TE OGH 2011/4/7 2Ob57/11p

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Veröffentlicht am 07.04.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*****, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 11.320,37 EUR sA und Verbesserung, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2011, GZ 36 R 290/10d-100, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision der beklagten Partei:

Die Revisionswerberin erachtet sich dadurch beschwert, dass ihr in Spruchpunkt 4 des berufungsgerichtlichen Urteils entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0021684) die konkrete Art und Weise, wie sie eine nach Gewährleistungsrecht geschuldete Verbesserung durchzuführen habe, vorgeschrieben werde.

Die Beklagte wurde bereits im erstgerichtlichen Urteil diesbezüglich wortgleich verurteilt. Sie hat in der Rechtsrüge ihrer Berufung den nunmehr dargestellten Aspekt nicht angesprochen. Die insoweit in der Berufung unterlassene Rechtsrüge kann nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung in der Revision nicht nachgetragen werden (RIS-Justiz RS0043573 [T36, T41, T43]).

Die Revisionswerberin moniert weiters die Unbestimmtheit des Klagebegehrens hinsichtlich einzelner spruchmäßig aufgetragener Verbesserungsmaßnahmen („Verschließen … der breiteren Risse der Travertinstufen in den Stiegenhäusern; Behebung der Wassereintritte in den Kellergeschoßen, in den Kellerröhren, in den Garagen ...“).

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren für ausreichend bestimmt erachtet.

Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen; bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RIS-Justiz RS0037874). An die Bestimmtheitserfordernisse eines Klagebegehrens sind bei der Durchsetzung von Mängelbehebungsansprüchen keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0117548). Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich jedenfalls im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Gittertüren zu den einzelnen Weinkellerabteilen gehörten zu den allgemeinen Teilen des im Wohnungseigentum stehenden Hauses. Im Wohnungeigentumsvertrag hätten die Vertragspartner abweichend von der Grundregel, dass die Abgrenzung der einzelnen Wohnungeigentumsobjekte nach außen zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft gehörten, zulässig einige Bestandteile der Liegenschaft wie Fenster, Wohnungseingangs-, Terrassen-, Balkontüren etc zum Bestandteil des einzelnen Wohnungseigentumsobjekts erklärt. Die Gittertüren zu den einzelnen Weinkellerabteilen seien darin nicht genannt worden. Da von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarungen restriktiv auszulegen seien, gehörten die Weinkellerabteiltüren zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, weshalb die klagende Eigentümergemeinschaft zur Geltendmachung der Mängel der Weinkellerabteiltüren aktiv legitimiert sei.

Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht habe übersehen, dass die Weinkellerabteile im Zubehör-Wohnungseigentum der Wohnungseigentümer stünden und nach dem Wohnungeigentumsvertrag jedem Wohnungseigentümer die Instandhaltung und Instandsetzung seiner Wohnung samt Zubehör obliege. Die Nichtnennung der Weinkellerabteiltüren in der Aufzählung sei daher eine Lücke, die durch Analogie zu schließen sei. Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wäre zwischen Außenseite und Innenseite der Weinkellerabteiltüren zu unterscheiden und könnte die Beklagte nur zur Mangelbehebung an der Außenseite verpflichtet werden.

Vertragsauslegung im Einzelfall ist nicht revisibel, es wäre denn, dem Berufungsgericht wäre eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (RIS-Justiz RS0042776 [T1]), die hier aber jedenfalls nicht vorliegt. Zu unterscheiden ist allenfalls zwischen Außen- und Innentüren und nicht zwischen der Außen- und der Innenseite einer Kellerabteiltür.

Zur Revision der Klägerin:

Die Vorinstanzen haben - je nach Blickwinkel - kaum oder gar nicht wahrnehmbare Haarrisse auf den Travertinstufen als unerheblichen Mangel, der keine Gewährleistungsfolgen auslöst (§ 932 Abs 2 ABGB aF), qualifiziert.

Entgegen der Rechtsauffassung der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht dabei nicht von oberstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen: Ganz unwesentliche Mängel, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet, lösen weder ein Leistungsverweigerungsrecht aus, noch rechtfertigen sie einen Preisminderungsanspruch (RIS-Justiz RS0018653). Die Beurteilung, ob bestimmte festgestellte Mängel gänzlich unerheblich sind, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne einer generellen Richtschnur für künftige Rechtsfälle (RIS-Justiz RS0044088 [T5, T26]). Die Beurteilung der Vorinstanzen hält sich im Rahmen des ihnen zukommenden Beurteilungsspielraums. Die von der Revisionswerberin zitierten Entscheidungen, in denen erhebliche Mängel bejaht wurden (7 Ob 131/99m: gesprungene Boden- und Wandfliesen; 6 Ob 777/82: Holzabsplitterung auf einer Türe) sind mit dem vorliegenden Fall nicht hinreichend vergleichbar.

Anders als das Erstgericht hielt das Berufungsgericht die auf Gewährleistung und Schadenersatz gerichteten Ansprüche der Klägerin hinsichtlich der Tropfgeräusche bei den Regenrinnen für verjährt.

Soweit die Revisionswerberin die Feststellung hinsichtlich des Zeitpunkts der Verbesserungsversuche bekämpft, liegt eine nicht revisible Tatfrage vor. Dass das Berufungsgericht gegen § 473a ZPO verstoßen hätte und somit ein berufungsgerichtlicher Verfahrensmangel vorläge (RIS-Justiz RS0111842), hat die Revisionswerberin nicht behauptet.

Soweit das Klagebegehren hinsichtlich der seit Jahren bekannten Tropfgeräusche auf Schadenersatz gestützt wird, bedurfte es zum Ingangsetzen der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB der Einholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb nicht, weil - wie schon das Berufungsgericht ausführte - hier die Beklagte aufgrund der abgeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsverträge als allein verantwortliche (allenfalls für ihre Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313a ABGB haftende) Schädigerin feststand.

Textnummer

E96935

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00057.11P.0407.000

Im RIS seit

26.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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