TE AsylGH Erkenntnis 2011/10/24 C11 421101-1/2011

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Veröffentlicht am 24.10.2011
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Spruch

C11 421.101-1/2011/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Vorsitzenden und den Richter Mag. DRAGONI als Beisitzer über die Beschwerde des Herrn XXXX auch XXXX, StA. INDIEN, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2011, FZ. 11 08.841-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Das Verfahren vor dem Bundesasylamt:

 

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein indischer Staatsangehöriger, ist am 11.08.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am nächsten Tag einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt. Bei der Erstbefragung brachte er zu seinen Fluchtgründen vor, seine Familie sei sehr arm und er habe sein Heimatland verlassen, um im Ausland Geld zu verdienen. Bei einer Rückkehr fürchte er, von seiner Familie schikaniert und misshandelt zu werden, weil es ihm nicht gelungen sei, für sie zu sorgen. Es gebe in Indien weder einen Haftbefehl, noch werde er gesucht; er habe von staatlicher Seite keine Sanktionen zu befürchten. Er habe ein einwandfreies Leumundszeugnis in der Heimat und sei noch nie politisch aktiv gewesen.

 

Bei einer Befragung am 19.08.2011 bestätigte er seine Angaben, er sei ausgereist, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Er sei wie sein Vater Tagelöhner gewesen und habe alle Arbeiten gemacht, die man ihm angeboten habe. Sein Bruder gehe noch zur Schule und seine Mutter arbeite nicht. Er sei gegenwärtig nicht in ärztlicher Behandlung. Auf den Hinweis, dass das Asylverfahren nicht dazu vorgesehen sei um Arbeit zu suchen oder sich niederzulassen, erklärte er, man könne in Indien zwar arbeiten, allerdings gebe es viele Neider, die "bösen Zauber beherrschen" und anderen den Erfolg nicht gönnen würden. Auch sei die Lebenserwartung durch die schmutzige und staubige Arbeit der Tagelöhner kurz. Er sei gegen Staub allergisch und bekomme sofort einen Ausschlag. Zu den ihm vorgehaltenen Länderfeststellungen gab er an, er habe in seiner Heimat viele Medikamente gegen seine Allergie probiert und die Hälfte seines Einkommens verwendet, jedoch habe ihm nichts geholfen. Außerdem sei er nur fünf Jahre in der Schule gewesen, wodurch er keine Aussicht auf eine Arbeit gehabt habe.

 

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er bei den Befragungen an, er sei ledig und ein Sikh aus dem Bundesstaat Punjab. In Indien würde neben seinen Eltern (40 bis 45 Jahre und 55 bis 60 Jahre) noch sein Bruder (20 Jahre) leben. Ein weiterer Bruder (25 Jahre) lebe in Frankreich. Er habe fünf Jahre die Grundschule besucht und spreche Punjabi und etwas Hindi. Er habe keine Berufsausbildung und zuletzt als Tagelöhner gearbeitet. Er habe in Österreich keine Verwandten. Er habe kein Identitätsdokument.

 

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes:

 

Mit dem beim Asylgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 38/2011, (kurz: AsylG 2005) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zukomme (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Im Falle seiner Rückkehr sei der Beschwerdeführer nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (kurz: GFK) gefährdet. Aus den Länderfeststellungen gehe klar hervor, dass die allgemeine Situation in seinem Heimatland keine ernsthafte Bedrohung für sein Leben im Fall seiner Rückkehr darstelle. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Umstände vorgebracht, welche die Annahme rechtfertigen würde, dass er persönlich in seinem Herkunftsstaat Verfolgungen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen wäre. So habe er weder eine konkret gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung noch eine Verfolgungsgefahr ins Treffen geführt, sondern angegeben, dass er aufgrund der wirtschaftlichen Lage Indien verlassen habe, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Die befürchteten Schikanen im Fall seiner Rückkehr durch seine Familie würden nicht die Intensität erreichen, welche den Aufenthalt im Heimatland unzumutbar machen würde. Er könne auch seinen Aufenthaltsort innerhalb Indiens frei wählen, um allfälligen Problemen zu entgehen. Auch sonst drohen in Indien keine Gefahren, welche eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Schließlich gebe es keine Verletzung seiner nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.

 

3. Dagegen wurde innerhalb offener Frist eine Beschwerde eingebracht.

 

Darin bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht entsprechend nachgekommen, da sie seinen psychischen Zustand nicht hinterfragt habe. Jedenfalls sei er ein Mitglied der Akali Dal Mann Partei, deren Mitglieder sowohl von den Sicherheitsbehörden im Punjab, als auch von gewalttätigen Mitgliedern der Akali Dal Amritsar (SAD) Partei verfolgt würden. Auch er sei von Mitgliedern der SAD wegen seiner politischen Tätigkeit misshandelt, gefoltert sowie angezeigt worden und sei traumatisiert. Das Bundesasylamt habe seinen psychischen Zustand jedoch nicht beachtet und versucht, ihn einzuvernehmen. Wegen seines Traumas und einer schweren Depression sei er aber nicht in der Lage gewesen, sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren und seine Verfolgungssituation detailliert darzulegen. Da er krank und nicht verhandlungsfähig sei, ersuche er, zu seinem psychischen Zustand ein Gutachten eines Neurologen oder Psychotherapeuten einzuholen.

 

Weiters habe er Angst vor Sicherheitsorganen und bei der Asylbehörde deshalb angegeben, lediglich aus wirtschaftlichen Gründen ins Bundesgebiet eingereist zu sein, um die Einvernahme möglichst schnell hinter sich zu bringen.

 

Ferner werde er in Indien auch wegen seiner Homosexualität verfolgt. Wie er bereits mehrmals erwähnt habe, sei er von seinen Eltern als Schande für die Familie bezeichnet und mit dem Umbringen bedroht worden, falls er zurückkehren sollte.

 

Des Weiteren habe die Behörde von den allgemeinen Länderberichten über Indien lediglich jene Teile als Entscheidungsgrundlage herangezogen, welche gegen ihn verwendet werden könnten. Schließlich sei er bereit, der Behörde bei Bedarf Beweismittel zur Verfügung zu stellen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und stellte am 12.08.2011 den gegenständlichen Asylantrag. Er leidet weder an einer lebensbedrohenden Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er ist erwerbsfähig. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.

 

Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen Indiens und zu seinen Befürchtungen im Falle seiner Rückkehr nach Indien wird sein Vorbringen zum Asylantrag vor dem Bundesasylamt zugrunde gelegt. Diesem Vorbringen kommt jedoch weder Asylrelevanz zu, noch führt dieses zur Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien, noch zur Unzulässigkeit seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Indien (vgl. die Ausführungen zu den Punkten II.3.1. bis II.3.3.).

 

1.2. Das Bundesasylamt traf u.a. folgende länderkundliche Feststellungen zu Indien:

 

"[...]

 

Rückkehrfragen

 

Grundversorgung

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem von den Vereinten Nationen veranschlagten Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Freunde angewiesen.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand Dezember 2010, 19.1.2011)

 

Nach vier Jahren mit ca. 9% Wachstum und einer im Vergleich leichten Abschwächung 2008 befindet sich Indien wieder auf einem kräftigen Wachstumspfad von 8,6%. Indien ist unter den großen Volkswirtschaften die nach China weltweit am stärksten expandierende Volkswirtschaft. Bei derzeit 1,2 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen.

 

Ungeachtet dieses beeindruckenden Wachstums bleibt Indien mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von nur 1185 USD und enormen Defiziten in der sozialen Infrastruktur weiterhin ein Entwicklungsland, 28% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf/Tag und mehr als 50% von weniger als 2 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP steht Indien auf Platz 119 unter 169 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt es bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Indien ist weiterhin von extremen wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen geprägt.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Indien, Wirtschaft, Stand März 2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 4.5.2011)

 

Das primäre Ziel der indischen Verfassung ist soziale Gerechtigkeit. Sie schützt die Würde des Menschen und garantiert allen Bürgern das fundamentale Recht der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Verfassung gewährleistet, dass niemand aufgrund seiner Religion, Rasse, Kaste, seines Geschlechts oder Geburtsorts diskriminiert wird. Sie garantiert die Gleichheit in Bezug auf Arbeitsmöglichkeiten und gewährleistet persönliche Freiheit beispielsweise durch das Recht auf Redefreiheit, Leben, freie Entfaltung und Religionsfreiheit.

 

Die Directive Principles führen diese Verpflichtungen noch einen Schritt weiter, indem sie den Staat verpflichten, eine umfangreiche Reihe von Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, einschließlich kostenloser Rechtshilfe sowie dem Recht der Bürger auf Arbeit, Bildung und öffentliche Unterstützung. Darüber hinaus verpflichten sie den Staat zur Sicherstellung eines Mindestlohns für die arbeitende Bevölkerung.

 

(Internationale Organisation für Migration - IOM: Länderinformationsblatt Indien, August 2010)

 

Medizinische Versorgung

 

Indien verfügt über ein relativ kostengünstiges Gesundheitssystem mit einer weit verbreiteten Verfügbarkeit im eigenen Land hergestellter generischer Medikamente und Impfstoffe. Es wird angenommen, dass die Globalisierung zu einem Anstieg der Medikamentenkosten und damit zu einer Erhöhung der allgemeinen Gesundheitskosten führen wird. Diese Politik empfiehlt Maßnahmen zur Gewährleistung einer gesicherten medizinischen Versorgung auch in Zukunft.

 

Die medizinische Versorgung ist in den meisten städtischen Gebieten recht dürftig. Sofern eine Versorgung vorhanden ist, gibt es keine einheitliche Organisationsstruktur. 30 % der Bevölkerung des Landes lebt in städtischen Regionen und es wird erwartet, dass dieser Anteil bis 2010 auf 33 % ansteigt. Dieser Anstieg wird wahrscheinlich größtenteils durch Migration verursacht, was zu Elendsvierteln ohne unterstützende Infrastruktur führen wird. Selbst die wenigen öffentlichen medizinischen Dienste, die verfügbar sind, können solche ungeplanten Wohnsiedlungen nicht durchdringen, so dass die Menschen private Dienste in Anspruch nehmen und aus eigener Tasche bezahlen müssen. Die zunehmende Fahrzeugdichte in Ballungsgebieten hat darüber hinaus zu einem Anstieg der Zahl schwerer Unfälle, die eine Behandlung in gut ausgestatteten Trauma-Zentren erfordern, geführt.

 

Der Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem ist zwischen den besser gestellten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen sehr ungleich. Aufgrund des Mangels an geeigneten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen wird geschätzt, dass weniger als 20 % der Bevölkerung, die medizinische Hilfe in ambulanten Einrichtungen sucht, und weniger als 45 % der Menschen, die eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung benötigen, die Dienste öffentlicher Krankenhäuser nutzen können. Diesem Verhältnis steht die Tatsache gegenüber, dass die meisten Patienten nicht über die nötigen Mittel für private medizinische Behandlung verfügen; es sei denn auf Kosten anderer notwendiger Ausgaben wie z. B. der eigenen Ernährungsgrundlage. Der allgemeine Mangel an medizinischem Personal ist insbesondere in den unterentwickelten und ländlichen Gebieten unverhältnismäßig groß. Kein bisher in Angriff genommenes Anreizsystem konnte privates medizinisches Personal bisher dazu bewegen, in diese Gebiete umzusiedeln.

 

(Internationale Organisation für Migration (IOM):

Länderinformationsblatt Indien, August 2010)

 

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend. Da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Insbesondere im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut. Fast alle gängigen Medikamente sind auf dem Markt erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand Dezember 2010, 19.1.2011)

 

Die Ressourcen für die Behandlung psychischer Krankheiten in Indien sind begrenzt; etwa 4000 Psychiater kommen auf mehr als eine Milliarde Menschen. Daher beschränkt sich dort die Behandlung auf die medikamentöse Bekämpfung der Symptome. Rehabilitation und psychosoziale Intervention werden oft vernachlässigt und sind kaum erhältlich. Um auch Derartiges anbieten zu können, hat eine Gruppe von psychiatrisch tätigen Medizinern, Philanthropen, Familien von Patienten und anderen Interessenvertretern 1984 die Schizophrenia Research Foundation (SCARF) gegründet.

 

(E+Z (Rangaswamy Thara, Sujit John): Schwerpunkt - Indische Schizophrenie. In: E+Z, 2009/02, http://www.inwent.org/ez/articles/087263/index.de.shtml; Zugriff 4.5.2011, S. 60-61.)

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Die Erlangung der erforderlichen Dokumente ist für Heimkehrer dank des gut ausgebildeten Netzwerks auf Regierungs-, NGO-und Firmenebene sehr einfach. Es hängt von dem jeweils erforderlichen Kommunikationskanal ab.

 

(Internationale Organisation für Migration (IOM):

Länderinformationsblatt Indien, August 2010)

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme von Seiten des Staates zu befürchten. Polizeilich gesuchte Personen werden allerdings den Sicherheitsbehörden übergeben. Zu staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand Dezember 2010, 19.1.2011)"

 

Diese Quellen stimmen auch mit der beim Asylgerichtshof aufliegenden Berichtslage überein und sind nicht zu beanstanden. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Feststellungen an.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes Beweis erhoben.

 

Der Beschwerdeführer stammt nach seiner eigenen Angabe aus Indien; dass diese stimmt, davon war auch aufgrund einer gewissen geographischen Orientiertheit des Beschwerdeführers und seiner Kenntnis der Landessprachen Punjabi und etwas Hindi auszugehen. Nähere Feststellungen zu seiner Identität konnten dagegen in Ermangelung von glaubhaften Dokumenten nicht erfolgen.

 

Die zitierten Unterlagen, auf denen diese Länderfeststellungen beruhen, stammen von angesehenen staatlichen Einrichtungen. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, sich darauf zu stützen. Soweit es sich um Quellen älteren Datums handelt, können diese, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse, nach wie vor als aktuell bezeichnet werden. Umstände, die an der Richtigkeit dieser Berichte zweifeln ließen, wurden im Verfahren nicht aufgezeigt.

 

Der Beschwerdeführer hat bereits vor dem Bundesasylamt ausdrücklich angegeben, dass er in Indien keine Sanktionen von staatlicher Seite zu befürchten habe. Er werde weder von den Behörden seines Heimatstaates gesucht, noch bestehe ein Haftbefehl gegen ihn. Er habe ein einwandfreies Leumundszeugnis in seiner Heimat. Ebenso wurden vom Beschwerdeführer keine Ausführungen getätigt, welche eine Verfolgung durch Privatpersonen ergeben hätten.

 

Vielmehr begründete er seine Ausreise aus seinem Heimatland bereits bei der Erstbefragung ausschließlich mit der Armut seiner Familie. Aus diesem Grund habe er sein Heimatland verlassen, um im Ausland Geld für den Erhalt seiner Familie zu verdienen. Bei der Schilderung seines Reisewegs gab er abschließend bekannt, dass Österreich sein Zielland gewesen sei und er ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen ins Bundesgebiet eingereist sei. Ergänzend führte er bei seiner Einvernahme aus, dass die Tagelöhnerarbeiten in Indien schmutzig und mit viel Staub verbunden seien. Er sei jedoch gegen Staub allergisch und bekäme sofort einen Ausschlag. Er habe schon viele Medikamente probiert und sein halbes Einkommen aufgewendet; jedoch ohne Erfolg. Außerdem hätte er mit seiner lediglich fünfjährigen Schulbildung insgesamt keine guten Berufsaussichten.

 

Zum nunmehr in der Beschwerde behaupteten Vorliegen einer Traumatisierung und einer schwergradigen Depression, wodurch der Beschwerdeführer bei seinen Einvernahmen nicht in der Lage gewesen wäre, sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren und seine Verfolgungssituation detailliert zu schildern, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass sich für das Vorliegen einer derartigen gesundheitlichen Beeinträchtigung weder Anhaltspunkte im Verfahren ergeben haben, noch hat der Beschwerdeführer selbst über allfällige Anzeichen wie Konzentrationsschwierigkeiten oder Gedächtnislücken geklagt. Vielmehr hat er Beschwerden, welche ihn daran hindern würden, der Einvernahme zu folgen, ausdrücklich verneint.

 

Ferner hat er die an ihn gerichteten Fragen nachvollziehbar und stimmig beantwortet. Vor allem seine Ausführungen, dass er mangels ausreichender Schulbildung bloß Tagelöhnerarbeiten bekäme, welche er aber wegen seiner Stauballergie, die sich auch durch Medikamente nicht verbessert hätte, nicht längerfristig ausüben könnte, sind plausibel und passen stimmig in das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers. Ebenso steht seine bei der Erstbefragung geäußerte Rückkehrbefürchtung, wonach ihn seine Familie mit Sicherheit schikanieren und misshandeln würde, weil es ihm nicht gelungen sei, für sie finanziell zu sorgen, im Einklang mit seinem übrigen Vorbringen.

 

Die in diesem Zusammenhang gebotene Erklärung, wonach der Beschwerdeführer vor den Sicherheitsbehörden Angst gehabt und deshalb angegeben hätte, aus wirtschaftlichen Gründen ins Bundesgebiet eingereist zu sein, um die Einvernahme möglichst schnell hinter sich zu bekommen, ist nicht glaubwürdig. Wie nämlich aus dem Protokoll zur Erstbefragung ersichtlich ist, machte der Beschwerdeführer sehr umfangreiche Angaben zu seinem Reiseweg, obwohl es sich beim einvernehmenden Organ um einen uniformierten Beamten gehandelt hat.

 

Es sind insgesamt im asylrechtlichen Verfahren keine konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers hervorgekommen, die die Notwendigkeit medizinischer Untersuchungen ergeben hätten. Er hat ausdrücklich bestätigt, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Ferner wurden weder medizinische Befunde oder Unterlagen vorgelegt, noch liegen Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer aktuell in medizinischer Behandlung steht oder Medikamente einnimmt. In Anbetracht dessen war eine Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie oder einen Psychotherapeuten entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht angezeigt. Der Beschwerdeführer hat wiederholt übereinstimmend vorgebracht, nur aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen zu haben.

 

Was seine erst in der Beschwerde vorgebrachten Behauptungen, er werde als Mitglied der Akali Dal Mann Partei von den Sicherheitsbehörden sowie wegen seiner Homosexualität verfolgt, ist auf das Neuerungsverbot nach § 40 Abs. 1 AsylG 2005 im asylgerichtlichen Beschwerdeverfahren hinzuweisen (vgl. dazu Punkt II.3.4.).

 

Der Beschwerdeführer hat zusammenfassend keine konkrete Verfolgung oder sonstige Umstände vorgebracht, welche bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine tatsächliche Gefahr für sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit darstellen könnten. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr einer aktuellen oder drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers erkannt werden. Das Bundesasylamt hat mit dem Beschwerdeführer eine (vor dem Hintergrund seines Vorbringens) eingehende Einvernahme durchgeführt; weiters wurde der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung durch einen Vertreter des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt. Das Bundesasylamt hat den Beschwerdeführer konkret und ausreichend zu seinen Ausreisegründen befragt. Es ist daher insgesamt vor dem Hintergrund des Fluchtvorbringens entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht erforderlich, den Beschwerdeführer bei einer mündliche Verhandlung zu befragen (vgl. Punkt II.3.5.).

 

3. Rechtliche Erwägungen zur - zulässigen - Beschwerde:

 

3.1. Zur Abweisung des Asylantrags (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

3.1.1. Zur Regelung des § 3 Abs. 1 AsylG 2005: Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie], verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011, 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

3.1.2. Im konkreten Fall liegen die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, die sich im Herkunftsstaat auswirken würde.

 

3.2. Zur Abweisung des Antrags auf subsidiären Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

3.2.1. Zur Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005:

 

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß § 8 Abs. 1 oder aus den Gründen des § 8 Abs. 3 oder Abs. 6 abzuweisen, hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Gründe vorliegt (Z 1), der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist, wobei einer solchen Verurteilung eine durch ein ausländisches Gerichts gleichzuhalten ist, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der Novelle 2003 iVm § 57 FrG zu geschehen hatte. Diese Bestimmung lautete in ihrer Stammfassung: "Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden."

 

Durch BGBl. I Nr. 126/2002 erhielt § 57 Abs. 1 FrG seine zuletzt geltende Fassung, die wie folgt lautete: "Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde."

 

Die Novellenfassung unterscheidet sich mithin von der Stammfassung dadurch, dass auf die Annahme stichhaltiger Gründe verzichtet wurde und dass an die Stelle der Formulierung "einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe" die Verweisung auf die entsprechenden Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge: EMRK) gesetzt wurde. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle motivieren die Änderung wie folgt (1172 BlgNR 21. GP, 35): "Die Änderungen in § 57 Abs. 1 tragen dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Fall Ahmed gegen Österreich Rechnung, dienen der Umsetzung dieses Erkenntnisses und entsprechen den Intentionen des Gerichtshofes. Somit ist klargestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Betroffenen Gefahr laufen, dort unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden oder dies sonst eine unmenschliche Behandlung ist."

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass der durch die Novelle geänderte Text des § 57 Abs. 1 FrG das unmittelbar zum Ausdruck bringe, was er schon zur Stammfassung judiziert hatte (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573; 28.6.2005, 2005/01/0080), dass sich mithin am Inhalt nichts geändert habe. Das muss auch für die Frage gelten, ob etwa dadurch, dass die Novelle die Bedrohung mit der Todesstrafe im Gesetzestext durch den Hinweis auf das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. 138/1985, ersetzt, zu einer Minderung des Schutzes von Fremden führen sollte, erlaubt doch Art. 2 dieses Protokolls "die Todesstrafe für Taten [...], welche in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden". Zweifellos war eine solche Minderung nicht beabsichtigt (vgl. Putzer/Rohrböck, Asylrecht. Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005 [2007] Rz. 197 mwN).

 

Vergleicht man nun den so verstandenen § 57 Abs. 1 FrG mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005, so zeigen sich zwei Unterschiede: Zum einen bezieht sich § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch auf das Protokoll Nr. 13 zur EMRK, BGBl. III 22/2005, zum anderen wird im zweiten Teil des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iW Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (dazu EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07) wiederholt. Zum ersten Punkt ergibt sich schon aus dem zuvor Gesagten, dass der Schutz gegenüber § 57 Abs. 1 FrG nicht erweitert worden ist, da auch diese Bestimmung bei drohender Todesstrafe die Abschiebung untersagte (das Protokoll Nr. 13 erlaubt gegenüber dem Protokoll Nr. 6 die Todesstrafe auch nicht mehr ausnahmsweise). Zum zweiten Punkt ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon zu § 57 Abs. 1 FrG davon ausgegangen ist, eine extreme Gefahrenlage, die in einem Staat herrscht und durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, könne der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; 17.09.2008, 2008/23/0588; in diesem Sinne auch VwGH 22.3.2002, 98/21/0004; 14.01.2003, 2001/01/0432). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, der solche extreme Gefahrenlagen zumindest als wesentliches Element bei der Prüfung, ob die Rückführung zulässig ist, ansieht (zB 30.10.1991, Vilvarajah ua. gegen das Vereinigte Königreich, Z 108; 17.12.1996, Ahmed gegen Österreich, Z 44; 26.4.2005, Müslim gegen die Türkei, Z 66; 17.07.2008, NA gegen das Vereinigte Königreich, Z 113). Auf dieser Grundlage wird auch im Schrifttum die Ansicht vertreten, die erste Variante des § 8 Abs. 1 AsylG decke "immer auch jene Fälle ab [...], die unter die zweite Variante fallen"; die im zweiten Fall angesprochenen Sachverhalte würden vom Verwaltungsgerichtshof unter den Schutzbereich des Art. 3 EMRK subsumiert. Im Ergebnis seien Umstände, die unter den zweiten Fall fielen, immer auch vom ersten Tatbestand umfasst (Putzer/Rohrböck, Asylrecht, Rz. 199). Bei diesem Befund ist auf die Differenzierung, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Urteil Elgafaji (Rs. C 465/07 vom 17.02.2009) zwischen den Tatbeständen des Art. 15 lit. b (der in seiner Textierung Art. 3 EMRK entspricht) und Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83 des Rates (sog. Statusrichtlinie) vorgenommen hat, nicht weiter einzugehen (vgl. dazu AsylGH 11.05.2009, C5 309.519-1/2008/4E).

 

Da somit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 inhaltlich dem § 8 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 FrG entspricht, kann zu seiner Auslegung insoweit die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BGBl I Nr. 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I Nr. 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059; 19.02.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt. Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (vgl. die vorhin wiedergegebene Rsp. des VwGH; vgl. die Formulierung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und die oben erörterte Abgrenzung des Schutzumfanges des Art. 3 EMRK zu Art. 15 lit. c Statusrichtlinie). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

3.2.2. Wie zuvor ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der GFK potentiell bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde. Es besteht in Indien nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Der Asylgerichtshof kann nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) in eine lebensbedrohende Situation geraten würde: Dem gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer kann zugemutet werden, in seiner Heimat zumindest mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zumal er sich den überwiegenden Teil seines Lebens in Indien aufgehalten hat und die dortigen Sprachen Punjabi und etwas Hindi spricht. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021).

 

Was das Vorbringen, des Beschwerdeführers zu seiner Staubunverträglichkeit angeht, kann nicht angenommen werden, dass diese Gesundheitsstörungen von jener besonderen Schwere (wie etwa AIDS im letzten Stadium) ist, die erforderlich ist, um die Außerlandesschaffung eines Fremdes nach der Judikatur des EGMR als in Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend erscheinen zu lassen (vgl. dazu etwa dessen Entscheidung im Fall D. gegen Vereinigtes Königreich, 02.05.1997, Rs 30.240/96; sowie dessen Entscheidungen Ovdienko gegen Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04, und Ndangoya gegen Schweden, 22.6.2004, Rs 17868/03; vgl. überdies VfSlg. 18.407/2008). Es ist aber nach den Länderfeststellungen davon auszugehen, dass eine allfällig notwendige medizinische Versorgung in Indien möglich ist.

 

Somit sind keine Umstände hervorgetreten, die zu einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention führen könnten und es ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3.3. Zur Ausweisung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

 

3.3.1. Gemäß der Ausweisungsregelung des § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird und überdies - wie hier - kein Aberkennungsgrund (iSd § 9 Abs. 2 AsylG 2005) vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine Ausweisung unzulässig, wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde. § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 zählt Umstände auf, die dabei insbesondere zu berücksichtigen sind. Würde die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet und insbesondere im Hinblick darauf abzusprechen, ob sie gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig ist. Dies ist nur dann der Fall, "wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind". Dies wiederum "ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht" verfügen, unzulässig wäre.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 EMRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Punkt IV.2.1), das zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG 2005 ergangen ist (nämlich zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997), beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG 2005 vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Punkt IV.3.2]; vgl. VfSlg. 18.224/2007, wo der VfGH - anlässlich einer auf § 10 AsylG 2005 gestützten Ausweisung - auf das zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997 ergangene Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 verweist):

 

"§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR hat der Verfassungsgerichtshof wie folgt zusammengefasst (VfSlg. 18.223/2007, 18.224/2007; vgl. weiters VfSlg. 18.417/2008, 18.524/2008, 18.832/2009, 18.846/2009; VfGH 28.04.2009, U 847/08; 03.09.2009, U 61/09; VwGH 23.9.2009, 2006/01/0954, mwN; 21.1.2010, 2008/01/0637; 15.03.2010, 2007/01/0537, mwN; 21.06.2010, 2006/19/0451; 09.09.2010, 2006/20/0176):

 

"Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die [...] an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird [...], das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [...] und dessen Intensität [...], die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert [...], die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung [...] für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen [...]."

 

Mit den Erkenntnissen VfSlg. 18.832 und 18.846/2009 hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des EGMR dahin zusammengefasst, diese Kriterien seien "u.a.:

 

die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;

 

die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;

 

die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;

 

die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und wenn ja, welches Alter sie haben, und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte in dem Land unter Umständen begegnet, in das der Beschwerdeführer auszuweisen ist."

 

Gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 sind bei der Prüfung, ob die Ausweisung "eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen" würde, insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und "die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war", das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden, die "strafgerichtliche Unbescholtenheit", Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, und "die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren". Nach den parlamentarischen Materialien (EB zur RV, 88 BlgNR 24. GP, 2 f.) wurden damit die in den Erkenntnissen VfSlg. 18.223/2007 und 18.224/2007 dargestellten Kriterien sinngemäß in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 aufgenommen. Damit solle die gebotene Interessenabwägung "im Gesetz abgebildet werden", ohne dass damit eine inhaltliche Änderung der Rechtslage verbunden wäre. Durch die Regelung werde weder eine zusätzliche formelle noch eine inhaltliche Änderung der Prüfung der Unzulässigkeit der Ausweisung geschaffen.

 

3.3.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen.

 

Zunächst kann nicht angenommen werden, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers in seine nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte auf Familienleben eingreifen würde, zumal er angegeben hat, dass sich keine weiteren Angehörigen in Österreich aufhalten.

 

Was eine allfällige Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privatleben angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle spielt, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), ist Derartiges auch im Fall des Beschwerdeführers anzunehmen, der sich erst seit rund zwei Monaten in Österreich befindet und bisher nur auf Grund eines Asylantrages zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch VwGH 09.05.2003, 2002/18/0293, wonach dies anders zu beurteilen ist, wenn [fallbezogen] "nicht festgestellt wurde, dass der Asylantrag [...] von vornherein - und nicht etwa wegen einer geänderten Lage im Kosovo - unberechtigt gewesen wäre"; weiters VfSlg. 18.224/2007, wonach bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, ob sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, und daran anschließend VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216). Weiters hat der Beschwerdeführer in Österreich kein eigenes Einkommen. Es sind vom Beschwerdeführer auch weder im Verfahren vor dem Bundesasylamt noch vor dem Asylgerichtshof Aspekte aufgezeigt worden, die aus der Sicht des Art. 8 EMRK für seinen weiteren Verbleib in Österreich sprechen würden. Es ist unter diesen Umständen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer noch weit stärker an seinen Herkunftsstaat als an Österreich gebunden ist.

 

Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zu. Es gibt weiters keine Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in seiner Person liegen und die nicht von Dauer sind bzw. einen Aufschub für die notwendige Zeit erforderlich machen würden, Art. 3 EMRK verletzen könnte.

 

Somit ist die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3.4. Auf das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer werde als Mitglied der Akali Dal Mann Partei von den Sicherheitsbehörden sowie wegen seiner Homosexualität verfolgt, ist durch das in § 40 Abs. 1 AsylG 2005 normierte Neuerungsverbot im asylgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht weiter einzugehen. Es ist auch weder ersichtlich, dass das Verfahren des Bundesasylamtes mangelhaft war (vgl. Punkt II.3.5.), noch dass der Beschwerdeführer (etwa aus gesundheitlichen Gründen - dazu II.2.4.) nicht in der Lage gewesen wäre, dieses Vorbringen bereits im Verfahren vor der belangten Behörde vorzubringen. Es liegen auch nicht die übrigen Ausnahmefälle nach § 40 Abs. 1 AsylG 2005 vor.

 

Der Beschwerdeführer wurde vor dem Hintergrund seines Vorbringens ausreichend zu seinen Ausreisegründen befragt.

 

3.5. Es ist daher entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht davon auszugehen, dass es zu einem mangelhaften Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt gekommen ist und weitere Erhebungen oder Einvernahmen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtvorbringen erforderlich sind. Der festgestellte Sachverhalt, die Beweiswürdigung und die rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid und sind nicht zu beanstanden. Auch in der Beschwerde wurde nichts Entscheidungswesentliches vorgebracht.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Aus dem Akteninhalt des Bundesasylamtes ist die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar. Mit der Beschwerde wurde nichts weiteres Entscheidungsrelevantes vorgebracht; eine fallbezogene Auseinandersetzung mit den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes fand nicht statt, insbesonders eine Aufklärung der widersprüchlichen Aussagen bzw. den Ausführungen zur inländischen Fluchtalternative. Dem Asylgerichtshof liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich erörtert hätte werden müssen (vgl. II.2.4).

 

Da die Voraussetzungen im Sinne der oben bezeichneten Bestimmungen im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt sind, konnte hier von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Ausreiseverpflichtung, Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Identität, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, non refoulement, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
14.11.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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