TE OGH 2009/2/26 1Ob131/08h

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Veröffentlicht am 26.02.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) Mag. Azevedo W*****, und 2.) Mag. Veselko P*****, beide vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen zu 1.) 29.500 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR) bzw zu 2.) 2.925,75 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2008, GZ 14 R 7/08i-26, womit das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Oktober 2007, GZ 31 Cg 14/06s-22, 31 Cg 15/06p-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Beide Kläger waren Lehrer und standen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Der Erstkläger war im Jahr 2000 Vorsitzender des Zentralausschusses der AHS-Lehrer und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der AHS-Lehrer innerhalb der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Der Zweitkläger war Mitglied der Personalvertretung der AHS-Lehrer für ein Bundesland. In dieser Funktion als Personalvertreter waren sie unter Fortzahlung laufender Bezüge teilweise vom Dienst freigestellt.

Am 31. 1. 2000 erging ein Erlass des Bundesministeriums für Unterricht und Kultur, wonach die teilweise vom Dienst freigestellten Personalvertreter zur Abgeltung von Nebengebühren eine „Zulage" (Pauschalvergütung) erhalten sollten. Im Februar 2000 fand eine Besprechung statt, an der Mag. S***** als Sektionschef im Bundesministerium für Unterricht und Kultur, der Erstkläger und Mag. J***** von Seiten der Personalvertretung bzw der Gewerkschaft öffentlicher Dienst teilnahmen. Dort wurde auch das Thema der Ruhegenussfähigkeit der „Zulage" für die teilweise dienstfrei gestellten Personalvertreter diskutiert. Mag. S***** erklärte ausdrücklich, dass aufgrund von Besprechungen zwischen den beteiligten Bundesministerien diese Pauschalvergütung ruhegenussfähig sei. Die gleiche Erklärung gab er anlässlich einer Besprechung über dieses Thema beim Stadtschulrat für Wien am 17. 3. 2000 ab. Der Erstkläger gab diese Information an die zuständigen Gremien der Personalvertretungen bzw der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in allen Bundesländern ebenso weiter wie an den Zweitkläger.

Das Bundesministerium für Finanzen teilte in der Folge mit, dass die Pauschalvergütung in die Beitragsgrundlagen gemäß § 4 Pensionsgesetz (PG) 1965 einberechnet werde. Es wurden auch Pensionsbeiträge von dieser Pauschalvergütung eingehoben.

Im Laufe des Jahres 2003 überlegten die Kläger, aufgrund des Bundesbedienstetensozialpensionsgesetzes mit Ablauf des Monats, in dem sie das 55. Lebensjahr vollendeten, in den Ruhestand zu treten. Dabei spielte der Umstand der Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung eine Rolle. Beide Kläger gelangten zur Auffassung, dass die zu erwartende Pension für ihre Bedürfnisse bzw die ihrer Familien ausreichte und beantragten ihre Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. 11. 2003. Nachdem sie in den Ruhestand versetzt worden waren, ergingen Bescheide des Bundespensionsamts und des Bundesministeriums für Finanzen, in welchen die Ruhegenussberechnungsgrundlage nur unter Heranziehung des Gehalts der Kläger, nicht jedoch der Pauschalvergütung ermittelt und darauf aufbauend der Ruhegnuss entsprechend geringer bemessen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof wies jeweils am 30. 10. 2004 Beschwerden der Kläger gegen diese Bescheide als unbegründet ab.

Die den Klägern aufgrund des Erlasses des Bundesministeriums für Unterricht und Kultur auf der Grundlage des Bundes-Personalvertretungsgesetzes als Vergütung gewährte Zulage besitzt nicht die Qualifikation als ruhegenussfähige Zulage, weil eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt, die sie für ruhegenussfähig erklärte. Auch eine Qualifikation als ruhegenussfähige Zulage nach § 71 Gehaltsgesetz (GehG) 1956 ist rechtlich nicht möglich, weil eine solche Zulage Lehrern nur dann gebührt, wenn sie mit der Funktion eines Schulinspektors oder Fachinspektors tatsächlich betraut wurden, was bei den Klägern nicht der Fall war. Dass von der Zulage ein Pensionsbeitrag errichtet wurde, ist irrelevant, weil es nach § 4 Abs 1 Z 1 PG 1965 nicht auf die tatsächliche Leistung eines Pensionsbeitrags ankommt, sondern auf die gesetzliche Verpflichtung, einen solchen zu leisten.

Wären die Kläger über diese Rechtslage informiert gewesen, hätten sie nicht die Möglichkeit in Anspruch genommen, mit Ablauf des Monats, in dem sie ihr 55. Lebensjahr vollendet hatten, in den Ruhestand versetzt zu werden. Sie wären weiterhin im aktiven Dienst verblieben.

Die Kläger erhoben aus dem Titel der Amtshaftung jeweils ein Leistungsbegehren sowie - nach Modifikation - ein solches auf Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden weiteren Schaden, der ihnen aus ihrer Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 30. 11. 2003 im Ausmaß der mangelnden Pensionswirksamkeit jener Pauschalvergütung erwachse, die sie als Personalvertreter bezogen hätten, insoweit, als von ihnen (durch Abzug im Rahmen der Gehaltsverrechnung) auch Pensionsbeiträge entrichtet wurden. Sowohl die Auskunft des Sektionschefs als auch der Abzug der Pensionsbeiträge von der Pauschalvergütung, die auf den laufenden Gehaltszetteln als ruhegenussfähig deklariert gewesen sei, habe keinen Anlass zu Zweifeln an der Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung gegeben. Als Nichtjuristen hätten die Kläger unmittelbar aus dem Gesetz keine Klarheit gewinnen können. Sie seien zwar bereit gewesen, für ihre Frühpensionierung einen großen Abschlag in Kauf zu nehmen, nicht aber noch zusätzlich den Ausfall des Ruhegenusses von der Pauschalvergütung. Dadurch habe der Erstkläger um etwa 1.000 EUR monatlich weniger an Ruhebezug erhalten, der Zweitkläger rund 70 EUR. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Beschwerden der Kläger mit der Begründung abgewiesen, dass die gesetzliche Basis für die Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung eindeutig fehle. Dies hätten offensichtlich auch das Bundespensionsamt und der Bundesminister für Finanzen erkannt. Daraus sei zwingend zu folgern, dass auch die vorher den Klägern gegenüber tätig gewordenen juristischen Organe der Beklagten aus den Bereichen des Bundeskanzleramts und des Unterrichtsministeriums hätten erkennen müssen, dass es an der erforderlichen Gesetzesbasis für die Ruhegenussfähigkeit fehlen könnte, wovor sie die Kläger hätten warnen müssen. Es liege somit eine der Beklagten zuzurechnende Fahrlässigkeit vor. Das aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis entspringende Loyalitätsverhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer inkludiere eine sorgfältige Informationserteilung.

Die Beklagte bestritt, dass ihre Organe die Kläger in die Irre geführt hätten. Der Erlass des Bundesministers für Unterricht und Kultur vom 31. 1. 2000 enthalte keinen Hinweis auf die Ruhegenussfähigkeit der „Zulage". Auch die Einbehaltung von Pensionsbeiträgen nach § 22 GehG bedeute keine Zusicherung der Ruhegenussfähigkeit. Es wäre den Klägern möglich und zumutbar gewesen, eine Klärung durch Antrag auf Erlassung eines dienstrechtlichen Feststellungsbescheids herbeizuführen. Diese Unterlassung sei ihnen gemäß § 2 Abs 2 AHG anzulasten. Zwar sei richtig, dass in der Mitteilung der Beitragsgrundlagen gemäß § 4 PG 1965 (Beiblatt zum Jahres-Bezugszettel 2002) die Beträge unter Einschluss der Pauschalvergütung ausgewiesen seien, auch dies sei aber nicht konstitutiv und binde weder die Dienst-, noch die Pensionsbehörde. Bei Personalvertretern wie den Klägern sei eine „gesteigerte Kenntnis" des gesamten Dienstrechts vorauszusetzen und ihnen insoweit ein Mitverschulden, das einem Alleinverschulden nahe käme, anzulasten.

Mit Teilurteil gab das Erstgericht (nur) dem modifizierten Feststellungsbegehren hinsichtlich beider Kläger Folge. Die schuldhafte Verletzung der den Dienstgeber aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis treffenden Fürsorgepflicht löse Schadenersatzpflichten nach dem AHG aus. Eine unrichtige Auskunft über den Pensionsanspruch bei vorzeitigem Übertritt in den Ruhestand, die Einkommenseinbußen nach sich gezogen habe, verletze diese Fürsorgepflicht des Rechtsträgers. Der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht, weil die Kläger in ihrem Ruhestand keiner weiteren Beschäftigung nachgegangen seien, sei unberechtigt. Da jedenfalls nicht ausgeschlossen sei, dass den Klägern durch die mangelnde Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung in Zukunft ein Schaden entstehe, sei dem Feststellungsbegehren stattzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Beklagte habe in ihrer Funktion als Dienstgeberin nach öffentlichem Recht hoheitliche Fürsorgepflichten wahrzunehmen und dabei auch die wirtschaftlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern. Dies gelte auch für die Erteilung von Auskünften, die wirtschaftliche Dispositionen eines Dienstnehmers erleichtern oder überhaupt erst sinnvoll ermöglichen sollten. Es verletze die Fürsorgepflicht, wenn ein Dienstnehmer durch unrichtige Auskunft über seinen Pensionsanspruch zum vorzeitigen Übertritt in den Ruhestand veranlasst werde und dadurch Einkommenseinbußen erleide. Die Behauptungs- und Beweislast für mangelndes Verschulden liege beim Rechtsträger. Eine Vorteilsausgleichung habe nur stattzufinden, wenn Schaden und Vorteil im selben Tatsachenkomplex wurzelten, wofür die Beweislast ebenfalls den Rechtsträger treffe. Im Einklang mit dieser Rechtslage sei das modifizierte Feststellungsbegehren berechtigt. Die objektiv unrichtige Erklärung über die Ruhegenussfähigkeit sei vom unstrittig als Ansprechpartner für die Personalvertretung zuständigen Sektionschef erfolgt, der anderenfalls zumindest auf die Unverlässlichkeit seiner Erklärung hätte hinweisen müssen. Auch wenn die Kläger Personalvertreter waren, seien sie im Hauptberuf AHS-Lehrer und nicht Juristen gewesen, weshalb von ihnen weder „gesteigerte Kenntnis" des Dienstrechts der Bundesbediensteten noch der Judikatur der Höchstgerichte zum Gehaltsgesetz gefordert werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof verneine die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids in vergleichbaren Fällen, weshalb von der Zulässigkeit der Erwirkung eines dienstrechtlichen Feststellungsbescheids und damit von einem Verstoß gegen § 2 Abs 2 AHG nicht auszugehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist - soweit ihr in der Unzahl ebenso polemischer wie entbehrlicher Entgleisungen ein sachliches Substrat zu entnehmen ist - im Ergebnis im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Es ist nicht zweifelhaft, dass der Beamte, soweit ihm die Durchsetzung seiner Ansprüche nicht nach dienstrechtlichen Vorschriften möglich ist, gegen den Rechtsträger, der ihn ernannte, Amtshaftungsansprüche stellen kann, insbesondere wenn die Fürsorgepflicht des Dienstgebers ihm gegenüber verletzt wurde und die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AHG vorliegen (SZ 60/236 = 1 Ob 35/87; Schragel AHG3 Rz 92). Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht sind auch die wirtschaftlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern (1 Ob 15/95; SZ 59/68 = 1 Ob 5/86; 1 Ob 71/04d; RIS-Justiz RS0053007). Dass solche Pflichten auch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen bestehen, wurde bereits in 1 Ob 3/87 = SZ 60/36 klargestellt. Bei der Erteilung von Auskünften handelt der Bund in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht, mag es auch an einer spezifisch normierten gesetzlichen Pflicht, gerade solche Ratschläge oder Auskünfte zu erteilen, fehlen. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte zur Erteilung von Rat und Auskunft gesetzlich spezifisch verpflichtet war, weil sie jedenfalls anlässlich der tatsächlichen Befassung mit dem Anliegen der Kläger Schutz- und Sorgfaltspflichten zu erfüllen hatte. Dadurch wurde eine besondere Vertrauenslage geschaffen, die angesichts der dadurch hervorgerufenen Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der Kläger zu besonderer Sorgfalt verpflichtete (1 Ob 71/04d).

Der Rechtsträger haftet für Verhaltensweisen eines seiner Organe selbst bei Überschreitung dessen Befugniskreises (1 Ob 29/02z; RIS-Justiz RS0103735). Ein hinreichend enger Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe eines Organs liegt nämlich selbst dann vor, wenn ein an sich ordnungsgemäß bestelltes Organ Handlungen setzt, zu deren Vollziehung es nicht berufen ist, also seine Kompetenzen überschreitet (RIS-Justiz RS0103735). Wenn auch im vorliegenden Fall die Frage der Beurteilung der Ruhegenussfähigkeit der durch einen Erlass des Bundesministers für Unterricht und Kultur gewährten Pauschalvergütung nicht in die Zuständigkeit dieses Ministeriums und daher auch nicht in jene des die Auskunft erteilenden Sektionschefs gefallen sein mag, so haben die Vorinstanzen festgestellt, dass dieser als unstrittig zuständiger Ansprechpartner für die Personalvertretung ausdrücklich erklärte, dass aufgrund von Besprechungen zwischen den beteiligten Bundesministerien diese Pauschalvergütung ruhegenussfähig sei. Die eigene Unzuständigkeit in diesem Belang ändert daher nichts an der Zurechnung dieser Erklärung an den Rechtsträger.

Sofern ein Organ auf dem von einer Anfrage betroffenen Gebiet aus welchen Gründen immer keine oder lückenhafte Kenntnisse hat, so hat es, erteilt es dennoch Auskunft, alles zu vermeiden, was den Eindruck erweckt, es handle sich um eine vollständige und abschließende Auskunft, auf deren Richtigkeit vertraut werden könne. Erteilt das Organ trotz unzureichender Kenntnisse seine Auskunft unrichtig oder unvollständig, tritt Amtshaftung ein, soweit kein entsprechender Vorbehalt beigefügt wurde (1 Ob 173/03b; SZ 71/139 = 1 Ob 154/98y; SZ 73/34 = 1 Ob 14/00s). Selbst wenn solche Auskünfte bloße Wissenserklärungen sind, die im Gegensatz zu Willenserklärungen Rechte weder gestalten noch bindend feststellen, kann die Verletzung von Auskunftspflichten zu Amtshaftung führen (Schragel AHG3 Rz 295).

Zum Mitverschulden:

Die Grundsätze des bürgerlichen Rechts haben auch im Amtshaftungsrecht zu gelten; dem haftungspflichtigen Rechtsträger stehen daher alle Einwendungen zu, die nach bürgerlichem Recht den Anspruch des Klägers entgegengehalten werden können. Insbesondere kann auch ein Mitverschulden des Geschädigten geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050022). Mag es sich bei den Klägern auch um in ihrer Eigenschaft als Personalvertreter mit dem Dienstrecht sehr gut vertraute Bedienstete gehandelt haben, so waren sie unstrittig AHS-Lehrer und nicht Juristen. Von der ihnen ausbezahlten Pauschalvergütung wurde ein Pensionsbeitrag eingehoben und seitens des Bundesministeriums für Finanzen mitgeteilt, dass die Pauschalvergütung in die Beitragsgrundlagen gemäß § 4 PG 1965 einberechnet werde. Auch wenn darin keinerlei bindende oder konstitutive Wirkung im Sinne einer Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung gelegen ist, ergibt sich bei dieser Sachlage, dass den Klägern keine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten im Sinne eines Mitverschuldens gemäß § 1304 ABGB anzulasten ist, wenn sie von weiterführenden Erkundigungen über die Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung und der Beantragung eines entsprechenden Feststellungsbescheids Abstand nahmen. Ob ein solcher Antrag überhaupt zulässig gewesen wäre, muss daher nicht untersucht werden. Insofern ist daher auch keine Verletzung der Rettungspflicht iSd § 2 Abs 2 AHG anzunehmen.

Zum Schaden:

Der Schaden der Kläger besteht allerdings entgegen dem urteilsmäßigen Zuspruch der Vorinstanzen nicht in der Höhe der Pensionsdifferenz zwischen dem gesetzeskonformen Pensionsbetrag und jenem mit Berücksichtigung der Pauschalvergütung. Die Kläger haben aufgrund der Gesetzeslage auf eine Pension auch aus der Pauschalvergütung keinen Anspruch. Auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten hätten sie daher keinen erhöhten Pensionsbezug unter Einbeziehung der Pauschalvergütung in die Bemessungsgrundlage erreichen können.

Die Kläger haben aber auch vorgebracht, dass sie bei richtiger Auskunftserteilung die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nicht angestrebt hätten, sondern weiter aktiv tätig geblieben wären. Der Schaden der Kläger liegt daher in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Ruhegenuss und dem - noch festzustellenden - Verlauf ihrer Aktiv- bzw Pensionsansprüche bei richtiger Auskunft über die mangelnde Ruhegenussfähigkeit der Pauschalvergütung (vgl hiezu 1 Ob 71/04d). Nun haben die Kläger das Feststellungsbegehren zuletzt auf den Schaden „im Ausmaß der mangelnden Pensionswirksamkeit der Pauschalvergütung" modifiziert, davor aber auch das Feststellungsbegehren auf die Differenz zwischen Bezug bei Ruhestandsversetzung wie tatsächlich erfolgt und Bezügen bei richtiger Rechtsauskunft gerichtet und dieses Begehren nur der Höhe nach begrenzt mit dem Ruhebezug bei Einberechnung der Pauschalvergütung. Die vorgenommene Modifikation wäre daher mit den Parteien - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen in der Entscheidung 1 Ob 71/04d - iSd § 182a ZPO zu erörtern gewesen.

Dies führt zur Aufhebung der über das Feststellungsbegehren ergangenen Entscheidung.

Im fortgesetzten Verfahren wird in Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachte Vorteilsausgleichung zu beachten sein:

Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt durch Vergleichung des Geldwertunterschieds zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Schädigung. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Schädigung beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven oder Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde. Es ist daher auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die Schädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu beachten (RIS-Justiz R0022834). Dass Schaden und Vorteil nicht aus demselben Ereignis entsprungen sind, schließt die Vorteilsausgleichung nicht aus, weil es genügt, wenn beide im selben Tatsachenkomplex wurzeln (RIS-Justiz RS0022824). Die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung trifft den Schädiger (RIS-Justiz RS0036710).

Zu beachten wird auch sein, dass immaterielle Vorteile einem Vorteilsausgleich nicht zugänglich sind (RIS-Justiz RS0123921). Der Gewinn an Freizeit stellt allenfalls einen immateriellen Vorteil des Geschädigten dar. Eine Anrechnung auf seinen Ersatzanspruch kommt demnach nicht in Betracht (vgl 2 Ob 226/07k; 2 Ob 227/08h).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Textnummer

E90227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00131.08H.0226.000

Im RIS seit

28.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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