TE OGH 1990/1/17 1Ob35/89

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz S***,

2. Anna S***, beide Landwirte, Ried in der Riedmark 31, beide vertreten durch Dr.Alfred Haslinger, DDr.Heinz Mück, Dr.Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei M*** R*** in der Riedmark, vertreten durch Dr.Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Firma S***, Straßen- und Tiefbauunternehmung-AG, Linz, Gruberstraße 96, vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, 2. O*** G***-L*** Gesellschaft mbH, Linz, Raiffeisenplatz 1, vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung, Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert S 143.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.Juni 1989, GZ 2 R 5/89-26, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14.Oktober 1988, GZ 6 Cg 243/86-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei und den auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten die Kosten des Revisionsverfahrens von je S 6.789,42 (darin je S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes 744/1 KG Ried in der Riedmark. Dieses Grundstück besitzt eine gemeinsame Grenze zum Grundstück 736/2 in EZ 623 KG Ried in der Riedmark, das im Eigentum der beklagten Partei steht. Die beklagte Partei hatte mit Kaufvertrag vom 2.Februar 1983 ua von den Klägern Teilgrundstücke erworben, aus denen das Grundstück 736/2 gebildet wurde. Nach Punkt 11 dieses Kaufvertrages räumte die beklagte Partei ua den jeweiligen Eigentümern des Grundstückes 744/1 das Recht ein, vom Grundstück 744/1 auf einer im Lageplan eingezeichneten Trasse in einer Breite von rund 5 m über das Grundstück 736/2 zum Grundstück 2670/4 öffentliches Gut zu gehen und mit den zur ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung des herrschenden Grundstückes erforderlichen Fahrzeugen zu fahren. Da die endgültige Planung noch nicht abgeschlossen sei, könne die Zufahrtsstraße seitens der beklagten Partei im Bereich des belasteten Grundstückes verlegt werden. Sie sei aber so anzulegen, daß sie von den Berechtigten praktisch ohne Niveauunterschied von ihrem Grundstück 744/1 aus erreicht werden könne. Die Gestaltung dieser Ausfahrt geschah in der Folge vereinbarungsgemäß. Mit gemeindeaufsichtsbehördlich genehmigten Baurechtsvertrag vom 17.8./13.9.1984 räumte die beklagte Partei der OÖ-G***-L*** GesmbH (im folgenden G***-L***) im Sinn des Gesetzes vom 26.April 1912, RGBl. Nr. 86 auf die Dauer von 40 Jahren ein Baurecht an dem Grundstück 736/2 ein. Die Bestellung des Baurechtes erfolgte zum Zweck der Errichtung der Volksschule, welche innerhalb von zwei Jahren ab Vertragsabschluß zu errichten und fertigzustellen war. Als Bauzins wurde ein jährlicher Betrag von S 20.000,-- vereinbart. Für den Fall, daß die Bauberechtigte mit der Berichtigung des Bauzinses für zwei aufeinanderfolgende Jahre in Verzug kommt, kann die beklagte Partei die Aufhebung des Vertrages durch einseitige Erklärung verlangen. Das Baurecht wurde im C-Blatt der EZ 623 KG Ried in der Riedmark einverleibt, in EZ 627 KG Ried in der Riedmark wurde eine eigene Baurechtseinlage eröffnet. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 27.Jänner 1986, Zl. Bau -521-1440-1983 wurde der G***-L*** gemäß § 56 Abs 6

OÖ-Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35, für den Neubau der Volksschule Ried in der Riedmark und der Schulwartwohnung unter Auflagen die Benützungsbewilligung erteilt. Im Zuge der Bauführung kam es zu geringfügigen Grenzüberschreitungen zu Lasten des Grundstückes 744/1. Die Kläger stellen das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, 1. den Ableitungsschacht für Oberflächenwasserableitung in Nähe des Grenzpunktes 3751 vom Grundstück der Kläger 744/1 so in das Grundstück der beklagten Partei 736/2 zu verlegen, daß dadurch Schacht und Zuleitung des Grundstückes 744/1 nicht mehr berührt werden; 2. die Ableitung von in Halbschalen zusammengefaßten und dann teilweise auf freiem Grund ausfließenden Oberflächenwasser vom Grundstück 736/2 auf das Grundstück 744/1 zu unterlassen; 3. die Aufböschung des Grundstückes 744/1 in der Nähe des Grenzpunktes 3751 so weit zu beseitigen, als sie in dieses Grundstück hineinragt, in diesem Bereich einzuebnen und mit einer Humusschicht in einer Stärke von wenigstens 20 cm zu bedecken; 4. die erforderliche Stütze des Grundstückes 744/1 dadurch wiederherzustellen, daß die Abböschung an der Grenze der Grundstücke 744/1 und 736/2 zur Gänze beseitigt werde, soweit sie sich auf dem Grundstück 744/1 befinde, die gesamte Abböschung nordöstlich und nordwestlich des Grenzpunktes 3788 so weit in das Grundstück 736/2 zu verlegen, daß zwischen der Grenzlinie der Grundstücke 736/2 und 744/1 und der Böschungsoberkante ein Grundstückstreifen in der Mindestbreite von 50 cm verbleibe; die Ableitung des Oberflächenwassers mittels Halbschalenleitung so weit in das Grundstück 736/2 zu verlegen, daß ebenfalls zwischen der Grenzlinie der Grundstücke 736/2 und 744/1 und der Halbschalenleitung ein Grundstückstreifen in der Mindestbreite von 50 cm verbleibe. Sie brachten vor, die beklagte Partei sei Bauherr (Auftraggeberin) des Schulbaues und der als Zubehör der Schule dienenden Sportanlage gewesen. Auf Grund mangelnder Obsorge der beklagten Partei als Bauherrin sei es zu Verletzungen des Grundeigentums der Kläger gekommen. Das behördlich genehmigte Bauwerk der beklagten Partei habe die Grenzen des Gemeindegrundstückes überschritten, das Nachbarrecht der Kläger sei beeinträchtigt worden. Die beklagte Partei habe sich auch ohne jeden Rechtstitel Dienstbarkeiten angemaßt. Was das Begehren zu Punkt 4 betreffe, habe die beklagte Partei durch Baumaßnahmen das Grundstück 736/2 im Grenzbereich zum Grundstück der Kläger 744/1 durch Heranführen der baulichen Anlagen und Abböschungen sowie des offenen Ableitungskanales für Oberflächenwasser direkt an die Grenze oder in unmittelbare Grenznähe, oder in Überschreitung der Grenze so vertieft, daß der Boden auf dem Grundstück 744/1 im Grenzbereich seine erforderliche Stütze zum Nachbargrundstück 736/2 verloren habe, wobei für eine anderweitige genügende Befestigung nicht Vorsorge getoffen worden sei (§ 364 b ABGB). Eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes der Kläger sei nur möglich, wenn an der Grenze auf dem Grundstück 736/2 wenigstens ein 50 cm breiter Grundstreifen unverändert verbleibe. Es bestehe ein Anspruch der Kläger, daß diese natürliche Grenze des Grundstückes 744/1 durch den unbedingt notwendigen 50 cm breiten Grundstreifen wieder hergestellt werde. Nachdem die beklagte Partei auf Grund des Baurechtsvertrages mangelnde Passivlegitimation eingewendet hatte, brachten die Kläger ergänzend vor, die beklagte Partei sei nach wie vor Eigentümerin des Grundstückes 736/2; da die Klage ausdrücklich auf Nachbarrecht gestützt werde, sei die beklagte Partei ungeachtet des Baurechtsvertrages passiv legitimiert. Überdies habe die beklagte Partei die Ansprüche der Kläger anerkannt. Die beklagte Partei wendete mangelnde Passivlegitimation ein. Bauherr sei nicht sie, sondern die G***-L*** gewesen. Es hätten keine vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen der beklagten Partei und den bauausführenden Firmen bestanden. Die beklagte Partei habe keine Anordnungen erteilt, die zu den von den Klägern behaupteten Grenzverletzungen geführt hätten. Sie habe auch keine Möglichkeit gehabt, auf die bauausführenden Firmen Einfluß zu nehmen. Daß es zu Beeinträchtigungen der Kläger kommen könne, sei völlig unvorhersehbar gewesen. Die beklagte Partei habe daher keine Möglichkeit gehabt, die von ihr begehrten Unterlassungen und Leistungen zu erbringen. Ein Anerkenntnis sei nie erfolgt. Im übrigen wurden die behaupteten Grenzverletzungen und Beeinträchtigungen des Grundstückes der Kläger bestritten. Es bestehe auch kein Anspruch auf bestimmte Sicherungsmaßnahmen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, Bauherr der Volksschule (Auftraggeber des Bauvorhabens) sei nicht die beklagte Partei, sondern die G***-L*** gewesen. Die beklagte Partei habe keine Anordnungen erteilt, die zu den von den Klägern behaupteten Grenzverletzungen geführt hätten. Sie sei auch mit den ausführenden Unternehmern in keinerlei vertraglicher Rechtsbeziehung gestanden. Es sei nicht erwiesen, daß für die beklagte Partei die von den Klägern behaupteten Verletzungen ihres Eigentums vorhersehbar gewesen seien, bzw. daß die beklagte Partei eine rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, die behaupteten Eingriffe auf privatrechtlicher Ebene zu verhindern. Ein Anerkenntnis der beklagten Partei sei nicht erfolgt.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Grundstückseigentümer nur dann passiv legitimiert sei, wenn er die Eingriffe geduldet habe, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen sei. Ein solcher Sachverhalt habe nicht festgestellt werden können. Aus privatrechtlicher Sicht ergebe sich keine Berechtigung der beklagten Partei gegen die

G***-L*** vorzugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes über den es entschieden habe, S 60.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteige. Die Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Was die auf die Bestimmungen des Nachbarrechts gestützten Ansprüche 2. und 4. des Klagebegehrens betreffe, so richteten sich solche Ansprüche gegen denjenigen, der durch Vorkehrungen auf einem Grundstück unzulässige Störungen am Nachbargrund hervorrufe, also gegen den Eigentümer, der selbst die Einwirkungen verursache, oder Einwirkungen durch einen anderen dulde. Daß die Immission eines Dritten vom Grundstück ausgehe, mache dessen Eigentümer allerdings noch nicht verantwortlich. Unterlassungspflichtig werde der Grundstückseigentümer nur dann, wenn zwischen seiner Sachherrschaft und der Emission ein gewisser Zusammenhang bestehe. Der Grundstückseigentümer werde insbesondere dann verantwortlich sein, wenn er die Emission geduldet habe, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre; dies setze jedenfalls Vorhersehbarkeit des Schadens voraus. Eine Beschränkung der Haftung des Grundstückseigentümers für ein störendes und schädigendes Verhalten eines Dritten werde von Lehre und Rechtsprechung besonders dann in Betracht gezogen, wenn der Dritte die Liegenschaft, von der die Störung ausgehe, auf Grund eines Rechtsverhältnisses zum Grundeigentümer für eigene Zwecke benütze, der Dritte also zum Beispiel Dienstbarkeitsberechtigter oder Bestandnehmer sei. Ein solcher Fall sei wegen des bestehenden Baurechtes der G***-L*** gegeben. Als Baurechtsberechtigter habe die G***-L*** durch

verschiedene Firmen das Schulgebäude samt dazugehörigen Anlagen errichten lassen. Nicht die beklagte Partei, sondern die G***-L*** habe also als Bauherr die bauausführenden Firmen beauftragt. Wenn die Firmen im Zug ihrer Bautätigkeit auf das Grundstück der Kläger eingewirkt und dieses allenfalls seiner notwendigen Stütze beraubt hätten, so könne dafür neben den Firmen selbst nur die G***-L*** als deren Auftraggeber, nicht aber die beklagte Partei haftbar gemacht werden. Die beklagte Partei führe zutreffend aus, die Klage zur Abwehr vom Immissionen sei auf deren Unterlassung und nicht auf die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen zu richten. Das Klagebegehren sei daher auch insofern verfehlt, als die Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zu bestimmten Maßnahmen forderten. Was das Klagebegehren zu Punkt 1. und 3. betreffe, handle es sich um Ansprüche, die nur auf § 345 ABGB gestützt werden könnten. Für solche Forderungen komme als Anspruchsgegner in erster Linie der unmittelbare Störer selbst in Betracht. Ein Dritter könne nur dann Anspruchsgegner sein, wenn er die Störung mittelbar durch Anmaßung oder Ausübung eines Rechtes veranlaßt oder auch bloß als Eigentümer für die von der Sache selbst ausgehende Störung wegen ihres Zusammenhanges mit der Nutzung (Verfügung) sonst verantwortlich sei. Diese Voraussetzungen träfen auf die beklagte Partei nicht zu. Auch Überlegungen, inwieweit die beklagte Partei etwa nach dem Erlöschen des Baurechts aus den Maßnahmen Nutzen ziehen könnte, seien nicht anzustellen, da der bloße Nutznießer einer Störung dem anspruchsberechtigten Eigentümer nicht verantwortlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Soweit zur Dartuung der Passivlegitimation der beklagten Partei in der Revision ausgeführt wird, die beklagte Partei "benutze" längst die auf dem Grundstück 736/2 errichtete Volksschule und deren Anlagen, sie leite die anfallenden Oberflächenwässer durch den zum Teil auf dem Grundstück der Kläger liegenden Sammelschacht ab, sie sei Benützer dieses Grundstückes und habe als solcher jederzeit die Möglichkeit, die störenden Anlagen zu beseitigen, handelt es sich um im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerungen. Das Berufungsgericht hat, ohne daß ihm eine Aktenwidrigkeit unterlaufen wäre, zutreffend ausgeführt, daß die Kläger ihre Ansprüche auf das Eigentum der beklagten Partei am Grundstück 736/2, auf ein Anerkenntnis, sowie darauf stützten, daß die beklagte Partei Bauherrin der Volksschule gewesen sei. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes scheiden die letztgenannten Anspruchsgrundlagen aus. Die beklagte Partei hat kein Anerkenntnis abgegeben, sie war auch nicht Bauherrin der Volksschule. Es war für sie auch nicht vorhersehbar, daß es zu Verletzungen des Eigentumsrechtes der Kläger durch die Bauführung kommen könnte. Ein Tatsachenvorbringen, die beklagte Partei habe die Grenzverletzungen (Immissionen) durch eigenes Handeln und nicht nur durch Duldung des von einem Dritten geschaffenen Zustandes bewirkt, wurde nicht erstattet. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob die beklagte Partei als Eigentümerin des Grundstückes, das mit einem Baurecht belastet ist, für Störungen des Nachbareigentümers haftet.

Die nachbarrechtlichen Ansprüche nach den §§ 364 Abs 2 und 364 b ABGB sind besondere Anwendungsfälle der negatorischen Eigentumsklage des § 523 ABGB (§ 364 Abs 2 ABGB: JBl 1989, 239;

JBl 1988, 323; MietSlg 39.024; 38.023; SZ 56/50; SZ 50/99 uva;

Koziol-Welser8 II 41, Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 364;

Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 523; Pimmer in Schwiemann, ABGB, Rz 18 zu § 523; § 364 b ABGB: SZ 45/132; Pimmer aaO, Rz 1 zu § 364 b; Rz 2 zu § 364, Rz 18 zu § 523; Spielbüchler aaO, Rz 1 und 3 zu § 364 ABGB, Klang2 II 178). Die Eigentumsfreiheitsklage ist ein Anwendungsfall der Eigentumsklage (MietSlg 35.053;

EvBl 1965/197 ua; Petrasch aaO, Rz 9 zu § 523). Sie kann nicht nur im Fall der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut, sondern bei jedem (nicht hoheitlichem) unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (MietSlg 30.060; SZ 43/47; EvBl 1965/197; Petrasch aaO). Infolge Gleichheit des Rechtsgrundes ist daher die Frage, wer gegen Immissionsklagen oder Eigentumsfreiheitsklagen passiv legitimiert ist, nach ähnlichen Grundsätzen zu beurteilen.

Für die Eigentumsfreiheitsklage wurde ausgesprochen, daß grundsätzlich der Störer selbst passiv legitimiert ist, ein Dritter (der Eigentümer des Grundstückes, von dem die Beeinträchtigung fremden Eigentums ausgeht) aber dann, wenn er den Eingriff veranlaßt hat, den unerlaubten Zustand aufrecht erhält oder von ihm sonst Abhilfe zu erwarten ist (Petrasch aaO, Rz 9 zu § 523 mwN, zuletzt MietSlg 36.040; ZVR 1983/123; 4 Ob 514/85; Pimmer aaO, Rz 34 zu § 523). Für die Immissionsklage wird zwar grundsätzlich der Eigentümer des Grundstückes, von dem die schädliche Wirkung ausgeht, als Verbotsgegner angesehen (Pimmer aaO, Rz 9 zu § 364); die Klage kann aber auch gegen den vom Eigentümer des Nachbargrundstückes verschiedenen Störer, der das Grundstück für seine Zwecke benützt, erfolgreich gerichtet werden (RZ 1989/33; SZ 53/11; SZ 47/140 uva; Spielbüchler aaO, Rz 5 zu § 364). Zwischen Emission und Sachherrschaft muß aber ein Zusammenhang bestehen (SZ 59/47 mwN). Verursacht daher ein vom Eigentümer verschiedener Störer die Immissionen, kann dies dazu führen, daß Ansprüche auf nachbarrechtlicher Grundlage nur gegen den Störer, nicht aber gegen den Eigentümer des Nachbargrundstückes gerichtet werden können. Der Eigentümer haftet dann nur, wenn er die Einwirkung durch den Dritten duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre (ImmZ 1986, 177 mwN); es müßte dem Eigentümer des Nachbargrundstückes dem Dritten gegenüber ein Hinderungsrecht zustehen (EvBl 1976/190; SZ 45/132; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 321, FN 34). Eine bloße "Gefährdungshaftung kraft Eigentumsrechtes" ist daher abzulehnen (vgl. Medicus in Münchener Kommentar2, Rz 38 zu § 1004 ABGB; Säcker in Münchener Kommentar2, Rz 117 zu § 906 BGB). Da die Bestimmung des § 364 b ABGB einen Sonderfall der mittelbaren Einwirkung auf Nachbargrundstücke enthält (SZ 45/132; Klang aaO 177; Pimmer aaO, Rz 1 zu § 364 b; Spielbüchler aaO, Rz 1 zu § 364 b) gilt für die Frage der Zurechnung dasselbe, was zum Anspruchsgrund nach § 364 Abs 2 ABGB ausgeführt wurde (MietSlg 39.025; SZ 45/132; Spielbüchler aaO, Rz 3). Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist die Ansicht der Vorinstanzen, die beklagte Partei sei passiv nicht legitimiert zu billigen. Die beklagte Partei räumte der G***-L*** ein Baurecht ein. Dieses Baurecht ist als Last ihres Grundstückes einverleibt. Eine zweite Einlage, in der das Baurecht den Gutsbestand bildet, wurde eröffnet. Gemäß § 1 BauRG ist das Baurecht das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu haben. Es kann sich auch auf Teile des Grundstückes erstrecken, die für das Baurecht selbst nicht erforderlich sind, aber für dessen Benützung vorteilhaft sind. Titel des Baurechtes ist der Baurechtsvertrag (Klang2 V 143). Der Bauberechtigte ist Eigentümer des Bauwerkes. Am Grundstück stehen ihm, soweit der Baurechtsvertrag nichts anderes vorsieht, die Rechte eines Fruchtnießers zu (§ 6 Abs 2 BauRG). Für den Inhalt des Baurechtsvertrages normiert das Baurechtsgesetz eine Reihe zwingender Vorschriften. So darf das Baurecht nicht auf weniger als 30 und nicht auf längere Zeit als 80 Jahre bestellt werden (§ 3 Abs 1 BauRG); gemäß § 4 Abs 1 BauRG darf das Baurecht nicht durch eine auflösende Bedingung beschränkt werden; einziger Fall eines vorzeitigen Erlöschens des Baurechtes (und damit die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung des dem Baurecht zugrundeliegenden Baurechtsvertrages) bildet der Verzug in der Berichtigung eines allenfalls vereinbarten Bauzinses durch wenigstens zwei aufeinanderfolgende Jahre. Die Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung und die Einräumung von Rücktrittsrechten ist daher ausgeschlossen (Klang aaO 144). Diese zwingenden Vorschriften können auch nicht dadurch umgangen werden, daß der Bauberechtigte für den Fall des Zuwiderhandelns gegen den Baurechtsvertrag auf das Baurecht verzichtet und sich zu einer Rückübertragung des Eigentums am Bauwerk verpflichtet (Forchheimer, Das Baurecht 48 f). Daraus folgt aber, daß der Eigentümer des mit einem Baurecht belasteten Grundstückes keine rechtliche Möglichkeit hat, weder auf Grund des bestehenden Baurechtsvertrages noch durch Androhung des Verlustes des Baurechtes dem Bauberechtigten gegenüber auf Abhilfe zu dringen. Auch andere Abhilfemöglichkeiten stehen ihm nicht zur Verfügung. Zwischen Emission bzw. Störung und Sachherrschaft besteht dann aber mangels rechtlicher Einwirkungsmöglichkeit des Eigentümers nicht der für die Bejahung der Passivlegitimation des Grundeigentümers erforderliche Sachzusammenhang.

Soweit in der Revision behauptet wird, die beklagte Partei maße sich durch ihr zurechenbare Handlungsweisen des Bauberechtigten Grunddienstbarkeiten an, bei Anmaßung einer Grunddienstbarkeit sei immer und ausschließlich nur der Grundeigentümer (nicht aber der das angemaßte Recht ausübende Fruchtnießer) passiv legitimiert, kann ihr nicht gefolgt werden. Im Fall der von der Revision als Belegstelle (Petrasch aaO Rz 10 zu § 523) angeführten Entscheidung MietSlg 31.052 handelt es sich um eine auf § 10 EO gestützte Klage. Es ging darum, ob das gegen den Grundeigentümer, der selbst Stör- und Servitutsanmaßer war, ergangene rechtskräftige Urteil auch gegen den Einzelrechtsnachfolger vollstreckbar sei. Der Fruchtnießer aber, der in Ausübung seines Fruchtnießungsrechtes sich Rechte an fremden Grundstücken anmaßt, ist schon als Störer fremden Eigentums passiv legitimiert (GlU 15444; Klang2 II 603). Werden aber dem handelnden Störer weitere Eingriffe untersagt, kann dann eine Ersitzung zugunsten des Grundeigentümers nicht stattfinden. Ist die beklagte Partei aber nicht passiv legitimiert, ist das gesamte Klagebegehren schon aus diesem Grunde abzuweisen. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19451

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00035.89.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19900117_OGH0002_0010OB00035_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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