).

 

Die Beschwerdeführerin ist gesund und bedarf keiner medizinischen Behandlung.

 

Im Übrigen ist zu bemerken, dass gemäß den Länderberichten und dem Amtswissen des Asylgerichtshofes in der Russischen Föderation und auch in Tschetschenien eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und im Übrigen fast alle Erkrankungen - wie in Westeuropa - behandelt werden können.

 

Die Entscheidung des Bundesasylamtes in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist daher nicht zu beanstanden.

 

Auch aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens mit ihren Eltern und ihren minderjährigen Geschwistern gemäß § 10 Abs. 1 iVm. § 1 Z 6 AsylG 1997 (die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig) war kein anderes Ergebnis begründbar, da auch diesen weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

 

II.4. Zur Ausweisung:

 

II.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind besonders zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Nach § 10 Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach § 10 Abs. 4 leg. cit. gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Nach § 10 Abs. 5 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach § 10 Abs. 6 leg. cit. bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise aufrecht.

 

Nach § 10 Abs. 7 leg. cit. gilt eine Ausweisung, wenn sie durchsetzbar wird, als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idgF unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts sowie die Frage zu berücksichtigen, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

 

Nach der geltenden Rechtslage hat in die Interessenabwägung auch die Frage einzufließen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

II.4.2. Der Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis betreffend den Vater der Beschwerdeführerin vom heutigen Tag die in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 mit dem Ausspruch der dauerhaften Unzulässigkeit der Ausweisung behoben. Gleichlautende Entscheidungen wie im Erkenntnis des Vaters ergingen auch betreffend Mutter und Geschwister.

 

Mit ihrem Vater - wie im Übrigen auch mit ihrer Mutter - führt die Beschwerdeführerin unbestreitbar ein Familienleben iSd. Art. 8 EMRK. Die Beschwerdeführerin lebt seit ihrer Geburt in ihrem Familienverband. Sie ist als minderjährige in das Bundesgebiet eingereist und hält sich auch nach dem Eintritt der Volljährigkeit unvermindert im Kreise ihrer Familie im gemeinsamen Haushalt auf. Die Beschwerdeführerin steht im Bundesgebiet in Ausbildung an einer Handelsakademie und ist für die nähere Zukunft bis zur ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit von ihren Eltern abhängig.

 

Eine Ausweisung der Beschwerdeführerin hätte zur Folge, dass diese mit Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung ohne ihre Eltern, mit welchen sie - wie soeben dargelegt - unzweifelhaft ein Familienleben iSd. Art. 8 EMRK führt, das Land verlassen und diese zurücklassen müsste. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Trennung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt wäre. Die Ausweisung war folglich auf Dauer für unzulässig zu erklären.

 

Darüber hinaus verweist der erkennende Senat ausdrücklich auf Spruchpunkt III des zitierten Erkenntnisses betreffend den Vater der Beschwerdeführerin - wo auch die fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet dargelegt wurde - und erhebt diesen zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Da die Gründe für die Unzulässigkeit der Ausweisung nicht bloß vorübergehender Natur sind und die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 somit auf Dauer für unzulässig zu erklären war, wird daher gemäß § 44a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sein.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, bestehendes Familienleben, Familienverfahren, Interessensabwägung
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2012
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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