TE OGH 2009/1/22 13Os168/08t

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Veröffentlicht am 22.01.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Frits N***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Frits N***** und Jacob M***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. August 2008, GZ 041 Hv 90/08s-85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Frits N*****, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jacob M***** und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Letztgenannten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

1. in den Schuldsprüchen

a) des Angeklagten Frits N***** nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG sowie zu I/1 und 2 und

b) des Angeklagten Jacob M***** zu II,

2. demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie

3. in dem den Angeklagten Jacob M***** betreffenden Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung

aufgehoben und in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet.

II. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jacob M***** zurückgewiesen.

III. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Frits N***** - richtig, wie angesichts dessen, dass sich zu einer Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (wie auch nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG) nur gleichartige Verbrechen zusammenfassen lassen, nicht aber ungleichartige wie zB hier Aus- und Einfuhr einerseits und Überlassen andererseits (vgl RIS-Justiz RS0117464 [T2]; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 144) klargestellt sei: - eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I.) sowie Jacob M***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II.) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III.) schuldig erkannt.

Danach haben sie in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain, Heroin und Morphin,

I. Frits N***** in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt und in Österreich einem anderen überlassen, indem er das Suchtgift im Auftrag des abgesondert verfolgten Luke Chukwaka O***** mittels PKW von den Niederlanden nach Österreich transportierte und es in Wien an Jacob M***** übergab, und zwar

1) am 15. Februar 2008 „zumindest 1 kg Heroin und/oder Kokain (Faktum 2 der Anzeige ON 10)" - gemeint: Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 25% (US 6 f);

2) am 28. Februar 2008 „ca 3,5 kg Heroin und/oder Kokain (Faktum 3 der Anzeige ON 10)" - gemeint: ca 827,10 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 3 % und 2.672,90 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 25 % (US 7);

3) am 11. und 12. März 2008 „8.882,80 Gramm Heroin und Morphin sowie 913,60 Gramm Kokain (Faktum 4 der Anzeige ON 10)" - an Reinsubstanz gemeint: zumindest 207 Gramm Diacetylmorphin, 313 Gramm Kokain und '69 Gramm Monoacetylmorphin Base, die als chemisches Zerfallsprodukt von Diacetylmorphin Heroin gleichzusetzen ist" (US 8);

II. Jacob M***** in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er

1) Mitte Februar das von Frits N***** am 15. Februar 2008 übernommene Suchtgift, und zwar „zumindest 1 kg Heroin und/oder Kokain an mehrere Verteiler weitergab (Faktum 2 der Anzeige ON 10)" - gemeint: Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 25% (US 6 f);

2) Ende Februar „das von Frits N***** am 28. Februar 2008 übernommene Suchtgift (ca 3,5 kg Heroin und/oder Kokain)" - womit das zu I/2 genannte Heroin und Kokain gemeint ist (US 7) - „bis auf 827,10 Gramm Heroin an mehrere Verteiler weitergab (Faktum 3 der Anzeige ON 10)";

III. Jacob M***** in einer insgesamt das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er

1) am 28. Februar 2008 weitere 827,10 Gramm Heroin - mit einem Reinsubstanzgehalt von 3 % (US 7) - von Frits N***** zur Weiterleitung übernahm und dieses vorübergehend in seiner Wohnung lagerte „(Faktum 3 der Anzeige ON 10)";

2) am 12. März 2008 „8.882,80 Gramm Heroin sowie 913,60 Gramm Kokain" - gemeint sind die zu I/3 genannten Suchtgifte (US 8) - von Frits N***** zur Weiterleitung übernahm (Faktum 4 der Anzeige ON 10)".

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich gesondert ausgeführte, von Frits N***** auf Z 9 lit a (der Sache nach Z 5) und von Jacob M***** auf Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Frits N*****

Indem dieser Angeklagte inhaltlich seines Vorbringens (siehe insbesondere den zweit- und drittletzten Absatz der als Nichtigkeitsbeschwerde aufzufassenden „Berufung wegen Nichtigkeit", ON 91 S 2) gezielt allein mit Blick auf die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht das Fehlen von, sondern eine tragfähige Begründung für die zur inneren Tatseite hinsichtlich der Menge des tatgegenständlichen Suchtgifts (I/1 bis 3) getroffenen Feststellungen vermisst (nominell Z 9 lit a), macht er der Sache nach einen Begründungsmangel geltend (Z 5 vierter Fall), womit er - jene Qualifikation betreffend - sowohl in Ansehung des wegen der Schmuggelfahrten ergangenen Schuldspruchs (nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) als auch hinsichtlich jenes wegen Überlassens von Suchtgift (nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) im Recht ist.

Das von den Tatrichtern zunächst hinsichtlich der Aus- und Einfuhr zur Fundierung der bemängelten Urteilsannahmen herangezogene Geständnis (US 9), wonach der Angeklagte bei der dritten Schmuggelfahrt (I/3) „wusste, dass es mehr als ein Kilo ist" (ON 84 S 7), womit seinen weiteren Angaben zufolge eine Bruttomenge von deutlich mehr als drei bis vier Kilogramm gemeint war (ON 84 S 15), gibt angesichts dessen keine tragfähige Grundlage für die Konstatierung seines Willens ab, „durch den jeweiligen Transport der Suchtgifte von Holland nach Wien vorschriftswidrig eine das 25-fache der Grenzmenge" überschreitende Menge Suchtgift aus Holland aus- und durch Deutschland nach Österreich einzuführen (US 8), dass er zu seinen Annahmen von der Suchtgiftqualität bei allen drei Transporten in der Hauptverhandlung (mangels Befragung) keine Aussage machte. In Bezug auf den ersten Transport (I/1) hatte er zudem in der Hauptverhandlung deponiert, von der zum Schmuggel übernommenen Menge „keine Ahnung" gehabt zu haben (ON 84 S 7), zu seiner Vorstellung von der Menge während des zweiten Transports (I/2) wurde er in der Hauptverhandlung nicht vernommen (die Aussage ON 84 S 15 bezieht sich ersichtlich nur auf das dem in Amsterdam erhaltenen präparierten Reifen dann von ihm in Wien Entnommene). Just auf die Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung haben die Tatrichter die kritisierte Feststellung aber gestützt (US 9).

Was den Schuldspruch wegen Überlassens von Suchtgift anbelangt, liegt demnach zwar eine die Annahme von Bruttomengen von „vielleicht drei bis vier Kilogramm" nach dem zweiten und von deutlich mehr nach dem dritten Transport einbekennende Aussage des Beschwerdeführers vor (ON 84 S 15), was aber mangels Angaben über seine Einschätzung des betreffenden Wirkstoffgehalts zur Heranziehung als begründungstaugliches Geständnis (US 9) ebensowenig ausreicht (Z 5 vierter Fall).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jacob M*****

Durch die hier einleitend bereits vorgenommene Klarstellung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622) des Inhalts des Referats der entscheidenden Tatsachen im Spruch des Urteils (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ist der aus Z 5 dritter Fall erhobene Einwand der Mängelrüge (Punkt 1 der Beschwerde) erledigt.

Für die Begründung der zum Schuldspruch II (wegen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) festgestellten Suchtgiftmengen (bezogen auf die rechtlich allein entscheidende Reinsubstanz) reichen die vom Erstgericht so bezeichneten „Geständnisse", wie hinsichtlich des Erstangeklagten aus dem bei Erörterung seiner Mängelrüge Dargelegten hervorgeht und wie sich in Bezug auf den Zweitangeklagten aus dem Protokoll der Hauptverhandlung zeigt, in der er lediglich angab, die ihm nach dem dritten Transport übergebene Menge sei sieben bis acht Mal größer gewesen als nach der ersten und der zweiten Schmuggelfahrt des Erstangeklagten, aber zur angenommenen Qualität nichts aussagte (ON 84 S 13), nicht aus, wie die Mängelrüge (Punkt 2.1 der Beschwerdeschrift) insoweit zutreffend vorbringt (Z 5 vierter Fall).

Demnach ist die Aufhebung des Schuldspruchs II und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung geboten, womit das diesen Schuldspruch betreffende weitere Vorbringen (2.2, 3.1 und 3.2 der Nichtigkeitsbeschwerde) keiner Erörterung mehr bedarf.

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich, dass dieselben Gründe, auf denen diese Verfügung zugunsten des Zweitangeklagten beruht, auch dem Erstangeklagten zustatten kommen, der insoweit keine Nichtigkeit geltend gemacht hat. Daher war (nachdem den Erstangeklagten betreffend die gemäß § 28a Abs 4 Z 3 SMG gebildeten Subsumtionseinheiten bereits auf Grund seines Vorbringens zu beseitigen waren) gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO auch die Aufhebung des mit dem Schuldspruch des Zweitangeklagten zu II korrespondierenden Schuldspruchs des Erstangeklagten zu I/1 und 2 auszusprechen und auch insoweit eine neue Hauptverhandlung anzuordnen.

Soweit dieselbe Argumentation (Z 5 vierter Fall) vom Zweitangeklagten gegen den Schuldspruch zu III/1 (nicht auch III/2) gerichtet wird, betrifft sie mit Blick auf den angesichts der Feststellung einer auch den mit der kontinuierlichen Tatbegehung verbundenen Additionseffekt umfassenden Willensausrichtung gegebenen Zusammenhang mit III/2 keine entscheidende Tatsache, weil die zu III/1 und 2 gemäß § 28 Abs 2 SMG zu bildende Subsumtionseinheit (nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG) dadurch nicht in Frage gestellt wird.

Der Angeklagte rügt weiters, dass zum Schuldspruch wegen Vorbereitung des Suchgifthandels nach § 28 Abs 1 erster Fall, Abs 2 SMG (ein Teil von III.) nicht die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen wurden. Nach dieser Gesetzesstelle macht sich strafbar, wer vorsätzlich (§ 7 Abs 1 StGB, Art I StRAG) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erwirbt, dass es in Verkehr gesetzt werde. Ein derartiger Wille wurde nicht konstatiert, was aber aus folgenden Erwägungen keine Nichtigkeit bewirkt:

Der Oberste Gerichtshof kehrt in Betreff des Verhältnisses von Erwerb zu Besitz angesichts der Gleichwertigkeit dieser Formen des verbotenen Umgangs mit Suchtgift (vgl den von Hochmayr, Strafbarer Besitz von Gegenständen [2005] 56 ff, 85 ff, 145 ff vertretenen Ansatz der grundsätzlichen Deutung strafbaren Besitzes als „Herbeiführung oder Aufrechterhaltung von Gewahrsam") zu der schon in 13 Os 99/00 vertretenen Auffassung zurück, wonach insoweit ein alternatives Mischdelikt (zB Fuchs AT I7 10/56) gegeben ist (aM noch RIS-Justiz RS0114037 [T1, T2]), mit der Konsequenz, dass dem Angeklagten dieselbe Menge Suchtgift nicht zwei Mal zur Last fällt, nämlich sowohl in der Begehungsform des Erwerbs als auch in jener des Besitzes, sondern nur ein Mal (im Ergebnis ebenso - mit anderem Ansatz - Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud SMG § 27 Rz 83, § 28 Rz 98). Erwerb und anschließender Besitz derselben Suchtgiftmenge durch denselben Täter begründen demnach ein und dieselbe strafbare Handlung (und nicht zwei strafbare Handlungen).

Bei einem alternativen Mischdelikt kann die rechtlich unzutreffende Annahme einer von mehreren als verwirklicht angesehenen Alternativen denkfolgerichtig aus Z 10 nicht angefochten werden. Bei - hier ohnedies nicht geschehener - rechtsirriger Annahme als Erschwerungsgrund bei der Strafbemessung läge freilich der Nichtigkeitsgrund nach Z 11 zweiter Fall vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 648).

Aus Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall wird mit Recht eingewendet, dass die den Abschöpfungsrahmen (§ 20 Abs 1 Z 1 StGB) betreffende Sachverhaltsgrundlage auf der nicht den aus Z 5 erhellenden Begründungsanforderungen entsprechenden, sondern unbegründet gebliebenen Annahme der Tatrichter beruht, der Angeklagte M***** habe den bei ihm sichergestellten Geldbetrag „ohne Zweifel" aus den Suchtgiftgeschäften lukriert (US 11).

Nur soweit sie nach dem Gesagten erfolglos blieb war die Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E89953

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00168.08T.0122.000

Im RIS seit

21.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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