TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 S10 315256-2/2008

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Veröffentlicht am 13.10.2008
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Spruch

S10 315.256-2/2008/9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau U.D., geb. 00.00.2006, StA. Armenien, gesetzliche Vertreterin: U.I., diese vertreten durch Dr. G. KLODNER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.06.2006, Zahl: 07 07.850/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 41 Abs. 6 AsylG wird festgestellt, dass die Ausweisung von U.D. zum Zeitpunkt der Erlassung des oben angeführten angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes rechtmäßig war.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) ist Staatsangehörige von Armenien und gehört der kurdischen Volksgruppe an. Sie stellte (vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin) gemeinsam mit ihren Eltern und ihren zwei minderjährigen Geschwistern erstmals am 17.03.2007 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Klingenbach am 17.03.2007 gab der Vater der BF an, seinen Heimatort R. vor circa fünf Monaten verlassen zu haben und mit dem Flugzeug von der Stadt Erewan nach Moskau geflogen zu sein. Nach einem fünfzehntägigen Aufenthalt bei Bekannten seien er und seine Familie schließlich versteckt in einem LKW in Richtung Österreich weitergefahren.

 

Die Mutter der BF bestätigte im Zuge ihrer Erstbefragung vom 17.03.2007 die Angaben ihres Ehemannes.

 

1.2. Ein AFIS-Abgleich ergab, dass die BF (und ihre Familie) bereits am 16.10.2006 in Debrecen (Ungarn) einen Asylantrag gestellt hatten. Am 19.03.2007 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) an Ungarn gerichtet. Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) beabsichtigte, wurde der gesetzlichen Vertreterin der BF mitgeteilt, dass seit 19.03.2007 Konsultationen mit Ungarn gemäß Dublin II VO geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte. Aufgrund des unbekannten Aufenthaltes der BF und ihrer Familie, sowie des Umstandes, dass eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte, wurde die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mit Wirksamkeit vom 20.03.2007 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz (in der Folge ZustellG) ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

 

Mit Erklärung vom 23.03.2007, bei der Erstbehörde eingelangt am 26.03.2007, erklärten sich die ungarischen Behörden gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO zur Führung des gegenständlichen Asylverfahrens der BF und ihrer Familie für zuständig und zur Wiederaufnahme der BF sowie auch ihrer Familie bereit.

 

1.3. Mit Bescheid vom 03.04.2007, Zahl: 07 02.688 - EAST Ost, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II VO Ungarn zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Ungarn zulässig sei. Dieser Bescheid wurde aufgrund des unbekannten Aufenthaltes der BF (ohne vorhergehenden Zustellversuch) gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG bei der Erstebehörde am 04.04.2007 hinterlegt und erwuchs mit 19.04.2007 in Rechtskraft.

 

1.4. Mit Schreiben vom 23.04.2007 verständigte die belangte Behörde Ungarn davon, dass die BF sowie auch ihre Familienmitglieder flüchtig seien und sich somit gemäß Art. 19 Abs 4 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO die Frist für die Überstellung auf 18 Monate verlängere.

 

1.5. Am 26.08.2007 reiste die BF gemeinsam mit ihrer Familie neuerlich (über Ungarn) nach Österreich ein und stellte am 26.08.2007 durch ihre gesetzliche Vertreterin in Österreich einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Klingenbach am 26.08.2007 gab der Vater der BF an, von seinem Heimatort A. Ende Oktober 2005 gemeinsam mit seiner Familie (Ehefrau U.I., geb. 00.00.1982, Kinder U.T., geb. 00.00.2000, U.S., geb. 00.00.2001 und U.D., geb. 00.00.2006) mit dem Flugzeug nach Moskau gereist zu sein. Er und seine Familie hätten zuerst in Ungarn (vermutlich im Oktober 2005) um Asyl angesucht, danach in Frankreich. In Frankreich hätten sie sich circa fünf Monate aufgehalten und seien danach nach Ungarn zurückgeschoben worden.

 

Als Fluchtgrund gab der Vater der BF an, dass er in seiner Heimat als Schafhirte gearbeitet habe. Der Besitzer der Schafe habe absichtlich circa 200 Schafe unterschlagen und ihn und seinen Bruder dafür verantwortlich gemacht. Er und sein Bruder hätten den Schaden ersetzen sollen, andernfalls habe ihnen dieser Mann angedroht, sie zu töten. In der Folge sei sein Bruder im Oktober 2005 tatsächlich ermordet worden, aus diesem Grund sei er mit seiner Familie geflüchtet. Seine Verfolger hätten ihm bereits telefonisch damit gedroht, ihn zu töten.

 

Die Mutter der BF bestätigte im Zuge ihrer Erstbefragung die Angaben ihres Ehemannes und führte in Bezug auf die Kinder aus, dass die Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten.

 

1.6. Ein AFIS-Abgleich ergab, dass die BF (und ihre Familie) am 16.10.2006 in Debrecen (Ungarn) sowie am 29.03.2007 in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatten. Bereits anlässlich ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz wurde am 19.03.2007 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Dublin II VO an Ungarn gerichtet. Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 beabsichtigte, wurde der gesetzlichen Vertreterin der BF am 09.09.2007 mitgeteilt, dass seit 26.03.2007 Konsultationen mit Ungarn gemäß Dublin II VO geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte.

 

1.7. Nach einer ärztlichen Untersuchung des Vaters der BF am 19.09.2007 durch Dr. I. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, stellte diese in ihrer gutachtlichen Stellungnahme fest, dass aus aktueller Sicht beim Vater der BF keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege. Sorgen um die Familie bzw. um das weitere Procedere seien adäquat und nicht krankheitswertig.

 

Die Untersuchung der Mutter der BF am selben Tag durch dieselbe Sachverständige ergab, dass diese ebenfalls an keiner belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leide. Die von der Mutter der BF angegebenen Beschwerden (Aufwachen in der Nacht und schlechter Schlaf) würden sich durch keine objektiven Zeichen von Müdigkeit zeigen.

 

1.8. Bei der Einvernahme am 28.09.2007 in der Erstaufnahmestelle Ost zur Wahrung des Parteiengehörs (im Beisein eines Rechtsberaters) brachte der Vater der BF im Wesentlichen Folgendes vor:

 

Er wolle nicht nach Ungarn, weil dort Armenier, welche ihn verfolgen, seinen Sohn geschlagen und diesen nahe dem rechten Auge verletzt hätten. Diese Personen hätten seinen Sohn festgehalten, er hätte versucht wegzulaufen und sei durch eine Flasche, welche man ihm nachgeworfen habe, verletzt worden. Diese Leute hätten ihn aus Armenien bis nach Ungarn verfolgt. Sie hätten ihn angerufen und ihm gesagt, sie wüssten genau, wo er sich aufhalte, sie würden ihn erwischen, egal wo er sich aufhalte. Seinen Aufenthalt in Österreich wüssten sie jedoch nicht, dies sei der Grund, warum er in Österreich bleiben wolle. Bei diesen Leuten handle es sich um dieselben Leute, die auch bereits seinen Bruder getötet hätten, er kenne keine Namen, es handle sich jedoch um hohe Funktionäre der Mafia. Er habe sich deswegen in Ungarn auch an die Lagerleitung des Flüchtlingslagers gewandt, die Antwort des Verantwortlichen im Lager sei jedoch lediglich gewesen, er solle keine Angst haben, im Lager gäbe es auch Polizei. Die Polizei hätte ihn und seine Familie jedoch nicht den ganzen Tag begleiten und daher auch nicht beschützen können. Insgesamt seien er und seine Familie in Ungarn vier bis fünf Monate aufhältig gewesen. Diese Personen hätten ihn nur telefonisch bedroht, lediglich einmal seien sie auch im Lager gewesen, um ihn zu suchen. Er sei zu diesem Zeitpunkt jedoch zufällig nicht anwesend gewesen. Auf konkrete Nachfrage, auf welchem Telefon er angerufen worden sei, entgegnete der Antragsteller, er sei in der Telefonzelle im Lager angerufen worden, andere Asylwerber hätten abgehoben und hätten ihn dann geholt.

 

In Ungarn sei zudem die Versorgung und Verpflegung für die Kinder sehr schlecht gewesen, seine Frau und seine Kinder befänden sich in einer sehr schlechten seelischen Verfassung. Abschließend erklärte der gewillkürte Vertreter der BF, dass beim Bruder der BF, U.T. aufgrund der Verletzung die Möglichkeit einer Traumatisierung bestehe.

 

Die Mutter der BF gab bei der Einvernahme am 04.07.2008 in der Erstaufnahmestelle Ost zur Wahrung ihres Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters im Wesentlichen Gleichlautendes an und wies darauf hin, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten. Sie spreche als gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder auch für diese.

 

1.9. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 02.10.2007, Zl. 07 07.850- EAST Ost, den Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 26.08.2007, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II VO Ungarn zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person der BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zu ihrem Privat- und Familienleben, zum ungarischen Asylverfahren im Allgemeinen, zur Rechtslage und Rechtspraxis in Ungarn, zur Refoulement - Prüfung, zur Schubhaftpraxis, sowie zur allgemeinen und medizinischen Versorgung von Asylwerbern in Ungarn und zur Anerkennungsquote.

 

Festgestellt wurde weiters, dass die Ausweisung der BF weder einen Eingriff in Art. 3 noch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge EMRK) darstelle.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die von der gesetzlichen Vertreterin der BF pauschal in den Raum gestellten Angaben, wonach Leute, die ihren Ehemann bereits in Armenien verfolgt hätten, in Ungarn ihren Sohn verletzt hätten, jedenfalls nicht geeignet seien, die Sicherheit Ungarns in Zweifel zu ziehen. Die Mutter der BF sei weder in der Lage gewesen, konkrete Namen zu nennen, noch sei sie in der Lage gewesen, sonstige konkretere Hinweise zu den mutmaßlichen Verfolgern zu geben. Darüber hinaus seien die von der Mutter der BF geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private als strafbare Handlungen zu qualifizieren, welche von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis verfolgt und geahndet würden. Die Angaben der Mutter der BF, dass die Versorgung und Verpflegung der Kinder sehr schlecht gewesen sei, stünden nicht im Einklang mit den unbedenklichen Feststellungen zu Ungarn.

 

Die BF leide weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch an einer schweren psychischen Störung, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, derartiges sei von der Mutter der BF auch in keinster Weise ins Treffen geführt worden.

 

Ungarn habe sich mit Schreiben vom 23.03.2007 ausdrücklich bereit erklärt, die BF zu übernehmen, dass der BF daher der Zugang zum Asylverfahren verweigert würde, sei nicht ersichtlich.

 

1.10. Gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhob die BF durch ihre gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde.

 

1.11. Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates (in der Folge UBAS) vom 29.10.2007 wurde die belangte Behörde aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Aufgrund der Zustimmung Ungarns vom März 2007 zur Wiederaufnahme der BF sei zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass Ungarn weiterhin gemäß der Dublin II VO zur Führung des Asylverfahrens zuständig sei, aus dem Akt sei jedoch nicht ersichtlich, dass Ungarn einer neuerlichen Übername der BF und ihrer Familie zugestimmt habe. Das zuständige Senatsmitglied forderte die Erstbehörde unter einem dazu auf, einen Beleg zu übermitteln, aus welchem sich ergebe, dass Ungarn weiterhin gemäß Dublin II VO für die Prüfung der Asylverfahren der BF zuständig sei.

 

1.12. Mit Bescheid des UBAS vom 15.11.2007, Zl 315.256-1/3E-XIX/62/07 wurde der Berufung der BF vom 15.10.2007 gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

 

Diese Entscheidung wurde vom erkennenden Senatsmitglied im Wesentlichen damit begründet, dass dem Bundesasylamt zwar zuzustimmen sei, dass eine Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 16 Abs. 1 it. c Dublin II VO grundsätzlich bestanden habe und diese Zuständigkeit auch durch Ungarn mit Schreiben vom 23.03.2007 erstmals ausdrücklich anerkannt worden sei, das Bundesasylamt habe jedoch die Rechtslage verkannt, wenn es davon ausgehe, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Zuständigkeit tatsächlich noch aufrecht sei. Die Erstbehörde sei vom UBAS aufgefordert worden, binnen zwei Wochen einen Beleg vorzulegen, aus welchem sich ergebe, dass Ungarn seine erstmals im März 2007 erteilte Zustimmung aufrecht erhalte. Dieser Aufforderung sei die Erstbehörde jedoch nicht nachgekommen. Die Erstbehörde wäre dazu verpflichtet gewesen, Ungarn (als zuständigen Mitgliedstaat) nach "Untertauchen" der BF (und ihrer Familie) über diesen Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. Nur wenn eine derartige Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat ergehe und im Zuge dessen um Fristerstreckung für die Überstellung auf 18 Monate ersucht worden wäre, wäre kein Zuständigkeitsrückübergang an Österreich erfolgt. Die Verpflichtung zur Mitteilung hätte vor Ablauf der 6 - Monatsfrist bestanden, andernfalls sei es nicht möglich, sich auf die Fristverlängerung zu berufen. Im gegenständlichen Fall sei die Zustimmung Ungarns am 23.03.2007 erfolgt, die Frist daher am 23.09.2007 abgelaufen. Der erstinstanzliche Bescheid trage das Datum 02.10.2007 und sei dem Berufungswerber am 05.10.2007 zugestellt worden, somit sei die 6 - Monatsfrist jedenfalls verstrichen. Das Bundesasylamt habe - trotz Aufforderung durch den UBAS - keinerlei Anstrengungen unternommen, eine aktuelle Zustimmungserklärung von Ungarn einzuholen, wodurch das Verfahren mit Rechtswidrigkeit behaftet und der ergangene erstinstanzliche Bescheid im Sinne einer Kassationsentscheidung zu beheben gewesen sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ändere sich unter Beachtung der obigen Erwägungen nichts am Faktum des Fristablaufes, welcher nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO zwingend den Zuständigkeitsübergang an Österreich zur Folge hatte. Der die Berufungswerberin betreffende Bescheid könne daher mangels Zuständigkeit Ungarns keinen Bestand mehr haben, eine neuerliche Unzuständigkeitsentscheidung komme gemäß § 5 AsylG nicht mehr in Frage.

 

1.13. Mit Schreiben vom 08.01.2008, bei der belangten Behörde eingelangt am 09.01.2008, erklärte Ungarn (neuerlich) seine Zustimmung zur Übernahme der BF und ihrer Familie, nunmehr jedoch gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO.

 

1.14. Im Zuge der Aktenübermittlung des Bundesasylamtes - EAST Ost, an das Bundesasylamt Außenstelle Eisenstadt vom 11.02.2008 wurde vom zuständigen Referenten vermerkt, dass der Bescheid 07 07.846 (Anmerkung: Bescheid des Vaters der BF) durch den UBAS aufgrund des Ablaufes der 6 - monatigen Entscheidungsfrist behoben worden sei. Dies sei jedoch "nach der ho. Rechtsansicht nicht der Fall", weil die Überstellung der BF (Antragstellerin) nach deren Untertauchen selbst innerhalb der 6 - Monatsfrist auf 18 Monate ausgesetzt worden sei und auch der zweite Asylantrag innerhalb der 6 - Monatsfrist gestellt worden sei. Nach Behebung des Bescheides sei ein neuerliches Konsultationsverfahren geführt worden und es liege eine neuerliche Zustimmung Ungarns vor. Trotz der Rechtsmeinung des UBAS, der eine neuerliche Unzuständigkeitsentscheidung gemäß. § 5 AsylG als nicht mehr möglich betrachte, erscheine daher im gegenständlichen. Fall eine neuerliche Entscheidung nach § 5 AsylG möglich.

 

1.15. Am 12.03.2008 erfolgte eine neuerliche Einvernahme der Mutter der BF und ihres Vaters in Anwesenheit eines Dolmetschers sowie eines bevollmächtigten Vertreters. Im Rahmen dieser Einvernahme erklärte der bevollmächtigte Vertreter, dass die Mutter der BF an schweren Depressionen leide. Der Vater der BF erklärte in diesem Zusammenhang, dass weder er noch seine Söhne gesundheitliche Probleme hätten, jedoch seine Ehefrau und seine Tochter in ärztlicher Behandlung seien.

 

Auf konkrete Nachfrage, was seiner Überstellung nach Ungarn entgegenstünde, erklärte der Vater der BF wiederum, man habe dort mehrmals nach ihm gefragt bzw. ihn angerufen. Die Person am Telefon habe ihm gesagt, dass er auch in Ungarn gefunden werden könne. Insgesamt habe es drei bis vier solcher Anrufe gegeben. Bei dem Anrufer habe es sich um einen Mann namens S. gehandelt, er sei ein Freund eines Mafiosi namens M.. S. habe bereits seinen Bruder in Armenien ermordet. Wie S. von seinem Aufenthalt im Lager in Ungarn erfahren habe, wisse er nicht. Im Lager befänden sich jedoch auch noch andere Armenier, er könnte über diese von seinem Aufenthalt erfahren haben. Auch hier in Österreich bestehe die Gefahr, dass S. von seinem Aufenthalt erfahre. Es habe im Lager in Ungarn auch noch einen weiteren Vorfall gegeben. Als er mit seiner Frau und seiner Tochter von der Stadt ins Lager zurückgekommen sei, sei ihm gesagt worden, dass sein Sohn verletzt sei und sich im Krankenhaus befinde. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass er mit anderen Kindern am Spielplatz im Lager gespielt habe, als plötzlich zwei Männer vor dem Lagereingang aufgetaucht seien und ihn zu sich gerufen hätten. Sein Sohn sei dann vor diesen Männern davongelaufen, beim Nachlaufen hätten sie mit einer Bierflasche nach seinem Sohn geworfen und diesen verletzt. Dieser Vorfall habe sich im Jahr 2006 ereignet, an den Monat könne er sich nicht mehr erinnern. Er glaube jedoch, dass es im Jänner des Jahres 2006 gewesen sei, jedenfalls hätten sie sich circa drei Monate im Lager befunden, nach diesem Vorfall noch etwa zwei Monate. Weitere Zwischenfälle habe es im Lager nicht gegeben. Er könne mit seiner Familie nicht nach Ungarn zurück, weil er Angst vor diesen Leuten habe, dort sei sein Leben in Gefahr. Wegen der Vorfälle (der Verletzung seines Sohnes und der Drohanrufe) habe er sich nicht direkt an die Polizei gewandt. Er habe sich im Lager beschwert, ihm sei zugesagt worden, dass die Polizei davon verständigt würde. Es sei schließlich auch die Polizei zu ihm gekommen und habe ihn über die Vorfälle befragt, ihm sei jedoch lediglich mitgeteilt worden, dass er vorsichtig sein solle. Weil er Angst gehabt habe und die Polizei ihn nicht ständig schützten könne, habe er sich dazu entschlossen, das Lager mit seiner Familie zu verlassen.

 

Die Mutter der BF führte im Zuge ihrer Einvernahme vom 12.03.2008 aus, dass sie Probleme mit den Nerven habe. Sie sei bereits bei einem Neurologen gewesen und habe sich auch sechs Tage im Krankenhaus befunden. Am 31.03.2008 habe sie einen neuerlichen Termin bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Auf konkrete Nachfrage des Verhandlungsleiters, ob sie bezüglich ihrer Behandlung über Unterlagen verfüge, erklärte die Mutter der BF, sie habe Unterlagen für sich selbst sowie auch für ihre Kinder zu Hause und werde diese nachreichen. Auf Nachfrage, welches der Kinder an gesundheitlichen Problemen leide, erklärte die Mutter der BF, dass es sich dabei um ihre Tochter handle. Ihre Tochter habe sich schon zwei Mal im Krankenhaus befunden und habe auch einen neuerlichen Termin bei einem praktischen Arzt. Ihre Söhne hätten hingegen keinerlei gesundheitliche Probleme. Sie wolle nicht nach Ungarn zurück, weil ihre Familie dort Probleme gehabt habe. Sie seien in Ungarn von einem bekannten Armenier angerufen worden, welcher ihnen mitgeteilt habe, dass er nach Ungarn kommen und den Kindern etwas antun werde. Es habe in Ungarn zudem einen Vorfall auf dem Kinderspielplatz gegeben. Als sie, ihr Mann und ihre Tochter aus der Stadt zurückgekehrt seien, habe ihnen ein Aufseher gesagt, dass es einen Zwischenfall gegeben habe und ihr Sohn T. ins Krankenhaus gebracht worden sei. Ihr Sohn habe ihr erzählt, dass einer der Männer mit einer Bierflasche nach ihm geworfen und ihn dadurch verletzt habe.

 

1.16. Nach einer ärztlichen Untersuchung der Mutter der BF durch Mag. Dr. E.A., Klinische und Gesundheitspsychologin - Psychotherapeutin, stellte diese in ihrem psychologischen Gutachten vom 25.04.2008 fest, dass die Ergebnisse der Untersuchung vom 22.04.2008 auf psychologischer Ebene keine Symptomatik klinischer Relevanz ergeben hätten; die Mutter der BF sei sowohl subjektiv als auch objektiv beschwerdefrei und bei guter psychischer Befindlichkeit; aus klinisch psychologischer Sicht seien keine weiteren psychiatrischen oder psychologischen Maßnahmen erforderlich. Aus klinischer Sicht liege kein Hindernis vor, welches eine Rücküberstellung der Mutter der BF nach Ungarn unzulässig machen würde.

 

1.17. Mit Telefax vom 31.03.2008 wurde betreffend die BF die Aufenthaltsbestätigung vom 09.10.2007 übermittelt, aus welcher ersichtlich ist, dass diese vom 06.10.2007 bis 09.10.2007 in stationärer Behandlung im Krankenhaus K. war. Des weiteren wurde ein Arztbrief vom Krankenhaus vom 17.12.2007 übermittelt, der folgende Diagnose enthält: "Verdacht auf cerebrales Anfallsgeschehen, st. Post. Harnwegsinfektion." Aus dem Arztbrief lässt sich entnehmen, dass bei der BF derzeit keine medikamentöse Therapie erforderlich ist.

 

1.18. Das Bundesasylamt hat mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 03.06.2008, Zahl: 07 07.850/1 - BAE den Antrag der BF auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II VO Ungarn zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person der BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zu ihrem Privat- und Familienleben, zum ungarischen Asylverfahren im Allgemeinen, zur Refoulement Prüfung, zur Schubhaftpraxis, zum Zugang zum Asylverfahren nach Rücküberstellung, sowie zur allgemeinen und medizinischen Versorgung von Asylwerbern in Ungarn und zur Anerkennungsquote.

 

Festgestellt wurde weiters, dass die Ausweisung des BF weder einen Eingriff in Art. 3 noch Art. 8 EMRK darstelle.

 

Beweiswürdigend wurde zur Zuständigkeit Ungarns im gegenständlichen Fall hervorgehoben, dass Ungarn sich mit Schreiben vom 23.03.2007und mit Schreiben vom 08.01.2008 ausdrücklich bereit erklärt habe, die BF (Antragstellerin) zu übernehmen.

 

Aus den Angaben der gesetzlichen Vertreterin der BF seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, oder dass ihr eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könne. Die von der gesetzlichen Vertreterin der BF im Zuge ihrer Einvernahmen vom 28.09.2007 und 12.03.2007 pauschal aufgestellten Behauptungen, dass sie nicht nach Ungarn wolle, weil ihren Ehemann dort Leute aus Armenien verfolgt hätten, seien nicht geeignet, die Sicherheit Ungarns in Zweifel zu ziehen. Zur Verletzung des Bruders führte die belangte Behröde aus, dass anlässlich der ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren (am 19.09.2007) vom Vater der BF selbst keine Verbindung zwischen den Ereignissen in der Heimat und der Verletzung des Sohnes in Ungarn hergestellt worden sei. Es sei der gesetzlichen Vertreterin der BF daher nicht gelungen, mit diesen bloßen Behauptungen die Sicherheit Ungarns in Zweifel zu ziehen. Zudem handle es sich bei den geltend gemachten Befürchtungen um Übergriffe durch Private, welche eine strafbare Handlung darstellen, welche von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis verfolgt und geahndet würden. Es liege jedoch außerhalb der Möglichkeit eines Staates, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern. Vor allem habe der Vater der BF in diesem Zusammenhang auch selbst angegeben, dass ihm derartige Bedrohungen auch jederzeit in Österreich widerfahren könnten.

 

Die BF leide weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch an einer schweren psychischen Störung, derartiges sei weder von der gesetzlichen Vertreterin der BF behauptet worden, noch ließe sich dies aus den sonstigen Ausführungen zur Person der BF ableiten.

 

1.19. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde der BF wurde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides moniert. Konkret führte die BF aus, dass der Vorwurf der Vorbringenssteigerung im erstinstanzlichen Bescheid nicht nachvollziehbar sei. Der Vater der BF habe sich hinsichtlich der Identität der Person, welche ihn verfolgte, erkundigt und sei aus diesem Grund in der Lage gewesen, nunmehr den Namen der besagten Person zu nennen. Es sei nicht plausibel, wenn dies nunmehr als Begründung der Unglaubwürdigkeit ins Treffen geführt werde. Zudem sei nicht klar, warum die Erstbehörde die psychischen Krankheiten der Mutter der BF, sowie die BF selbst in Abrede gestellt habe. Die behauptete Klarheit und Identität der beiden Gutachten von Dr. H. sowie von Dr. A. sei nicht ersichtlich. Die Mutter der BF werde aus diesem Grund auch ein eigenes Gutachten in Auftrag geben.

 

1.20. Die Beschwerde langte am 18.06.2008 beim UBAS ein.

 

1.21. Im Zuge der Errichtung des Asylgerichtshofes wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung S10 zugeteilt.

 

1.22. Am 03.07.2008 erfolgte die Überstellung der BF sowie ihrer Eltern und ihrer minderjährigen Geschwister nach Ungarn.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Berufung erhoben, gilt diese gemäß § 36 Abs. 3 AsylG auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Aus der Wendung in § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, Familienverfahren seien "unter einem" zu führen, ist abzuleiten, dass diese - jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation - von derselben Behörde zu führen sind. Demgemäß gehen die Materialien zum AsylG 2005 davon aus, dass Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP; vgl. zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 - bezogen auf die Frage der Zulassung - auch VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Gemäß Art. 14 lit. a Dublin II VO ist für den Fall, dass mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig einen Asylantrag stellen, für die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO bzw. dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,

 

Zl. 2005/20/0444).

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - wie auch in der Beschwerde geltend gemacht - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl. 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen worden ist (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13 zu Art. 19 Dublin II VO).

 

Weiters hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung von einem in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebotes (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13 zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der EU als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Im konkreten Fall sind waren die Mutter der BF, U.I., der Vater U.M. sowie ihre zwei Geschwister U.T., und U.S. in Österreich aufhältig, deren Anträge auf internationalen Schutz werden ebenfalls - wie auch jener der BF - zurückgewiesen.

 

Bei der Überstellung nach Ungarn wurde die BF daher nicht in dem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

 

2.1.2.2. Ungarisches Asylverfahren, mögliche Verletzung des Art. 3

EMRK

 

Im gegenständlichen Fall kann nicht gesagt werden, dass die gesetzliche Vertreterin der BF ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr auf Grund der persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Ungarn entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk"). Die Mutter der BF beschränkte sich im Wesentlichen darauf vorzubringen, dass ihr Ehemann in Ungarn durch Personen, welche ihn bereits in seiner Heimat verfolgt hätten, wiederum verfolgt worden sei.

 

In diesem Zusammenhang ist auf die diesbezüglich schlüssige Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Bescheides zu verweisen, wonach der Mutter der BF im konkreten Fall eine Glaubhaftmachung einer Bedrohung ihrer Person (oder ihrer Familie) in Ungarn nicht gelungen ist. Ergänzend zu den Ausführungen der Erstbehörde bleibt im gegenständlichen Fall anzumerken, dass die Schilderung des Vaters der BF im Zusammenhang mit der behaupteten Verfolgung seiner Person in Ungarn insofern nicht plausibel war, als dieser nicht erklärte konnte, wie sein mutmaßlicher Verfolger vom Aufenthalt des Vaters der BF in Ungarn wissen konnte bzw. woher dieser die Telefonnummer einer (für alle Bewohner des Lagers zugänglichen) Telefonzelle hatte. Diesbezüglich führte der Vater der BF nur an, dass sich im Lager noch andere Armenier befunden hätten, welche S. von seinem Aufenthaltsort erzählt haben könnten. Zudem führte der Vater der BF (in Bezug auf den Vorfall mit seinem Sohn) in widersprüchlicher Weise einmal aus, sich nur an die Lagerleitung gewendet zu haben, bei seiner Einvernahme vom 12.03.2008 führte er hingegen an, dass ihn auch die Polizei diesbezüglich befragt habe, was wiederum die Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht zu stützen vermochte.

 

Die Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Rechtsvermutung ist der BF damit nicht gelungen.

 

Nicht nur, dass die Mutter der BF mit ihrem Vorbringen, wie bereits dargelegt, die Regelvermutung des § 5 Absatz 3 AsylG nicht widerlegen konnte, verfügt der Asylgerichthof darüber hinaus aktuell über kein Amtswissen hinsichtlich solch offenkundiger, besonderer Gründe, die die Annahme rechtfertigen, die BF wäre in Ungarn einer realen Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung ausgesetzt.

 

Vorbringen zu den Fluchtgründen bleiben dem materiellen Verfahren vorbehalten. Für die konkrete Entscheidung sind lediglich die Aussagen über den Aufenthalt der BF in Ungarn relevant.

 

Für den Fall, dass die BF oder ihre Eltern und ihre Geschwister tatsächlich eine Bedrohung in Ungarn erführen, hätten die Eltern der BF die Möglichkeit, den Schutz der ungarischen Behörden in Anspruch zu nehmen. Ungarn ist ein Staat mit rechtsstaatlichen Einrichtungen und Mitglied der Europäischen Union. Die BF bzw. ihre Eltern haben im Falle eventueller Übergriffe gegen ihre Person bzw. ihre Familie die Möglichkeit, sich an die ungarischen Behörden zu wenden und diese um Schutz zu ersuchen. Ein solcher Schutz kann zwar nicht lückenlos bestehen, doch kann ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung naturgemäß nicht gewährleistet werden, weshalb dem Fehlen eines solchen auch keine Asylrelevanz zukommt (VwGH04.05.2000, 99/20/0177).

 

Auch zu ihrem sonstigen Vorbringen - insbesondere bezüglich der mangelhaften Versorgung in Ungarn - hat die gesetzliche Vertreterin der BF keinerlei Beweise oder Belege vorgelegt. Den unbedenklichen und seriösen, der Mutter der BF zur Kenntnis gebrachten Feststellungen über die Situation von Asylwerbern in Ungarn, wonach finanzielle und medizinische Grundversorgung gewährleistet ist, hat die Erstbehörde daher zu Recht ihrer Entscheidung zugrundegelegt.

 

2.1.2.3. Im gegenständlichen Fall kann daher nicht gesagt werden, dass die Mutter der BF ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr und ihrer Familie auf Grund der persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Ungarn entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk").

 

Im Ergebnis stellt daher eine Überstellung der BF und ihrer Familie nach Ungarn weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK noch des Art. 8 EMRK dar und besteht somit auch kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO.

 

2.1.2.4. Medizinische Aspekte

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (in der Folge EGMR) zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).

 

In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.

 

Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden waren. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand [...] Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran erhobene Beschwerde mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Art. 3 EMRK, wies der EGMR ab. [...]

 

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig eine schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab. [...]

 

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Auch in diesem Zusammenhang ist auf die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde zu verweisen, wonach der Vater der BF an keiner schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch an einer schweren psychischen Störung, welche bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, leidet (dies steht auch im Einklang mit der gutachterlichen Stellungnahme vom 27.09.2007). Derartiges wurde vom Vater der BF selbst auch nicht behauptet.

 

Zu den im Zuge der Einvernahme vom 12.03.2008 behaupteten gesundheitlichen Problemen der Mutter der BF ist ebenfalls auf die umfassenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zu verweisen, wonach sowohl eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren, als auch ein weiteres von der Erstbehörde in Auftrag gegebenes psychologisches Gutachten vom 25.04.2008 keine psychische Beeinträchtigung der BF ergab.

 

Auch bezüglich des Gesundheitszustandes der BF ist auf die Ausführungen der Erstbehörde zu verweisen. Insbesondere ergibt sich aus dem Arztbrief vom 17.12.2007, dass bei der BF derzeit keine medikamentöse Therapie erforderlich ist und kann deren Gesundheitszustand (unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur des EGMR) einer Überstellung nach Ungarn nicht entgegenstehen.

 

2.1.2.5. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.1.4. Zur Zuständigkeit Österreichs ist im gegenständlichen Fall Folgendes auszuführen:

 

Mit Erklärung vom 23.03.2007, bei der Erstbehörde eingelangt am 26.03.2007, erklärten sich die ungarischen Behörden gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO zur Führung des gegenständlichen Asylverfahrens der BF und ihrer Familie für zuständig und zur Wiederaufnahme der BF sowie auch ihrer Familie bereit (Fristablauf ursprünglich somit am 26.09.2007). In weitere Folge wurde Ungarn durch die belangte Behörde mit Schreiben vom 23.04.2007 davon verständigt, dass die BF sowie auch ihre Familienmitglieder flüchtig seien, wodurch sich die Überstellungsfrist im gegenständlichen Fall gemäß Art. 19 Abs 4 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO auf 18 Monate und somit auf den 26.09.2008 verlängerte. Die Überstellung der BF und ihrer Familie erfolgte am 03.07.2008, sohin innerhalb offener Entscheidungsfrist (und nach neuerlicher Zustimmungserklärung durch die ungarischen Behörden vom 08.01.2008 gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e).

 

Anzumerken bleibt im vorliegenden Fall jedoch, dass die Verständigung der ungarischen Behörden vom 23.04.2007 (welche schließlich die Verlängerung der Verfahrensfrist bewirkte) lediglich im Aktenanhang des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes (und nicht im Hauptakt) dokumentiert ist - eine entsprechende Dokumentation im Hauptakt fehlt gänzlich. Dies ist auch offensichtlich der Grund, warum mit Schreiben des UBAS vom 29.10.2007 an die belangte Behörde die Aufforderung erging, binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben bzw. einen Beleg zu übermitteln, aus welchem sich ergebe, dass Ungarn weiterhin gemäß Dublin II VO für die Prüfung der Asylverfahren der BF zuständig sei. Eine diesbezügliche Stellungnahme des Bundesasylamtes unterblieb jedoch aus ungeklärten Gründen, was in der Folge zur Behebung des Bescheides vom 02.10.2007, Zl. 07 07.850 - EAST Ost führte. Diese Behebung des erstinstanzlichen Bescheides wurde vom damals zuständigen Senatsmitglied zusammengefasst damit begründet, dass die Zuständigkeit Ungarns nicht mehr aufrecht sei, weil die Frist zur Überstellung am 23.09.2007 abgelaufen und eine Verständigung der ungarischen Behörden über das "Untertauchen" der BF und ihrer Familie nicht erfolgt sei. Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich, traf die Erstbehörde in der Folge (entgegen der geäußerten Rechtsmeinung des UBAS) neuerlich eine Unzuständigkeitsentscheidung gemäß § 5 AsylG. Diese Vorgehensweise ist zwar (ex post betrachtet) - wie nunmehr auch aus dem Aktenanhang (Verständigung der ungarischen Behörden vom 23.04.2007) ersichtlich - rechtskonform, die belangte Behörde unterließ in ihrem neuerlichen Bescheid vom 03.06.2008, Zl. 07 07.850/1 - BAE jedoch erneut jegliche nähere diesbezügliche Erläuterungen, sondern führte zur Zuständigkeit Ungarns lediglich aus, dass sich Ungarn sowohl mit Schreiben vom 23.03.2007, als auch mit Schreiben vom 08.01.2003 ausdrücklich bereit erklärt habe, die BF und ihre Familie zu übernehmen. Dies trifft zwar im gegenständlichen Fall zu. Um dem Gebot einer ausreichenden umfassenden Begründung Genüge zu tun, hätte es im konkreten Fall jedoch einer Darlegung bedurft, warum die Zuständigkeit Ungarns noch aufrecht ist, und somit eines Hinweises auf die Verständigung Ungarns vom 23.04.2007. Diese Vorgehensweise wäre auch deswegen erforderlich gewesen, weil die Erstbehörde im Vorverfahren bereits eine diesbezügliche Stellungnahme (ohne Angabe von Gründen) unterlassen hatte und anschließend auch mangels ersichtlicher aufrechter Zuständigkeit Österreichs eine Behebung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgt war.

 

2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren ebenfalls zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Ungarn in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen, zumal das Vorbringen der BF zur Versorgung in Ungarn ohne jegliche Belege blieb und die - sehr allgemein und unsubstantiiert gebliebenen - Angaben zu einer allfälligen Bedrohungssituation in Ungarn den von der Erstbehörde der Entscheidung zugrunde gelegten, aus unbedenklichen und seriösen Quellen stammenden Feststellungen widersprechen. Die Ausweisung erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung d

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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