TE OGH 2011/6/15 4R161/11t

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Veröffentlicht am 15.06.2011
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Werner Hofmann und Mag. Thomas Rendl in der Firmenbuchsache der V***** Gesellschaft m.b.H., ***** S*****, wegen Erzwingung der Vorlage des Jahresabschlusses zum 31.12.2009, über den Rekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers S***** V*****, beide vertreten durch Dr. Elisabeth Zonsics-Kral, Rechtsanwältin in Korneuburg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 07.04.2011, 10 Fr 1517/11g-4, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der ordentliche Revisionsekurs ist nicht zulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Krems an der Donau ist zu FN ***** die V***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in S***** eingetragen. Alleiniger Geschäftsführer ist seit 19.07.1990 S***** V*****. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom 17.03.2011 verhängte das Landesgericht Krems an der Donau über die Gesellschaft (ON 1a) und den Geschäftsführer (ON 1b) jeweils die gemäß § 283 Abs 2 UGB vorgesehene Zwangsstrafe von EUR 700,- wegen nicht rechtzeitiger Vorlage des Jahresabschlusses zum 31.12.2009.

In ihren dagegen erhobenen und gleich lautenden Einsprüchen brachten der Geschäftsführer (ON 2) und die Gesellschaft (ON 3) zusammengefasst vor, mit der Erstellung der Bilanz den Steuerberater beauftragt zu haben. Infolge einer schweren, mit einem Spitalsaufenthalt verbundenen Krankheit der Mutter des Geschäftsführers und den damit einhergehende Belastungen sei die Einhaltung der Frist übersehen worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht über die Gesellschaft und den Geschäftsführer erneut eine Zwangsstrafe von je EUR 700,--.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers mit dem Antrag, das Strafverfahren einzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Ohne die in den Einsprüchen dargelegten Gründe aufzugreifen, versucht der Rekurs nur die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 283 UGB in der Fassung des BBG 2011 aufzuzeigen.

1. Das Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB erfuhr tiefgreifende Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011, BGBl I 2010/111). Bislang war ein stufenweises Vorgehen, nämlich als erster Schritt - nach Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist von neun Monaten (§ 277 Abs 1 UGB) - zunächst die Verfahrenseinleitung durch Strafandrohung, geboten; erst als zweiter Schritt - nach fruchtlosem Ablauf der gerichtlichen Nachfrist - war die Fassung des Strafbeschlusses vorgesehen (vgl. G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 77 ff; RIS-Justiz RS0113939). Nunmehr ist - nach Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist – (in der Regel) sogleich, nämlich ohne vorausgehendes Verfahren, eine Zwangsstrafe von EUR 700,- mittels Strafverfügung zu verhängen (§ 283 Abs 2 UGB nF).

Gemäß Satz 1 der Übergangsbestimmung des § 906 Abs 23 UGB trat § 283 UGB nF mit 01.01.2011 in Kraft. Die neue Rechtslage ist nach Satz 2 leg cit auf Verstöße gegen die in § 283 Abs 1 UGB genannten Pflichten anzuwenden, die nach dem 01.01.2011 gesetzt werden oder fortdauern. Hat die Offenlegungsfrist vor dem 01.03.2011 geendet und ist die Offenlegung nicht bis zum 28.02.2011 erfolgt, so ist mit einer Zwangsstrafverfügung nach neuer Rechtslage vorzugehen.

2. Die seit dem GesRÄG 1996 getroffenen innerstaatlichen Regelungen zur Offenlegung von Jahresabschlüssen erfolgen in Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 – Bilanzrichtlinie), die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG-V beruhen. Art 6 der 1. Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen für den Fall anzudrohen, dass die in Art 2 Abs 1 lit f der Richtlinie vorgeschriebene Offenlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unterbleibt.

Die detaillierten Regelungen der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber einen nur sehr geringen Umsetzungsspielraum; er hat dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abgesichert werde. Die Gestaltung dieser Sanktionen überlassen die Richtlinien dem nationalen Gesetzgeber, sodass nur unverhältnismäßige und damit unsachliche Strafen auch nach innerstaatlichem Recht unzulässig sind (vgl. OGH 09.03.2000, 6 Ob 5/00d mwN).

Soweit der Rekurs die fehlende europarechtliche Vorgabe für die konkrete, mit dem BBG 2011 eingeführte Verfahrensbestimmung des 283 UGB releviert und die Auffassung vertritt, dass die Vorgaben der Richtlinien auch auf anderem Wege hätten erfüllt werden können, wird damit noch keine Europarechtswidrigkeit der neugefassten Verfahrensbestimmungen aufgezeigt.

3.1. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der oben erwähnten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; vor allem jene vom 04.12.1997, C-97/96 - „Daihatsu“) keinen Eingriff in Grundrechte der Europäischen Menschrenrechtskonvention (EMRK) oder Grundwerte der Europäischen Union erblickt (RS0113089; zuletzt zur Rechtslage vor dem BBG 2011 OGH 24.03.2009, 4 Ob 229/08t).

3.2. Hervorzuheben ist, dass sich nach Auffassung des Höchstgerichts an dieser Verfassungs- und Europarechtskonformität auch durch das Publizitätsrichtlinie-Gesetz (PuG - BGBl I 2006/103) nichts geändert hat. Mit dem PuG wurde § 283 Abs 4 (nunmehr Abs 6) UGB eingefügt, wonach eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken ist, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. ErläutRV PuG 1427 BlgNR 22. GP 6) sollte die Neuregelung Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung des Art 6 der Publizitäts-Richtlinie zerstreuen. Der Oberste Gerichtshof stellte klar, dass der Gesetzgeber an die ältere Judikatur anknüpfen und den repressiven Charakter der Zwangsstrafe im Gesetz ausdrücklich verankern wollen habe; er sei damit einer rechtspolitischen Entscheidung gefolgt, die mit der EO-Novelle 2000, BGBl I 2000/59, für die Regelung der Geldstrafen zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen in § 359 EO getroffen wurde. Der Gesetzgeber habe sich zur Erhöhung der Wirksamkeit des Zwangsstrafverfahrens dafür entschieden, dass nachträgliche Änderungen den Vollzug der verhängten Zwangsstrafe in der Regel nicht hindern sollen. Das gesetzliche Ziel der Beugung des Willens des Verpflichteten könne nämlich nur erreicht werden, wenn dieser wisse, dass die Strafe im Fall des Zuwiderhandelns nicht bloß verhängt, sondern auch vollzogen wird (vgl. OGH 18.12.2009, 6 Ob 252/09s).

3.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage vor dem BBG 2010 handelte es sich bei Zwangsstrafen nach § 283 UGB nicht um „Kriminalstrafen“ (RS0115894 [T7]). Deshalb komme Art 6 EMRK nicht zur Anwendung, was jedoch Voraussetzung für die Beachtlichkeit sowohl von Art 7 EMRK als auch von Art 4 des 7. ZP zur EMRK wäre (zuletzt OGH 19.03.2010, 6 Ob 262/09m).

Durch die Novellierung des § 283 UGB, insbesondere auch durch die Einfügung des Wortes „zeitgerechten“ vor „Befolgung“ (der Offenlegungspflicht), wurde der vom Gesetzgeber schon bisher beabsichtigte repressive Charakter der firmenbuchrechtlichen Zwangsstrafen noch weiter betont. Es handelt sich daher im Ergebnis – ungeachtet terminologischer Spitzfindigkeiten und abweichend von der zu einer längst überholten Rechtslage ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die im Rekurs zitiert wird - um eine Strafe für das nicht zeitgerechte Einreichen des Jahresabschlusses.

3.3.1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind für die Einordnung eines Verfahrens als „strafrechtlich“ im Sinne des Art 6 EMRK drei Kriterien maßgeblich: die Qualifikation des Delikts als strafrechtlich gemäß der nationalen Rechtsordnung, der Charakter des Delikts und die Schwere der aufzuerlegenden Strafe (vgl. RIS-Justiz RS0120945). Dabei lässt der EGMR schon eines dieser Kriterien genügen, um die Anwendbarkeit des Art 6 EMRK zu begründen. So wurde etwa entschieden, dass die Verhängung eines Steuerzuschlags wegen Unregelmäßigkeiten in der Buchführung durch das Finanzamt Strafcharakter hat, auch wenn ein solcher Zuschlag bloß geringfügig (im Anlassfall: rund EUR 300,--) und nach nationalem Recht dem Steuerrecht zuzuordnen ist; entscheidend sei, dass die Verhängung auf einer allgemeinen Rechtsvorschrift beruht, die auf alle Steuerzahler gleiche Anwendung findet, und dass der Zuschlag nicht als finanzielle Entschädigung für entstandenen Schaden, sondern als Bestrafung mit abschreckendem Charakter gedacht ist (EGMR 23.11.2006, Bsw 73053/01).

3.3.2. Auch wenn diese Überlegungen auf das österreichische Zwangsstrafverfahren umso mehr zutreffen, als der Strafcharakter hier vom Gesetzgeber sogar ausdrücklich gewollt und in den Materialien (981 d.B. XXIV. GP, zu Art. 34) ausdrücklich angeführt ist, und auch die angedrohten Strafen von bis zu EUR 3.600,-- (bei großen Kapitalgesellschaften gemäß § 283 Abs 5 UGB sogar bis zu EUR 21.600,--) pro Organ bzw. Gesellschaft nicht mehr als bloß geringfügig anzusehen sind, sodass die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art 6 EMRK auf das Zwangsstrafverfahren zu bejahen ist, stützt dies den Standpunkt der Rekurswerber nicht, weil – wie gleich zu zeigen sein wird – die verfahrensrechtlichen Garantien des Art 6 EMRK auch nach neuer Rechtslage ohnehin eingehalten sind:

3.3.3. Gemäß Art 6 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das […] über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss grundsätzlich öffentlich verkündet werden. Jeder Angeklagte hat insbesondere das Recht, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten, sowie Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verpflichtung zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung allerdings nicht absolut; sie kann etwa in Fällen entfallen, in denen die Tatsachen oder die Glaubwürdigkeit von Zeugen unbestritten sind und die Gerichte bereits auf Grundlage des Aktenmaterials und des schriftlichen Vorbringens der Parteien zu einer fairen und ausgewogenen Entscheidung kommen können. Zwar sind die Anforderungen an die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Bereich des Strafrechts extrem hoch anzusetzen, jedoch gibt es auch hier Konstellationen, in denen „strafrechtlichen Anklagen" ein unterschiedliches Gewicht zukommt. Zu nennen wären insbesondere Bereiche, die nicht in die traditionelle Kategorie des Strafrechts fallen, wie etwa Finanz- und Verwaltungsstrafen sowie Zoll- und Wettbewerbsangelegenheiten (vgl. EGMR 23.11.2006, Bsw 73053/01).

3.3.4. Zwangsstrafen im Firmenbuchverfahren gehören keinesfalls dem Kernbereich des Strafrechts an, sodass strafrechtliche Garantien auch in diesem Fall nicht zur vollen Anwendung gelangen müssen. So wird im Zwangsstrafverfahren wohl auf eine öffentliche mündliche „Urteilsverkündung“ verzichtet werden können. Sehr wohl gebietet es aber die Fairness des Verfahrens, auf die von den zu Bestrafenden zu ihrer „Verteidigung“ vorgebrachten Argumente einzugehen und ihre „Entlastungszeugen“ anzuhören. Die Art und Weise, wie diese Verfahrensgarantien zu gewährleisten sind, ergibt sich dabei aus dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht.

Das Verfahren zur Erlassung einer Strafverfügung ohne vorangehende Anhörung berührt nicht prinzipiell das Recht auf ein faires Verfahren, die Zustellung muss jedoch strengen Voraussetzungen unterworfen werden (nachweisliche Zustellung), nachträgliches rechtliches Gehör muss ermöglicht werden und bei unverschuldeter Versäumung der Einspruchsfrist muss ein angemessener Rechtsschutz zur Verfügung stehen (EKMR 08.01.1992, 16487/90, ÖJZ 1992/20 [MRK]). Diesen Ansprüchen wird auch das neue Zwangsstrafverfahren gerecht, zumal Zwangsstrafverfügungen wie Klagen zuzustellen sind und bei Versäumung der vorgesehenen Einspruchsmöglichkeit der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung steht (§ 283 Abs 2 UGB nF).

Entgegen der Ansicht der Rekurswerber bleibt auch nicht unklar, welches Verfahrensrecht nach Einspruchserhebung anzuwenden ist: Beim Zwangsstrafverfahren handelt es sich gemäß § 15 FBG um ein Außerstreitverfahren, auf das die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes (§§ 1 – 80 AußStrG mit Ausnahme der §§ 72 – 77) anzuwenden sind.

3.4. Nach Art 4 7. ZP zur MRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Durch die nach § 283 Abs 7 UGB nF vorgesehene Bestrafung auch der Gesellschaft werden zwei verschiedene Personen, nicht aber eine Person mehrfach bestraft. Demnach kann entgegen der Auffassung der Rekurswerber schon begrifflich kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorliegen.

3.5. Soweit die Verhängung einer Zwangsstrafe durch einen Rechtspfleger kritisiert wird, ist dem zu erwidern, dass durch die Entscheidung eines Rechtspflegers gemäß §§ 16, 22 RPflG im Verfahren erster Instanz dem Zwangsstrafverfahren nach ständiger Rechtsprechung nicht die Qualität eines Tribunals im Sinne des Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK genommen wird (RS0123555; OGH 08.05.2008, 6 Ob 64/08t).

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Vor dem Hintergrund der Österreich treffenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Vorsehung wirksamer Sanktionen erscheint auch die vom Gesetzgeber nunmehr vorgesehene Mindeststrafe von EUR 700,-- sachgerecht. Nach alter Rechtslage hatte das Firmenbuchgericht bei Säumnis eine Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens so zu bemessen, dass einerseits die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer (Vorstandsmitglieder) nicht über Gebühr belastet werden. Die Zwangsstrafe war aber andererseits doch so hoch zu bemessen, dass die Erzwingung der Offenlegung wahrscheinlich erschien (vgl. RS0115833). Sie durfte nicht nicht zu niedrig angesetzt werden, weil sie sonst dem Zweck eines Druckmittels für die Erfüllung der Offenlegungspflicht nicht mehr hätte dienen können (RS0115833 [T7]). Auch bestand keine amtswegige Pflicht zur Erhebung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (RS0115833 [T6]). Die Strafverhängung erfolgte typischerweise eher schematisch und aufgrund objektiver Kriterien, wobei es keiner Feststellungen über die Vermögenslage der Geschäftsführer bedurfte (RS0115833 [T8]). Diesem Prinzip folgend hat das Höchstgericht in Fällen der Erstverhängung Zwangsstrafen in Höhe von je EUR 750,-- für ausreichend erachtet, um die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer nicht über Gebühr zu belasten, die Erzwingung der Offenlegung aber wahrscheinlich zu machen (OGH 14.03.2002, 6 Ob 41/02a). Die jetzt auch bei geringfügigen Überschreitungen vorgesehene Mindeststrafe von EUR 700,-- entbehrt daher nicht einer sachlichen Rechtfertigung, zumal die in § 277 UGB vorgesehenen Einreichungsfristen den Vorlagepflichtigen ausreichend Zeit einräumen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.

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Die Aufnahme von Entschuldigungsgründen in das Gesetz ist nicht erforderlich, weil die Verhängung einer Zwangsstrafe ohnehin Verschulden voraussetzt, woran sich nach neuem Recht nichts geändert hat. Die Bezugnahme auf die späte Fertigstellung der Steuererklärungen zum Jahreswechsel 2010/2011 in Anbetracht der erst knapp vor Jahreswechsel eingetretenen Änderungen durch das BBG 2011 geht schon deshalb ins Leere, weil ein nach steuerlichen Vorschriften zu erstellender Jahresabschluss keinen Einfluss auf die Vorlage des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hat (vgl OLG Wien, 4 R 68/08m). Im Übrigen wäre der hier gegenständliche Jahresabschluss zum 31.12.2009 schon am 30.09.2010 einzureichen gewesen.

Zusammengefasst wird im Rekurs keine Verfassungs- oder Europarechtswidrigkeit aufgezeigt. Es besteht auch kein Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungs- oder Vorabentscheidungsverfahrens.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG. Die Entscheidung steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des OGH, des EuGH und des EGMR. Rechtsfragen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht, liegen nicht vor.

Textnummer

EW0000513

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2011:00400R00161.11T.0615.000

Im RIS seit

15.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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