TE OGH 2010/4/13 14Os44/10t

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Veröffentlicht am 13.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manuel I***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Cemal T***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 26. Jänner 2010, GZ 24 Hv 147/09x-113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Cemal T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Cemal T***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. November 2007 in Bregenz im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Manuel I***** als Mittäter (§ 12 StGB) Dominik W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zumindest 30 Euro mit Gewalt weggenommen, indem er ihn von hinten umklammerte und nach vorne drückte, während Manuel I***** dem Opfer die Geldtasche aus der Gesäßtasche zog und das Geld daraus entnahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Cemal T***** geht fehl.

Zur Tatsachenrüge (Z 5a) ist festzuhalten, dass diese nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern will. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Beschwerde auf - entgegen ihrer Behauptung (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) vom Erstgericht gar wohl umfassend erörterte (US 10 ff) - Widersprüche in den Aussagen der Zeugen Dominik W*****, Firat A***** und Cem I***** verweist, weitwendige eigene Beweiswerterwägungen anstellt („Auch erscheint es lebensfremd ...“„Warum hätte der Zeuge ... wissentlich die Unwahrheit sagen sollen?“, „es erscheint durchaus glaubhaft, ...“, „diese Aussage ... ist nicht zuletzt deshalb überzeugend, ...“) und aus den vorliegenden Verfahrensergebnissen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse als die des Erstgerichts zieht, überschreitet sie die Grenze zur im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099674).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert die Beurteilung der Tat als minderschweren Raub nach § 142 Abs 2 StGB, stützt diese Forderung jedoch - nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den Kriterien dieser strafbaren Handlung - allein auf die Behauptung, dass „bloßes Festhalten“ nicht als erhebliche Gewalt zu qualifizieren sei und „auch im vorliegenden Fall ... vom Zweitangeklagten keine erhebliche Gewalt angewendet“ wurde, ohne sich dabei an den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu orientieren, die ein im bewussten und gewollten Einverständnis erfolgtes gemeinsames Vorgehen des Beschwerdeführers mit dem Mitangeklagten Manuel I***** dahin umfassen, dass Cemal T***** das - durch jahrelangen Suchtmittelmissbrauch beeinträchtigte und schmächtige (US 7, 11) - Opfer von hinten mit beiden Armen erfasste, dessen Arme gegen seinen Oberkörper und diesen nach vorne drückte, sodass sich Dominik W***** - trotz heftiger Gegenwehr - nicht mehr in der Lage sah, sich zu befreien, während Manuel I***** dem Genannten seine Geldtasche aus der hinteren Hosentasche zog und das Bargeld daraus entnahm, und Cemal T***** die Umklammerung erst löste, nachdem er diverse Drohungen gegen den Angegriffenen ausgestoßen hatte (US 6 f). Damit aber verfehlt die Beschwerde den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584; RIS-Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei festgehalten, dass von der Anwendung „nicht erheblicher Gewalt“ dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Täter bei seinem Angriff beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt und demgemäß die Belastung des Opfers im Vergleich zu den Durchschnittsfällen eines Raubes nicht mehr als geringfügig einzustufen ist, wobei unter Anlegung eines objektiv-individualisierenden Maßstabs auch die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls (insbesondere der Zustand des Angegriffenen) zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0094427; Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 56; zum Erfordernis deliktsspezifischer Auslegung des Gewaltbegriffs vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 10, 30), womit die aktuell eingesetzte Gewalt schon angesichts der festgestellten Konstitution und Beeinträchtigung des Opfers und der - durch dessen erfolglose heftige Gegenwehr indizierten - Vehemenz des Angriffs nicht mehr als unerheblich bewertet werden kann (vgl auch 15 Os 48/95).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00044.10T.0413.000

Im RIS seit

17.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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