TE OGH 2011/5/10 4Ob25/11x

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Veröffentlicht am 10.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. T***** M*****, 2. M***** M*****, beide vertreten durch Kammler & Koll Rechtsanwälte OG in Freistadt, wider die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Manfred Luger, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen Wiederherstellung und Leistung (Streitwert 6.000 EUR), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. November 2010, GZ 16 R 129/10v-32, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Freistadt vom 4. Juni 2010, GZ 2 C 209/09w-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beiden Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die an die Liegenschaft der Beklagten angrenzt. Bevor die Kläger mit einem Hausbau auf ihrer Liegenschaft begonnen haben, war das Höhenniveau der benachbarten Grundstücke annähernd gleich. Im Zuge ihrer Bautätigkeit ließen die Kläger Aufschüttungen auf ihrer Liegenschaft vornehmen, die bewirkten, dass an der Liegenschaftsgrenze zur Beklagten eine Böschungskante entstand, die derzeit von gleichem Niveau auf maximal 40 cm Höhensprung ansteigt.

Auch die Beklagte errichtete in der Folge auf ihrer Liegenschaft ein Haus, ohne dabei das Höhenniveau ihres Grundstücks durch Abgrabungen zu verändern. Als Abgrenzung gegenüber der Liegenschaft der Kläger ließen die Beklagte im Bereich der heutigen Böschung eine ca 9,5 m lange Stahlbetonmauer errichten, die sich - wie eine nachträgliche Vermessung ergab - mit einer Breite von etwa sieben Zentimeter auf der Liegenschaft der Kläger befand. Nach Kenntnis dieses Umstands verlangten die Kläger die Entfernung der gesamten Mauer; ein Teilabriss des Überbaus allein war technisch nicht möglich. Mangels Einigung über eine Ablösezahlung entsprach die Beklagte der Forderung der Kläger und ließ die Mauer entfernen. Später stellte sich heraus, dass die Mauer eine stützende Wirkung auf die Aufschüttung am Grundstück der Kläger hatte; ihr Fehlen führte zu einem Erosionsvorgang des ursprünglich vertikalen Höhensprungs infolge Oberflächenwassers; es kam zu oberflächlichen Abschwemmungen von Bodenteilen und zum Entstehen einer Böschungskante auf dem Grundstück der Kläger.

Die Kläger begehrten von der Beklagten a) die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands an der Grundstücksgrenze durch Wiederaufschüttung, b) die Absicherung der Geländekante zwischen den Grundstücken durch Anbringung einer ordnungsgemäßen Abstützung. Die Beklagte habe ihr Grundstück unzulässig abgegraben, wodurch eine Stützmauer notwendig geworden sei; nach deren Entfernung sei eine Böschungskante entstanden, die von der Beklagten gemäß § 364b ABGB abzustützen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht. Die Kläger besäßen keinen Anspruch auf Wiederherstellung der erforderlichen Stütze gemäß § 364b ABGB. Sie hätten von der Beklagten die Entfernung der - teilweise auf ihrer Liegenschaft errichteten - Mauer verlangt und damit in Kauf genommen, dass ihr Grundstück die erforderliche Stütze verliere. Den Höhenunterschied zwischen den Liegenschaften hätten die Kläger durch Aufschüttungen auf ihrer Liegenschaft selbst herbeigeführt und müssten daher selbst entsprechende Sicherungsmaßnahmen gegen Abrutschungen und Erosion ergreifen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig. Die bekämpfte Entscheidung weicht nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Passivlegitimation bei einem Anspruch nach § 364b ABGB ab.

1. § 364b ABGB verbietet Baumaßnahmen im Bereich bzw unter der Erdoberfläche auf dem eigenen Grundstück auf eine Weise, dass dem Nachbargrund dadurch die Stütze entzogen wird. Aus der Bestimmung resultiert ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch gegen den Nachbarn, auf den in analoger Anwendung des § 364a ABGB die Bestimmung des § 1323 ABGB (der Schaden ist in erster Linie durch Zurückversetzung in den vorigen Stand, also durch Naturalrestitution, auszugleichen) anzuwenden ist (7 Ob 103/98t; vgl RIS-Justiz RS0053282).

2. Die nachbarrechtlichen Ansprüche nach den §§ 364 Abs 2 und 364b ABGB sind besondere Anwendungsfälle der negatorischen Eigentumsklage des § 523 ABGB, weshalb die Frage der Passivlegitimation nach den zur Eigentumsklage entwickelten Grundsätzen zu beurteilen ist. Verursacht ein vom Eigentümer verschiedener Störer die Immissionen, kann dies dazu führen, dass Ansprüche auf nachbarrechtlicher Grundlage nur gegen den Störer, nicht aber gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks gerichtet werden können. Der Eigentümer haftet dann nur, wenn er die Einwirkung durch den Dritten duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre; es müsste dem Eigentümer des Nachbargrundstücks dem Dritten gegenüber ein Hinderungsrecht zustehen (1 Ob 35/89 mwN).

3. Berücksichtigt man diese Grundsätze, haben die Vorinstanzen eine auf § 364b ABGB gestützte Haftung der Beklagten als Eigentümerin des Nachbargrundstücks zutreffend abgelehnt. Die Beklagte hat nämlich weder durch ihre Bauführung den nunmehr bestehenden Höhenunterschied zwischen den Liegenschaften herbeigeführt, noch stand ihr ein Hinderungsrecht gegenüber der Forderung der Kläger zu, die - versehentlich als teilweiser Überbau errichtete - Grenzmauer abzutragen.

4.1. Haben demnach die Kläger - wie sie in der Revision betonen - berechtigterweise von der Beklagten die Entfernung einer bestehenden Mauer an der Grundstücksgrenze verlangt, können sie einen aus der Erfüllung dieser Forderung resultierenden allfälligen nachteiligen Zustand für ihr Grundstück nicht mittels Ausgleichsanspruchs nach § 364b ABGB durch die Eigentümerin der Nachbarliegenschaft beheben lassen, haben sie doch die als „Störung“ ihrer Liegenschaft beurteilte Maßnahme durch ihr Beharren auf einer Entfernung der Mauer selbst verursacht.

4.2. Ohly („Volenti non fit iniuria“. Die Einwilligung im Privatrecht, 197) hat zutreffend aufgezeigt, dass Haftungstatbestände, die an die Verletzung eines Rechts anknüpfen, im Fall der Einwilligung nicht erfüllt sind. Wer mit Erlaubnis des Eigentümers dessen Sache zerstört, begeht zwar bei naturalistischer Betrachtung eine Sachbeschädigung, nach normativer Wertung aber keine Eigentumsverletzung. Daraus folgt im Anlassfall, dass nur ein - hier nicht gegebener - eigenmächtiger Eingriff der Beklagten zu Abwehr- und Wiederherstellungsansprüchen der Kläger führen könnte, nicht aber die über Aufforderung und mit Einwilligung der Kläger vorgenommene Entfernung der Grenzmauer.

4.3. Dazu kommt weiters, dass in diesem Fall auch eine Naturalrestitution (Wiedererrichten der abgerissenen Mauer) mangels Zustimmung der Kläger zum teilweisen Überbau nicht in Betracht kommt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 40, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Textnummer

E97271

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00025.11X.0510.000

Im RIS seit

24.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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