TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/14 B3 250643-0/2008

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Veröffentlicht am 14.08.2008
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Spruch

B3 250.643-0/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerde des K. Z., geboren 1984, StA. Kosovo, vom 9. Juni 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juni 2004, Zl. 04

10.475 - EAST Ost, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 32a Abs. 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) wird der Beschwerde von K. Z. stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe und moslemischen Glaubensgemeinschaft an und stammt aus der Gemeinde Peje. Er reiste gemäß seinen Angaben am 15. Mai 2004 in das Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag einen Asylantrag ein.

 

In seinem schriftlichen Asylantrag und bei seiner Einvernahme am 18. Mai 2004 gab er im Wesentlichen an, "wegen der schweren wirtschaftlichen Lage ... aus dem Kosovo geflohen" zu sein. Seine Eltern und seine sieben Geschwister seien alle arbeitslos. Sein Vater leide an Rückenschmerzen und sei deshalb nicht "arbeitsfähig". Der Beschwerdeführer sei daher als Ältester verpflichtet, der Familie zu helfen. Im Kosovo habe er aber keine Arbeit gefunden. Im Falle einer Rückkehr wisse er nicht, "wie wir dann leben können".

 

Bei seiner Einvernahme am 24. Mai 2004 führte er nach seiner Rechtsberatung nochmals ausführlich seine schwierige wirtschaftliche Situation im Kosovo aus und gab weiters an, es habe "Konflikte" bezüglich eines Gehweges gegeben, weswegen der Beschwerdeführer EUR 5.000,- an seinen Nachbarn bezahlen habe müssen, "sonst würde er mich umbringen". Da seine Familie kein Geld gehabt habe, habe er innerhalb von 24 Stunden sein Herkunftsland verlassen müssen. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, weil er "keine Zeit" gehabt habe. "Alles" sei "so schnell passiert".

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien-Montenegro" für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. aus dem "österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Es stellte lediglich fest, dass der Beschwerdeführer "keine Asylgründe oder subsidiären Schutzgründe geltend" gemacht habe. Feststellungen zur Situation in der Republik Kosovo traf es nicht. In seiner Beweiswürdigung führte das Bundesasylamt Folgendes aus: "Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Vernehmung des Ast. Dem gesteigerten Vorbringen des Ast. in der 2. Einvernahme wird keine Glaubwürdigkeit beigemessen. Unter Zugrundelegung des gesamten verfahrensgegenständlichen Vorbringens des Ast. konnte eindeutigerweise kein Hinweis auf das Vorliegen von Asylgründen oder subsidiären Schutzgründen erkannt werden, weshalb die entsprechende Negativ-Feststellung zu erfolgen hatte." Rechtlich führte das Bundeasylamt zu Spruchpunkt I. aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführers lasse sich nicht entnehmen, dass "ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht", weshalb er "keine Asylgründe oder subsidiären Schutzgründe geltend gemacht" habe. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, "aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage" werde dem Beschwerdeführer "die Lebensgrundlage nicht entzogen" bzw., dass sich "auch aus der allgemeinen Lage im Heimatland eine solche Gefährdung nicht" ergebe. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidung.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In dieser wird u.a. beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

1.4. Mit Bescheid vom 29. Juni 2004, Zl. 250.643/0-II/06/04, erkannte der unabhängige Bundesasylsenat der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

1.1.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 30. April 2004 gestellt; das vorliegende Verfahren ist daher nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

1.3.1. Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG sind Asylanträge in jedem Stadium des Verfahrens als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn ohne begründeten Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8 AsylG der Asylwerber Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist oder als Staatenloser in einem solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Z 1), wenn er die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen getäuscht hat (Z 2), wenn er keine Asylgründe oder subsidiären Schutzgründe geltend gemacht hat (Z 3) oder wenn - falls er über einen Flugplatz angereist ist - sein Vorbringen zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht (Z 4).

 

Gemäß § 6 Abs. 2 AsylG sind sichere Herkunftsstaaten gemäß Abs. 1 Z 1 leg. cit. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Australien, Island, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz.

 

Gemäß § 32a Abs. 2 AsylG ist der Berufung stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet (§ 6 AsylG) nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, wenn der Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde. Wurde der Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt, hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Feststellungen gemäß § 8 AsylG gelten jedenfalls als aufgehoben. Wird ein Bescheid, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Entscheidung gemäß § 8 AsylG zu treffen.

 

1.3.2. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG ergibt sich eindeutig, dass es sich dabei nicht um die Frage des tatsächlichen Vorliegens oder der "Glaubhaftmachung" von Asyl- oder subsidiären Schutzgründen handelt, sondern die Anwendung dieser Bestimmung bereits ausscheidet, wenn solche Gründe bloß "geltend gemacht" werden (vgl. dazu die zu § 6 Z 1 und 2 AsylG in der Stammfassung ergangene, insofern weiterhin heranziehbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach lediglich von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist, ohne dass diese einer Beweiswürdigung zu unterziehen wären; z.B. VwGH 22.5.2001, 2000/01/0294; VwGH 18.7.2002, 2000/20/0108).

 

2. Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer neben wirtschaftlichen Gründen vor, Konflikte mit seinem Nachbar gehabt zu haben und im Falle der Nichtzahlung von EUR 5.000,- von diesem umgebracht zu werden. Diesem Vorbringen ist - wie sich aus den oben unter Punkt 1.3.2. angeführten Gründen ergibt - zumindest die Geltendmachung subsidiärer Schutzgründe zu entnehmen (vgl. etwa VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Damit kommt eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG nicht in Betracht.

 

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass einer der weiteren in § 6 Abs. 1 AsylG angeführten Tatbestände zur Anwendung gelangen könnte.

 

3. Da sich im angefochtenen Bescheid weiters nicht ergibt, welches Vorbringen des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt wird und welches nicht, liegt auch kein hinreichend festgestellter Sachverhalt im Sinne des § 32a Abs. 2 AsylG vor (vgl. etwa VwGH 17.10.2006, 2005/20/0012; vgl. diesbezüglich ferner auch die zum § 66 Abs. 2 AVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof, wonach es keinesfalls im Sinne des Gesetzes liegt, dass die Rechtsmittelbehörde erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde: VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135).

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, offensichtlich unbegründete Asylanträge
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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