TE OGH 1992/3/18 1Ob533/92

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Veröffentlicht am 18.03.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Manfred Meyndt und Dr. Dominikus Schwaiger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei W***** Stadtwerke, *****, vertreten durch Dr. Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 100.407 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1991, GZ 4 R 277/90-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. August 1990, GZ 3 Cg 183/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozesskosten.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 26.2.1987 eröffnete das Landesgericht Linz den Konkurs über das Vermögen des Klägers; mit Beschluss vom 23.2.1988 hob es den Konkurs gemäß § 157 Abs 2 KO auf.

Mit der vorliegenden Widerklage - deren Begehren allein Gegenstand dieses Verfahrens ist - begehrte der Masseverwalter die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von zuletzt S 100.407 sA. Der Gemeinschuldner habe im Zuge der Unternehmensfortführung für die beklagte Partei Speditionsleistungen erbracht, die insgesamt mit S 121.179,36 in Rechnung gestellt worden seien.

Die beklagte Partei wendete ein, der Gemeinschuldner habe zwar Speditionsleistungen erbracht, jedoch nicht nachgewiesen, dass er die Einfuhrumsatzsteuer und den Außenhandelsförderungsbeitrag, die in den Rechnungsbeträgen enthalten seien, bereits an das Zollamt abgeführt habe. Der Anspruch sei somit nicht fällig; die Forderung sei zudem an eine Bank zediert. Überdies werde die bereits zu 3 Cg 224/87 des Landesgerichtes Linz eingeklagte Forderung von S 100.407 zur Aufrechnung eingewendet. In dieser Höhe habe die beklagte Partei Außenhandelsförderungsbeiträge und die Einfuhrumsatzsteuer in Unkenntnis der Konkurseröffnung und der Tatsache, dass der Gemeinschuldner diese Abgaben an das Zollamt nicht abgeführt habe, auf dessen Konto bei der in den Rechnungen angeführten Bank überwiesen. Der Masseverwalter habe diesen Betrag weder an das Zollamt abgeführt noch an sie zurücküberwiesen. Die Konkursmasse sei somit in dieser Höhe bereichert.

Bei der Verhandlungstagsatzung vom 6.10.1988 trat der frühere Gemeinschuldner unter Hinweis auf die Aufhebung des Konkurses anstelle des Masseverwalters als Kläger in das Verfahren ein.

Mit vom Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht bestätigtem Urteil vom 15.3.1988 wies das Landesgericht Linz zu 3 Cg 224/87 das Begehren der beklagten Partei (dort klagende Partei) - wogegen der Kläger die vorliegende Widerklage erhoben hatte - auf Zahlung von S 100.407 sA sowie das Hilfsbegehren, der Kläger (dort Beklagter) sei schuldig, seine Forderung gegen die genannte Bank in Höhe von S 100.407 an sie abzutreten, ab. Im Berufungsurteil wurde ausgeführt, in den an die Beklagte ausgestellten Rechnungen des Klägers vom 30.1.1987 seien Außenhandelsförderungsbeiträge und Einfuhrumsatzsteuern im Betrag von S 100.407 enthalten, die vom Kläger weder bei Rechnungslegung noch später bezahlt worden seien und die deshalb die beklagte Partei in der Folge aufgrund finanzbehördlicher Vorschreibung (neuerlich) dem Zollamt habe entrichten müssen. Aufgrund eines Mantelzessionsvertrages vom 3.11.1981 seien die Forderungen aus den Rechnungen vom 30.1.1987 an die genannte Bank abgetreten worden. Auf den Rechnungen sei vermerkt gewesen, dass dieser Rechnungsbetrag unwiderruflich an die Raiffeisenbank... mit allen Rechten abgetreten sei und Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung daher nur auf das Konto Nr. .... möglich seien. Die beklagte Partei habe Zahlung in voller Höhe geleistet und somit auch die im Rechnungsbetrag enthaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge und Einfuhrumsatzsteuern auf das angegebene Zessionskonto bezahlt. Die beklagte Partei habe daher nicht an den Kläger bzw an die Konkursmasse, sondern an die Bank als Zessionarin geleistet. Mit ihrer Zahlung habe sie die vermeintliche Schuld an die Bank erfüllt. Mangels Entrichtung der Eingangsabgaben durch den Kläger habe dieser aus den Rechnungen vom 30.1.1987 Forderungen abgetreten, die nur teilweise richtig gewesen, von der beklagten Partei als Zessus jedoch irrtümlich in voller Höhe beglichen worden seien. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Zessus einen Kondiktionsanspruch wegen Nichtzurechtbestehens der zedierten Forderung aber nur gegen den Zessionar. Der Kläger sei daher für die condictio indebeti nicht passiv legitimiert.

Im Zuge des danach fortgesetzten Verfahrens über die Widerklage wendete die beklagte Partei der Klagsforderung eine weitere Gegenforderung von S 38.913,20 zur Aufrechnung ein und führte hiezu aus, es handle sich dabei um die dem Kläger zu 3 Cg 224/87 des Landesgerichtes Linz zu ersetzenden Verfahrenskosten sowie um die Kosten der eigenen rechtsfreundlichen Vertretung. Im Übrigen stütze sie ihre bereits früher eingewendete Gegenforderung von S 100.407 nunmehr insoweit auch auf den Titel des Schadenersatzes, als der Kläger angesichts seiner Zahlungsunfähigkeit und der bevorstehenden Konkurseröffnung gar nicht die Absicht gehabt habe, die in Rechnung gestellten, jedoch nicht entrichteten Einfuhrabgaben zu begleichen. Hiedurch habe der Kläger die beklagte Partei vorsätzlich in Irrtum geführt, was zur Folge gehabt habe, dass diese die Einfuhrabgaben auch noch an das Zollamt habe abführen müssen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, mit Fakturen vom 30.1.1987 habe der Kläger der beklagten Partei Beträge von S 20.267,60 bzw S 87.508,60 in Rechnung gestellt, die sich aus Frachtkosten, verschiedenen Gebühren, Zollabfertigungskosten und auch aus dem Außenhandelsförderungsbetrag von S 264 bzw S 1.220 und der Einfuhrumsatzsteuer von S 17.600 bzw S 81.323 zusammengesetzt hätten. Beide Rechnungen hätten den Vermerk getragen, dass der Rechnungsbetrag mit allen Rechten unwiderruflich an eine näher bezeichnete Bank abgetreten sei, und Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das gleichzeitig angeführte Konto möglich seien. Die Rechnungsbeträge habe die beklagte Partei am 27.2. bzw am 11.3.1987 auf das genannte Konto überwiesen. Die Forderungen des Klägers aus diesen Rechnungen seien aufgrund eines Mantelzessionsvertrages vom 3.11.1981 an die Bank abgetreten worden. Über die hier maßgeblichen Abtretungen lägen entsprechende Zessionslisten vor. Um diese Beträge habe sich die Forderung der Bank gegen den Gemeinschuldner vermindert. Die in Rechnung gestellten Außenhandelsförderungsbeiträge und Einfuhrumsatzsteuerbeträge habe weder der Gemeinschuldner noch die Konkursmasse an das Zollamt überwiesen, weshalb die beklagte Partei diese Beträge auch noch an das Zollamt habe abführen müssen. Das in den Rechnungen angeführte Konto des Gemeinschuldners habe vor Eingang der beiden Rechnungsbeträge Sollstände von S 4,456.801,24 bzw S 5,136.577,88 aufgewiesen.

Während des Konkurses habe der Masseverwalter im Rahmen der Unternehmensfortführung für die beklagte Partei Speditionsleistungen erbracht und ihr hiefür am 26.5.1987 S 69.686, am 30.6.1987 S 51.024,76, am 26.3.1987 S 600,60 und am 31.3.1987 S 132 in Rechnung gestellt. Die für die Außenhandelsförderungsbeiträge und die Einfuhrumsatzsteuer fakturierten Beträge habe die Konkursmasse dadurch berichtigt, dass sie die Verzollung durch ein anderes Speditionsunternehmen habe durchführen lassen; diese habe die Einfuhrabgaben an das zuständige Zollamt abgeführt, die Konkursmasse habe ihr diese Beiträge sodann erstattet.

Sobald der Bescheid der Abgabenbehörde dem Kläger zugestellt worden sei, habe er die Rechnung an die Kunden ausgefertigt; so sei dies auch im vorliegenden Fall geschehen. Da der Konkurs für den Kläger bei Ausfertigung der beiden Rechnungen noch nicht absehbar gewesen sei, habe er auch die Einfuhrumsatzsteuer und den Außenhandelsförderungsbeitrag fakturiert. Von der Konkurseröffnung sei der Kläger selbst überrascht worden, weil seine Hausbank wegen der hohen Fremdausfälle die weitere Finanzierung verweigert und ihn aufgefordert habe, Konkursantrag zu stellen. Im letzten Jahr zuvor sei die Geschäftslage gut gewesen. Der Kläger habe wöchentlich zwischen 70 und 80 LKW, davon 22 eigene Fahrzeuge, eingesetzt. In der Bundesrepublik Deutschland habe er sieben Speditionspartner im Stückgutverkehr gehabt. Es sei jedoch in der Folge zu sehr großen Ausfällen gekommen, weil mehrere Schuldner, darunter auch große holländische Unternehmen, in den letzten eineinhalb Jahren vor der Konkurseröffnung insolvent geworden seien. Die in den Rechnungen fakturierten Abgaben habe der Kläger wegen der Konkurseröffnung nicht abführen können. Die in den Rechnungen aufscheinende Vorlageprovision von 3 % habe er nach dem Spediteurtarif verrechnet. Die Vorlageprovision werde nach dem Spediteurtarif deshalb in Rechnung gestellt, weil der Spediteur für den Kunden verschiedene Auslagen, wie etwa den Zoll, im voraus tragen müsse, der Kunde diese Beträge aber erst nach Rechnungslegung erstatte. Häufig seien Abgaben bei der Rechnungslegung noch nicht fällig. Werde die Rechnung rechtzeitig beglichen, könne die Abgabe mit der Zahlungsvaluta entrichtet werden, sodass sich der Kunde die Vorlageprovision dann vom Rechnungsbetrag abziehen könne. Ein entsprechender Vermerk sei auch auf den hier zu beurteilenden Rechnungen angebracht gewesen. Mit Schreiben vom 29.6.1989 habe die beklagte Partei den Kläger unter Hinweis auf die Bestimmung des § 156 Abs 4 KO aufgefordert, die 20 %ige Zwangsausgleichsquote der geltend gemachten Forderung in Höhe von S 139.320,20 innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, zu prüfen sei lediglich, wie weit die eingewendeten Gegenforderungen berechtigt seien. Bereits mit Offenlegung der Abtretung der Forderungen an die Bank sei diese anstatt des Klägers Gläubigerin geworden. Umstände, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Klägers bei der Abtretung schließen ließen, seien nicht hervorgekommen. Vielmehr sei anzunehmen, dass die Konkurseröffnung auch den Kläger selbst überrascht habe. Die eingewendete Kostenforderung sei schon deshalb nicht berechtigt, weil die bloße Berufung auf die Ersatzpflicht der beklagten Partei infolge Unterliegens im Vorprozess einen Schadenersatzanspruch gegen den Kläger noch nicht begründen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit einer Maßgabe: Es sprach aus, dass die Klagsforderung mit S 100.407 zu Recht bestehe und die beiden Gegenforderungen nicht zu Recht bestünden und gab deshalb dem Klagebegehren statt; es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Schadenersatzansprüche könnten stets nur dann entstehen, wenn ein Schaden eingetreten sei. Dadurch unterscheide sich das Schadenersatzrecht vom Bereicherungsrecht, weil letzteres auf einen Nachteil des Anspruchsberechtigten nicht abstelle. Der Kläger müsse die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen; das gelte auch für Schadenersatzansprüche. § 1298 ABGB beschränke die Beweislastumkehr allein auf das Verschulden. Schaden und Kausalzusammenhang habe stets der Geschädigte zu beweisen. Bei der Gegenforderung von S 100.407 sei daher zu prüfen, ob der beklagten Partei bei Bedachtnahme auf den ihr zustehenden Kondiktionsanspruch gegen die Bank als Zessionarin überhaupt ein Schaden erwachsen sei. Der Schadensbegriff des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches sei sehr weit und umfasse jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen sei, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als an dem bisherigen bestehe. Nachteil am Vermögen sei jede Vermögensveränderung, der kein entsprechendes Äquivalent gegenüberstehe. Eine mit dem Einbringlichkeitsrisiko behaftete Geldforderung sei dem Besitz des Geldbetrages nicht gleichzuhalten. Der Kondiktionsanspruch gegen den Leistungsempfänger sei der durch die irrtümliche Zahlung bewirkten Vermögensverminderung nur dann äquivalent, wenn der Kondiktionsschuldner bereit und in der Lage sei, seiner Rückzahlungsverbindlichkeit nachzukommen. Sonst sei der Schaden durch eine von dem Ersatzpflichtigen veranlasste nicht geschuldete Zahlung schon durch diese eingetreten. Die Schadenersatzforderung konkurriere mit dem Bereicherungsanspruch nur dann nicht, wenn der Bereicherungsschuldner zur Leistung fähig und bereit sei. Im vorliegenden Fall könne angenommen werden, dass die Bank als Kondiktionsschuldner zur Leistung fähig sei. Ob sie auch leistungsbereit sei, könne derzeit nicht beurteilt werden. Für den Standpunkt der beklagten Partei sei jedoch nichts gewonnen, weil sie als Geschädigte alle anspruchsbegründenden Behauptungen über den eingetretenen Schaden hätte aufstellen müssen. Die beklagte Partei habe aber nicht behauptet, die Bank als Zessionarin sei als Bereicherungsschuldnerin zur Leistung weder fähig noch bereit. Es sei daher davon auszugehen, dass der beklagten Partei durch die neuerliche Zahlung der Einfuhrumsatzsteuern und der Außenhandelsförderungsbeiträge an das Zollamt kein Schaden erwachsen sei, weil der beklagten Partei ein Bereicherungsanspruch in dieser Höhe gegen die Bank zustehe. Der Verlust des Vorprozesses sei darauf zurückzuführen, dass die beklagte Partei dort entgegen gesicherter jahrelanger und auch von der Lehre gebilligter Rechtsprechung davon ausgegangen sei, für Leistungskondiktionen gemäß § 1431 ABGB sei der Zedent passiv legitimiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils im Vorprozess (3 Cg 224/87 des Landesgerichtes Linz) entgegen der vom Kläger auch noch in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht die materielle Prüfung der Richtigkeit der von der beklagten Partei zur Aufrechnung eingewendeten Schadenersatzgegenforderung im Betrag von S 100.407 sA nicht hindert. Gegenstand des Vorprozesses war ein Bereicherungsanspruch der beklagten (dort klagenden) Partei, der darauf gestützt wurde, dass die Konkursmasse bzw der Kläger die Rechnungsvaluta zur Minderung des Debetsaldos bei der Hausbank auch insoweit verwendet habe, als sie an sich zur Abführung von Abgaben an die Finanzbehörde bestimmt war. Nunmehr begehrt die beklagte Partei den gleichen Betrag jedoch aus dem Titel des Schadenersatzes, weil der Kläger vorgetäuscht habe, bereits entrichtete Einfuhrabgaben in Rechnung zu stellen; er habe die beklagte Partei hiedurch zu einer Zahlung an ihn veranlasst, die sie, um ihre Abgabenschuld zu tilgen, an das Zollamt hätte leisten müssen. Von einer die materielle Bindungswirkung auslösenden Identität des Streitgegenstandes (bzw - wie im hier zu entscheidenden Rechtsstreit - des Gegenstandes der Aufrechnungseinrede) kann schon deshalb keine Rede sein (SZ 48/113; RZ 1969, 135 ua).

Da sich die Revisionsausführungen ausschließlich auf die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung von S 100.407 beschränken, ist auf die zu Recht erkannte Klagsforderung sowie die aberkannte weitere Gegenforderung von S 38.913,20 daher nicht weiter einzugehen.

Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass der Schadensbegriff des § 1293 ABGB sehr weit gefasst ist. Er umfasst jeden rechtlich als Nachteil zu beurteilenden Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse besteht als am bisherigen Zustand (RdW 1989, 221 ua; Wolff in Klang2 VI 1). Nachteil am Vermögen ist somit jede Minderung im Vermögen, der kein volles Äquivalent gegenübersteht (vgl Reischauer in Rummel, ABGB § 1293 Rz 5). Der unmittelbaren Verfügung über einen präsenten Bargeldbetrag kann eine gleich hohe Geldforderung schon deshalb grundsätzlich nicht gleichgehalten werden, weil sie mit dem Risiko der Einbringlichkeit bzw der Rechtsverfolgung behaftet ist (vgl JBl.1987, 388; vgl insbesondere Staudinger-Selb, BGB12 § 255 Rz 23 bis 30). Veranlasst deshalb jemand einen anderen zur irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld (§ 1431 ABGB) an einen Dritten, so tritt die als Schaden zu beurteilende Vermögenseinbuße infolge dieser Zahlung grundsätzlich schon mit deren Leistung und nicht erst dann ein, wenn die Uneinbringlichkeit des Rückforderungsanspruches endgültig feststeht (SZ 42/16), es sei denn, der Kondiktionsschuldner erklärt sich bereit und ist auch imstande, seiner Rückzahlungsverbindlichkeit unverzüglich nachzukommen (JBl 1987, 388; SZ 57/108; SZ 42/16; EvBl 1960/254). Auch nach Ansicht des deutschen Bundesgerichtshofes (NJW 1987, 3201; 1982, 1806; 1970, 461; vgl auch Palandt-Heinrichs, BGB51 Vorbem. Vor § 249 Rz 19; Selb aaO) tritt der Schaden in solchen Fällen bereits mit der Zahlung ein, selbst wenn dadurch ein (Rückforderungs-)Anspruch gegen einen Dritten entsteht, bei dessen Durchsetzung der mit der Zahlung verbundene Vermögensverlust ausgeglichen werden könne. Die Verweisung des Geschädigten auf den Anspruch gegen den Dritten lässt der Bundesgerichtshof (NJW 1982, 1806) schon deshalb nicht als Argument gegen die Bejahung des Schadenersatzanspruches gelten, weil dann auch der Dritte den Geschädigten auf den Schadenersatzanspruch als Ausgleichsmöglichkeit verweisen könnte. Die Rechtslage ist in der Bundesrepublik Deutschland allerdings insoweit etwas anders gestaltet, als der Schädiger bei Verlust einer Sache oder eines Rechtes gemäß § 255 BGB zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet ist, die dem Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums oder des Rechtes gegen Dritte zustehen; diesen Rechtssatz wendet der Bundegerichtshof auch auf Fallgestaltungen wie den hier zu beurteilenden Sachverhalt analog an (vgl etwa Selb aaO Rz 23).

Von dem Grundsatz, dass der Schaden schon mit der Zahlung eintritt, werden nur jene Fälle ausgenommen, in denen dargetan wird, dass der Dritte ohnedies zur unverzüglichen Zahlung bereit und in der Lage ist; die Wertäquivalenz zu leugnen, wäre in solchen Fällen schon deshalb nicht angebracht, weil die Risken der Einbringlichkeit und der Rechtsverfolgung, die die nach der Differenzmethode schadensbestimmende Wertinäquivalenz auslösen, hier gänzlich fehlen. Diese für die Beurteilung des Schadens in solchen Fällen erforderliche Betrachtungsweise gibt dann aber auch den Ausschlag für die Beweislastverteilung:

Wohl hat zwar auch bei rechtlicher Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem dieser den Eintritt des behaupteten Schadens, dessen Höhe und den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen (Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 340 mwN in FN 14; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 333), doch gilt das nach dem für die Verteilung der Beweislast maßgeblichen Grundsatz der „subjektiven Günstigkeit der Norm“ (hiezu Fasching, LB2 Rz 882) nur für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Beruft sich dagegen eine Prozesspartei darauf, dass ein Recht nicht wirksam wurde oder wieder beseitigt worden ist, muss sie diese rechtshemmende bzw -vernichtende Tatsache unter Beweis stellen. Letzteres beruht auf der Erwägung, dass, wer ein Recht für sich in Anspruch nimmt (hier also die beklagte Partei den Schadenersatzanspruch), wohl dessen Entstehungsursachen beweisen muss, dass ihm jedoch in der Regel nicht auch noch zugemutet werden darf, auch noch zu beweisen, dass keine zusätzlichen Hinderungsumstände vorliegen (Fasching aaO). Den Beweis, dass in ihrem Vermögen ein Schaden in der behaupteten Höhe eingetreten ist, erbrachte die beklagte Partei schon durch den Nachweis, dass sie zur Tilgung ihrer Einfuhrabgabenschuld doppelte Zahlung zu leisten genötigt war. Dass ihr damit - ausnahmsweise - dennoch kein Schaden erwachsen sei, weil die Hausbank des Klägers als Zessionarin willens und - was wohl anzunehmen ist - imstande sei, den Betrag unverzüglich zurückzuzahlen, ist ein solcher Hinderungsumstand, dessen Vorliegen nach den vorangestellten Grundsätzen der Kläger zu behaupten und unter Beweis zu stellen hat. Dass das in erster Instanz unterblieben ist, fiele demgemäß auch diesem zur Last.

Es bedarf aber dennoch einer Ergänzung des Verfahrens erster Instanz auch noch in diesem Punkt. Das Berufungsgericht hat in Wahrnehmung seiner Verpflichtung zur allseitigen rechtlichen Prüfung des festgestellten Sachverhaltes von sich aus diese Frage aufgeworfen, die vorher weder von den Parteien noch vom Erstgericht auch nur bedacht worden wäre. Überrascht das Gericht die Parteien mit seiner Rechtsansicht, muss ihnen nach entsprechender Erörterung dieses Gesichtspunktes gemäß § 182 ZPO Gelegenheit zu entsprechender Ergänzung ihres Vorbringens und ihres Beweisanbotes gegeben werden (EvBl 1964/161 uva). In diesem Umfang bedarf die Sachverhaltsgrundlage somit einer Ergänzung, die vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren vorzunehmen sein wird. Nur wenn festgestellt werden sollte, dass die Hausbank des Klägers zur (sofortigen) Rückzahlung nicht bereit und der beklagten Partei der von dieser behauptete Schaden damit tatsächlich entstanden ist, wird auf das weitere beiderseitige Vorbringen der Streitteile zu dieser Gegenforderung einzugehen sein.

In Stattgebung der Revision ist deshalb die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E28657

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00533.92.0318.000

Im RIS seit

01.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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