TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 S9 319662-1/2008

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Veröffentlicht am 13.10.2008
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Spruch

S9 319.662-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des L.H. auch H., geb. 00.00.1975, StA. RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch Katharina AMMANN, Diakonie - Flüchtlingsdienst, Steinergasse 3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.05.2008, FZ. 08 02.234-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG idF. BGBL. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, reiste gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin am 05.03.2008 aus POLEN kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Polizeiinspektion Traiskirchen, niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er an, dass er am 19.02.2008 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin S.T. von Gudermes/Tschetschenien mit dem Zug in Richtung Moskau aufgebrochen sei. Von dort seien sie dann mit dem Zug nach Brest/Weißrussland und weiter nach Teraspol gefahren. Am 22.02.2008 seien sie in Teraspol von den polnischen Grenzbhörden angehalten worden und hätten in der Folge um Asyl angesucht. Sie seien erkennungsdienstlich behandelt worden und hätten ins Lager nach Dembak gehen sollen. Ein Tschetschene namens U., den sie zuvor bei ihrer Flucht kennen gelernt hatten, habe ihnen jedoch angeboten bei ihm zu wohnen. Sie hätten sich daher entschieden nicht ins Lager zu gehen und seien bis zum 04.03.2008 bei diesem Tschetschenen geblieben. Dann seien sie mit einem Taxi bis in eine dem Beschwerdeführer unbekannte Stadt und mit einem weiteren Taxi bis nach Traiskirchen gefahren. Als Fluchtgründe gab er an, vom russischen sowie tschetschenischen Militär verfolgt zu werden. Er sei in den letzten fünf Monaten dreimal von Militärangehörigen mitgenommen, festgenommen und geschlagen worden.

 

Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der Beschwerdeführer am 22.02.2008 in POLEN einen Asylantrag gestellt hatte.

 

2. Am 06.03.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage des Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) an die zuständige Behörde POLENS, welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde. Die entsprechende Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 über die Absicht, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sowie über die Führung von Konsultationen mit POLEN erhielt der Beschwerdeführer am 21.03.2008. Mit dem am 11.03.2008 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben der polnischen Behörde wurde die Zuständigkeit POLENS gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO bestätigt und der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers zugestimmt.

 

3. Vom 00.00. bis 00.00.2008 befand sich der Beschwerdeführer im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in stationärer Behandlung. Laut ärztlichem Bericht dieser Krankenanstalt vom 00.00.2008 leidet der Beschwerdeführer an der HIV Erkrankung AIDS (C1 nach CDC), definiert durch Mykrobakterium tuberculosis pulmonal 2007.

 

4. Am 28.04.2008 wurde der Beschwerdeführer von Dr. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, zur Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren untersucht. Daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer vor Jahren Heroinabhängig gewesen sei, was offensichtlich zur HIV-positiv Erkrankung geführt habe, welche erst in Österreich festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer werde darüber hinaus gegen TBC behandelt. Der Beschwerdeführer streite oft mit seiner Frau, er sei reizbar. Er liege bis zwei Uhr morgens wach, dann schlafe er bis ungefähr sieben oder acht Uhr. Die Konzentration sei normal, außer er werde abgelenkt. Der Appetit sei seit der Entlassung aus dem Krankenhaus normal. Er habe Alpträume unspezifischen Inhalts. Im Vordergrund stehe die Sorge um die unmittelbare Zukunft, um die weitere Vorgangsweise im Asylverfahren. Sonst seien keine körperlichen oder seelischen Beschwerden zu explorieren. Die Frage, ob der Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen schwere psychische Störungen entgegenstehen würden, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würde, wurde von der Ärztin mit "Nein" beantwortet. Abschließend stellte sie in ihrer gutachtlichen Stellungnahme fest: "Der AW ist allseits orientiert, bewusstseinsklar. Der Ductus ist koherent, zielführend, sehr flüssig. Mimik und Gestik unauffällig. Die Stimmung ist euthym, teils aber parathym (im Sinne einer Affektabwehr) wirkend. Darauf angesprochen meint der AW, in Tschetschenien sei es nicht üblich, als Mann schwach zu wirken. Es finden sich keine typisch depressiven oder ängstlichen Symptome. Keine Schreckhaftigkeit. Keine Störungen im Zeitgitter. Keine Intrusionen. Einschlafstörungen werden angegeben, jedoch ist die Gesamtschlafzeit mit 5 - 6 Stunden noch tolerabel, außerdem bestehen keine objektiven Zeichen großer Müdigkeit. Keine HW auf Dissoziation. Es kann daher heute und nach den mir bis dato vorliegenden Explorationsinhalten keine krankheitswertige psychische Störung diagnostiziert werden."

 

5. Am 02.05.2008 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs von Organwaltern des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein einer Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und Moslem sei. Seit ca. sieben Monaten sei er mit seiner Lebensgefährtin nach moslemischer Tradition, jedoch nicht standesamtlich verheiratet. Sie würden am 15.07.2008 ihr gemeinsames Kind erwarten. Er sei HIV positiv, was ihm seit der Untersuchung am 00.00.2008 bekannt sei. Weiters leide er an Hepatitis B und C sowie an Tuberkulose. Wegen Tuberkulose sei er bereits in seiner Heimat in Behandlung gewesen. Gegen die Tuberkulose bekomme er zurzeit Tabletten. Gegen HIV sowie Hepatitis

B und C bekomme der bislang keine Behandlung. Er müsse daher um den 00. oder 00.00.2008 zur Kontrolle ins Otto Wagner Spital; da werde die Behandlung fixiert.

 

In Österreich lebe seit fünf Jahren seine Schwester als anerkannter Flüchtling gemeinsam mit ihrem Mann und ihren vier Kindern. Er habe mit seiner Schwester bis 2001 oder 2002 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Dann habe sie geheiratet und sei zu ihrem Mann gezogen. 2003 hätten sie dann die Russische Föderation verlassen. Er sei von seiner Schwester nicht abhängig, werde jedoch von ihr finanziell unterstützt. Wenn er Geld benötige erhalte er von ihr 20 oder 50 Euro für Lebensmittel oder Zigaretten. Sie habe eine große Familie und könne ihn daher nicht wirklich unterstützen. Von der Russischen Föderation aus, habe er zwei- bis dreimal im Monat telefonischen Kontakt zu seiner Schwester gehabt.

 

Auf den Vorhalt, dass beabsichtigt sei, ihn aus Österreich nach Polen auszuweisen, gab er an, dass er sehr negativ über eine Rückkehr nach Polen denke, er wolle auf keinen Fall zurück. Er begründete dies erstens mit seiner Krankheit. Nun habe er schon alle Untersuchungen in Österreich durchgeführt. Er stehe in ärztlicher Behandlung. In Polen werde alles von vorne beginnen. Zweitens sei er in Polen nicht außer Gefahr. Er habe von anderen Leuten gehört und selbst mit eigenen Augen gesehen, dass es dort nicht ungefährlich sei. Zum Beispiel habe er in einem Geschäft in Terespol zwei Männer gesehen, die er erkannt habe. Der eine hieß M., den Namen des anderen wisse er nicht. Sie seien beim tschetschenischen Sicherheitsdienst in einer Sonderabteilung gewesen. Er habe sie auch bei seiner Festnahme in Gudermes im Hof stehen gesehen. Die beiden hätten ihn aber nicht erkannt. Er fürchte, die Männer könnten ihn in Polen ausforschen und umbringen. Um sich habe er keine Angst, aber um seine schwangere Frau. Diese Leute würden wissen, dass er sie verraten könnte. Hinter ihnen würden gefährliche russische Behördenorgane stehen. Auf den Vorhalt, dass Polen als sicherer Staat gelte und es im Anlassfall die Möglichkeit gebe, sich an die Polizeibehörden zu wenden, meinte der Beschwerdeführer, dass es zu spät sei, wenn ihm bereits etwas angetan wurde. Die Polizei könne nicht die ganze Zeit hinter ihm stehen und ihn bewachen. Auf Vorhalt der Länderfeststellungen zu Polen sowie der Versorgungslage von Flüchtlingen, wiederholte der Beschwerdeführer, dass er nicht nach Polen wolle. Auf Vorhalt der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H. stellte der Beschwerdeführer fest, dass er der Ärztin gesagt habe, dass er kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehe. Abschließend stellte der Beschwerdeführer fest, dass er in Österreich nicht ein besseres Leben suchen würde. Geld könne er überall verdienen. Er habe ursprünglich nach Österreich gewollt, weil hier seine Schwester sei. Wenn er nervliche Probleme habe, könne er mit ihr sprechen und sie könne ihn sehr gut beruhigen. In Polen würde er sich in Gefahr fühlen. Wenn ihn ein Land aufnehmen und Sicherheit und Wohnmöglichkeit bieten würde, würde er es mit gleichen zurückzahlen.

 

Im Zuge der Einvernahme übergab der Beschwerdeführer der Behörde einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 3. April 2008, womit wegen seiner Tuberkuloseerkrankung gesundheitliche Überwachungsmaßnahmen anordnet wurden. Weiters übergab er einen weiteren ärztlichen Bericht des Sozialmedizinischen Zentrums Baumgartner Höhe vom 00.00.2008 über einen stationären Aufenthalt vom 00.00.2008 bis 00.00.2008. Darin werden als HIV assoziierte Erkrankungen festgestellt: AIDS (C1 nach CDC, 03/08), aktuelle CDC-C LungenTB, bilaterake OL-Infiltrate re > li (BS ZN neg, PCR pos). Weiters wurden als weitere assoziierte Infektionen Hepatitis A- und C Antikörper positiv festgestellt.

 

6. Mit Aktenvermerk vom 07.05.2008 stellte ein Organwalter des Bundesasylamtes, EAST Ost fest, dass die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Zi. 4 AsylG 2005 vom 10.03.2008 an den Beschwerdeführer am 21.03.2008 ausgefolgt worden war. Jedoch sei irrtümlich auf der Mitteilung vermerkt worden, dass der Beschwerdeführer diese am 07.04.2008 entgegen genommen hätte. Es würde sich dabei um einen Schreibfehler handeln. Die Ausfolgung der Mitteilung am 21.03.2008 sei auch mit diesem Datum im AIS vermerkt worden. Am 21.03.2008 sei diese Mitteilung auch der Fremdenpolizei übermittelt worden. Ebenfalls an diesem Tag sei eine Verständigung der DASTA betreffend das mit der Ausfolgung der § 29 Mitteilung an den Asylwerber ex lege eingeleitete Ausweisungsverfahren erfolgt. Die Verständigung der DASTA erfolge durch das Bundesasylamt stets unmittelbar nach der Ausfolgung der § 29 Mitteilungen an die jeweiligen Asylwerber. Der irrtümliche Vermerk des 07.04.2008 als Tag der Ausfolgung an den Asylwerber habe sich deshalb ergeben, weil der Beschwerdeführer am 21.03.2008 gleichzeitig mit dieser Mitteilung auch eine Ladung für den 07.04.2008 erhalten habe. Nachdem er ausdrücklich auf diesen Termin hingewiesen wurde, sei unmittelbar darauf die unrichtige Eintragung des Datums 07.04.2008 auf der § 29 Mitteilung erfolgt. Der 07.04.2008 scheide auch deswegen als Tag der Ausfolgung aus, weil der AW vom 00.00.2008 bis 00.00. 2008 stationär im Otto Wagner Spital aufhältig gewesen sei.

 

7. Mit Aktenvermerk vom 14.05.2008 stellte das Bundesasylamt fest, dass sich der Beschwerdeführer vom 00.00.2008 bis 00.00.2008 und vom 00.00.2008 bis 00.00.2008 in stationärer Krankenhausbehandlung befunden hätte. Er sei daher während dieser Zeiten aus nicht in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage gewesen, am Verfahren mitzuwirken, weswegen gemäß § 28 abs. 2 AsylG 2005 eine Hemmung der 20 Tagefrist eingetreten sei.

 

8. Mit dem Bescheid vom 20.05.2008, Zahl: 08 02.234- EAST Ost, wurde der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 POLEN zuständig sei. Gleichzeitig wurde der nunmehrige Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach POLEN ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach POLEN gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei.

 

Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu POLEN, insbesondere zum polnischen Asylwesen sowie zur medizinischen Versorgung. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass der nunmehrige Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass er konkret Gefahr liefe, in POLEN Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm durch die Überstellung eine Verletzung der durch Art. 3 oder Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.05.2007 in den Amtsräumen des Bundesasylamtes persönlich ausgefolgt.

 

9. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes richtete sich die fristgerecht am 04.06.2007 eingebrachte Beschwerde. Darin wird die Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen innerhalb der 20 Tagesfrist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 mitgeteilt wurde. Die Schlussfolgerung der Behörde, dass das auf der Mitteilung vermerkte Datum der Ausfolgung (07.04.2008) nicht stimmen könne, weil der Beschwerdeführer zu dieser Zeit stationär in einem Spital aufgenommen war, und die anschließenden Spekulationen über die tatsächliche Ausfolgung würden dem rechtsstaatlichen Prinzip auf Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandeln widersprechen. Die Behörde hätte im konkreten Fall feststellen müssen, dass nicht mehr feststellbar sei, wann dem Beschwerdeführer die § 29 Mitteilung tatsächlich ausgefolgt wurde und das Verfahren wegen Verstreichens der 20 Tagefrist zulassen müssen. Die weiteren Überlegungen der Erstbehörde, dass bei der Annahme der Ausfolgung der § 29 Mitteilung am 07.04.2008 die 20 Tagefrist des Zulassungsverfahren nicht gelten würde, weil eine Fristenhemmung während der stationären Aufenthalte des Beschwerdeführers eingetreten sei, seien insofern nicht schlüssig, weil die Krankenhausaufenthalte des Beschwerdeführers dann keine Fristenhemmung bewirken konnten, wenn die Behörde diesem die Mitteilung tatsächlich während des Krankenhausaufenthaltes ausgefolgt haben sollte. In diesem Fall hätten die Krankenhausaufenthalte die Fortführung des Verfahrens offensichtlich nicht behindert.

 

Darüber hinaus hätte die Behörde im angefochtenen Bescheid die Schwere der Erkrankung des Beschwerdeführers verkannt. In seinem Fall sei nicht nur HIV sondern AIDS diagnostiziert worden. Der Beschwerdeführer sei darüber hinaus bereits an Tuberkulose erkrankt. Die Feststellungen des Bundesasylamtes, dass der Beschwerdeführer nicht an einer schwerwiegenden Krankheit leiden würde, seien daher nicht zutreffend. Er leide nicht nur an einer schwerwiegenden Krankheit sondern an einer tödlichen Krankheit, mit einer Letalität von annähernd 100 % innerhalb von drei Jahren. Angesichts seiner bereits fortgeschrittenen - tödlichen - Krankheit sei der Beschwerdeführer auf die moralische und psychologische Unterstützung seiner Angehörigen angewiesen. Die Schwester des Beschwerdeführers lebe als anerkannter Flüchtling in Österreich. Der Beschwerdeführer habe bei seinen Einvernahmen darauf hingewiesen, dass für ihn die Bindung zu seiner Schwester sehr wichtig sei. Die Notwendigkeit einer psychischen Unterstützung ergäbe sich auch aus der Medikation während seines Aufenthaltes im Otto Wagner Spital (2 Seroquerol 25 mg - Filmtabletten).

 

Der Beschwerdeführer mache sich große Sorgen um seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind. Wenn seine Krankheit weiter fortschreite bzw. er an den Folgen seiner Krankheit sterbe, wären seine Frau und das Baby ganz alleine in Polen, während sich in Österreich sowohl seine Schwester als auch ein Onkel der Lebensgefährtin aufhalten würden. Es sei auch die Feststellung der Behörde im Bescheid falsch, dass es sich bei der Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht um eine fortgeschrittene Schwangerschaft handeln würde. Bei der medizinischen und psychologischen Versorgung in Polen handle es sich nach den Feststellungen des Unabhängigen Bundesasylsenates notorischerweise um eine Basisversorgung, weshalb nicht automatisch davon ausgegangen werden könne, dass eine Behandlung von komplexeren Krankheiten gesichert sei. In diesem Zusammenhang verwies er auf den Fall eines tschetschenischen Asylwerbers, der nach einer Rücküberstellung nach Polen trotz Hepatitis C und Gelbsucht dort keine entsprechende Behandlung erhalten habe und in der Folge gestorben sei. Polen sei darüber hinaus nicht sicher, da sich Verfolger des Beschwerdeführers in Polen aufhalten würden. In diesem Zusammenhang wird auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 05.03.2008 zur Situation tschetschenischer Asylwerber in Polen verwiesen.

 

Schließlich wurde geltend gemacht, dass der EGMR bereits wiederholt darauf hingewiesen habe, dass auch die Gesundheit, die psychische und die körperliche Integrität einer Person vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK umfasst seien. Angesichts der tödlichen Krankheit des Beschwerdeführers würden außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Nähe zu vertrauten Bezugspersonen, wie seine Schwester in Österreich, notwendiger mache als im Durchschnittsfall. Dazu komme das fortgeschrittene Stadium der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin. Es könne daher im konkreten Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die öffentlichen Interessen an einer Überstellung nach Polen die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden.

 

10. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 03.07.2008, GZ S8 319.661-1/4Z/08, wurde der Beschwerde seiner Lebensgefährtin aufschiebende Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt und festgestellt, dass mit dieser Entscheidung gemäß § 36 Abs. 3 AsylG 2005 auch der Beschwerde des Beschwerdeführers aufschiebende Wirkung zukomme.

 

11. Am 09.07.2008 brachte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers im Krankenhaus Baden ihren gemeinsamen Sohn Islam zur Welt. Am 29.07.2008 brachte sie als gesetzliche Vertreterin für ihren Sohn einen Asylantrag ein. Mit Bescheid vom 08.08.2008, AZ 08 06.626 EAST Ost, wurde der Antrag ihres Sohnes ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art 4 Dublin

II VO Polen zuständig sei. Mit Spruchpunkt II. wurde der Sohn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen zulässig ist. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin mit Schreiben vom 25.08.2008 eine Beschwerde ein.

 

12. Die Beschwerden der Lebensgefährtin und des Sohnes des Beschwerdeführers gegen die zurückweisenden Bescheide des Bundesasylamtes wurden jeweils mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. S9 319.661-1/2008/# und Zl. S9 401.262-1/2008/#, gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Ausführungen zu Punkt I sowie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen (§ 2 Z 22) eines Asylwerbers als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit der Republik POLEN gemäß Art. 10 Abs.1 Dublin II VO aufgrund des Übertrittes der Grenze Polens aus einem Drittstaat besteht. Polen ist aufgrund des dort gestellten Asylantrages gemäß Art. 16 Abs 1 lit. c Dublin II VO gehalten, den Asylwerber wieder aufzunehmen und hat dieser Wiederaufnahme ausdrücklich zugestimmt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestritten ist im Asylverfahren des Beschwerdeführers noch keine Sachentscheidung in POLEN gefallen.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.1.1.3. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm das Führen von Konsultationen mit Polen nicht innerhalb der 20 Tagefrist des § 28 Abs. 2 AsylG 2005 mitgeteilt worden sei, ist entgegenzuhalten, dass das Bundesasylamt schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen Gründen es zur fehlerhaften Bestätigung der Übergabe gekommen ist und weshalb mit der notwendigen Sicherheit von der tatsächlichen Ausfolgung am 21.03.2008 auszugehen ist. Die vom Beschwerdeführer geforderte Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns ist durch die im Akt aufliegenden Aktenvermerke, worin der Vorgang ausführlich dokumentiert wurde, gegeben. Darüber hinaus hat das Bundesasylamt zu Recht festgestellt, dass auch andernfalls eine Hemmung der 20 Tagefrist durch die stationären Krankenhausaufenthalte des Beschwerdeführers nach § 28 Abs. 3 AsylG 2005 eingetreten wäre, weil er während dieser Zeiten aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage gewesen ist, an dem Verfahren mitzuwirken. Die Schlüsse des Beschwerdeführers, dass die Krankenhausaufenthalte ihn dann nicht an seiner Mitwirkung am Verfahren gehindert hätten, wenn ihm die gegenständliche Mitteilung tatsächlich während eines solchen Krankenhausaufenthaltes ausgefolgt worden wäre, kann vom Asylgerichtshof nicht nachvollzogen werden, weil sich die Mitwirkungspflicht eines Asylwerbers im Asylverfahren nicht auf die Entgegennahme von Mitteilungen beschränkt.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Darüber hinaus hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge der Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG 2005 überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im vorliegenden Fall lebt eine Schwester des Beschwerdeführers in Österreich. Diesbezüglich ist zunächst auszuführen, dass die Beziehung zwischen volljährigen Geschwistern von der oben zitierten Judikatur des EGMR nicht grundsätzlich umfasst wird. Es ist daher zu prüfen, ob die vom EGMR geforderte Beziehungsintensität im gegenständlichen Fall vorliegt.

 

Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Schwester des Beschwerdeführers bereits seit 2003 in Österreich lebt, während der Beschwerdeführer selbst erst seit März 2008 in Österreich aufhältig ist und mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Nach eigenen Angaben lebte er auch in seinem Heimatland lediglich bis 2001 oder 2002 mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Dann habe sie geheiratet und sei zu ihrem Mann gezogen. Der Beschwerdeführer stellte weiters selbst ausdrücklich fest, dass er von seiner Schwester nicht abhängig ist. Wenn er Geld benötige werde er fallweise von ihr mit 20 bis 50 Euro für Lebensmittel oder Zigaretten finanziell unterstützt. Sie habe eine große Familie und könne ihn daher nicht wirklich unterstützen. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis ist damit der Aktenlage auch dann nicht zu entnehmen, wenn man vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgeht.

 

Auch wenn das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, dass angesichts seiner Krankheit die Nähe einer vertrauten Person wichtiger ist als in einem Durchschnittsfall, durchaus nachvollziehbar erscheint, reicht das im gegenständlichen Fall noch nicht aus, um von der vom EGMR geforderten Beziehungsintensität zwischen ihm und seiner Schwester zu sprechen, weshalb eine Ausweisung des Beschwerdeführers auch nach Auffassung des Asylgerichtshofes keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat und Familienleben darstellt.

 

Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

 

2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylwesen

 

Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass POLEN in Hinblick auf tschetschenische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren negativ endet (wobei in POLEN notorischerweise AntragstellerInnen aus Tschetschenien zumindest tolerierten Aufenthalt erhalten) ist mangels Bestehens eines allgemeinen Konsenses über eine Gruppenverfolgung von Tschetschenen in Russland (auch in Österreich wird eine solche in der Regel nicht bejaht) und mangels verifizierbarer Angaben über ein Fehlverhalten polnischer Behörden im vorliegenden Fall kein ausreichendes Argument die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG erschüttern zu können.

 

Die aktuellen auf Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation beruhenden Feststellungen des Bundesasylamtes zu POLEN, werden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Hervorzuheben ist insbesondere, dass bei tschetschenischen Antragstellern aus POLEN praktisch keine Abschiebungen in die Russische Föderation erfolgen. Aus einer Mitteilung des Verbindungsbeamten des BMI in POLEN vom 23.08.2007 geht hervor, dass die jüngsten Änderungen in der polnischen Gesetzeslage für Fremde und Asylwerber insbesondere die Einführung des subsidiären Schutzes entsprechend gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben betreffen sollen. Die Einführung des "subsidiären Schutzstatus" neben Flüchtlingsstatus und "tolerated stay" lässt ebenso keine potentielle Gefährdung tschetschenischer Schutzsuchender erkennen, sodass auf die näheren Details des Inkrafttretens der jeweiligen Regelungen und des genauen Inhalts vorangegangener Gesetzesänderungen hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht näher einzugehen war, da jedenfalls keine dieser Gesetzesänderungen Grund zur Annahme gibt, dass POLEN nunmehr allgemein oder im Besonderen gegenüber tschetschenischen Schutzsuchenden bedenkliche Sonderpositionen verträte.

 

Zur allgemeinen Versorgung von Asylwerbern in POLEN, denen "tolerated stay" zuerkannt wurde, steht unwidersprochen fest, dass solchen Personen die gleichen sozialen Rechte zuerkannt werden, wie polnischen Staatsbürgern. Der Verbleib in Flüchtlingslagern ist, wie nunmehr hervorgekommen ist, in Einzelfällen auch länger als 3 Monate nach Statuszuerkennung möglich. Das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik ist gesetzlich mit der Integration auch dieser Personengruppen betraut und diesbezüglich auch aktiv tätig. Die rasche Reaktion der polnischen Behörden auf den Zuwachs an Antragstellern in der 2. Jahreshälfte 2007 (Bau neuer Flüchtlingsunterbringungsstätten) zeigt, dass die entsprechenden Verpflichtungen tatsächlich ernst genommen werden.

 

2.1.2.3. Bedrohung durch russische/tschetschenische Staatsangehörige in POLEN

 

Das entsprechende vage Vorbringen des Beschwerdeführers kann in Ermangelung irgendwelcher Informationen, wonach die polnischen Sicherheitsorgane entgegen ihren asylrechtlichen Verpflichtungen systematisch mit russischen Organen kooperierten (entsprechende Belege wurden auch nicht erbracht), bereits unbeschadet der Frage der Glaubwürdigkeit nicht als relevant im Hinblick auf eine allfällige erheblich wahrscheinliche Verletzung des Art 3 EMRK gewertet werden.

 

Darüber hinaus ist grundsätzlich von Amts wegen nicht bekannt, dass der polnische Staat die Menschenrechte nicht achte oder an sich nicht in der Lage sei, Menschenrechte sowie Leib und Leben von Menschen zu schützen, und dem Beschwerdeführer bei allfälligen gegen ihn gerichteten kriminellen Handlungen in POLEN nicht die Möglichkeit offen stände, diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Somit kann im konkreten Fall bei einer Rückkehr kein reales Risiko für den Beschwerdeführer erblickt werden.

 

2.1.2.4. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in POLEN

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach POLEN nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine Existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. vs. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs. UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

In psychiatrischer Hinsicht ist im gegenständlichen Fall auf die Gutachtliche Stellungnahme von Dr. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, zu verweisen, wonach einer Überstellung nach POLEN keine schweren psychischen Störungen entgegen stehen würden, die eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden.

 

Weiters stellte das Bundesasylamt nach umfangreichen Ausführungen der Judikatur des EGMR zu Art 3 EMRK relevanten Krankheiten fest, dass beim Beschwerdeführer keine derart schwerwiegende Erkrankung vorliege, "sondern Hepatitis- und HIV-Infektionen, sowie Tuberkulose, die zudem kein schwerwiegendes gesundheitlich beeinträchtigendes Ausmaß erreicht haben." Insbesondere leide der Beschwerdeführer auch an keinen Erkrankungen, bei welchen ein dringendes Behandlungserfordernis, beispielsweise in Form von Operationen- bestehen würde. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Untersuchungsergebnisse und aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers gehe in keiner Weise hervor, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung von Österreich nach Polen in eine lebensbedrohliche oder Gesundheitsgefährdente Lage geraten könnte. Zudem werde auf die in den Feststellungen zu Polen angeführten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Polen verwiesen.

 

In diesem Zusammenhang erhebt der Beschwerdeführers zu Recht den Einwand, dass das Bundesasylamt fälschlicher Weise nur von einer HIV Infektion ausgegangen sei, obwohl sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen eindeutig ergibt, dass bei ihm die Krankheit AIDS bereits ausgebrochen ist. Ebenso ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass es sich bei seiner AIDS-Erkrankung im Zusammenhang mit Tuberkulose sowie einer Hepatitis A und C Infektion grundsätzlich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt. Die Feststellung des Bundesasylamtes, dass die Erkrankungen des Beschwerdeführers kein schwerwiegendes gesundheitlich beeinträchtigendes Ausmaß erreicht hätten, ist auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Befunde nicht nachvollziehbar.

 

Das Bundesasylamt stellt aber in der Folge wieder zu Recht fest, dass für die Entscheidung lediglich die Frage maßgeblich ist, ob sich durch die Durchführung der Ausweisung ein gesundheitlicher Leidenszustand derart verschlechtert, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK dadurch verletzt wäre. In den vorliegenden ärztlichen Befunden finden sich tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers bereits derart fortgeschritten wäre, dass die Durchführung der Überstellung nach Polen eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde. Nach den im Bescheid enthaltenen umfangreichen Länderfeststellungen gibt es darüber hinaus keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer in Polen die für seine schwere Erkrankung notwendigen Behandlungsmöglichkeiten vorfinden wird. Das vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angeführte Beispiel eines Asylwerbers, der angeblich 2006 aufgrund einer unzureichenden Behandlung in Polen an Hepatitis C und Gelbsucht verstorben wäre, stellt ebenfalls keinen ausreichenden Grund dar, um die Richtigkeit der Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen generell in Zweifel zu ziehen. Ebenso ist dem Asylgerichtshof bis dato kein Fall bekannt, in dem ein Asylwerber lediglich aufgrund einer ansteckenden Krankheit ohne ein entsprechendes Asylverfahren aus Polen ausgewiesen worden wäre. Somit kann im konkreten Fall für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Polen kein reales Risiko erblickt werden.

 

2.1.2.5. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war daher bei Übernahme der Beweisergebnisse und der rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Zu Spruchpunkt II:

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung des Beschwerdeführers erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, Interessensabwägung, medizinische Versorgung, real risk, staatlicher Schutz, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
23.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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