TE OGH 2010/6/24 6Ob97/10y

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Veröffentlicht am 24.06.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, wegen 10.881,65 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. März 2010, GZ 50 R 9/10w-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. Dezember 2009, GZ 8 C 1693/09t-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte ihre sich aus den § 1299 ABGB sowie §§ 13 ff WAG 1997 ableitbaren Aufklärungs-, Informations-, Nachforschungs- und Wohlverhaltenspflichten im Zusammenhang mit der Anlageberatung des Klägers beim Ankauf von Aktien einer Immobiliengesellschaft gröblich verletzt habe. Als konkreten Schaden macht der Kläger geltend, dass die vermittelten Wertpapiere keineswegs seinen geringen Risikoerwartungen entsprächen und deutliche Kursverluste erlitten hätten. Die Beklagte hafte für sämtliche aus der fehlerhaften Beratung sich ergebenden Schäden und Nachteile. Der Schaden bestehe primär bereits darin, dass ihm von der Klägerin Wertpapiere vermittelt wurden, die er bei Kenntnis der wahren Tatsachen zu keinem Zeitpunkt erworben hätte. Er begehre die Naturalrestitution im Sinne einer Rückabwicklung des vermittelten Geschäfts. Konkret begehre er Zug um Zug gegen Übernahme der von ihm erworbenen und noch gehaltenen Aktien den bezahlten Ankaufspreis von 8.545,90 EUR zuzüglich des entgangenen Zinsgewinns einer alternativen Veranlagung in Höhe von 4 % jährlich in Höhe von 2.336,56 EUR, insgesamt sohin 10.881,65 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2009.

Das als Erstgericht angerufene Bezirksgericht wies die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit zurück, da der Streitwert 10.000 EUR übersteige.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es ging dabei rechtlich zusammengefasst davon aus, dass Zinsen dann eine Nebenforderung darstellen, wenn und insoweit sie von einer gleichzeitig eingeklagten Hauptforderung abgeleitet werden, ohne dass dabei der Rechtsgrund der geltend gemachten Zinsenforderung entscheidend sei. Hier stellten die Zinsen aber einen eigenen Schadenersatzanspruch dar, der unabhängig von der begehrten Rückabwicklung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution bestehe. Dafür spreche auch, dass der Anleger gegen Rückgabe der Aktien die von ihm bei richtiger Beratung gewünschte Veranlagung bekommen solle. Der Oberste Gerichtshof habe bei der Bemessung des Streitwerts und der Kosten auch bereits den Zinsentgang berücksichtigt.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Beurteilung von als positiver Schaden geltend gemachten Zinsentgängen als eigene Hauptforderung eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege und der Lösung dieser Frage im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahren aber über den konkreten Fall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegensteht, dass der Kläger in seinem Rekurs eventualiter auch einen Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gestellt hat. Von der seinerzeitigen Rechtsansicht, dass der Revisionsrekurs unzulässig ist, wenn gleichzeitig ein Rekurs und ein Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gestellt werden, ist der Oberste Gerichtshof mittlerweile abgegangen (RIS-Justiz RS0099922 [T2]). Dieses Ergebnis entspricht auch dem Grundsatz, dass die Gerichte an die von der klagenden Partei bestimmte Reihenfolge der Erledigung von Rekurs und Überweisungsantrag gebunden sind (RIS-Justiz RS0039108). Mit einem Eventualantrag nach § 230a ZPO wird der Überweisungsantrag nämlich nicht nur davon abhängig gemacht, dass der Rekurs selbst erfolglos bleibt, sondern auch davon, dass ein allfälliger Revisionsrekurs erfolglos bleibt (RIS-Justiz RS0039108 [T3]).

2.1. In der Sache kommt dem Revisionsrekurs jedoch keine Berechtigung zu:

Wenn der „Streitgegenstand“ an „Geld oder Geldeswert“ die Summe von 10.000 EUR übersteigt, ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts und nicht des Bezirksgerichts für Handelssachen gegeben (§ 52 JN).

§ 54 JN bestimmt in seinem Abs 1, dass für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Wertes des Streitgegenstands der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend ist.

Der Abs 2 dieser Bestimmung ordnet dann Folgendes an:

„Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt.“

2.2. Wenn diese Forderungen „selbständig“ geltend gemacht werden, gilt diese Regelung nicht (Mayr in Rechberger, ZPO3 § 54 JN Rz 3; Gitschthaler in Fasching2 I § 54 JN Rz 28 mwN). Im Ergebnis wird darauf abgestellt, ob diese „Nebenansprüche“ abhängig, also „akzessorisch“ von der geltend gemachten Hauptsache sind (Gitschthaler aaO; 2 Ob 31/95; RIS-Justiz RS0042813).

2.3. Im vorliegenden Fall macht der Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten bei der Anlageberatung geltend. Er begehrt als Teil dieses Schadenersatzanspruchs auch den Zinsgewinn der von ihm eigentlich angestrebten alternativen Veranlagung, und zwar für den Zeitraum vom Beginn der Veranlagung bis zur Geltendmachung des Anspruchs. Darüber hinaus begehrt er die Zinsen aus diesem Schadenersatzanspruch offensichtlich ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Konkret stützt der Kläger sein Klagebegehren hinsichtlich des entgangenen Zinsgewinns auf Naturalrestitution. Er leitet also sein Begehren nicht daraus ab, dass er den Betrag aus der Rückabwicklung des Aktienaufkaufs bereits früher wieder zurückerhalten hätte müssen und daher für die verspätete Rückzahlung ihm Zinsen zustünden (vgl auch RIS-Justiz RS0046466, 2 Ob 31/95; 3 Ob 611/85), sondern daraus, dass Teil des positiven Schadens auch die Erträgnisse aus der angestrebten Veranlagung sind (vgl dazu 3 Ob 289/05d sowie RIS-Justiz RS0046495).

Damit macht der Kläger aber einen selbständigen Anspruch geltend, dessen Beurteilung sich nicht als „akzessorisches Nebenprodukt“ der Beurteilung eines Hauptanspruchs ableiten lässt (vgl 8 Ob 45/10s).

Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E94477

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00097.10Y.0624.000

Im RIS seit

14.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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