TE OGH 2011/8/30 14Os94/11x

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Veröffentlicht am 30.08.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Edyta H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ervin R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 11. April 2011, GZ 21 Hv 138/10t-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2, demzufolge auch im den Angeklagten Ervin R***** betreffenden Strafausspruch sowie in der Verweisung der Privatbeteiligten Dr. Susanne D***** auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird Ervin R***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die auf die Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde bezogenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ervin R***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er

(1) am 7. Oktober 2010 in L***** im einverständlichen Zusammenwirken mit Edyta H***** Verfügungsberechtigten einer V***** Filiale durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 10.370 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem Edyta H***** eine (einer echten Waffe täuschend ähnliche) Spielzeugpistole gegen die Bankangestellten Renate L***** und Erich P***** richtete und dabei äußerte: „Geld her, schneller!“, und Ervin R***** den Tatplan entwickelte, im Fluchtfahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe auf Edyta H***** wartete und das Fluchtfahrzeug lenkte;

(2) sich von 22. bis 25. September 2010 in S***** Kennzeichentafeln der Dr. Susanne D*****, die er gefunden hatte, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet.

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ervin R*****.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst, dass dem Urteil in Betreff des Schuldspruchs 2 nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10) anhaftet, die sich zum Nachteil dieses Angeklagten auswirkt und daher amtswegig wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 1967) sind als Urkunden ohne Wertträgereigenschaft anzusehen (13 Os 52/10m verst Senat = EvBl 2011/28, 181; RIS-Justiz RS0126373, RS0126372 sowie RS0093753) und können daher nicht Objekt einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen sein. Durch deren - hier in der Zueignung einer gefundenen Kennzeichentafel bestehende - Unterdrückung wird daher nicht Unterschlagung (§ 134 StGB), sondern - wenn sie mit dem Vorsatz erfolgt, zu verhindern, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde - Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 dritter Fall StGB begründet.

Da die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht getroffen wurden, war das Urteil im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Ein Eingehen auf das diesen Schuldspruch betreffende Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel.

Indem die Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen zum Schuldspruch 1 pauschal als undeutlich, unvollständig und mit sich selbst im Widerspruch stehend bezeichnet, entspricht sie nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Mit dem Einwand, nicht näher genannte „Angaben in diesem Verfahren, welche der Entscheidung zugrunde gelegt wurden“, stünden mit „Akteninhalten, Urkunden und Protokollen“ im Widerspruch, wird Nichtigkeit aus Z 5 gar nicht behauptet.

Die auf eine nach Urteilsverkündung verfasste, an den Bundespräsidenten gerichtete Eingabe der Edyta H***** Bezug nehmende Argumentation ist mit Blick auf das Neuerungsverbot unbeachtlich.

Soweit mit dem „Verweis“ auf ein weiteres Schreiben der Genannten an den Vorsitzenden des Schöffensenats Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) geltend gemacht werden soll, geht die Beschwerde zum Einen daran vorbei, dass es bei umfangreichem Aktenmaterial - wie im gegebenen Fall - zu prozessförmiger Ausführung einer Mängelrüge der genauen Angabe der Fundstelle des betreffenden (hier als unerörtert reklamierten) Verfahrensergebnisses bedarf (vgl RIS-Justiz RS0124172) und ignoriert zum Anderen prozessordnungswidrig die Erwägungen der Tatrichter, die - logisch und empirisch einwandfrei - ausführlich darlegten, aus welchen Gründen sie die den Beschwerdeführer belastenden ursprünglichen Angaben der Angeklagten für glaubwürdig erachteten und ihre spätere - nach dem Beschwerdevorbringen in beiden Schreiben bloß wiederholte - Behauptung, ihn aus Eifersucht verleumdet zu haben, verwarfen (US 9 bis 13).

Weshalb die Aussage des Zeugen Mejo Hu*****, nach der Edyta H***** ihm über einen geplanten Bankraub berichtet habe, in erörterungsbedürftigen Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zu den Urteilsannahmen betreffend die Beteiligung des Beschwerdeführers an diesem Raub stehen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Mit den - in der Beschwerde zudem aktenwidrig referierten - Depositionen der Zeugin Sanela B***** haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt (US 14, 17) und gingen zudem ohnehin davon aus, dass diese am Tattag mit Ervin R***** telefonierte (US 17 f).

Indem die Rüge die Aussagen beider Angeklagten auf ihre Überzeugungskraft untersucht und daraus sowie aus einer an Ervin R***** gesendeten SMS der Edyta H***** andere Schlüsse zieht als die des Erstgerichts (US 11), verfehlt sie schon im Ansatz die von § 281 Abs 1 Z 5 StPO eröffneten Anfechtungskategorien (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).

Gleiches gilt für das daran anknüpfende Vorbringen des Beschwerdeführers, die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts „auf den Seiten 12 ff“ seien nicht geeignet, die „Ansicht zu erschüttern“, dass es an „objektivierbaren Beweismitteln“ für seine Täterschaft fehle und diesbezüglich bloß „Mutmaßungen“ vorlägen.

Durch Berufung auf den Zweifelsgrundsatz des Art 6 Abs 2 MRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, dass der Angeklagte unschuldig ist, wird schließlich keiner der von Z 5 bezeichneten Fehler behauptet, der Nichtigkeitsgrund daher ebenso wenig nicht geltend gemacht wie jener der Z 5a (RIS-Justiz RS0102162).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt mit der bloßen (wörtlichen) Wiederholung des gesamten Vorbringens der Mängelrüge keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen, sondern erschöpft sich insgesamt darin, die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass unmittelbarer (Mit-)Täter nur derjenige sein kann, welcher eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung setzt, wozu das Erstgericht zum Schuldspruch 1 keine Feststellungen getroffen hat. Nach den entsprechenden Urteilsannahmen hat der Beschwerdeführer vielmehr den Tatplan für den verfahrensgegenständlichen Raub entwickelt, Edyta H***** zu dessen Ausführung bestimmt, ihr die dabei verwendete Spielzeugpistole beschafft, in Tatortnähe in seinem Auto auf sie gewartet, das Fluchtfahrzeug gelenkt, die Tatutensilien entsorgt und letztlich die gesamte Beute vereinnahmt (US 2, 4 ff). Dem - in der Beschwerde nicht aufgegriffenen - Umstand, dass er demnach insoweit als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB; zur Subsidiarität des sonstigen Beitrags zur Bestimmungstäterschaft siehe Ratz in WK² Vor §§ 28 bis 31 Rz 50) und nicht als unmittelbarer Täter zu verurteilen gewesen wäre, kommt jedoch angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen keine Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0090648; § 290 Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO, wobei die amtswegige Maßnahme von der Kostenersatzpflicht nicht umfasst ist (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E98438

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00094.11X.0830.000

Im RIS seit

09.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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