TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/29 D7 252168-4/2010

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2011
beobachten
merken
Spruch

D7 252168-4/2010/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX auch XXXX auch XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 12.810-BAL bzw. 08 12.744-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, auf Dauer unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Der Beschwerdeführer reiste am 21.06.2004 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und brachte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.07.2004, Zahl 04 12.810, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen wurde und in dem festgestellt wurde, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates die Slowakei zuständig sei. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen. Mit Berufungsvorentscheidung des Bundesasylamtes vom 15.09.2004, Zahl 04 12.810, wurde der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 64a Abs. 1 AVG 1991 idF BGBl. I 1998/158 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.06.2007, Zahl 04 12.810-BAL, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 252.168-2/7E-XV/54/07, wurde die dagegen erhobene Berufung betreffend Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Der Berufung wurde betreffend Spruchteil II. stattgegeben und gemäß § 8 AsylG iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I 100/2005, festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht zulässig sei. Gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 AsylG wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.09.2008 erteilt. Die Behandlung der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.03.2010, Zlen. 2008/19/0134 bis 0138-7, abgelehnt.

 

Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 14.08.2008, beim Bundesasylamt eingelangt am 18.08.2008, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 252.168-2/7E-XV/54/07, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2009, Zahl 04 12.810-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde dem Beschwerdeführer die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 252.168-2/7E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.08.2009, Zahl D7 252168-3/2009/5E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 252.168-2/7E-XV/54/07, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 12.810-BAL bzw. 08 12.744-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde dem Beschwerdeführer die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 252.168-2/7E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 1159 bis 1218).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 12.810-BAL bzw. 08 12.744-BAL, zugestellt am 09.09.2010, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 22.09.2010 eingebrachte Beschwerde (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 1225 bis 1237).

 

Mit Schreiben vom 10.02.2011 brachte der Beschwerdeführer im Wege seines Vertreters einen Verdienstnachweis für die Monate November und Dezember 2010 und einen Gewerberegisterauszug seiner Frau vom 03.01.2011 in Vorlage und betonte die Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie.

 

Am 11.03.2011 langte beim Asylgerichtshof eine Teilnahmebestätigung an der Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme XXXX der Ehegattin des Beschwerdeführers vom 17.12.2010 und eine Verständigung des Bezirksverwaltungsamtes XXXX über die Begründung einer Gewerbeberechtigung mit 01.01.2011 sowie ein Beschluss des Landesgerichtes XXXX, über die Bewilligung der Eintragung des Unternehmens der Ehegattin des Beschwerdeführers ein.

 

Mit Schreiben vom 22.03.2011 brachte der Beschwerdeführer im Wege seines Vertreters eine Bestätigung des Arbeitgebers und des Vorarbeiters über die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers in Vorlage und zog die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides des Bundesasylamtes zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 3 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 00/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde am 14.08.2008 beim Bundesasylamt gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes den Beschwerdeführer und seine Ehegattin betreffend, sowie Einsichtnahme in die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Vorlage gebrachten Dokumente, sowie Einsicht in das Betreuungsinformationssystem und das Strafregister.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Herr XXXX auch XXXX auch XXXX ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens. Er stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 21.06.2004 einen Asylantrag, über den rechtskräftig negativ entschieden wurde. Unter einem mit der Abweisung der Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007 subsidiärer Schutz zuerkannt. Im Verfahren über die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung musste mit einer Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes durch den Asylgerichtshof vorgegangen werden. Der unbescholtene Beschwerdeführer hält sich mit seiner Ehegattin und seinen drei minderjährigen Kindern, wovon eines im Herkunftsstaat und zwei in Österreich geboren wurden, seit beinahe sieben Jahren in Österreich auf. Seit 18.09.2007 ist der Beschwerdeführer subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer arbeitet seit Jänner 2008 als Hilfsarbeiter im Schichtdienst in Oberösterreich. Der Beschwerdeführer bestreitet mit seinem Einkommen den Unterhalt der Familie. Die Ehegattin des Beschwerdeführers verfügt seit 01.01.2011 über eine Gewerbeberechtigung, ihr Moden-Shop ist im Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer hat sich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und Freunde, darunter auch Österreicher, gefunden. Zuletzt wurde eine leichtgradige depressive Episode diagnostiziert. Die Kinder des Beschwerdeführers besuchen in Österreich den Kindergarten. Der Beschwerdeführer hat kaum Kontakte zu Verwandten im Herkunftsstaat.

 

II.4. Die Identität des Beschwerdeführers konnte nach Vorlage eines österreichischen und eines russischen Führerscheins schon vom Bundesasylamt festgestellt werden. Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Beschwerdeführers, seinem Vorbringen in der Beschwerde und den im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Beweismitteln.

 

II.5.1 Der Beschwerdeführer zog mit Schriftsatz vom 22.03.2011 im Wege seines Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 12.810-BAL bzw. 08 12.744-BAL, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden wenn:

 

der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, in der Fassung Erkenntnis VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Betreffend den Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers war Folgendes zu erwägen:

 

Der unbescholtene Beschwerdeführer befindet sich seit beinahe sieben Jahren in Österreich, wobei er seit September 2007 subsidiär Schutzberechtigter ist. Der Beschwerdeführer bestreitet mit seinem Einkommen den Lebensunterhalt seiner Familie, die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt seit Jänner 2011 über eine Gewerbeberechtigung. Die minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers, wovon zwei in Österreich geboren wurden und der älteste Sohn, der mit neun Monaten nach Österreich kam, besuchen in Österreich den Kindergarten. Der berufstätige Beschwerdeführer hat sich während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet, wovon die im Akt einliegenden Bestätigungen seines Arbeitgebers und seines Vorarbeiters Zeugnis sind. Seine unbescholtene Ehefrau hat ebenfalls gute Deutschkenntnisse erworben und eine Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme des bfi in XXXX besucht. Der Moden-Shop seiner Frau ist im Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben sich sozial und wirtschaftlich integriert und sind selbsterhaltungsfähig. Das Interesse des Beschwerdeführers und seiner Familie überwiegt nach der Ansicht des erkennenden Senates des Asylgerichthofes unter Berücksichtigung aller Sachverhaltselemente die öffentlichen Interessen, weshalb der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers und seiner Familie auf Fortführung ihres Privatlebens in Österreich zum verfolgten legitimen Ziel nicht verhältnismäßig erscheint.

 

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dem Beschwerdeführer und seiner Familie wurde subsidiärer Schutz zuerkannt. Das Privatleben des Beschwerdeführers und seiner Familie und sein Interesse am Verbleib in Österreich überwiegen im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Dem Umstand, dass der zu keinem Zeitpunkt straffällig gewordene Beschwerdeführer mit seinem beinahe sieben Jahre dauernden Aufenthalt seine Integrationswilligkeit nicht zuletzt auch dadurch bewiesen hat, dass er seit Jahren berufstätig ist, gut Deutsch spricht und in Österreich Freunde gefunden hat, ist im Rahmen der Interessenabwägung im vorliegenden Fall eine besondere Bedeutung zuzumessen. Die privaten Bindungen des Beschwerdeführers und seiner Familie sind nicht länger vorübergehender Natur. Vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der starken Bindung des Beschwerdeführers und seiner Familie im Bundesgebiet wäre die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens aus gegenwärtiger Sicht wie ausgeführt unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären war.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, Integration, Interessensabwägung, Lebensgrundlage
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten