TE OGH 2009/11/25 3Ob224/09a

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Veröffentlicht am 25.11.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***** KG, *****, vertreten durch Mag. Thomas Riedler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhard Lingner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 122.214,76 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. August 2009, GZ 3 R 73/09i-33, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 2. März 2009, GZ 2 Cg 80/08w-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Am 21. Dezember 2006 schlossen die beklagte GmbH (als „Lieferantin") und ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen (im Folgenden „Abnehmer") sowie die klagende KG (als „Vermittlerin und Logistikpartnerin") einen (einzigen) - als „Kaufvertrag" übertitelten - Vertrag. Entsprechend einer Geschäftsidee des Geschäftsführers der Vermittlerin und Logistikpartnerin wurde die Lieferung bzw Abnahme eines im Betrieb der Lieferantin anfallenden - und ansonsten nur als Abfall zu entsorgenden - Gummigranulats an die Abnehmerin vereinbart.

Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

„I. Präambel

... Der Vermittler, die Firma Frank S***** KEG, ist ein

Exklusivpartner des Käufers. Der Abnehmer und der Lieferant erachten

diese Firma als Koordinator und Logistikpartner.

II. Gegenstand des Vertrages

... Der Abnehmer und der Lieferant haben vereinbart, dass der

Vermittler und Logistikpartner sämtliche angeführten Dienstleistungen

exklusiv durchführen wird ... III. Transport

... Der Käufer beauftragt für die Logistik, den Transport und die

Koordination der entnommenen und gelieferten Mengen ausschließlich

die Firma Franz S***** KEG ...,

VI. Höhere Gewalt

Der Abnehmer und der Lieferant haben vereinbart, dass im Falle einer

höheren Gewalt die Lieferungen der Fertigungsmaterialien eingestellt

oder ganz aufgelassen werden können. Der dadurch entstandene Zustand

wird nicht als Vertragsbruch betrachtet.

Unter einer höheren Gewalt werden Wetterbedingungen verstanden, welche die Abnahme des Materials verhindern, neue restriktive Legislativbestimmungen, neue Gesetze, die den Import des Fertigungsmaterials untersagen, ..."

Am 15. Juli 2006 trat die Verordnung (EG) Nr 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen („Verbringungsverordnung") in Kraft; seit 12. Juli 2007 gilt diese Verordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar. Sie trifft ua Vorkehrungen für den Fall, dass eine Verbringung nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann. Bestimmt wird, dass ein Vertrag zu schließen ist, in welchem festgelegt sein muss, welcher der Vertragspartner in einem solchen Fall die Kosten einer allfälligen Rücknahme, Verwertung oder Lagerung des Abfalls trägt (Art 18).

Am 20. September 2007 kündigte die nunmehr beklagte Lieferantin den Vertrag vom 21. Dezember 2006 unter Berufung auf dessen Pkt VI mit der Begründung auf, dass durch die (geänderte) Verbringungsverordnung eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei und ohne Abschluss des nunmehr erforderlichen Vertrags eine Verbringung nicht mehr möglich wäre. Wenig später kündigte der Abnehmer das Vertragsverhältnis zur Klägerin mit sofortiger Wirkung auf. Bereits am 17. Oktober 2007 schlossen die Beklagte und die bisherige Abnehmerin einen neuen Liefervertrag. Die Abnehmerin sorgt nunmehr selbst für Transport und Logistik. Sie stellt einen tschechischen Transporteur bei, der den Transport pro Tonne um 5 EUR pro Tonne billiger abwickelt als die Klägerin.

Die Beklagte zahlt für die Abnahme des Gummigranulats auch nach Abschluss der neuen Vereinbarung - wie bereits bisher - 42 EUR pro Tonne.

Die Klägerin begehrt (nach Klageausdehnung) die Zahlung von 122.214,76 EUR sA an entgangenem Gewinn.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0112106). Ob zwischen den Prozessparteien eine Vertragsbeziehung anzunehmen ist oder nicht, betrifft ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042776 [T37]). Im Hinblick auf die im Vertragspunkt III. enthaltene Formulierung, ist das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis jedenfalls vertretbar, es sei lediglich vom Zustandekommen eines Logistikvertrags zur Abnehmerin, nicht aber auch zur Beklagten auszugehen (zur Rechtsnatur und dem Inhalt eines derartigen Vertrags siehe 4 Ob 180/07k mwN).

2. Wie sich aus Vertragspunkt II. ergibt, fehlt zwischen den Streitteilen freilich nicht jede vertragliche Beziehung. Dieser Vertragspunkt ist dahin zu verstehen, dass die von der Beklagten der Klägerin geschuldete (Haupt-)Leistung darin liegt, nach Treu und Glauben alles zu unterlassen, was deren wirtschaftliches Interesse an der Abwicklung und dem Fortbestand des Logistikvertrags zur Abnehmerin gefährden könnte. Diese Verbindlichkeit umfasst - wie aus dem Vertragszweck insgesamt ableitbar ist - auch die Verpflichtung, den Liefervertrag nicht ohne Vorliegen eines wichtigen Grunds vorzeitig zu beenden.

3. Ein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des Liefervertrags läge für die Beklagte nur dann vor, wenn dessen Einhaltung durch außerhalb ihrer Verantwortung liegende Umstände erheblich gefährdet würde und ihr deshalb nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar wäre (RIS-Justiz RS0027780 [T21] = SZ 71/141; 8 Ob 628/91). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, es liege kein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Liefervertrags vor, weil der geänderte Art 18 der VO (EG) Nr 1013/2006 (VerbringungsVO) bereits ein halbes Jahr vor Vertragsabschluss, nämlich seit 15. Juli 2006 in Kraft getreten war und seit diesem Tag dem Rechtsbestand angehört hat. Für den Geschäftsführer der beklagten GmbH war das Erfordernis einer erforderlichen Vereinbarung über die Risikotragung im Falle des Scheiterns der Verbringung somit bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar, sodass Art 18 der VerbringungsVO - auch wenn er erst im Juli 2007 in Geltung trat, keine „neue Legislativbestimmung" iSd Vertragspunktes VI. darstellt, die eine vorzeitige Auflösung des Liefervertrags rechtfertigen könnte.

4. Wie sich aus Vertragspunkt VII. ergibt, wurde der Liefervertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung sind unbefristete Dauerschuldverhältnisse mangels einer gegenteiligen Vereinbarung unter Setzung einer angemessenen Frist idR auch durch ordentliche Kündigung auflösbar, doch muss immer gemäß § 914 ABGB die Absicht der Parteien maßgebend sein, welche unter Umständen auch darauf gerichtet sein kann, die freie Kündbarkeit ohne Angaben von Gründen nicht ohne weiteres zuzulassen (RIS-Justiz RS0018924). Den Revisionsausführungen ist insofern zu folgen, als aufgezeigt wird, der Beklagten sei nicht zu unterstellen, sie habe den Liefervertrag durch ordentliche Aufkündigung beenden wollen. Gegen diese Annahme spricht vor allem, dass sich die Beklagte in ihrer Auflösungserklärung ausdrücklich auf das Recht auf vorzeitige Auflösung des Vertrags nach Vertragspunkt VI., nicht jedoch auf das Recht zur ordentlichen Kündigung berufen hat. Außerdem hat sie während des gesamten Verfahrens nicht behauptet, sie hätte das ordentliche Kündigungsrecht in Anspruch nehmen wollen.

5. Dass kein wichtiger Grund für die Auflösung des Liefervertrags gegeben ist und die Auflösungserklärung der Beklagten auch nicht als ordentliche Kündigung zu werten ist, lässt eine Klagsstattgebung aber noch nicht zu, da als weitere Ursache für den Schaden das Handeln des tschechischen Abnehmers hinzukam. Für den Erfolg des Klagebegehrens ist deshalb das von der Klägerin in erster Instanz erstattete Vorbringen zur Kollusion maßgeblich. Dieses Vorbringen wurde nach Ansicht des Berufungsgerichts in der Berufung nicht mehr aufrechterhalten. Ob - wie die Revisionswerberin nunmehr behauptet - ihr Berufungsvorbringen doch ausreichen sollte, um davon auszugehen, sie habe auch noch im Berufungsverfahren behauptet, die Abnehmerin und die Beklagte hätten die auf der Geschäftsidee der Klägerin beruhende Geschäftsbeziehung unter deren rechtswidriger Ausschaltung in sittenwidrigem und kollusivem Zusammenwirken hinkünftig direkt abwickeln wollen, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Anmerkung

E925403Ob224.09a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00224.09A.1125.000

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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