TE OGH 2011/5/31 10Ob16/11t

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Veröffentlicht am 31.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl und Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, gegen die beklagten Parteien 1. B*****, 2. H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger und andere Rechtsanwälte in Wörgl, wegen 36.713,51 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck, als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2011, GZ 2 R 229/10h-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Haftung des Erstbeklagten:

I.1. Die Frage, welche Sorgfaltspflicht bei einem bestimmten Arbeitsvorgang einzuhalten ist, stellt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0026535 [T8]; RS0026541 [T4]).

I.2. Nach den Feststellungen nutzten die Klägerin und ihre Helfer die vom beauftragten zweitbeklagten Unternehmen zur Verfügung gestellten Streicherwägen insgesamt während fünf Tagen und erkannten (schon) dabei die Schwergängigkeit und das teilweise Blockieren der Räder. Die Ausführungen der außerordentlichen Revision zu § 1299 ABGB gehen daher ins Leere: War es doch selbst für einen Laien erkennbar, dass die schwergängigen Drehräder des Streicherwagens blockieren könnten, wenn man nur an einer Seite kräftig zog. Ob der Erstbeklagte nun Lagermeister, oder, wie vom Berufungsgericht angenommen, Zimmermann war, spielt daher keine entscheidende Rolle. Auch eine allenfalls unterlaufene Aktenwidrigkeit stellt nicht per se eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung dar, sondern ist nur insoweit relevant, als sie für die Entscheidung selbst von wesentlicher Bedeutung war (RIS-Justiz RS0042155 [T1]; RS0042762 [T7]; Kodek in Rechberger ZPO3 § 503 Rz 17 mwN), was hier aber aus den vorerwähnten Gründen zu verneinen ist. Auch an der Kausalität ist nicht zu zweifeln, weil feststeht, dass der Streicherwagen aufgrund der blockierenden Räder umgestürzt ist.

I.3. Der Erstbeklagte hielt demnach durch das unvorsichtige Anschieben nicht einmal den gewöhnlichen Sorgfaltsmaßstab nach § 1297 ABGB ein; „umklammerte“ er doch den - ihm als Mitarbeiter der Zweitbeklagten bekannten - schweren Streicherwagen „auf der rechten Seite mit beiden Händen und zog daran“. Die Bejahung der deliktischen Verschuldenshaftung nach § 1295 ABGB ist somit nicht zu beanstanden.

I.4. Auch wenn der Revisionswerber ausführt, § 1299 ABGB setze eine vertragliche Beziehung voraus, ist ihm daher zu erwidern, dass die Vorinstanzen die Haftung ohnehin nicht allein aus § 1299 ABGB abgeleitet haben (vgl dazu RIS-Justiz RS0026234), sondern aus der verschuldeten Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts (körperliche Unversehrtheit) iSd § 1295 ABGB.

I.5. Soweit aber der Sorgfaltsmaßstab gemäß § 1299 ABGB angewendet wurde, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass im Baugewerbe auch bei deliktischem Verhalten, also außerhalb einer Vertragsbeziehung, der erhöhte Maßstab des § 1299 ABGB zur Anwendung gelangt, wenn es - wie hier - um die bauliche Sicherheit geht (Reischauer in Rummel³ § 1299 ABGB Rz 6 mwN aus der Rsp).

II. Zur Haftung der Zweitbeklagten:

II.1. Die Frage, ob ein „innerer Zusammenhang“ der Handlungen des Erstbeklagten zu der von der Zweitbeklagten übernommenen Vertragspflicht besteht, kann ebenfalls nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (stRsp; RIS-Justiz RS0028429). Daher wäre - im Hinblick darauf, dass die Antwort auf die mitunter schwierigen Abgrenzungsfragen, ob der Gehilfe „bei der Erfüllung“ der Pflichten des Geschäftsherrn oder bloß „gelegentlich“ der Erfüllung handelte, von einer solchen Einzelfallbeurteilung abhängt - auch über die außerordentliche Revision der Zweitbeklagten (wegen der vorliegenden umfangreichen Vorjudikatur) nur dann meritorisch abzusprechen, wenn aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts korrigiert werden müsste (7 Ob 184/09y mwN). Davon kann jedoch aus folgenden Erwägungen keine Rede sein:

II.2. Im vorliegenden Fall diente das zuletzt - über Aufforderung des Erstbeklagten vorzunehmende - Stapeln der Bretter dem Freiräumen des Platzes sowie dem Abtransport, sodass die Handlung des Erstbeklagten klar im sachlichen Zusammenhang mit der Interessenverfolgung der Zweitbeklagten steht (RIS-Justiz RS0028530 [T2]). Außerdem hatte die Zweitbeklagte - wie die Anweisungen an den Erstbeklagten zeigen - Einfluss auf die Verwendung der Erstbeklagten im Rahmen des Vertragsverhältnisses (RIS-Justiz RS0028566 [T1]).

II.3. Bereits zu 2 Ob 9/86 (2 Ob 10/86) hat der Oberste Gerichtshof im Übrigen ausgeführt, dass eine unentgeltliche Zusatzleistung durch Gehilfen dann zur Anwendung des § 1313a ABGB führt, wenn der Schuldner seine Leistung nicht aus Gefälligkeit, sondern im eigenen Interesse, so etwa aus Werbegründen, erbringt.

II.4. Nichts anderes kann hier gelten; hat doch die Zweitbeklagte - zur Erzielung von Vertragsabschlüssen - den Kunden jeweils erlaubt, die Bretter auf dem Betriebsgelände selbst zu streichen. Da auch die Beauftragung durch die Klägerin nur unter diesen Umständen erfolgte, lag das Streichen am Betriebsgelände schon aus diesem Grund im Interesse der Zweitbeklagten.

II.5. Welche Bedeutung diese Maßnahme zur Umsatzsteigerung für die Zweitbeklagte hatte, zeigt auch der Umstand, dass die Klägerin vom Erstbeklagten fachlich unterstützt wurde. Das von ihm angeordnete abschließende Stapeln der Bretter erfolgte somit jedenfalls im betrieblichen Interesse der Zweitbeklagten. Die Zurechnung ihres Gehilfen nach § 1313a ABGB liegt daher im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und ist nicht zu beanstanden.

III. Auf ein Mitverschulden der Klägerin kommt das außerordentliche Rechtsmittel nicht mehr zurück.

Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Textnummer

E97597

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0100OB00016.11T.0531.000

Im RIS seit

30.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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