TE OGH 2009/12/17 6Ob197/08a

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Veröffentlicht am 17.12.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M***** Z*****, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in Graz, wegen 6.133,64 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 25. April 2008, GZ 2 R 92/08a-31, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 26. Dezember 2007, GZ 248 C 40/07y-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (davon 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Dezember 1992 einvernehmlich geschiedenen Ehe der Streitteile entstammt die am 25. 12. 1987 geborene Tochter Kerstin.

Der Kläger wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. 3. 1999 verpflichtet, seiner Tochter ab 1. 9. 1999 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 3.800 S (das entspricht 276,76 EUR) zu bezahlen.

Nachdem seine Tochter nach der Wiederverehelichung ihrer Mutter den Familiennamen mit Zustimmung des Klägers geändert hatte, brach der Kontakt zwischen ihm und seiner Tochter ab. Seine letzte Information über seine Tochter stammte aus dem Jahr 1997, wonach sie das Gymnasium besuchte. Sie beantwortete von ihrem Vater gesendete SMS und von ihr erhaltene nicht.

Nachdem die Tochter den Schulbesuch abgebrochen hatte, begann sie im August 2003 eine Lehre als Friseurin. Sie bezog während der drei Jahre dauernden Lehre eine monatliche Lehrlingsentschädigung. Von dieser Tatsache verständigten weder die Tochter noch die Beklagte den Kläger. Im Jahr 2006 begegneten einander die Streitteile zufällig. Die Beklagte teilte dem Kläger auch bei dieser Gelegenheit nicht mit, dass die Tochter Lehrlingsentschädigung bezieht.

Nachdem der Kläger vom Lehrverhältnis seiner Tochter erfahren hatte, beantragte er am 23. 5. 2006 beim Pflegschaftsgericht, ihn von der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter ab 1. 6. 2006 zu befreien.

Da der Kläger vom Bezug der Lehrlingsentschädigung nichts wusste und deshalb die Unterhaltsbeträge wie bisher leistete, entstand von August 2003 bis Juli 2004 eine monatliche Überzahlung von etwa 114 EUR, von August 2004 bis Juli 2005 eine monatliche Überzahlung von etwa 167 EUR und von August 2005 bis Dezember 2005 eine monatliche Überzahlung von etwa 276 EUR.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage zuletzt die Zahlung von 6.133,64 EUR sA. Die Beklagte, an die er als gesetzliche Vertreterin der gemeinsamen Tochter die Unterhaltszahlungen erbracht habe, hätte ihn vom Schulabbruch und von dem Eingehen des Lehrverhältnisses der gemeinsamen Tochter verständigen müssen. Da sie dies unterlassen habe, hafte sie ihm schadenersatzrechtlich für den vom 1. 8. 2003 bis 31. 5. 2006 seiner Tochter zu viel gezahlten Unterhalt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei passiv nicht legitimiert, weil sie nicht die Unterhaltsgläubigerin sei. Die Unterhaltsberechtigte habe die Unterhaltszahlungen in gutem Glauben verbraucht. Der behauptete Schaden sei ein nicht ersatzfähiger bloßer Vermögensschaden. Ein Schaden läge nur vor, wenn der zu viel gezahlte Betrag von der Unterhaltsberechtigten nicht mehr hereingebracht werden könne. Der Kläger hätte die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit begehren können. Er sei verpflichtet gewesen, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Er hätte daher zu viel gezahlten Unterhalt von seiner Tochter einfordern müssen. Er habe gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. In den vergangenen Jahren habe er sich nie nach dem Ausbildungsweg seiner Tochter erkundigt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Kinder im Alter von 15 oder 16 Jahren die Schulausbildung abbrechen und eine Lehre beginnen.

Das Erstgericht gab der Klage mit 4.759,44 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass die Beklagte trotz ihrer als allein Obsorgeberechtigte aus § 178 Abs 1 ABGB folgenden Verpflichtung, den nicht mit der Obsorge betrauten Kläger vom Schulabbruch, Eingehen des Lehrverhältnisses und dem Eigeneinkommen seiner Tochter zu verständigen, diese Informationen unterlassen habe. Sie habe den Schaden des Klägers zumindest aus schuldhafter Unwissenheit verursacht. Aus der Parteienvernehmung des Klägers gehe jedoch hervor, dass er die Rückzahlung der zu viel bezahlten Unterhaltsbeträge für die Zeit ab Dezember 2005 - Eintritt der Volljährigkeit seiner Tochter - nicht mehr begehre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, nicht jedoch jener der Beklagten. Es änderte die angefochtene Entscheidung dahin, dass es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. § 178 ABGB bedeute nicht nur eine Informationsverpflichtung im Sinn des Kindeswohls, sondern auch in Beziehung auf die Elternschaft bzw das Verhältnis zwischen Eltern und Kind betreffend. Es handle sich insofern auch um ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB. Der Kläger sei daher im Rahmen seines Schadenersatzanspruchs berechtigt gewesen, den zu viel bezahlten Unterhalt für die Zeit von August 2003 bis Mai 2006 von der Beklagten zurückzuverlangen. Grund für die Überzahlung sei nämlich (auch) die Tatsache gewesen, dass die Mutter bei Eintritt der Änderung im Jahr 2003 und danach den Vater nicht davon informiert habe und er daher auch keinen Unterhaltsherabsetzungsantrag habe stellen können. Dies habe bis Mai 2006, über den Eintritt der Volljährigkeit der Tochter hinaus, gewirkt. Dass der Kläger gegenüber seiner Tochter keine Ansprüche für den relevanten Zeitraum geltend gemacht habe, verhindere seinen Anspruch aus dem Titel des Schadenersatzes nicht. Da die Aussage in der Parteienvernehmung keinesfalls als Verzicht des Klägers auf den auch für Jänner bis Mai 2006 eingeklagten Anspruch zu werten sei, sei die Berufung des Klägers berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Rückforderung von zu viel bezahltem Unterhalt „bei der gegenständlichen Konstellation" nicht vorliege.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst im Wesentlichen geltend, dass § 178 ABGB kein Schutzgesetz für das Vermögen des Unterhaltspflichtigen sei. Ein Schaden des Klägers läge nur vor, wenn der zu viel bezahlte Betrag von der Unterhaltsberechtigten nicht mehr hereingebracht werden könnte. Das habe der Kläger, der den zu viel gezahlten Unterhalt von der unterhaltsberechtigten Tochter gemäß § 1431 ABGB rückfordern könne, nicht einmal behauptet. Der Kläger habe auch gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, hätte er sich doch in regelmäßigen Abständen nach der Ausbildung seiner Tochter oder den von ihr eingeschlagenen Berufsweg erkundigen können. Eine Informationspflicht der Beklagten über den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit der Tochter hinaus habe jedenfalls nicht bestanden, sodass sie zur Rückzahlung des nach dem 18. Geburtstag der Tochter zu viel bezahlten Unterhalts nicht verpflichtet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Senat erwogen:

1.1. § 178 Abs 1 ABGB lautet in der Fassung des KindRÄG 2001, BGBl I 2000/135:

„Soweit ein Elternteil nicht mit der Obsorge betraut ist, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von demjenigen, der mit der Obsorge betraut ist, von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 154 Abs 2 und 3, rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu in angemessener Frist zu äußern. Findet trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils ein persönlicher Verkehr mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so stehen diese Rechte auch in minderwichtigen Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt. Die Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht."

Diese Informations- und Äußerungsrechte entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr ablehnt (§ 178 Abs 3 letzter Satz ABGB). Der Entfall dieser Rechte kann als Sanktion auf die rechtswidrige Verweigerung des persönlichen Kontakts gesehen werden (Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 178 Rz 21 mwN).

1.2. § 1311 Satz 2 Fall 2 ABGB regelt die Haftung bei Verletzung von Schutzgesetzen. Schutzgesetze im Sinn dieser Vorschrift sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS00277710); sie sind konkrete Verhaltensvorschriften, die ein Verhalten schon wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit verbieten (10 Ob 15/08s; Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1311 Rz 3; Karollus, Schutzgesetzverletzung 92 f; vgl Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1311 Rz 4a). Die in § 178 Abs 1 ABGB normierte Informationspflicht des obsorgeberechtigten Elternteils (3 Ob 303/02h) ist keine Verhaltensvorschrift in diesem Sinn.

1.3. Zu den in § 178 Abs 1 ABGB genannten wichtigen Angelegenheiten gehören die Beendigung der Schulausbildung und der Beginn einer Berufsausbildung (vgl Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 178 Rz 4 mwN). Eine Unterlassung der Information über diese Umstände, die für den Unterhaltsanspruch des Kindes bedeutsam sein können, führt aus folgenden Überlegungen nicht zu einem auf § 178 Abs 1 ABGB gegründeten Schadenersatzanspruch des informationsberechtigten Unterhaltsschuldners wegen auf der fehlenden Information beruhender Leistung nicht geschuldeten Unterhalts, die bei Erteilung der Information nicht erbracht worden wäre:

1.3.1. Soll das Zuwiderhandeln gegen ein Gesetz einen Schadenersatzanspruch auslösen, muss es jene Interessen verletzen, deren Schutz die Rechtsnorm bezweckt (RIS-Justiz RS0031143). Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte („Rechtswidrigkeitszusammenhang"; RIS-Justiz RS0022933). Entscheidend ist der Normzweck, der durch teleologische Auslegung zu ermitteln ist (RIS-Justiz RS0027553 [T 7]) und für den personalen, gegenständlichen und modalen Schutzbereich bedeutsam ist, wonach sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein müssen (Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² Rz 9; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 8/21).

1.3.2. Die in § 178 ABGB normierten Informations- und Äußerungsrechte sind Ausfluss des durch Art 8 MRK grundrechtlich gewährleisteten Schutzes der Eltern-Kind-Beziehung (G. Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 178 Rz 1). Das Informationsrecht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils verfolgt verschiedene Zwecke (dazu und zum Folgenden: Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 178 Rz 8 mwN). Es soll ihn in die Lage versetzen, sich vom Wohlergehen seines Kindes zu überzeugen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Obsorge vernachlässigt wird. Das Informationsrecht soll dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil auch ermöglichen, am Heranwachsen des Kindes teilzuhaben. Es ist schließlich die notwendige Voraussetzung, dass der nicht obsorgeberechtigte Elternteil sich bei wichtigen Angelegenheiten, die das Kind betreffen, äußern und so auf die das Kind betreffenden Entscheidungen Einfluss nehmen kann.

1.3.3. Das Informationsrecht des § 178 Abs 1 ABGB bezweckt also nicht den Schutz vermögensrechtlicher Interessen des nicht obsorgeberechtigten Elternteils. Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch kann daher wegen fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht auf eine Verletzung des Informationsrechts gestützt werden.

2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 169/08x einem Ehemann, der sich 1990 in einem Scheidungsvergleich zu Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau verpflichtet hatte, einen Rückzahlungsanspruch wegen zu viel geleisteten Unterhalts nach Schadenersatzgrundsätzen zugebilligt. Er ist dabei davon ausgegangen, dass die Unterhaltsberechtigte zur ungefragten Mitteilung der hinsichtlich der Grundlagen des Scheidungsvergleichs geänderten Verhältnisse - Aufnahme einer Ganztagesbeschäftigung im Jahr 1992 - verpflichtet war.

3.1. Der Kindesunterhalt ist gemäß § 140 Abs 1 ABGB von beiden Elternteilen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit anteilig zu leisten. Es besteht keine Solidarschuld (Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 Rz 60 mwN). Eine Pflicht zur Information ohne Verlangen eines Partners im gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnis erwähnt das Gesetz nicht. Bejaht man im Sinn der unter 2. genannten Entscheidung 1 Ob 169/08x eine Pflicht des unterhaltsberechtigten Kindes, dessen Unterhaltsanspruch tituliert ist, zur ungefragten Information über Umstände, die für seinen Unterhaltsanspruch und dessen Bemessung bedeutsam sind, so führte eine Verletzung dieser Pflicht durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes nicht zu einer Schadenersatzhaftung des gesetzlichen Vertreters, haftete doch das Kind gemäß § 1313a ABGB für diese Pflichtverletzung. Entscheidend ist im Anlassfall daher, ob die Beklagte selbst als gesetzliche Vertreterin verpflichtet war, den Kläger über die für den titulierten Unterhaltsanspruch und dessen Höhe bedeutende Beendigung der Schulausbildung und Aufnahme der Lehre (s § 140 Abs 3 ABGB) durch das gemeinsame Kind auch ohne Verlangen des Klägers zu unterrichten.

3.2. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Pflicht zu bejahen:

3.3.1. Eltern haften gemäß § 140 Abs 1 ABGB anteilig für den Unterhalt ihrer Kinder. Insoweit besteht zwischen ihnen ein besonderes Rechtsverhältnis.

3.3.2. Wenngleich § 178 Abs 1 ABGB - wie ausgeführt - sich nicht auf das Unterhaltsrechtsverhältnis bezieht, so bringt er doch zum Ausdruck, dass zwischen den Elternteilen eine besondere Pflichtenbindung gegeben ist.

3.3.3. § 21 UVG normiert eine Pflicht ua des gesetzlichen Vertreters des Kindes und desjenigen, der das Kind pflegt und erzieht, dem Gericht unverzüglich den Eintritt jedes Grundes für die Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse mitzuteilen. Diese Obliegenheit zur Bekanntgabe von Tatsachen, die für den Vorschussbezug des Kindes nachteilig sein können, soll insbesondere die Möglichkeiten zur amtswegigen Herabsetzung (§ 19 Abs 1 UVG) bzw Einstellung (§ 20 Abs 1 Z 4 UVG) schaffen (Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 21 UVG Rz 1). Die Verletzung der Mitteilungspflicht führt gemäß § 22 UVG zu einem Schadenersatzanspruch des Bundes. Der Gesetzgeber anerkennt also das Interesse des Unterhaltsvorschießenden nach ungefragter Information über den Eintritt anspruchsverändernder Tatsachen.

3.3.4. Der Abbruch einer Schulausbildung und die Aufnahme einer Lehre, die mit dem Bezug von Lehrlingsentschädigung verbunden ist, sind von einschneidender unterhaltsrechtlicher Bedeutung, mindert sich doch der Anspruch des Kindes auf Unterhalt insoweit, als es eigene Einkünfte hat (§ 140 Abs 3 ABGB). Durch die weitere Entgegennahme der titulierten Unterhaltszahlungen fördert der gesetzliche Vertreter den Irrtum des anderen unterhaltspflichtigen Elternteils, in den Verhältnissen des minderjährigen Kindes habe sich nichts verändert. Jedenfalls in diesem Fall ist - unter Bedachtnahme auf die hinter § 21 UVG stehenden gesetzgeberischen Wertung - nach Auffassung des erkennenden Senats eine Informationspflicht des Elternteils, der das Kind gesetzlich vertritt und ebenso Beteiligter des Unterhaltsrechtsverhältnisses ist, aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange des anderen, geldunterhaltspflichtigen Elternteils zu bejahen. Im Anlassfall war daher die Informationslücke, die durch den - vom Kläger nicht erkannten - Eintritt der anspruchsverändernden Tatsache entstanden ist, von der Beklagten zu schließen, die die Information geben konnte.

3.3.5. Daraus, dass gemäß § 178 Abs 3 letzter Satz ABGB die im Absatz 1 der Gesetzesstelle normierten Informations- und Äußerungsrechte entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr ablehnt, kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Abgesehen von einer anderen (als einer indirekten Sanktion für den Unterhaltsschuldner) der Bestimmung zugrundeliegenden Motivation, führte die Auffassung der Beklagten dazu, dass der Gesetzgeber selbst in Fällen grober Unredlichkeit eine sanktionslose Schädigung des Unterhaltsschuldners in Kauf genommen hätte. Es führt ja umgekehrt weder ein rechtswidriges, die Ausübung des Besuchsrechts hintertreibendes Verhalten des obsorgeberechtigten Elternteils noch die strikte Ablehnung der Ausübung des Besuchsrechts durch das Kind zu einer Minderung des Unterhaltsanspruchs des Kindes (Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 Rz 15 mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 73a und 772 mwN).

3.3.6. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Schadenersatzpflicht der Beklagten auch den nach Eintritt der Volljährigkeit der Tochter zu viel gezahlten Unterhalts umfasst. Zum Einen wirkte die pflichtwidrige Unterlassung weiter, zum Anderen durfte der Kläger im Hinblick auf die Entgegennahme seiner Unterhaltszahlungen und das Alter seiner Tochter davon ausgehen, dass sie noch in gymnasialer Schulausbildung war.

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre können ohne Rechtsgrundlage irrtümlich gezahlte - zB zu viel bezahlte - Unterhaltsbeträge nach Bereicherungsgrundsätzen zurückgefordert werden, es sei denn sie wurden gutgläubig verbraucht (RIS-Justiz RS0076881; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 Rz 186 mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 845). Redlichkeit fehlt dem Empfänger nicht erst bei auffallender Sorglosigkeit oder gar Vorsatz, sondern schon dann, wenn der Empfänger der Leistung zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, wohl aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ihm rechtsgrundlos zugekommenen Beträge auch nur zweifeln hätte müssen (4 Ob 217/99m ua; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 Rz 186 mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 849 mwN). Dem minderjährigen unterhaltsberechtigten Kind ist die Unredlichkeit seines gesetzlichen Vertreters zuzurechnen (vgl § 399b Abs 1 EO; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 Rz 186 mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 849.4. mwN). (Bedingter) Vorsatz liegt bereits vor, wenn dem Unterhaltsberechtigten (seinem gesetzlichen Vertreter) nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bewusst gewesen ist, dass er trotz eines bestimmten Umstands weiterhin zu Unrecht Unterhaltszahlungen entgegennimmt, und wenn er die hiedurch bewirkte Schädigung des Unterhaltspflichtigen zumindest in Kauf nahm (3 Ob 209/99b).

4.2. Die Existenz eines Bereicherungsanspruchs gegen die Tochter begründet für die Beklagte nicht den Einwand, es sei kein Schaden entstanden (wie dies in der Entscheidung 2 Ob 514/85 SZ 58/37 vertreten wurde; vgl auch 1 Ob 722/83 SZ 56/135; 3 Ob 557/86 ÖBA 1987, 114 [Koziol]):

4.2.1. Veranlasst jemand einen anderen zur irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld (§ 1431 ABGB) an einen Dritten, so tritt - wie der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden hat (6 Ob 333/68 SZ 42/16; 1 Ob 533/92 SZ 65/41; jüngst 3 Ob 175/05i mwN) - die als Schaden zu beurteilende Vermögenseinbuße infolge dieser Zahlung grundsätzlich schon mit deren Leistung und nicht erst dann ein, wenn die Uneinbringlichkeit des Rückforderungsanspruchs endgültig feststeht, es sei denn, der Kondiktionsschuldner erklärt sich bereit und ist auch imstande, seiner Rückzahlungsverbindlichkeit unverzüglich nachzukommen. Dass in solchen Fällen ausnahmsweise kein Schaden eingetreten ist, hat der Schädiger zu behaupten und zu beweisen (3 Ob 175/05i mwN; RIS-Justiz RS0022602). Die Beklagte hat in erster Instanz nicht dargelegt, dass sich die Tochter zur unverzüglichen Rückzahlung bereit erklärte und dazu auch in der Lage war.

4.2.2. Bereicherungsansprüche sind auf Herausgabe eines rechtsgrundlosen Vorteils gerichtet, im Schadenersatzrecht hingegen kommt es auf den Nachteil an, den der Ersatzberechtigte erlitten hat. Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche haben also verschiedene Voraussetzungen. Sie stehen - wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (2 Ob 5/00z SZ 73/11; 5 Ob 168/08d je mwN; RIS-Justiz RS0022770) - zueinander nicht im Verhältnis der Subsidiarität und können miteinander konkurrieren (Koziol/Welser II13 273 f; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 17/26 ff), auch wenn Schadenersatzansprüche gegen einen Dritten gerichtet sind (Rummel in Rummel, ABGB³ Vor § 1431 Rz 25; Apathy in Schwimann, ABGB³ Vor §§ 1431 ff Rz 16). Die Existenz der Leistungskondiktion gegen einen Dritten begründet daher umgekehrt für den Schädiger nicht den Einwand, es sei kein Schaden entstanden (Rummel in Rummel, ABGB³ Vor § 1431 Rz 25).

4.2.3. Durch die beiden eben dargestellten Rechtsprechungslinien ist die in den Entscheidungen 2 Ob 514/85 SZ 58/37; 1 Ob 7222/83 SZ 56/135 ua vertretene Auffassung, ein Schadenersatz scheide mangels Schadens aus, wenn eine Kondiktion gegen einen Dritten zu bejahen ist, Bereicherungsansprüche die Schadenersatzansprüche also verdrängen, überholt. Die Frage, ob der Rechtsprechung, wonach der schädigende Dritte das Bestehen des Kondiktionsanspruchs (erfolgreich) einwenden kann, wenn der Kondiktionsschuldner zur unverzüglichen Leistung bereit und imstande ist, beizutreten ist, muss nicht beantwortet werden, weil - wie dargelegt - die Beklagte das für eine erfolgreiche Einwendung notwendige Vorbringen nicht erstattet hat.

Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch scheitert daher nicht an einem fehlenden Schadenseintritt.

5. Dass die Beklagte zumindest wissen musste, dass der Kläger im Hinblick auf die Aufnahme der Friseurlehre, wovon sie ihn informieren hätte müssen, nicht zur Unterhaltsleistung in der festgesetzten Höhe verpflichtet ist und zu viel bezahlter Unterhalt zu seiner Schädigung führt, stellt die Revisionswerberin zu Recht nicht in Abrede.

6. Auf die Einwendung des Mitverschuldens des Klägers, der es unterlassen habe, sich nach dem Ausbildungsweg seiner Tochter zu erkundigen, ist nicht einzugehen. Wurde die Entscheidung erster Instanz nur in einem selbstständig beurteilbaren Teilbereich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, dann können andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043573 [T29, T31, T33, T36, T43]). Ein Mitverschulden des Geschädigten ist nicht von Amts wegen, sondern nur über entsprechenden Einwand zu berücksichtigen (6 Ob 220/00x mwN). Die bloße Bestreitung eines eigenen Verschuldens kann nicht als Mitverschuldenseinwendung gedeutet werden (RIS-Justiz RS0111235 [T4]). Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Urteil des Erstgerichts nicht wegen Nichtbeachtung der Mitverschuldenseinwendung bekämpft. In der Revision kann sie die selbstständig beurteilbare Frage eines Mitverschuldens des Klägers daher nicht mehr geltend gemacht werden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E92725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00197.08A.1217.000

Im RIS seit

16.01.2010

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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