TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/21 A3 301393-2/2008

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Veröffentlicht am 21.03.2011
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Spruch

A3 301.393-2/2008/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. Lammer als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.06.2007, FZ. 05 00.097-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2011 zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufung wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I 101/2003 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX nach Nigeria nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 iVm § 15 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.03.2012 erteilt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. 1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin behauptet, Staatsangehörige von Nigeria und am 03.01.2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am selben Tag hat diese beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht und wurde sie daraufhin vom Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache am 12.01.2005 niederschriftlich einvernommen. Hierbei brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihr Vater Häuptling sei und sieben Frauen hätte. Sie sei jedoch das einzige Kind ihres Vaters. Ihre Mutter sei von den anderen Frauen geschlagen worden und am XXXX verstorben. Sie sei dann von ihrem Vater und den Stiefmüttern schlecht behandelt worden. Ihr Vater habe von ihr verlangt, dass sie einen Mann heirate, der vier Frauen habe und schon sehr alt, nämlich 47 Jahre alt sei. Ihr Vater habe ihr gesagt, dass er sie umbringen würde, wenn sie den Mann nicht heirate. Von ihrem Vater und seinen Frauen sei sie geschlagen worden. Am 12.06.2004 habe sie das Dorf verlassen und sei zu ihrem Onkel gegangen.

 

2. Am 15.03.2006 wurde die Beschwerdeführerin erneut vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab sie im Wesentlichen an, dass sie Probleme mit ihrem Vater gehabt habe. Sie hätte einen älteren Mann heiraten sollen. Ein Cousin habe sie im Jahr 2004 überredet, wegzugehen.

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.04.2006, Zl. 05 00.097-BAG, wurde der Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF 2003/101, abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

4. In Erledigung der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.04.2007, Zl. 301.393-C1/2E-XVII/55/06, der Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.04.2006, Zl. 05 00.097-BAG behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neues Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

5. Am 13.06.2007 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen. Sie gab hierbei im Wesentlichen an, dass ihr Vater sie im Jahr 2003 oder 2004 mit einem alten Mann verheiraten habe wollen. Als sie ihm gesagt habe, dass sie den Mann nicht heiraten wolle, habe er sie geschlagen. Sie sei ohnmächtig geworden und ihr Onkel habe sie ins Dorfkrankenhaus gebracht. Sie habe dann nicht mehr zu Hause leben wollen und ihr Onkel habe dann ihre Ausreise aus Nigeria organisiert.

 

6. Mit Bescheid vom 14.06.2007, Zl. 05 00.097-BAG, wurde der Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF 2003/101, abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei. Das Bundesasylamt gelange daher zum Schluss, dass es nicht plausibel und nicht glaubhaft sei, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Nigeria Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe.

 

7. Mit der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) bringt die Beschwerdeführerin erneut ihre Fluchtgründe vor. Frauen seien im Sinne der GFK als eigene soziale Gruppe zu betrachten und die Zwangsheirat stelle einen Eingriff in ihre persönlichen Freiheitsrechte dar. Da sie dem Willen ihres Vaters nicht gefolgt sei und jetzt sogar ein Kind von einem anderen Mann habe, werde sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit dem Verlust ihres und des Lebens ihrer Tochter bestraft. Mit einem Kind habe sich ihre Situation erheblich verschlechtert. Ihr Vater würde nur durch seinen Tod seine Ehre bewahren können. Die nigerianische Regierung habe bisher den Schutz der von Zwangsverheiratung und Verfolgung betroffenen Frauen nicht gewährleisten können. Eine interne Fluchtalternative sei nicht möglich, weil ihre Familie sie durch ihre Kontakte finden würde und weil es ausgeschlossen sei, Unterstützung durch Angehörige zu erlangen und solcherart den Lebensunterhalt woanders zu bestreiten. Sollte sie nach Nigeria geschickt werden, würde sie allein mit dem Kind nicht überleben können. Als Alleinerziehende würde sie keinen Job finden. Einen Betreuungsplatz für ihr Kind würde sie sich auch nicht leisten können. Die Beschwerdeführerin legte ein Schreiben über ihren Spitalsaufenthalt in Nigeria vor.

 

8. In der ergänzenden Berufung (nunmehr Beschwerde) ihres rechtsfreundlichen Vertreters wird betont, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Von der belangten Behörde sei mehr zu erwarten, als dass sie sich bloß passiv mit dem zufrieden gebe, was ein Asylwerber von sich gebe. Die belangte Behörde solle einem Asylwerber auch die Möglichkeit geben, Ungereimtheiten, welche sich durch ein aufgeregtes und ungewohntes freies Sprechen vor unbekannten Personen ergebe, aufzuklären. Die Beschwerdeführerin komme in allen Einvernahmen auf die körperliche Gewalt zurück, die der Vater und die Stiefmutter ihr gegenüber ausgeübt hätten. Zudem verweise sie immer wieder auch auf Narben, die von Misshandlungen stammen würden, die ihr vom Vater zugefügten worden seien. Zahlreiche Ländermaterialen würden darauf verweisen, dass die Kluft zwischen den christlich und dem islamisch dominierten Teil von Nigeria immer tiefer werde und vielfach die drohende Spaltung des Landes releviert werde. Dementsprechend könne auch nicht ohne weiters davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Lage wäre, andernorts außerhalb des Wohnorts ihres Vaters Unterkunft zu nehmen. Auch aus den von der Behörde zitierten Materialien ergebe sich, dass die Situation für alleinstehende Frauen - zumal wie die Beschwerdeführerin mit Kind - sehr schwierig sei. Die Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die Beschwerdeführerin wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in Nigeria asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei.

 

9. Am 05.02.2008 wurde eine vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Die Beschwerdeführerin brachte erneut vor, dass ihr Vater sie mit einem alten Mann verheiraten habe wollen. Sie habe ihrem Vater gesagt, dass sie das nicht wolle. Dann habe ihr Vater begonnen, sie zu schlagen und unter Druck zu setzen. Ihr Bruder habe sie in das Spital gebracht und danach sei sie von ihm nach Kano gebracht worden. Von einem Freund ihres Bruders sei sie dann nach Mali und Algerien gebracht worden.

 

10. Am 30.03.2009 fand vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Hierbei brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie am 15.02.2004 Nigeria verlassen habe. Am 14.02.2004 sei sie im Spital gewesen, wo sie ihr Bruder - er sei eigentlich ihr Onkel, sie nenne ihn aber Bruder - hingebracht habe. Ihr Vater habe sie geschlagen und sie habe Verletzungen am ganzen Körper gehabt. Ihr Vater habe gewollt, dass sie einen alten Mann heirate. Sie habe Angst vor diesem Mann und vor ihrem Vater.

 

11. Eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof wurde am 02.03.2011 durchgeführt, im Zuge derer die Beschwerdeführerin erneut einvernommen wurde. Ihr Heimatland habe sie verlassen, weil ihr Vater gewollt habe, dass sie einen Mann heirate, der viel älter gewesen sei, als sie. Ihre Mutter sei am

XXXX gestorben. Ihr Vater habe noch gelebt, als sie Nigeria verlassen habe. Am 13.02.2004 habe sie ihr Vater zu dem Mann bringen wollen, den sie heiraten hätte sollen. Sie habe sich geweigert mitzugehen und habe ihrem Vater gesagt, dass sie den Mann nicht heiraten werde. Ihr Vater und ein paar Burschen hätten sie dann geschlagen. Sie sei ohnmächtig geworden und im Spital wieder aufgewacht. Ihr Onkel habe sie ins Spital gebracht. Dann sei sie mit ihrem Onkel nach Kano gefahren. Nigeria habe sie am 15.02.2004 verlassen. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.

 

Verlesen wurden folgende Berichte zur Situation in Nigeria:

 

Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 11.03.2010 (Beilage A);

 

Bericht des US Department of State, Nigeria, 2010 (Beilage B);

 

Zusammenfassung über die aktuelle Situation in Nigeria (Beilage C).

 

Die Beschwerdeführerin machte im Zuge der Verhandlung Notizen (Beilage I).

 

Die Beschwerdeführerin legte Kursbestätigungen vor (Beilage II).

 

II. Auf Grundlage der Ersteinvernahmen und der ergänzenden Parteieinvernahmen im Rahmen der stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlungen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat bzw. dem Asylgerichtshof wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria, darüber hinaus kann die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

 

Die von ihr behaupteten Fluchtgründe werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit infolge von Widersprüchen nicht zu Grunde gelegt.

 

Die Beschwerdeführerin hat zwei Kinder.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Verwandte in ihrem Heimatland hat.

 

Der Reiseweg der Beschwerdeführerin (Zeitpunkt und Art der Reise von Nigeria nach Österreich) kann nicht festgestellt werden.

 

Zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Volksgruppen Ijaw und Itsekiri. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Rahmen der im April 2007 stattgefundenen Wahlen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen in einigen Gliedstaaten, denen Menschen zum Opfer gefallen sind. Die nigerianische Bevölkerung leidet Großteil unter Verarmung, doch ist die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

Grundsätzlich kann örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Vor kurzem wurde der Vizepräsident Jonathan Goodluck als Präsident eingesetzt. Er ist ein Christ aus dem Süden. Obwohl das Militär in den größeren Städten auf der Straße präsent ist, ist die Lage ruhig.

 

Alleinstehende Frauen begegnen besonderen Schwierigkeiten. In dem traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. In einer Gemeindeverwaltung im Norden wurde alleinstehenden, in der öffentlichen Verwaltung tätigen Frauen nahe gelegt, zu heiraten, wenn sie nicht ihre Arbeit verlieren wollen. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder alleinlebende Frauen eher akzeptiert.

 

In politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Allgemein sind sie zahlreichen Diskriminierungen, z. B. bezüglich der Zugangsmöglichkeiten zu einer beruflichen Tätigkeit, der Bezahlung und den Beförderungschancen, ausgesetzt. In größerem Maße gilt dies für den politischen und öffentlichen Bereich. Die Anzahl der weiblichen Senatoren und Abgeordneten ist verschwindend gering und hat sich auch nach den Wahlen 2007 nicht signifikant erhöht (9 Senatorinnen bei 109 Sitzen; 26 weibliche Abgeordnete im Repräsentantenhaus bei 360 Sitzen). In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings nach den Wahlen mehrere Vizegouverneurinnen.

 

Alleinstehende, unverheiratete Frauen sind besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt, da sie zumeist wegen des familiären Drucks gezwungen werden, in eine andere Stadt umzuziehen, in der weder Familienmitglieder noch Freunde leben. Im liberalen Südwesten des Landes werden alleinstehende Frauen eher akzeptiert.

 

Zu der Negativfeststellung hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe:

 

Der Asylgerichtshof gelangt auf Grundlange der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Die Beschwerdeführerin machte im Zuge ihres Vorbringens vor dem Bundesasylamt und dem Unabhängigen Bundesasylsenat bzw. Asylgerichtshof in wesentlichen Punkten unbestimmte sowie vielfach widersprüchliche und voneinander abweichende Angaben.

 

So machte die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Vater widersprüchliche Angaben. Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, dass der Vorname ihres Vaters XXXX sei und er keinen Nachnamen habe bzw. dass er XXXX heiße (siehe Seiten 17 und 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gab sie an, dass der Vater XXXX heiße (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der ersten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte sie, der Name ihres Vaters sei XXXX und schließlich gab sie in der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof an, ihr Vater heiße XXXX (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Auch in Bezug auf ihre Schulbildung äußerte sich die Beschwerdeführerin unterschiedlich. Vor dem Bundesasylamt gab sie an, vier Jahre die Grundschule besucht zu haben (siehe Seite 17 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie dann, nicht ganz zwei Jahre in die Grundschule gegangen zu sein. Es wären "ein Jahr und einige Monate" gewesen (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In den beiden Verhandlungen vor dem Asylgerichtshof behauptete sie dann, sechs Jahre die Grundschule besucht zu haben (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Weitere Widersprüche ergaben sich hinsichtlich des Sterbedatums der Mutter der Beschwerdeführerin. Vor dem Bundesasylamt gab sie zunächst an, ihre Mutter sei am XXXX gestorben (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). Dagegen behauptete sie vor dem Asylgerichtshof, dass ihre Mutter am XXXX gestorben wäre (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Die Beschwerdeführerin gab vor dem Bundesasylamt auch an, dass ihr Vater Häuptling gewesen sei, sieben Frauen gehabt hätte und sie das einzige Kind ihres Vaters gewesen sei. Die anderen Frauen hätten keine Kinder gehabt (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat behauptete die Beschwerdeführerin dann, einen Bruder namens XXXX zu haben (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008).

 

Zudem brachte sie vor dem Bundesasylamt vor, dass ihr Vater der Chief von XXXX gewesen sei und er einer Society angehört habe, die Osagbika bzw. Ohigia heißen würde (siehe Seite 55 des erstinstanzlichen Aktes). In der folgenden Einvernahme erklärte sie, ihr Vater sei Farmer, eine besondere Funktion habe er nicht. Erst nachdem ihr vorgehalten wurde, dass sie bisher eine besondere Funktion ihres Vaters angegeben habe, erklärte sie, dass ihr Vater der Chief von XXXX sei und einer Geheimgesellschaft namens XXXX angehöre (siehe Seiten 143 und 145 des erstinstanzlichen Aktes).

 

Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Vater von ihr gewollt habe, einen alten Mann zu heiraten. Gleich nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1998 habe ihr ihr Vater gesagt, dass sie den Mann heiraten soll (siehe Seite 55 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof gab sie dagegen an, dass sie im Jahr 2004 den Mann heiraten hätten sollen und dies einen Monat zuvor von ihrem Vater erfahren habe (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gab sie an, der Name des Mannes sei XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof sagte sie jedoch, der Mann heiße XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009).

 

Vor dem Bundesasylamt erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie den Mann nicht heiraten habe wollen, woraufhin sie von den Frauen ihres Vaters geschlagen worden sei (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). In einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt erklärte sie, dass sie von ihrem Vater geschlagen worden sei (siehe Seite 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat behauptete sie, von ihrem Vater und den Bodyguards ihres Vaters - diese würden "Kingsmen" heißen - auf der Straße geschlagen worden zu sein. Sie hätten sie den Weg entlang gezogen und geschlagen (siehe Seiten 4 und 5 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof gab sie an, von ihrem Vater und den Leuten seiner Familie bzw. Menschen, mit denen er zusammengearbeitet habe, geschlagen worden zu sein (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). In der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof brachte sie dann vor, sie sei von ihrem Vater und ein paar Burschen geschlagen worden (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

In der zweiten Einvernahme sprach die Beschwerdeführerin davon, dass sie im Jahr 2003 von ihrem Vater verletzt worden sei - er habe sie geschlagen und über den Boden gezogen - weshalb sie im Krankenhaus gewesen sei und in der folgenden Einvernahme erklärte sie, dass sie von ihrem Onkel XXXX - dem Bruder ihrer Mutter - ins Dorfkrankenhaus gebracht worden sei (siehe Seiten 55 und 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie, dass sie von ihrem Onkel XXXX ins Spital gebracht worden sei. Es sei "etwa der 15.02.2004" gewesen. In derselben Verhandlung erklärte sie etwas später widersprüchlich hierzu, dass sie von ihrem Bruder XXXX ins Spital gebracht worden wäre (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof erklärte sie dann, am 14.02.2004 im Spital gewesen zu sein. Dorthin sei sie von ihrem Bruder gebracht worden. Dieser sei "eigentlich mein Onkel, ich nenne ihn aber Bruder". Der Name ihres Onkels sei XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). In der zuletzt vor dem Asylgerichtshof stattgefundenen Verhandlung habe sie ihr Onkel XXXX ins Spital gebracht, wo sie vom 13.02. bis zum 15.02.2004 gewesen sei (siehe Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Mit ihrer Berufung, nunmehr Beschwerde legte die Beschwerdeführerin eine "Bestätigung" vor, aus der hervorgeht, dass sie am 15.02.2004 in das Krankenhaus eingeliefert worden sei. Diesem Schreiben ist nicht zu entnehmen, wodurch die Beschwerdeführerin ihre Verletzungen erlitten habe. Es geht aus diesem auch nicht hervor, welche Funktion die unterzeichnende Person im Krankenhaus innehat. Zusätzliche Bedenken ergeben sich, da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat nicht widerspruchsfrei angeben konnte, wie sie diese Bestätigung erhalten hätte. Zunächst erklärte sie, sie habe diese von der "Tochter des Bruders meines Vaters" erhalten. Der Name dieses Onkels sei XXXX. Danach erklärte sie, sie hätte es vom Vater ihrer Tochter erhalten. Schließlich meinte sie, das Schreiben vom Bruder ihres Lebensgefährten erhalten zu haben, der XXXX heiße (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In ihrer Berufung wird jedoch ausgeführt, dass sie diese Bestätigung vom Bruder ihres Lebensgefährten namens XXXX erhalten habe (siehe Seite 217 des erstinstanzlichen Aktes). Darüber hinaus konnte die Beschwerdeführerin auch nicht den Namen des Krankenhaus in den einzelnen Einvernahmen übereinstimmend wiedergeben. Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie, sich nicht an den Namen des Krankenhauses erinnern zu können (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der ersten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab sie an, dass der Name des Krankenhauses "XXXX" sei (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009) und in der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte sie, der Name sei "XXXX" (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011). Aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten "Bestätigung" geht jedoch der Name "XXXX" hervor (siehe Seite 225 des erstinstanzlichen Aktes).

 

Auch hinsichtlich ihres Onkels machte die Beschwerdeführerin widersprüchliche Angaben. Laut ihrem Vorbringen vor dem Asylgerichtshof sei dieser im Jahr 2006 gestorben. In der nachfolgenden Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erklärte sie, er sei im Dezember 2005 verstorben (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Widersprüche ergaben sich auch hinsichtlich ihrer Ausreise. Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, am 12.06.2004 ihr Dorf verlassen zu haben und zu ihrem Onkel nach Benin gegangen zu sein (siehe Seite 23 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof erklärte sie, dass sie Nigeria am 15.02.2004 verlassen habe (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011). Vor dem Bundesasylamt erklärte sie weiter, dass sie nach Kano gefahren sei und von dort über Mali, Niger und Algerien nach Marokko gelangt wäre, wo sie am 16.12.2004 ein Schiff bestiegen habe (siehe Seite 23 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat führte sie aus, dass sie nach dem Spitalsaufenthalt im Februar 2004 nach Kano, das ein Dorf sei, gefahren wäre. Ein Freund ihres Bruders namens XXXX habe sie nach Mali und Algerien gebracht. Von dort sei sie über XXXX nach Marokko gelangt, wo sie ein Schiff bestiegen habe (siehe Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab sie an, in Kano an einen Mann namens XXXX übergeben worden zu sein, der sie nach Mali gebracht habe (siehe Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).

 

Zusammenfassend ist somit aus den Aussagen der Beschwerdeführerin, die unbestimmt und widersprüchlich sind, der Schluss zu ziehen, dass sie die von ihr geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

 

Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin wegen zahlreicher Widersprüche als unglaubwürdig zu qualifizieren ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob in Nigeria staatlicher Schutz vor Zwangsheiraten erlangt werden kann.

 

Die Feststellungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria gründen sich auf die in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof herangezogenen Berichte und den darin zitierten Quellen. Daraus ergibt sich, dass derzeit in keinem Teil von Nigeria eine Bürgerkriegssituation herrscht. Vielmehr kommt es lediglich zu vereinzelten lokal begrenzten gewalttätigen Auseinandersetzungen (in der Regel zwischen der Mehrheitsbevölkerung und ethnischen oder religiösen Minderheiten). Es ist grundsätzlich möglich, in anderen Landesteilen vor Verfolgungsmaßnahmen Zuflucht zu suchen, wobei Betreffende Unterstützung und Solidarität von Personen z.B. desselben Glaubensbekenntnisses oder derselben Ethnie erlangen kann. Die Beschwerdeführerin ist diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten. Den Anträgen in der Beschwerde auf Einholung von Stellungnahmen bzw. Gutachten zur Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin war nicht Folge zu geben, weil der Asylgerichtshof die Situation auf Grundlage des vorliegenden aktuellen und detaillierten Beweismaterials selbst beurteilen konnte. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin konnte auch von weiteren Ermittlungen Abstand genommen werden

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

 

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Zwar ist das gegenständliche Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen, in welchem der Asylgerichtshof keine Erwähnung findet. Dennoch ist aus den bereits im Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 12.08.2008, GZ. C5 251212-0/2008/11E, dargelegten Argumenten von einer sinngemäßen Anwendung des § 75 Abs. 7 AsylG 2005 und sonstiger im AsylG 2005 enthaltener, auf den Asylgerichtshof bezogener Verfahrensbestimmungen in sogenannten - nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) fortzuführenden - Altverfahren auszugehen.

 

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2008, U 97/08, festgestellt hat, soll die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 ermöglichen, dass Asylverfahren, in denen vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, möglichst rasch durch das vormals zuständige Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates, das zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, erledigt werden können. Es muss daher bereits eine "entscheidungsreife Rechtssache" vorliegen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Im vorliegenden Fall hat zwar am 05.02.2008, somit vor dem 01.07.2008, eine mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden, jedoch lag keine entscheidungsreife Rechtssache vor, was sich aus der Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 30.03.2009 und 02.03.2011 ergibt. Im gegenständlichen Fall ist daher eine Senatsentscheidung zu fällen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Der Asylgerichtshof hat demnach über die nunmehr als Beschwerde geltende Berufung unter Zugrundelegung des gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 anwendbaren Asylgesetzes 1997 (AsylG) erwogen wie folgt:

 

2. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin die von ihr behaupteten Fluchtgründe infolge Widersprüchen nicht glaubhaft machen konnte.

 

Der Beschwerde war demnach hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben.

 

3. Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 8 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG vor.

 

Auch außergewöhnliche, vom Herkunftsstaat nicht zu vertretende Umstände (insbesondere schwere, nicht behandelbare Erkrankungen) können im Hinblick auf das zitierte Urteil des EGMR vom 02.05.1997 ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen, wie mittlerweile auch vom Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen wurde (siehe z. B. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0043). Der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend (siehe z. B. VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164) ist die Situation des Fremden - vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse - für den gedachten Fall der Abschiebung in die Überprüfung einzubeziehen. Es ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen im Fall der Rückschiebung in eine "aussichtslose Situation" geraten würden. Dies kann bei besondere familiären Verhältnissen (etwa Mutter mit Kleinkind, Schwangerschaft) dann der Fall sein, wenn im Falle der Rückkehr keine oder eine nicht zumutbare Unterkunft zur Verfügung stünde. Derartige besondere familiäre Verhältnisse liegen im konkreten Fall vor. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin Mutter einer im Entscheidungszeitpunkt 4-jährigen Tochter und eines zweieinhalbjährigen Sohnes ist. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Nigeria irgendwelche Verwandte der Beschwerdeführerin leben, denen es möglich wäre, die Beschwerdeführerin bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen und diese auch eine Wohnmöglichkeit erhalten könnten. Vor dem Hintergrund dieser Umstände ist für den Asylgerichtshof nicht erkennbar, wie es der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr möglich sein sollte, für sich und ihre Kinder eine eigene Existenzgrundlage aufzubauen. In Nigeria gibt es keine Jugendfürsorgeeinrichtung. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine geringe Schulausbildung. Selbst bei Ausübung einfachster Tätigkeiten ist es ihr ohne gleichzeitigen familiären und sozialen Rückhalt kaum möglich eine - wenn auch nur bescheidene - Existenzgrundlage für ihre Kinder und sich selbst zu sichern.

 

Zusammengefasst ist im Fall der Beschwerdeführerin auf Grund der besonderen Umstände vom Fehlen jeglicher Existenzgrundlage auszugehen, sodass ihr eine Rückkehr nach Nigeria im Lichte des Art. 3 EMRK nicht zugemutet werden kann.

 

4. Gemäß § 75 Abs. 1 iVm § 75 Abs. 6 AsylG hat die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bei am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach dem AsylG 1997 zu erfolgen.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchstens 5 Jahre zu bewilligen.

 

Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sind demnach das Nichtvorliegen eines Asylausschlussgrundes und einer dem Rechtsbestand angehörende Feststellung nach § 8 Abs. 1 AsylG, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor und ist eine Änderung der Lage in Nigeria nicht zu erwarten, weshalb die befristete Aufenthaltsberechtigung spruchgemäß zu erteilen war.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, subsidiärer Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
05.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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