TE OGH 2010/3/4 13Os149/09z

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Veröffentlicht am 04.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Hautz in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Suat S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 28. Juli 2009, GZ 12 Hv 62/09b-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Suat S***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A) und nach § 28a Abs 1 sechster Fall SMG (B/2), mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B/1) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (C) schuldig erkannt.

Danach hat er in Linz, Wels und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(A) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Quantität anderen angeboten, nämlich

1) Anfang Jänner 2009 rund 50 Gramm Heroin unbekannt gebliebenen Interessenten und

2) am 26. Jänner 2009 im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei abgesondert verfolgten Mittätern etwa 1 kg Heroin einer verdeckten Ermittlerin des Bundeskriminalamts,

(B) in einer die Grenzmenge übersteigenden Quantität

1) in der Zeit von Ende Jänner 2009 bis Mitte Februar 2009 anderen überlassen, indem er ca 120 Gramm Heroin an unbekannt gebliebene Abnehmer verkaufte, und

2) Anfang Jänner 2009 anderen verschafft, indem er unbekannt gebliebene Interessenten zum Zweck des Ankaufs von rund 50 Gramm Heroin an einen abgesondert Verfolgten vermittelte, schließlich

(C) in der Zeit von Anfang 2009 bis zum 9. März 2009 wiederholt Kokain zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, (richtig:) 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Mängel- (Z 5) und Subsumtionsrüge (Z 10) zeigen im Ergebnis zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Reinheitsgehalts der Suchtmittel und demnach auch der subsumtionsrelevanten Mengen auf der Feststellungs- wie auf der Begründungsebene mangelhaft ist:

Das Erstgericht stellt die Reinsubstanz der vom Schuldspruch B/1 umfassten Heroinmenge mit „rund 27 %“ fest (US 4). Dies wird offenbar aus der kriminaltechnischen Untersuchung jener 0,9 Gramm Heroin (ON 7 S 11) abgeleitet, die nach den Urteilsannahmen am 19. Jänner 2009 einer verdeckten Ermittlerin übergeben worden sind (US 5 iVm US 10). Soweit das Erstgericht in diesem Zusammenhang im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführt, der „im Zuge der Untersuchung des sichergestellten Heroins ermittelte Reinheitsgrad von rund 27 %“ sei „den Feststellungen“ zu Grunde gelegt worden (US 10), wird nicht klar, ob es sich dabei um eine Begründung für die angesprochene Konstatierung zum Schuldspruch B/1 oder um eine Ausweitung der Feststellungen zur Reinsubstanz in Bezug auf die übrigen Urteilsfakten handelt. Solcherart fehlt der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Schuldsprüche A und B/2 schon in objektiver Hinsicht die Feststellungsbasis für die vorgenommene Subsumtion.

Bezüglich der subjektiven Tatseite trifft das Erstgericht gar keine Feststellungen zur Reinsubstanz. Die Urteilsannahme, dem Beschwerdeführer sei anlässlich der dem Schuldspruch B/1 zu Grunde liegenden Verkäufe bewusst gewesen, dass er anderen Suchtgift „in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge überlassen werde“ (US 4), ist überdies auch deshalb mangelhaft, weil die Tatrichter diesem diesbezüglich mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels anlasten (US 2).

Schließlich wird die beweiswürdigende Aussage, der Beschwerdeführer habe „Tathandlungen in Bezug auf eine die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftmenge gesetzt“, weil er das „Übersteigen einer solchen Menge ernstlich ja gar nicht ausschließen konnte“ (US 10), dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO in keiner Weise gerecht.

Aufgrund der dargelegten Mängel war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO).

Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Da nach Aufhebung eines Schuldspruchs im Sinn des § 28a SMG wegen fehlender Feststellungen zur subsumtionsrelevanten Suchtgiftmenge auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben, war die gänzliche Kassation der Schuldsprüche A und B erforderlich (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).

Mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG war zudem der Schuldspruch C aufzuheben (RIS-Justiz RS0119278).

Im zweiten Rechtsgang werden sowohl der Beschwerdeführer als auch die zu vernehmenden Zeugen unter Vorhalt der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (insbesondere ON 7 S 11) zur Qualität der von den Anklagevorwürfen umfassten Suchtgiftmengen zu befragen sein.

Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs werden hiezu - bezogen auf sämtliche Fakten - eindeutige Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite zu treffen und diese den Gesetzen logischen Denkens entsprechend - unter ausdrücklicher Erörterung den tatrichterlichen Annahmen allenfalls entgegenstehender Verfahrensergebnisse - eingehend zu begründen sein.

Mit Blick auf die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Teilung des Schuldspruchs B sei abschließend festgehalten, dass der Oberste Gerichtshof jüngst zu der schon in 13 Os 99/00 vertretenen Auffassung zurückgekehrt ist, dass die Tatbestände des SMG in Bezug auf Erwerb und Besitz von Suchtgift als alternative Mischdelikte angelegt sind (13 Os 168/08t, JBl 2009, 733). Wenngleich die Entscheidung 13 Os 99/00 das Verhältnis zwischen den Begehungsarten des § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG aF zum Gegenstand hatte, wurde durch die Formulierung, § 27 Abs 1 SMG (aF) stelle in Hinsicht auf Erwerb und Besitz einerseits und Überlassen oder Verschaffen ein kumulatives Mischdelikt dar, zum Ausdruck gebracht, dass (auch) bezüglich der beiden letztgenannten Deliktsvarianten ein alternativer Mischtatbestand vorliegt (vgl ebenso Litzka/Matzka/Zeder, SMG² § 27 Rz 62). Auch diese Sicht wird - aktuell interessierend mit Bezug auf § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall - aufrecht erhalten, weil der pönalisierte Unwert sowohl beim (unmittelbaren) Überlassen als auch beim (mittelbaren) Verschaffen darin liegt, einem anderen vorschriftswidrig Suchtgift zur Verfügung zu stellen (zu den unter die beiden Varianten zu subsumierenden Tathandlungen eingehend Litzka/Matzka/Zeder, SMG² § 27 Rz 16-27).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Urteilskassation zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93722

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00149.09Z.0304.000

Im RIS seit

28.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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