TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 D10 308772-4/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.09.2008
beobachten
merken
Spruch

D10 308772-4/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. Schärf als Einzelrichter über die Beschwerde der I.M., geb. 00.00.1989, StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. Gabor Zentai, Rechtsberater des Diakonie Flüchtingsdienstes in 1170 Wien, Steinergasse 3/EG, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Juli 2008, GZ. 08 05.680, betreffend § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, idgF (AVG) iVm § 10 Abs. 1 Z.1 Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100/2005 idgF., (AsylG 2005) zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheides wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Die 1989 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, stellte in Österreich gemeinsam mit ihrer Mutter sowie einer 1993 geborenen Schwester (Mutter und Schwester nachfolgend auch "Familienmitglieder") erstmals am 17. November 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005.

 

Eine seitens der Asylbehörde erster Instanz nach vorgenommener erkennungsdienstlicher Behandlung durchgeführte EURODAC-Abfrage führte zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit den anderen Familienmitgliedern bereits am 3. November 2006 in der Slowakischen Republik einen Asylantrag gestellt hatte.

 

Nach gepflogenem Konsultationsverfahren zwischen den österreichischen und slowakischen Behörden akzeptierte die Slowakische Republik mittels am 7. Dezember 2006 bei der Asylbehörde erster Instanz eingelangtem Schreiben gemäß Art.16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) die Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin und der übrigen Familienmitglieder.

 

Die Asylbehörde erster Instanz wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz dem zu Folge mit Bescheid vom 20. Dezember 2006, GZ. 06 12.400-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO die Slowakische Republik zuständig sei. Unter einem wies sie die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und erklärte deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Slowakische Republik gem. § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig. Bescheide gleichen Inhalts ergingen auch hinsichtlich der seitens der Mutter sowie der Schwester eingebrachten Anträge.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat versagte den gegen diese Entscheidungen erhobenen Rechtsmitteln den Erfolg und wies unter anderem auch die Berufung der Beschwerdeführerin mit am 30. Januar 2007 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 15. Januar 2007, GZ. 308.772-C1/E1-V/15/07, ab. Während die Mutter der Beschwerdeführerin am 8. März 2007 in die Slowakische Republik überstellt werden konnte, entzog sich die Berufungswerberin gemeinsam mit ihrer damals ebenfalls noch minderjährigen Schwester am 30. Januar 2007 der drohenden fremdenpolizeilichen Umsetzung der Ausweisungsentscheidung.

 

Bereits kurz nach ihrer erfolgten Abschiebung in die Slowakei gelang es der Mutter der Beschwerdeführerin am 24. März 2007 wiederum, auf illegalem Wege in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. Nachdem diese am 25. März 2007 einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, wurden auch von der wieder aufgetauchten Antragstellerin, die zwischenzeitlich die Volljährigkeit erreicht hatte, sowie deren Schwester am 11. April 2007 neuerliche Anträge eingebracht.

 

Nach psychiatrischer Befundung erfolgte unter Ausfolgung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigungskarte am 7. Mai 2007 die Zulassung der Beschwerdeführerin zum Verfahren, da zu Folge eines von der Asylbehörde erster Instanz angelegten Aktenvermerks einerseits noch weitere medizinische Untersuchungen notwendig gewesen waren, andererseits die Überstellung der Beschwerdeführerin aus ärztlicher Sicht einer unmenschlichen Behandlung gleichkommen wäre.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. März 2008, GZ. 07 03.521-EAST Ost, wurde auch der zweite Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 bei gleichlautendem Spruch zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit nunmehr rechtskräftiger Entscheidung vom 30. Mai 2008 zu GZ. 308.772-3/2E-V/15/08 ab. Mit Entscheidungen vom gleichen Tage wurde auch die Zurückweisung der Zweitanträge der übrigen Familienmitglieder im Instanzenzug bestätigt.

 

Am 2. Juli 2008 schließlich brachte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz ein, den die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Juli 2008, GZ. 08 05.680, gemäß § 68 Abs. 1 AVG "wegen entschiedener Sache" zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und gem. § 10 Abs. 1 die Ausweisung in die Slowakische Republik ausgesprochen hat (Spruchpunkt II.).

 

In der Begründung des bekämpften Bescheides stellt die belangte Behörde nach extensiver Schilderung des Ganges der von der Beschwerdeführerin angestrengten Asylverfahren sowie Wiedergabe des von ihr erstatteten Vorbringens zunächst fest, beim Verfahren der Beschwerdeführerin handle es sich um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG. Hinsichtlich des ersten Asylverfahrens der Mutter sei eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, welcher seitens des vorzitierten Gerichtshofes die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Aufgrund dessen sei die Überstellung der Beschwerdeführerin in die "Slowakei" unterblieben.

 

Bereits im Erstantragsverfahren der Beschwerdeführerin habe sich die Slowakische Republik nach vorangegangenem Konsultationsverfahren mit Note vom 7. Dezember 2006 gemäß Art. 16 Abs.1 lit c Dublin II-VO für zuständig erklärt. Diese Zuständigkeit sei nach wie vor gegeben.

 

Auch das zweite Asylverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen und dort alle bis zur Entscheidung entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden.

 

Hinsichtlich des (gegenständlichen) dritten Antrages auf internationalen Schutz gelangt die belangte Behörde zum Ergebnis, es sei von Erfüllung des Tatbestandes der entschiedenen Sache auszugehen. Es habe von ihr kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können.

 

Die allgemeine, für die Beschwerdeführerin maßgebliche Lage habe sich seit Rechtskraft des seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates im Zweitverfahren ergangenen Bescheides nicht geändert. Es dränge sich vielmehr die Vermutung auf, dass die Beschwerdeführerin durch fortgesetztes Stellen von Anträgen auf internationalen Schutz ihren Aufenthalt im Bundesgebiet legalisieren bzw. verlängern wolle.

 

Nach der gem. § 5 Abs. 1 erfolgten Zurückweisung ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz in Österreich sei die Beschwerdeführerin in Österreich "untergetaucht" um sich der gesetzeskonformen Überstellung zu entziehen. Dieser unbekannte Aufenthalt habe die "Aussetzung der Überstellungsfrist für 18 Monate (bis 7.6.2008) zur Folge" gehabt. Die slowakischen Behörden seien am 30. Januar 2007 über diesen Sachverhalt informiert worden. Weil es sich um ein Familienverfahren handle, sei "aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannten aufschiebenden Wirkung im Verfahren ihrer Mutter ... die Aussetzung der Überstellungsfrist für 18 Monate (bis 7.6.2008) seit 20.05.2008 gehemmt" Eine Ausweisung der Beschwerdeführerin sei deswegen nur zulässig, wenn diese gemeinsam mit der Ausweisung ihrer Mutter und Schwester erfolge. Auch über die vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannte aufschiebende Wirkung seien die slowakischen Behörden unterrichtet worden.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG seien Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 und 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stünde ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache neu inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist.

 

Gemäß § 75 Abs.4 AsylG 2005 begründeten ab- und zurückweisende Bescheide aufgrund des AsylG 1968, BGBl. Nr. 126/1968, des AsylG 1991, BGBl. Nr. 8/1992 sowie des AsylG 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache.

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liege vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem Früheren deckt. Würden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändere dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes könne zu einer neuerlichen Entscheidung führen. Die neuerlich vorgebrachten Angaben der Beschwerdeführerin würden unter diesem Gesichtspunkt keinen neuen, entscheidungsrelevanten Kern aufweisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z.1 AsylG 2005 sei eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen werde. Es liege im vorliegenden Falle auch kein Aufenthaltstitel vor, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem AsylG 2005 gegeben ist. Es liege auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergebe sich somit der rechtswidrige Aufenthalt der Fremden. Zur Beendigung desselben sei daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten.

 

Bei der Setzung einer solchen aufenthaltsbeendenden Maßnahme könne ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegen (Art. 8 Abs. 1 EMRK). Sei von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greife sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen. Im vorliegenden Fall handle es sich um ein Familienverfahren, es liege für die mit der Beschwerdeführerin gereisten Mitglieder ihrer Kernfamilie ebenfalls die Zuständigkeit der Slowakei vor, wodurch die Einheit der Familie gewahrt bliebe und somit die Entscheidung im gegenständlichen Asylverfahren ebenfalls keinen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben darstelle.

 

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, dass ihre drei Onkeln und Cousins samt deren Familien ebenfalls in Österreich lebten, sei dem entgegen zu halten, dass gemäß Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Artikel 2(i) Onkeln und Cousins sowie deren Familien nicht zur Kernfamilie zählten. Soweit die Beschwerdeführerin des Weiteren angebe, ihr Onkel I.U. finanziere ihr Studium, werde ausgeführt, dass diese Zuwendungen nicht von langer Dauer sein könnten, zumal die Beschwerdeführerin laut vorgelegter Studienbestätigung erst seit dem Sommersemester 2008 als Studierende gemeldet sei. Die Beschwerdeführerin werde zudem als außerordentliche Studierende der Studienrichtung "Universitätslehrgang" und "Vorstudienlehrgang" geführt. Aufgrund der Nähe der Slowakei sei zudem ein ständiges persönliches Zusammentreffen mit den Verwandten ohne Weiteres möglich, ebenso ein fernmündlicher oder schriftlicher Kontakt. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin in die "Slowakei" stelle dementsprechend keinen schwerwiegenden Eingriff in ihr Privatleben dar, zumal die in Österreich lebenden Verwandten, insbesondere auch der ins Treffen geführte Onkel I.U., als anerkannte Flüchtlinge in Österreich lebten und damit legal in die "Slowakei" reisen könnten.

 

Es liege somit kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor. Bereits der Unabhängige Bundesasylsenat sei in den in den Vorverfahren ergangen Rechtsmittelentscheidungen der Ansicht des Bundesasylamtes beigetreten, dass im vorliegenden Fall - mangels ausreichender Nahebeziehung zu ihren in Österreich lebenden Verwandten - kein Eingriff in das Grundrecht des Art. 8 Abs.1 EMRK vorliege. Weitere verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich seien nicht "namhaft" gemacht worden.

 

Die Beschwerdeführerin verfüge zwar über Privatinteressen für einen Aufenthalt in Österreich, diese hätten sich aber zum überwiegenden Maße erst dadurch ergeben, dass diese sich ihrer gesetzeskonformen Überstellung in die "Slowakei" entzogen habe und bei unverändertem Sachverhalt neuerlich, den nunmehr dritten Asylantrag gestellt habe, woraus der mittlerweile eineinhalb Jahre dauernde Aufenthalt erst resultiere. Auch sei davon auszugehen, dass aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und mangels Vorliegens sonstiger relevanter und intensiver Anknüpfungspunkte ein derart gewichtiges Privatleben, welches die Unzumutbarkeit der Ausweisung darstellen würde, nicht entstanden sei.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mittels welcher die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge "Verletzung von Verfahrensvorschriften" geltend macht.

 

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe ihre Heimat aus asylrelevanten Gründen verlassen. Sie habe auch in der Slowakei "Angst vor Verfolgungshandlungen". Ihr Onkel I.U., mit dem sie gemeinsam aus der Heimat sowie aus der "Slowakei" geflüchtet und der nach tschetschenischem Recht wie ein Vater für sie sei, befände sich ebenso wie ein weiterer Onkel als anerkannter Flüchtling in Österreich. Sie stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Onkel, da er ihr Studium in Österreich finanziere. Des Weiteren sei sie schwer traumatisiert.

 

Während sie mit ihrer damals ebenfalls minderjährigen Schwester "gerade nicht zu Hause aufhältig" gewesen sei, sei die Mutter in Schubhaft genommen und unter Verletzung von Art. 8 EMRK ohne ihre Kinder in die Slowakei abgeschoben worden. Während des Aufenthaltes der Mutter sei sie von ihrem Onkel unterstützt worden.

 

Da sie und ihre Schwester obdachlos gewesen seien und sich bei ihr eine psychische Krankheit abgezeichnet habe, habe sie am 11. April 2007 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei das zweite Asylverfahren aus diesem Grunde auch zugelassen worden. Fast ein Jahr später habe die belangte Behörde erst einen erledigenden Bescheid erlassen. Die dagegen eingebrachte Berufung sei vom Unabhängigen Bundesasylsenat am 30. Mai 2008 schließlich mit dem Argument abgewiesen worden, mangels Ablauf der 18-monatigen Frist nach Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO sei eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Asylantrages nicht gegeben.

 

Nachdem die 18-monatige Frist am 7. Juni 2008 abgelaufen sei, habe sie am 2. Juli 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, für dessen Prüfung nunmehr Österreich zuständig geworden sei.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist.

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen. Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen.

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2, bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (Vgl. E VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; E VwgGH 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (E VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997).

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. etwa E VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 bzw. auch E VwGH 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (E VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (Vgl. zB E VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide aufgrund der in dieser Bestimmung genannten Asylgesetzfassungen in denselben Sachen in Verfahren nach dem AsylG 2005 den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache nach § 68

AVG.

 

Die Beschwerdeführerin vermeint unter Hinweis auf diese (Übergangs)Bestimmung, dass Erstentscheidungen, welche schon nach dem AsylG 2005 gestellt wurden, - entgegen Erstentscheidungen nach den Vorgängerasylgesetzen - dem Tatbestand der entschiedenen Sache nicht zugänglich seien. Diesfalls würden die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2005, 2004/20/0010, genannten Entscheidungs-gründe greifen. Hingegen sei die in der Entscheidung des zitierten Gerichtshofes vom 7. Mai 2008, 2007/19/0466 ins Treffen geführte Sperrwirkung für solche Asylanträge nicht monierbar.

 

Mit dieser Argumentation verkennt die Beschwerdeführerin die seitens des Verwaltungsgerichtshofes angestellten Überlegungen aber vollends. Der Gerichtshof hat nämlich in der zitierten Entscheidung zu GZ. 2004/20/0010 zur Rechtlage nach dem AsylG 1997 idF der Asylgesetznovelle 2003 ausgeführt, dass jeder neue (wiederholte) Asylantrag - außer er wurde nach § 4 leg. cit. erledigt - nach diesem Gesetz deswegen einer eigenen Zuständigkeitsprüfung zu unterziehen sei, weil (nach der damaligen) Rechtslage für den Fall der Zurückweisung wegen entschiedener Sache die Verbindung mit einer Ausweisung nicht vorgesehen war. Konsequenter Weise hat der Verwaltungsgerichtshof daher im zitierten Erkenntnis vom 7. Mai 2008 darauf hingewiesen, dass nach der neuen Rechtslage nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 zurückweisende Bescheide (somit auch solche nach § 68 Abs. 1 AVG) nunmehr zeitgleich mit einer Ausweisung zu verbinden sind.

 

Die Rechtsfolge der Bestimmung des § 75 Abs. 4 AsylG besteht hingegen darin, dass auch nach alten Asylrechtslagen ergangene Entscheidungen der Asylbehörden bei Folgeanträgen nach dem AsylG 2005 - unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid maßgeblich erachteten Umstände, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates geführt haben - den Tatbestand der res iudicata erfüllen. Mangels dieser Bestimmung wären Folgeanträge aufgrund geänderter Rechtslage einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen.

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (Vgl. E VwGH 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat die Behörde jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (Vgl. E VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren folgt, dass der Asylgerichtshof den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes zu kontrollieren hat.

 

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (Vgl. E VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG bildet somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Die Beschwerdeführerin moniert in der dem Asylgerichtshof unterbreiteten Beschwerdeschrift unter anderem, der Sachverhalt habe sich gegenüber dem Zweitverfahren insofern geändert, als die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz infolge Ablaufes der Frist gem. Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO (richtig wohl: Art. 20 Abs. 2 Dublin II- VO) auf Österreich übergegangen sei.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit c bzw. e Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen (lit. c) bzw. einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen (lit. e).

 

Gemäß Artikel 20 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylbewerber nach den in dieser Bestimmung angeführten Modalitäten - gemäß Artikel 4 Abs. 5 und Artikel 16 Abs. 1 lit. c, d und e leg. cit - wieder aufgenommen (sog. "take back" Verfahren).

 

Gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b Dublin II-VO muss der Mitgliedstaat, der um Wiederaufnahme des Asylbewerbers ersucht wird, die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Antrag so rasch wie möglich und unter keinen Umständen später als einen Monat, nachdem er damit befasst wurde, beantworten. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

 

Gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d Dublin II-VO erfolgt die Überstellung des Asylwerbers gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

 

Aus den seitens der Asylbehörde erster Instanz vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich - auch von der Beschwerdeführerin unbestritten - , dass diese vor ihrer am 16. November 2006 illegal erfolgten Einreise nach Österreich in der Slowakischen Republik aufhältig war und dort erstmalig am 3. November 2006 gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Schwester ein Asylverfahren angestrengt, dessen Ausgang aber nicht abgewartet hat.

 

Die Slowakische Republik hat sich nach vorangegangenem, am 23. November 2006 eingeleitetem, Konsultationsverfahren mit Note vom 7. Dezember gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin (und der übrigen Familienmitglieder) bereit erklärt.

 

Gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. e leg. cit. teilt der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaates über seine Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und gegebenenfalls der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist.

 

Die Dublin II-VO stellt sohin nicht nur Regeln für das zwischenstaatliche Konsultationsverfahren auf, sondern sieht in Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 sowie den korrespondierenden Bestimmungen der Art. 20 Abs. 1 lit. d und lit. e auch eine individuelle an den Asylwerber gerichtete, begründete Entscheidung vor, gegen die im Sinne des Gemeinschaftsrechts eine effektive Berufungsmöglichkeit bestehen muss. Durch den österreichischen Gesetzgeber wurde die im Sinne der zitierten Bestimmungen notwendige Feststellung des zuständigen Staates, die Verpflichtung zur Überstellung des Antragstellers in diesen Staat sowie die Erklärung über die Nichtprüfung des Antrages verfahrensrechtlich als Zurückweisung des Antrages, verbunden mit einer Ausweisung konkretisiert. In diesem Umfang ist auch von einem Vorrang der zitierten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gegenüber den Bestimmungen der §§ 5 Abs. 1 2. Fall sowie 10 Abs. 1 Z. 1 auszugehen, wenngleich im Sinne einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation in diesem Fall kein Widerspruch der Rechtsregelungen ersichtlich ist.

 

Nach dem in § 36 Abs. 1 AsylG 2005 zum Ausdruck gebrachten Willen des österreichischen Gesetzgebers kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird - zu dieser zählt auch die Unzuständigkeit aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates gemäß den Bestimmungen der Dublin II-VO - aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Unabhängigen Bundesasylsenat (jetzt: Asylgerichtshof) zuerkannt wird.

 

Durch die zit. Bestimmung wird dem in den Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO dargestellten Grundsatz, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Dublin Verfahren den Regelfall darstellt, Rechnung getragen.

 

Die von einigen Autoren ohne überzeugende Begründung vertretene Rechtsmeinung, wonach die durch die Erhebung eines Rechtsbehelfes mit aufschiebender Wirkung bzw. der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ex lege bewirkte Fristenhemmung auch für die Konstellation zu gelten habe, dass ein Asylwerber nach der Erstentscheidung zum Zwecke der Verfahrensverschleppung einen zweiten Asylantrag stellt und das nationale Recht (generell) vorsieht, dass während dieses zweiten Asylverfahrens (oder zumindest bis zu dessen Zurückweisung als Folgeantrag wegen entschiedener Sache) keine Abschiebung erfolgen darf (vgl. hiezu etwa Filzwieser/Liebminger Dublin II-Verordnung² (2007) 149), kann nicht beigepflichtet werden. Sie findet weder in der Bestimmung des § 36 Abs. 1 Deckung, der zu Folge auch für den Fall der Zurückweisung eines Asylantrages in Folge Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates die aufschiebende Wirkung im Einzelfall vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) zuerkannt werden muss, noch in den Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO, nach denen einem Rechtsbehelf gemäß Art. 19 Abs. 2 4. Satz grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung für die Überstellung zukommt, es sei denn die Gerichte oder zuständigen Stellen erkennen im Einzelfall anders. Diese Sichtweise scheint auch vor dem Hintergrund des effet utile Grundsatzes geboten, wonach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht die größtmögliche Wirksamkeit in praxi zu verschaffen ist. Eine andere Handhabung würde den Zweck der Dublin II-VO für rasche Zuständigkeitsverfahren zu sorgen vereiteln.

 

Dem angesprochenen, im österreichischen Asylrecht (generell) bestehenden faktischen Abschiebeschutz kann aus den zuvor angestellten Überlegungen keinesfalls jene Rechtswirkung auf den Fristenlauf zukommen, wie dies Art. 19 Abs 2 und Art. 20 Abs.1 lit. e Dublin II VO ausdrücklich für in Einzelfällen zuerkannte aufschiebende Wirkungen vorsehen. Dort wo dies der Gesetzgeber im Hinblick auf die Dublin II-VO nicht ausdrücklich vorgesehen hat, steht es den Rechtsmittelinstanzen nicht zu, eine solche aufschiebende Wirkung zu konstruieren, da wie ausgeführt, das hier maßgebliche Gemeinschaftsrecht eben den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung als Regelfall ansieht.

 

Nun wurde das erste durch den Antrag der Beschwerdeführerin vom 17. November 2006 eingeleitete Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem am 30. Januar 2007 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Januar 2007, GZ. 308.772-C1/E1-V/15/07, abgeschlossen. Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des vorangeführten Berufungsverfahrens beantragte aufschiebende Wirkung wurde dieser nicht gewährt, wobei an dieser Stelle zu erwähnen ist, dass dieser Antrag durch den Unabhängigen Bundesasylsenat seinerzeit gänzlich unerledigt geblieben ist. Hinsichtlich der Berufungsentscheidung wurde von der Beschwerdeführerin der Verwaltungsgerichtshof nicht angerufen, sodass für die Berechnung des Fristenlaufes nach Art. 20 Abs. 1 lit. d bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO der Tag der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch die Slowakische Republik, das ist im gegenständlichen Fall der 7. Dezember 2006, heranzuziehen ist.

 

Gemäß Artikel 20 Abs. 2 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, sofern die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.

 

Nun stellt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst fest, dass die Überstellung der Beschwerdeführerin in die Slowakische Republik im Erstverfahren deswegen nicht erfolgen konnte, weil diese in Österreich "untergetaucht" sei und sich der gesetzeskonformen Überstellung in die Slowakische Republik entzogen habe.

 

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass den von der Asylbehörde erster Instanz vorgelegten Verwaltungsakten keinerlei Dokumente zu entnehmen waren, die eine derartige Feststellung zulassen würden. Allerdings ist dem zu 308.775 protokollierten und vom Asylgerichtshof beigeschafften - die Schwester der Beschwerdeführerin betreffenden - Berufungsakt des Unabhängigen Bundesasylsenates ein an diese Behörde gerichtetes und mit 30. Januar 2007 datiertes Schreiben der Polizeiinspektion Reichenau zu entnehmen, demnach "mangels Vollständigkeit der ... Familiengruppe" die Übernahme durch die slowakischen Grenzorgane am selben Tage nicht möglich und auch der "Verbleib" der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei.

 

Der Gerichtshof hegt allerdings keinerlei Zweifel, dass sich die Beschwerdeführerin der drohenden Abschiebung in die Slowakische Republik bis zur Stellung ihres zweiten Antrages auf Gewährung von internationalem Schutz absichtlich entzogen hat. Zwar meint die Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsschrift lapidar, sie und ihre Schwester seien zum Zeitpunkt der Abholung der Mutter am 30. Januar 2007 eben "gerade nicht zu Hause aufhältig gewesen". Andererseits führt die Beschwerdeführerin - die von ihrem Onkel zur Stützung ihres Vorbringens betreffend Art. 8 EMRK in der Zeit der Abwesenheit ihrer Mutter einerseits zwar unterstützt worden sein will - im gleichen Atemzuge aber aus, während dieser Zeit bis zur Zweitantragstellung am 11. April 2007 obdachlos gewesen zu sein. Auch bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 18. April 2007 hat die Beschwerdeführerin angegeben, sich in der erwähnten Zeit "an verschiedensten Orten", welche sie nicht gekannt haben will, aufgehalten zu haben. Auch wurde die Mutter der Beschwerdeführerin laut Durchführungsbericht der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen erst am 8. März 2007 in die Slowakei überstellt, sodass es der Beschwerdeführerin zur Wahrung der Familieneinheit (und Beendigung ihrer vorgegebenen Obdachlosigkeit) durch mehr als einen Monat hindurch ohne größere Probleme möglich gewesen wäre, sich mit Hilfe der Sicherheitsbehörden oder ihrer Verwandten mit der Mutter zur gemeinsamen Überstellung in die Slowakische Republik zusammenzufinden. Für den Asylgerichtshof steht daher zweifelsfrei fest, dass die Beschwerdeführerin im erwähnten Zeitraum zwischen 30. Januar und 11. April 2007 im Sinne des Artikel 20 Abs. 2 Dublin II-VO flüchtig war.

 

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid zur Frage des Fristenlaufes aus, das "Untertauchen" der Beschwerdeführerin nach rechtskräftiger Zurückweisung ihres Antrages habe die "Aussetzung der Überstellungsfrist für 18 Monate (bis 7.6.2008) zur Folge" gehabt. Die slowakischen Behörden seien am 30. Januar 2007 über diesen Sachverhalt informiert worden.

 

Die belangte Behörde verkennt aber, dass durch die Bestimmungen des Art. 20 Abs. 2 2. und 3. Fall Dublin II-VO die in Art. 20 Abs. 1 lit. d bzw. Art. 20 Abs. 2 1. Fall für Überstellungen generell festgelegte Frist von sechs Monaten nur verlängert, nicht aber gehemmt wird.

 

Des Weiteren ist dem eindeutigen Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 zu entnehmen, dass es bei den verlängerten Fristen um Maximalfristen handelt und die Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Flucht bzw. Inhaftierung des Asylwerbers nicht automatisch - unabhängig von der Dauer der Flucht bzw. Haft - eine Verlängerung der Frist von sechs Monaten auf ein Jahr bzw. 18 Monate zur Folge hat. Der Verordnungsgeber spricht nämlich davon, dass die Sechsmonatsfrist auf "höchstens ein Jahr" bzw. "höchstens achtzehn Monaten" verlängert werden kann. Eine andere Interpretation der in Rede stehenden Bestimmung würde den durch die Dublin II-VO aufgestellten Grundsätzen widersprechen und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts außer Bedacht lassen. Die Sanktionen der Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 stützen sich gerade auf die Überlegung, dass derjenige Mitgliedstaat, der die gemeinsame Zielvorgabe einer zeitgemäßen Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht umsetzt, gegenüber den Partnerländern auch die (negativen) Folgen tragen muss. Die Überstellung des Asylwerbers an den zuständigen Mitgliedstaat soll nach den Zielsetzungen der Dublin II-VO nämlich so rasch als möglich erfolgen Die Flucht eines Asylwerbers für wenige Tage oder Wochen kann für einen Mitgliedstaat nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Sechsmonatsfrist um mehr als jene Zeit (bis zur Maximalfrist) zu verlängern, als das Überstellungshindernis der Flucht oder Haft tatsächlich angedauert hat. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sich die Sechsmonatsfrist zur Überstellung der Beschwerdeführerin in die Slowakische Republik lediglich um die Dauer ihrer Flucht, das waren 2 Monate und 11 Tage verlängert hat.

 

Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, so gilt gem. § 36 Abs. 3 AsylG 2005 diese auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z. 22) betreffenden Entscheidungen, keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Beschwerden gegen Entscheidungen im Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Beschwerde im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid ins Treffen, "dass aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannten aufschiebenden Wirkung im Verfahren ihrer Mutter die "Aussetzung der Überstellungsfrist für 18 Monate (bis 7.6.2008) seit 20.05.2008 gehemmt" sei. Dies deswegen, weil es sich beim Verfahren der Beschwerdeführerin um ein Familienverfahren handle, und eine Ausweisung ihrer Person nur zulässig sei, wenn diese gemeinsam mit der Ausweisung ihrer Mutter und Schwester erfolge.

 

Wenn die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, dass die der Mutter der Beschwerdeführerin im Erstverfahren - bei diesem Verfahren handelte es sich tatsächlich aufgrund der Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin bei Antragstellung noch um ein Familienverfahren - vom Verwaltungsgerichtshof zugebilligte aufschiebende Wirkung auch für den Lauf der Überstellungsfrist der Beschwerdeführerin von Relevanz sei, so sei sie nochmals auf den bereits an oberer Stelle erörterten Umstand verwiesen, dass das Erstverfahren der Beschwerdeführerin rechtskräftig abgeschlossen wurde und die Beschwerdeführerin gegen den ihr gegenüber ergangenen Berufungsbescheid im Gegensatz zur ihrer Mutter kein außerordentliches Rechtsmittel ergriffen hat, dem seitens des Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre. Die seitens des Verwaltungsgerichtshofes der Mutter der Beschwerdeführerin im Familienverfahren gemäß § 30 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) zuerkannte aufschiebende Wirkung entfaltet aber keinerlei Wirkung im Sinne des § 36 Abs. 3 AsylG 2005. (Vgl. in diesem Sinne implizit auch E VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einer Abschiebung der Beschwerdeführerin (in der Zeit, in der die der Mutter gewährte aufschiebende Wirkung Wirksamkeit entfaltet) allenfalls in Art. 8 EMRK gelegene Gründe entgegenstehen und bei allfälliger Kassation des Zurückweisungsbescheides der Mutter im Erstverfahren die im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 34 und 36 Abs. 3 AsylG 2005 vorhandene Gesetzeslücke im Wege der Analogie zu schließen sein wird. Einer infolge Zuständigkeit eines anderes Mitgliedstaates nach den Bestimmungen der Dublin II- VO vorzunehmenden Abschiebung innerstaatlich aufgrund Art. 8 EMRK entgegenstehende Gründe haben auf den Fristenlauf des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO keine Auswirkung.

 

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, "dass aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannten aufschiebenden Wirkung im Verfahren ihrer Mutter zur Zahl 06.12.393 die vorne angeführte Aussetzung der Überstellungsfrist für 18 Monate (bis 7.6.2008) seit 20.05.2008 gehemmt ist", so ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, dass aus dem dargestellten Verfahrenslauf kein Ereignis ersichtlich ist, auf welches das ins Treffen geführte Datum des 20. Mai 2008 zurückzuführen wäre.

 

Wenngleich der Asylgerichtshof der belangten Behörde durchwegs zustimmt, dass die Beschwerdeführerin durch fortgesetztes Stellen von Anträgen auf internationalen Schutz ihren Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zu verlängern trachtete, so ändert dies dennoch nichts an dem Umstand, dass die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages der Beschwerdeführerin aus den oben dargelegten Gründen bereits mit 18. August 2007 auf die Republik Österreich übergegangen ist. Ein solcher Zuständigkeitsübergang wäre im vorliegenden Fall aber selbst dann gegeben gewesen, wenn man - wie seinerzeit der Unabhängige Bundesasylsenat in seiner Entscheidung vom 30. Mai 2008, GZ. 308.772-3/2E-V/15/08 - die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf die Maximaldauer von achtzehn Monaten als erfüllt betrachtet hätte wollen.

 

Voraussetzungen, die eine Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 2. Juli 2008 zulässig machen würden, liegen daher gegenständlich nicht vor, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 41 Abs.3 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Familienverfahren, Überstellungsfrist, Zuständigkeitsmangel
Zuletzt aktualisiert am
23.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten