TE OGH 2011/3/22 3Ob33/11s

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Veröffentlicht am 22.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Kitzbühel, gegen die beklagten Parteien 1.) H***** S*****, 2.) P***** S*****, 3.) S***** KEG und 4.) D***** S*****, alle vertreten durch Waldbauer-Paumgarten-Naschberger & Partner Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. September 2010, GZ 1 R 272/09w-44, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 10. Juni 2009, GZ 1 C 14/07t-33, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein aus einem Alttrakt (Bauernhaus) und einem Neubautrakt bestehendes Wohngebäude errichtet ist. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin schloss mit dem Erst- und dem Zweitbeklagten einen mit 1. Juli 1997 beginnenden Mietvertrag. Der Erstbeklagte übte schon vor Abschluss des Mietvertrags im Haus mit Wissen der Klägerin das Hausbesorgergewerbe aus, das mittlerweile zusammen mit der Viertbeklagten (Ehegattin des Erstbeklagten) in der Form einer KG (Drittbeklagte) betrieben wird. Der Zweitbeklagte ist der Sohn des Erst- und der Viertbeklagten.

Am 15. März 2007 kündigte die Klägerin zu AZ 6 C 166/07g des Erstgerichts den nunmehr vier Beklagten das Bestandverhältnis auf. Diese Aufkündigung hob das Erstgericht mit Urteil vom 31. Juli 2008 auf und wies das Räumungsbegehren ab. In Ansehung der Drittbeklagten verneinte es das Bestehen eines Mietverhältnisses und damit die Passivlegitimation der Drittbeklagten. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Die gegen alle vier Beklagten erhobene Räumungsklage, die die Klägerin in Ansehung aller Beklagten auf nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstands, in Ansehung des Zweitbeklagten auch auf sein fehlendes Wohnbedürfnis und in Ansehung der Drittbeklagten auf titellose Benützung stützte, wiesen die Vorinstanzen ab. Das Berufungsgericht verneinte den erheblich nachteiligen Gebrauch. Bereits von Beginn des Mietverhältnisses an habe der Erstbeklagte und später die Drittbeklagte mit Wissen der Klägerin ein Hausbetreuungsunternehmen betrieben. Eine Änderung in der Benützung des Mietobjekts, wodurch die Substanz des Bestandobjekts geschädigt werden könnte, sei nicht erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die Klagestattgebung gegenüber allen Beklagten anstrebt, ist nicht zulässig.

Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz ist in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RIS-Justiz RS0042963). Die unterlassene Berücksichtigung eines Detektivberichts im erstinstanzlichen Verfahren kann daher nicht neuerlich aufgerollt werden.

Der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz, weshalb eine Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht möglich ist (RIS-Justiz RS0043371, RS0043414).

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Vermieter einen Dritten, der sein Recht auf Benutzung vom Mieter ableitet, im Regelfall nicht unmittelbar auf Räumung klagen kann (RIS-Justiz RS0010408, RS0007670). Die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen dem Mieter (hier dem Erstbeklagten) und dem Dritten ist dabei ohne jede Bedeutung. Jede auch bloß formlose Gestattung (Duldung) durch den hiezu Berechtigten genügt (10 Ob 2/03x; 5 Ob 168/08d). Es bedurfte daher keiner näheren Erörterung der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der Erstbeklagte der von ihm mit der Viertbeklagten gegründeten drittbeklagten Gesellschaft die Mitbenützung des Bestandobjekts gestattete. Dafür, dass diese Gestattung gegenüber der Klägerin unwirksam wäre, etwa weil es sich um eine (versuchte) sittenwidrige Schädigung des Vermieters gehandelt hätte (vgl 4 Ob 207/07f), besteht hier im Hinblick auf die im Wesentlichen gleichbleibende Mitnutzung der zu Wohnzwecken vermieteten Objekte auch für die Ausübung des Hausbesorgergewerbes (Verwaltungstätigkeit, Gerätelagerung) kein Anhaltspunkt. Dass der Drittbeklagten keine selbständigen Mietrechte gegenüber der Klägerin zukommen, blieb im Verfahren unbestritten und wurde im Übrigen im Kündigungsprozess rechtskräftig festgestellt. Dass die Drittbeklagte ihren Sitz in der Wohnung des Erstbeklagten hat, bildet im Übrigen von vornherein keine „Anmaßung von Mietrechten“ im Sinn des Vorbringens der Klägerin.

Dadurch wird der Klägerin auch kein „weiterer Mieter durch Etablierung einer Personengesellschaft aufgezwungen“. Die Bestreitung des auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehrens der Klägerin durch die Drittbeklagte unter Hinweis auf die durch ihre Gründung bloß fortgesetzte - im Wesentlichen im Ausmaß unveränderte - Nutzung durch den Erstbeklagten als Mieter bedeutet entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht die Behauptung selbständiger Mietrechte, sondern lediglich die vom Erstbeklagten als Mieter der Klägerin abgeleitete Befugnis, das Bestandsobjekt in bestimmter Weise zu nutzen.

Da die Klägerin sohin keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihre außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E96981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00033.11S.0322.000

Im RIS seit

03.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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