TE OGH 2011/4/12 10ObS37/11f

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Veröffentlicht am 12.04.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. W*****, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 1.176,93 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Februar 2011, GZ 11 Rs 3/11g-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die im vorliegenden Fall relevante Zuverdienstgrenze für den Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld stellt gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) auf den „maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8)“ ab. Es wird dabei grundsätzlich von den (steuerpflichtigen) Einkünften gemäß dem EStG 1988 ausgegangen.

1.1 Für die Berechnung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 8 Abs 1 Z 1 KBGG idF BGBl I 2001/103) ist von jenen Einkünften auszugehen, die während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes (Anspruchszeitraum) zugeflossen sind. Als Anspruchsmonate zählen dabei nur jene Kalendermonate, in denen mehr als die Hälfte des Monats Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes bestanden hat. Bezüglich der Höhe der maßgeblichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist von einer Art Bruttoeinkommen auszugehen, das nicht den tatsächlichen Bruttoeinkünften entspricht. Die gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 während der Anspruchsmonate zugeflossenen Einkünfte sind um 30 % (bei Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe um 15 %) zu erhöhen. Die Summe der während der Anspruchsmonate zugeflossenen Einkünfte, erhöht um 30 % (bzw bei Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe um 15 %), ist durch die Anzahl dieser Anspruchsmonate zu teilen und mit zwölf auf einen fiktiven Jahresbetrag zu vervielfachen. Der sich ergebende Betrag ist schließlich im vorliegenden Fall der Freigrenze des § 2 Abs 1 Z 3 KBGG idF BGBl I 2001/103 gegenüberzustellen (vgl 10 ObS 136/09m = SSV-NF 23/84 ua).

1.2 Die von den Vorinstanzen vorgenommene Berechnung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte entspricht den dargelegten Grundsätzen. Es begegnet nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber aus verwaltungsökonomischen Überlegungen für die Beurteilung der Einkommenssituation des Beziehers von Kinderbetreuungsgeld im Anspruchszeitraum grundsätzlich auf den steuerrechtlichen Einkommensbegriff abstellt und dabei den Zufluss „sonstiger Bezüge“ in Form des weithin üblichen 13. und 14. Monatsbezugs sowie den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen als typisch betrachtet und durch eine pauschale Erhöhung des Ausgangsbetrags um 30 % berücksichtigt, somit auf eine aufwendige Ermittlung und Kontrolle dieser Zahlungen und Beträge im Einzelfall verzichtet (VfSlg 18705). Es begegnet nach Ansicht des erkennenden Senats aber auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber im Sinne einer Gleichbehandlung von erzielten Erwerbseinkommen mit an deren Stelle tretenden Einkommensersätzen in den Gesamtbetrag der Einkünfte das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe einbezogen hat und diese Bezüge im Hinblick darauf, dass es weder beim Arbeitslosengeld noch bei der Notstandshilfe einen 13. bzw 14. Monatsbezug gibt, noch steuerwirksam Werbungskosten, Sonderausgaben uä abgezogen werden können, mit einem pauschalen Zuschlag von lediglich 15 % anzuheben sind (vgl Ehmer ua, KBGG² 134). Bei Werbungskosten (§ 16 EStG) handelt es sich um jene Aufwendungen, die bei den außerbetrieblichen Einkunftsarten zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte von den Einnahmen abzuziehen sind. Das Gesetz definiert sie als „Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen“ (§ 16 Abs 1 EStG). Da das Arbeitslosengeld von der Steuerbefreiungsregelung des § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 erfasst ist, sind auch die mit ihm im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl VwGH, 19. 10. 2006, 2005/14/0127 ua). Die Nichtberücksichtigung von Werbungskosten beim Arbeitslosengeldbezug des Klägers im Anspruchszeitraum begegnet daher nach Ansicht des erkennenden Senats ebensowenig verfassungsrechtlichen Bedenken wie der Umstand, dass bei Anspruchsbeginn bzw Anspruchsende auf Kinderbetreuungsgeld während eines Kalendermonats aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung darauf abgestellt wird, ob das Kinderbetreuungsgeld für diesen Kalendermonat überwiegend (bemessen nach der Zahl der Tage) ausbezahlt wird (vgl Ehmer ua, KBGG² 133). Der erkennende Senat sieht sich daher zu der vom Revisionswerber angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

2. Gemäß § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG ist der Empfänger einer Leistung nach dem KBGG auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet, wenn sich ohne sein Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat. Gegen diese verschuldensunabhängige Rückzahlungsverpflichtung bestehen ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfSlg 18705).

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Härtefall iSd § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-VO (BGBl II 2004/91) nur gegeben, wenn eine bloß geringfügige Überschreitung der Grenzbeträge gemäß § 2 Abs 1 Z 3 und § 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 15 % vorliegt und diese Überschreitung für den Leistungsempfänger unvorhersehbar war. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, ist vom Krankenversicherungsträger auf die Rückforderung zu verzichten (10 ObS 186/10s; 10 ObS 63/09a = SSV-NF 23/38 ua).

2.2 Das Kriterium der „Unvorhersehbarkeit“ ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS-Justiz RS0124751) dann erfüllt, wenn die Überschreitung der Zuverdienstgrenze trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden konnte, wobei den Leistungsbezieher eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Einkünfte trifft (10 ObS 167/10x mwN). Die Fragen der Unvorhersehbarkeit der Überschreitung bzw des zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs können jeweils nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (10 ObS 167/10x mwN).

2.3 Die Ansicht des Berufungsgerichts, selbst eine durch eine - im vorliegenden Fall aber gar nicht festgestellte - unrichtige Rechtsauskunft der beklagten Partei oder durch eine (dem Kläger nicht vorwerfbare) unrichtige Berechnung des maßgebenden Gesamtbetrags der Einkünfte hervorgerufene geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze stelle noch keine „unvorhersehbare“ Überschreitung der Zuverdienstgrenze iSd § 1 lit a KBGG-Härtefälle-VO (BGBl II 2004/91) dar, steht ebenfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl jüngst 10 ObS 31/11y).

Die außerordentliche Revision des Klägers war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E97172

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:010OBS00037.11F.0412.000

Im RIS seit

16.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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