TE OGH 2011/4/7 13Os126/10v

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Veröffentlicht am 07.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. August 2010, GZ 123 Hv 76/10p-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario S***** (richtig:) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I und II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien als mit der Abfertigung befasster Beamter des Zollamts Wien mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Recht auf Einhebung von Eingangsabgaben anlässlich der Einfuhr von Waren in das Zollgebiet sowie auf Durchführung ordnungsgemäßer Verzollungsverfahren zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er

(I) dem abgesondert verfolgten Wolfgang B*****, Disponent der Spedition T***** Gesellschaft m.b.H., interne Dienstanweisungen und ihm dienstlich zugegangene Informationen des Zollamts Wien betreffend die Behandlung von Verzollungen von Waren aus China per E-Mail weiterleitete, und zwar

1) am 13. Februar 2008 Tabellen mit Schätzwerten betreffend chinesische Textilien aus einem im Auftrag der Finanzstrafbehörde erstellten, im Urteil näher bezeichneten „Mindestpreisgutachten“;

2) am 31. März 2008 eine Anordnung des Zollbeamten Andreas K***** darüber, bei welchen chinesischen Versendern besondere Kontrollen des Zollamts Wien stattzufinden haben sowie einen Aktenvermerk über eine Besprechung beim Zollamt Wien mit dem Hinweis auf die Problematik von Unterfakturierungen und der Anordnung verpflichtender Kontrollen bei Zollabfertigungen von aus China stammenden Waren;

3) am 16. September 2008 ein Schreiben der (österreichischen) Außenhandelsstelle in Shanghai, in welchem massive Zweifel an der Seriosität des chinesischen Versenders „W*****“ geäußert werden;

(II) in sechs Fällen eingangsabgabenpflichtige Waren, nämlich Schuhe des zu Punkt II/3 genannten chinesischen Unternehmens in einem nicht feststellbaren Gesamtwert, welche von Wolfgang B***** als Mitarbeiter der zu Punkt I genannten Spedition zur Verzollung angemeldet worden waren, in den freien Verkehr durch Verzollung überführte, obwohl sich diese Waren zum Zeitpunkt der Verzollungen gar nicht in Österreich befanden, und entgegen Dienstvorschriften, wonach bei diesen Verzollungen umfassende Kontrollen verpflichtend vorgesehen waren - ohne solche durchzuführen - unrichtige Beschauvermerke ausstellte, sodass der Zoll entsprechend den zu Grunde liegenden (unrichtigen) Rechnungen zu niedrig festgesetzt wurde, und zwar

1) am 3. Juli 2008 hinsichtlich vier im Schuldspruch näher bezeichneter Container;

2) am 9. Juli 2008 hinsichtlich zwei im Schuldspruch näher bezeichneter Container.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a und c des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung des Schuldspruchs I mit dem Hinweis auf die Angaben des Zeugen Andreas K***** zum (amtsgeheimen) „Charakter“ der vom Beschwerdeführer weitergeleiteten Informationen nicht offenbar unzureichend begründet. Diese seien nämlich gerade „für Art und Umfang der Kontrolle von Waren durch die Zollbeamten ausschlaggebend“ und ihre „Kenntnis für ein Unterlaufen von Kontrollen entscheidend“ gewesen (US 13 f). Den Inhalt dieser Informationen stellte das Erstgericht zudem in objektiver Hinsicht durch zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0119301) Verweis auf den Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und entsprechende Unterlagen im Akt fest (US 11 iVm ON 24 S 41 ff). Das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument, aus der Verantwortung des Beschwerdeführers könnten für diesen günstigere Schlussfolgerungen gezogen werden, zeigt keinen Begründungsmangel auf.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch II unter Berufung auf einen - nicht näher bezeichneten - vom Beschwerdeführer „rekonstruierten Containerverlauf“ in den Raum stellt, es sei „nicht auszuschließen“, dass sich die gegenständlichen Container zu den Tatzeitpunkten doch in Wien befunden haben könnten, argumentiert sie nicht „aus den Akten“ (vgl RIS-Justiz RS0117446). Zudem wendet sich dieses Vorbringen nicht gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (wonach der Beschwerdeführer ohne Durchführung entsprechender Kontrollen sogenannte Beschauvermerke ausstellte und dadurch Waren der zollamtlichen Überwachung entzog - vgl US 13), sondern bloß gegen damit im Zusammenhang stehende beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts.

Der im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I geäußerte Einwand fehlender Feststellungen dahingehend, ob durch die inkriminierte Weitergabe von Informationen „ein konkreter Fahndungserfolg vereitelt“ oder „konkret die Hinterziehung von Einfuhrabgaben ermöglicht“ worden sei, leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb der Eintritt des vom Vorsatz erfassten Schadens Voraussetzung der Tatbildverwirklichung sei (RIS-Justiz RS0096790).

Ohne Bezug zum festgestellten Sachverhalt (vgl US 11 f) bleibt schließlich die Behauptung, das Urteil enthalte keine (ausreichenden) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite.

Bleibt anzumerken, dass der in Missachtung des § 29 StGB gelegene Subsumtionsfehler - richtig wäre dem Angeklagten nur ein Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB anzulasten gewesen (RIS-Justiz RS0121981) - per se keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23). An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00126.10V.0407.000

Im RIS seit

04.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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