TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 D12 400033-2/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Spruch

D12 400033-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde der P.A., geb. 00.00.2007, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2008, FZ. 08 06.175-EAST-WEST, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. VERFAHRENSGANG UND SACHVERHALT:

 

1. Die Beschwerdeführerin reiste am 14.04.2008 mit ihren Eltern und Geschwistern illegal aus Tschechien kommend, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag über ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zulassungsverfahren brachte die Beschwerdeführer über ihre Mutter nach Vorhalt, dass Tschechien zur Prüfung seiner Asylantrages zuständig sei, im Wesentlichen vor, sie habe sich die letzten drei Jahre gemeinsam mit den Eltern und Geschwistern in Tschechien aufgehalten. Am 31.03.2005 seien alle mit dem Zug von Brest nach Prag gereist und sei über ein Reisebüro ein für fünf Tage gültiges Visum ausgestellt worden. In Tschechien sei bereits negativ über seinen gestellten Asylantrag entschieden worden. In Tschechien hätte der Beschwerdeführerin eine Abschiebung nach Moskau gedroht.

 

2. Mit Schreiben vom 28.04.2008 übermittelte Tschechien die Zustimmung zur Wiederaufnahme des Antragstellers gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zl. 08 03.365-EAST-WEST, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 14.04.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Tschechien gemäß Art. 9 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt (Spruchteil I.). Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und unter einem ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragstellerin nach Tschechien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist (Spruchteil II.).

 

4. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters am 26.06.2008 fristgerecht Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen behauptet, Tschechien hätte seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Asylfall nicht eingehalten und erweise sich die bestehende Gesetzeslage in Tschechien in Bezug auf die Prüfung, ob durch eine Abschiebung des Ehegatten der Beschwerdeführerin nach Russland Art 3 EMRK verletzt wird, als nicht europarechtskonform und EMRK-widrig.

 

5. Der Asylgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 08.07.2008, Zl. S6 400033-1/2008/2E gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 (AsylG 2005) idgF, ab. Mit Erkenntnisen vom selben Tag, S6 400036-1/2008/2E, S6 400035-1/2008/2E, S6 400037-1/2008/2E, S6 400034-1/2008/2E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerden der Eltern und der Geschwister ebenfalls ab. Bezüglich der Begründung wird auf diese Bescheide verwiesen.

 

6. Am 15.07.2008 stellte die Beschwerdeführerin über ihre Mutter neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Begründet wurde dieser damit, dass bzgl. der Kinder die selben Gründe vorliegen, die bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht wurden (siehe AS 117 des erstinstanzlichen Aktes). Außerdem hätte die Beschwerdeführerin Geburtsprobleme in Tschechien gehabt.

 

7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 06.09.2008, FZ. 08 06.175-EAST-West wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 15.07.2008 gem. § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF., aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen wird.

 

8. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes richten sich die fristgerecht am 22.09.2008 per Telefax von "Asyl in Not" mit Vertretungs- und Zustellvollmacht für Fr. Mag Ruderstaller Judith und am 23.09.2008 postalisch, von der schon im Vorverfahren vertretungsbefugten Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG eingebrachte Beschwerden, mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht und beantragt werden, "1) Eine mündliche Verhandlung durchzuführen 2) Meinen Asylantrag für zulässig zu erklären, an die erste Instanz zu verweisen und ein inhaltliches Verfahren durchzuführen 3) Meinem Antrag sofort die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.". Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass ihr Vorbringen inhaltlich von dem Vorbringen in ihrem ersten Antrag abweiche und neue Gründe, die ihrer Ausweisung nach Tschechien entgegenstünden, hinzugetreten seien. Weiters wurde angegeben, dass Tschechien kein sicherer Staat im Sinne des § 5 AsylG sei.

 

9. Mit Email vom 24.09.2008 teilte der Asylgerichtshof dem Bundesasylamt mit, dass die Beschwerdevorlage am 24.09.2008 beim Asylgerichtshof eingelangt ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 01. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 100/2005 in der Fassung BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;

 

wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 3 lit. c AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden ist.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 (AsylG 2005), tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005). Gemäß § 75 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesezes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz am 15.07. 2008 gestellt, weshalb das AsylG 2005 iVm dem AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. I 51/1991, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. I 51/1991, sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res iudicata" zruückzuweisen. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven Rechtlage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (VwGH E vom 22.05.2001, Z 2001/05/0075).

 

Nach der Rechtsprechung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH E vom 21.11.2002, Z 2002/20/0315).

 

Das im erstinstanzlichen Verfahren über den zweiten Asylantrag erstattete Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eingetreten sind, ist in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Sachverhaltsänderung an dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt (und nicht unbedingt am damaligen Vorbringen) zu messen. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen gemäß § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH E vom 20.03.2003, Z 99/20/0480; 25.10.2000, Z 99/06/0169; 22.05.2001, Z 2001/05/0075).

 

Für den Asylgerichtshof ist Sache des vorliegenden Verfahrens die Frage, ob das Bundesasylamt mit Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Der Asylgerichtshof hat daher zu prüfen, ob sich im vorliegenden Fall der maßgebliche Sachverhalt, der zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit Tschechiens geführt hat, nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens geändert hat.

 

In seinem Erkenntnis vom 07. Mai 2008, Z 2007/19/0466, vertritt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Frage der "entschiedenen Sache" im Zusammenhang mit Zurückweisungsentscheidungen nach § 5 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, auf Grund der Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß Dublin II VO folgende Rechtsauffassung:

 

"Der Gesetzgeber hat in § 75 Abs. 4 AsylG 2005 klar gestellt, dass auch zurückweisenden Bescheiden nach dem AsylG 1997 (wozu auch Bescheide nach § 5 AsylG gehören) Sperrwirkung zukommt und Folgeanträge in derselben Sache wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen sind. Er hat überdies in § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorgesehen, dass zurückweisende Bescheide (somit auch solche nach § 68 Abs. 1 AVG) mit einer Ausweisung zu verbinden sind. Die im obgenannten (Anmerkung: Zlen. 2004/20/0010 bis 0013) hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005 angestellten Überlegungen lassen sich daher auf Fälle im Anwendungsbereich dieser geänderten Rechtslage nicht übertragen. Unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geführt haben, keine Änderung eingetreten ist, ist daher ein im Bundesgebiet neuerlich gestellter Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

 

Die Beschwerdeführerin, die seit ihrer Einreise am 14.04.2008 nicht mehr aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist ist, brachte im zweiten Antrag auf internationalen Schutz keine neuen Asylgründe vor, lediglich wurden von Seiten der Mutter angegeben, derzeit mit dem Kind eine Physiotherapie nach einem Schulterbruch zu machen.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die belangte Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin auseinander zu setzen (vgl. VwGH E vom 24.02.2000, Z 99/20/0173; 21.10.1999, Z 98/20/0467; 24.03.1993, Z 92/12/0149).

 

Das Bundesasylamt hat sich mit dem neuen Vorbringen, das die Beschwerdeführerin nach Abschluss des ersten Verfahrens vorgebracht hat, ausführlich auseinandergesetzt und ist schließlich nach zutreffender Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass das neue Vorbringen nicht asylrelevant erscheint und im Ergebnis keinen glaubhaften Kern aufweist

 

Die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes zu den Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren, dass diese nicht asylrelevant sind konnte von Seiten des Asylgerichtshofes nicht entgegengetreten werden. Da auch sonst von der Beschwerdeführerin nichts Substantiiertes vorgebracht wurde, ist der Behörde im Ergebnis nicht entgegen zu treten, wenn sie zum Schluss kommt, dass das neue Vorbringen keinen asylrelevanten Kern aufweist und deshalb aus diesem Grund keinen geänderten Sachverhalt annimmt, der eine Änderung der rechtskräftig festgestellten Zuständigkeit Tschechiens zur materiellen Prüfung des Asylverfahrens bewirkt hätte.

 

Weiters bleibt zu prüfen, ob sich die persönliche Situation der Beschwerdeführerin oder die Verhältnisse im Zielstaat seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens relevant geändert haben, weshalb - anders als im Erstverfahren - zum Zeitpunkt der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO geboten gewesen wäre.

 

Eine extensive Anwendung des Selbsteintrittsrechts (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) würde das Zuständigkeitssystem der Dublin II VO unterhöhlen und wäre daher kraft Verletzung des "effet utile-Prinzips" als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen. Andererseits kann es aber Fälle geben, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit, die nach Dublin II VO feststeht, eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, etwa aus besonderen humanitären Gründen (Kehrseite zu Art. 15 Dublin II VO). Wie bereits im Erstverfahren von der Behörde zutreffend ausgeführt wurde, war Art. 15 Dublin II VO nicht anzuwenden. Art. 15 Dublin II VO findet nur auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates Anwendung. In dieser Bestimmung ist jener Fall angesprochen, in dem sich der Asylwerber in dem für die Prüfung des Asylantrages nach Art. 6 bis 14 zuständigen Staat befindet, humanitäre Erwägungen aber die Führung des Asylverfahrens in einem anderen Staat vorteilhaft erscheinen lassen und daher der Aufenthaltsstaat ein entsprechendes Übernahmeersuchen - im Einvernehmen mit dem Betreffenden - an diesen Staat stellt. Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO regelt hingegen eine Situation, in welcher sich der Asylwerber in einem für die Prüfung des Asylantrages eingentlich unzuständigen Staates befindet, dieser Staat aber das Asylverfahren selbst durchführen will und daher von der Einleitung eines Konsultationsverfahrens nach den zwingenden Bestimmungen der Art. 6-14 absieht (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K4 zu Art. 15, S 109 f).

 

Bei der Prüfung, ob Österreich von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts Gebrauch zu machen hat, erscheint es jedenfalls - mangels konkreter Regelung in Art. 3 Abs. 2 - zweckmäßig, die humanitäre Klausel in Art. 15 analog anzuwenden.

 

Es sind keine Anhaltspunkte im Verfahren hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde - keine auf das Selbsteintrittsrecht Österreichs gestützte - behauptet, die dies zwingend geboten erscheinen ließ.

 

Im Ergebnis ist dem Bundesasylamt somit nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass sich weder die relevante Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt, der zur einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit Tschechiens geführt hat, maßgebend verändert hat und der neuerlich gestellte Antrag auf internationalen Schutz wegen entschieder Sache zurückzuweisen war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG).

 

4.2 Der Asylgerichtshof geht in Übereinstimmung mit den österreichischen Höchstgerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass bei einer Ausweisung Art. 3 und 8 EMRK beachtlich sind (vgl. jüngst EGMR 27.05.2008, Case of N. v. The United Kingdom, Appl. 26565/05; VfGH E vom 06.03.2008, B 2400/07-9, und die darin wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; VfGH E vom 29.09.2007, B 328/07 und B 1150/07; VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).

 

Die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 und 8 EMRK wurde bereits im rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren in Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO vorgesehene Selbsteintrittsrecht geprüft und verneint.

 

Zu den angegebenen Krankheiten ist zu sagen, dass in Tschechien eine ausreichende medizinische Versorgung für die Beschwerdeführerin und ihre Familie besteht, diesbezüglich wird auf die Feststellung und die Beweiswürdigung im Bescheid des BAA verwiesen und diese zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt.

 

Die Behörde traf in ihrem Bescheid aktuelle und hinreichend belegte Feststellungen zum Asylverfahren in Tschechien, zur Versorgung der Asylwerber sowie zur medizinischen Behandlung von Asylwerbern in Tschechien. Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass aus den Angaben der Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass sie tatsächlich konkreter Gefahr liefe, in Tschechien Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass Tschechien eine Sonderposition vertreten würde und würde ihr Schutz und Zugang zum Asylverfahren auch in Tschechien offen stehen.

 

Dem Ansinnen der Beschwerdeführerin, dass Tschechien kein sicherer Staat im Sinne des § 5 Asylg sei, kann der Asylgerichtshof nicht beitreten, es gilt die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG, von dieser kann nur abgegangen werden, falls besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes in Tschechien sprechen. Solche Gründe sind aber im Verfahren nicht bekannt geworden und auch am Asylgerichtshof nicht offenkundig.

 

Dem Antrag, den tschechischen Asylakt anzufordern wurde, da für das gegenständliche Verfahren nicht notwendig, nicht stattgegeben.

 

Seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens haben keine relevanten Ereignisse stattgefunden, die eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie in Tschechien hätten befürchten lassen.

 

Auch die Beschwerdebehauptungen zum Eingriff in das Familienleben der Eltern der Beschwerdeführerin überzeugen nicht.

 

Beziehungen eines Fremden zu seinem Bruder, seinen Onkeln, Cousins, Cousinen, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Fremden leben, fallen nicht in den Schutzbereich des Familienlebens (VwGH 21.07.1994, 94/18/0315).

 

Diesbezüglich wird auf die mit gleichem Datum ergangenen Erkenntnisse des Asylgerichtshofes bzgl. des Vaters (D12 400037-2/2008) und bezüglich der Mutter (D12 400036-2/2008) verwiesen und werden diese zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt.

 

Ein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin kann daher im Falle einer Überstellung nach Tschechien nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht bedarf.

 

Im Falle der am 14.04.2008 nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin hat das bisherige Verfahren auch keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen oder kultureller Bindung während der letzten sechs Monate in Österreich ergeben oder wurden solche von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Auch ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin kann im Falle einer Überstellung nach Tschechien nicht festgestellt werden, weshalb es auch hier einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht bedarf.

 

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen ihres zweiten Antrages auf internationalen Schutz kein Vorbringen zu ihrem Gesundheitszustand erstattet bzw. keinen geänderten Sachverhalt substantiiert dargetan, das eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung der Beschwerdeführerin oder ihrer Familie in Tschechien befürchten lassen bzw. einer Überschreitung der normierten Schwelle des Art. 3 EMRK bei Überstellung nach Tschechien ergeben würde.

 

Soweit in der Beschwerde Ausführungen hinsichtlich Tschechiens als sicherer Dublin-Staat bzw. der Frage, inwieweit eine Überprüfung, ob der betroffene Dublin-Staat tatsächlich ein sicherer Drittstaat ist, getätigt werden, ist darauf hinzuweisen, dass darüber bereits im Vorverfahren sehr ausführlich und rechtskräftig abgesprochen wurde. Es haben sich in der Zwischenzeit keine diesbezüglich relevanten Änderungen ergeben.

 

Die Fremdenpolizeibehörde hat jedenfalls zu beurteilen, in wie weit eine Abschiebung nach durchsetzbarer zurückweisender Entscheidung samt verbundener Ausweisung rechtlich möglich ist, oder sich, etwa auf Grund einer schweren Krankheit, durch die eine Abschiebung eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde, verbietet.

 

Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise des Bundesasylamtes keine Änderung der für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umstände, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs geführt haben und sieht daher keinen Anlass, dass Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder 8 EMRK zu verpflichten wäre. In der Beschwerde werden keinerlei überzeugende Einzelheiten genannt, aus denen schlüssig hervorgehen würde, dass das Bundesasylamt in der gesetzlich geforderten Interessensabwägung gefehlt hätte. Derartiges konnte auch nicht von Amts wegen festgestellt werden, weshalb Spruchpunkt I. und II. der erstinstanzlichen Entscheidung sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung, zu bestätigen waren. Es sind auch keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Tschechien in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher als zulässig. Die Überstellung hat jedenfalls gemeinsam mit den Elter und Geschwistern zu erfolgen. Diese haben zeitgleich abweisende Erkenntnisse des Asylgerichtshofes bekommen.

 

Wird gegen einen mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 37 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008).

 

Da dies vom zuständigen Einzelrichter des Asylgerichtshofes nicht angenommen wurde, war keine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Das Bundesasylamt hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und eine schlüssige Beweiswürdigung vorgenommen. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 unterbleiben.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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