TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 B13 401641-1/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

B13 401.641-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Maga. EIGELSBERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. KRACHER als Beisitzerin über die Beschwerde des X.D., geboren 00.00.1983, StA. Kosovo, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dieter EBNER, Wiedner Hauptstraße 46, 1040 Wien, vom 18. 9. 2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. 9. 2008, Zl 08 04.087-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des X.D. wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1 und § 10 Abs 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer brachte am 8. 5. 2008 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Bei der am 8. 5. 2008 stattgefundenen niederschriftlichen Befragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen gab der Beschwerdeführer an, trotz seiner mehrmonatigen Arbeit in einem Krankenhaus in P. keinen Lohn erhalten zu haben. Zudem lebe sein Vater in Österreich und er selbst wolle in Österreich studieren.

 

Am 23. 6. 2008 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei führte er im Wesentlichen aus, dass er im Kosovo in Gefahr gewesen sei, weil ihn seine Mutter aus dem Haus getrieben habe und er ohne finanzielle Unterstützung bei seinem Großvater und bei Freunden gewohnt habe. Seine Mutter habe nämlich gemeint, dass er arbeiten gehen solle und zudem Geld für seine Unterbringung verlangt. Er habe im Krankenhaus um eine Stelle als Krankenpfleger angesucht, wobei er aber immer wieder abgewiesen worden sei. Er habe auch bei anderen Bewerbungen keinen Erfolg gehabt. Für ein Studium hätten seiner Familie die finanziellen Mittel gefehlt. Der Vater des Beschwerdeführers lebe in Österreich.

 

Am 21. 8. 2008 fand neuerlich eine Einvernahme statt. Dabei führte der Beschwerdeführer aus, dass er zwar bei seinem Großvater gewohnt habe, dieser ihn aber wegen seiner geringen Pension nicht erhalten könne. Seinen Lebensunterhalt im Kosovo habe er bislang durch finanzielle Zuwendungen seines Vaters, der das ihm sein Vater aus Österreich überwiesen habe, bestritten. Dieses Geld habe er aber über seine Mutter erhalten, die diese Zahlungen eingestellt habe. Sonstige Probleme oder Probleme mit Sicherheitsbehörden habe es nicht gegeben.

 

Mit Bescheid vom 2. 9. 2008, Zl 08 04.087-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I).

 

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z. 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Kosovo abgewiesen (Spruchpunkt II).

 

Zudem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Begründend wurde zu Spruchpunkt I ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung iSd GFK nicht glaubhaft machen können hat. Er habe in seinem Vorbringen lediglich die schlechte wirtschaftliche Lage angeführt. Dies stelle keine konkrete Verfolgung oder begründete Furcht vor konkreter Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Nachteile, die auf die allgemeinen, politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen seien, würden keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen.

 

Zu Spruchpunkt II wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorliegen würden, die dafür sprechen würden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Kosovo in eine derart extreme Notlage gerate, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK darstelle.

 

Zu Spruchpunkt III wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich durch seinen Vater und einen Onkel, die beide Niederlassungsbewilligungen besitzen würden, zwar familiäre Anknüpfungspunkte besitze, die aber bei einer Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen würden. Ein gemeinsamer Haushalt über eine längere Zeit oder eine wirtschaftliche oder sonstige Abhängigkeit müssten in Relation zur Dauer des Aufenthalts gesehen werden, sodass kein schützendes Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegen würde.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. 9. 2008 Beschwerde.

 

Das Bundesasylamt traf in seinem Bescheid folgende Feststellungen:

 

Zur Situation im Kosovo wird Folgendes festgestellt:

 

- Die wesentlichsten Bestimmungen und Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft der Republik Kosovo:

 

A. "Ex lege" Staatsbürgerschaft des Kosovo:

 

Vorhandene Eintragung in das zentrale Zivilregister gemäß der UNMIK VO 2000/13 als "ständiger Bewohner" des Kosovo - dies unabhängig vom Eintragungszeitpunkt. Dies bedeutet, dass alle Personen, die im Besitz einer UNMIK-ID Karte sind, automatisch Staatsbürger des Kosovo sind, da diese nur durch die Eintragung in das Register erlangt werden konnte. Alle Personen, die mit Stichtag 01.01.1998 ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, sind ebenfalls Staatsbürger. Folglich ist jede Person, die zu diesem Zeitpunkt ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo hatte, ex lege Staatsbürger des Kosovo, falls er/sie zu diesem Zeitpunkt auch die jugoslawische Staatsbürgerschaft innehatte.

 

B. Staatsbürgerschaft auf Antrag:

 

Alle Personen, die nicht ex lege Bürger des Kosovo sind, können die Staatsbürgerschaft dennoch auf Antrag erhalten. Die zentralen Voraussetzungen hierfür sind Personen, die volljährig sind; für die letzten fünf Jahre im Kosovo wohnhaft gewesen sind und über eine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfügen; das konstitutionelle und rechtliche System des Kosovo anerkennen und auf sozialer, kultureller, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Ebene in die Gesellschaft integriert sind; über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um nicht Sozialhilfe beziehen zu müssen; die finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat erfüllen; und Grundkenntnisse in einer der Amtssprachen des Kosovo haben.

 

Diaspora:

 

Vereinfachte Sonderregelungen bestehen für die kosovarische Diaspora in § 13 des StAG. Hier wird die Staatsbürgerschaft auf Antrag verliehen, wenn jemand Mitglied der kosovarischen Diaspora ist. Als Diaspora werden Personen angesehen, die sich vorschriftsmäßig außerhalb Kosovos aufhalten, und nachweisen können, dass er/sie im Kosovo geboren worden ist und enge familiäre und ökonomische Beziehungen im Kosovo hat. Der Begriff der "engen familiären und ökonomischen Beziehungen" ist im Gesetz nicht näher definiert und müsste wohl erste ausjudiziert oder per Verordnung geregelt werden. Multiple Staatsbürgerschaft ist im Kosovo möglich. Das Erlangen oder der Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft des Kosovo. Weiters kann die Staatsbürgerschaft auch über Geburt und Adoption erlangt werden. Des Weiteren darf in diesem Zusammenhang auch ausgeführt werden, dass in einem Schreiben des deutschen BAMF vom 03.07.2008 zum Thema kosovarische Staatsbürgerschaft auch von einem "automatischen Erwerb" derselbigen, entsprechend der oben erwähnten Kriterien gesprochen wird. (Quelle: Bericht des Verbindungsbeamten in Pristina, Obstlt. Pichler, dem eine Unterredung in der Österreichischen Botschaft in Pristina mit österreichischen und kosovarischen Behördenvertretern vorausging)

 

Grundversorgung:

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. Sie reicht damit als alleinige Einkommensquelle unter Berücksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten kaum zum Leben aus. (Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Serbien (Kosovo), Stand. Sept. 2007, Nov. 2007) Die Beschäftigungslage befindet sich auf unverändert niedrigem Niveau. Die Arbeitslosenquote liegt bei geschätzten 45%. Bei Jugendlichen unter 30 Jahren erhöht sie sich auf nahezu 60%. Bei diesen Zahlen ist die signifikante Schwarzarbeit einschließlich der Beschäftigung in der organisierten Kriminalität nicht berücksichtigt. Auch wenn man zusätzlich die Beschäftigung in der Landwirtschaft (Subsistenzwirtschaft und Schwarzarbeit) in Rechnung stellt, beträgt die Arbeitslosenquote trotzdem immerhin noch ungefähr ein Drittel. Das durchschnittliche monatliche Arbeitseinkommen liegt derzeit bei ca. 150 Euro. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die in der organisierten Kriminalität und in der Schwarzarbeit erzielten Einkommen statistisch nicht erfasst werden. (Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Serbien (Kosovo), Stand. Sept. 2007, Nov. 2007)

 

Allgemeine Lage - Politik/Wahlen:

 

Die Deklaration der Unabhängigkeit des Kosovo wurde von 109 der insgesamt 120 Abgeordneten, welche persönlich aufgerufen wurden, unterschrieben. Zehn serbische Abgeordnete und ein Abgeordneter von GIG (Goraner) blieben der Sitzung fern. (VB Pristina, Lagebild Kosovo 21.02.2008) Der unabhängige Kosovo wird dem Frieden und der Stabilität verpflichtet sein. Die Nation des Kosovo wird auf Grundlage des Ahtisaari-Plans geschaffen. Der Kosovo ist eine demokratische, laizistische und multiethnische Gesellschaft, der die Anwesenheit internationaler ziviler und militärischer Vertreter akzeptiere. (derStandard.at, Unabhängigkeitserklärung: "Dem Frieden verpflichtet", 18.02.2008) Mit der Unabhängigkeit übernimmt der Kosovo die internationalen Verpflichtungen, stellt die Sicherheit der Grenzen mit den Nachbarländern sicher, verbietet die Anwendung von Gewalt, um Differenzen beizulegen, wird in der Erklärung betont, die auch den Willen des Kosovo ausdrückt, gutnachbarschaftliche Beziehungen mit den Ländern der Region zu unterhalten. Zudem solle der Schutz des kulturellen und religiösen Erbes garantiert werden, heißt es in Anspielung auf die serbische Minderheit im Lande. (derStandard.at, Unabhängigkeitserklärung: "Dem Frieden verpflichtet", 18.02.2008) Bisher haben etwa dreißig internationale Staaten den Kosovo als eigenständige Republik anerkannt. Darunter befinden sich Staaten wie Österreich, die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Türkei und Slowenien. (VB Pristina, Lagebild Kosovo, 05.03.2008) Die Situation im Kosovo verbesserte sich zusätzlich, nachdem die am 17.02.2008 ausgerufene Unabhängigkeit von weit verbreiteten Feiern und meist friedlich verlaufenden Protesten in den serbischen Enklaven begleitet war. (New CrisisWatch bulletin from the International Crisis Group, 01.03.2008) Im Kosovo ist die kurze öffentliche Debatte über den Verfassungsentwurf abgeschlossen worden. Die Verfassung wurde im Einklang mit den Vorgaben von UNO-Chefvermittler Martti Ahtisaari zur "überwachten" Unabhängigkeit des Kosovo ausgearbeitet. Die Republik Kosovo wird im Verfassungsentwurf als "unabhängiger, souveräner, demokratischer, einheitlicher und unveräußerlicher Staat aller seiner Bürger" definiert. "Der Kosovo erhebt weder Gebietsansprüche auf irgendeinen Staat oder Staatsteil noch wird er Vereinigung mit irgendeinem Staat oder Staatsteil fordern", steht im ersten Absatz des Verfassungsentwurfes in Anspielung auf die verbreitete Furcht vor einem "Großalbanien". Der Kosovo sei eine multiethnische Gesellschaft, die auf demokratische Weise verwaltet werde. Albanisch und Serbisch seien die Amtssprachen, auf Kommunalebene stünden auch die türkische, bosniakische und die Roma-Sprache entsprechend den gesetzlichen Regelungen im Gebrauch. (derStandard.at, Verfassungsdebatte abgeschlossen, 06.03.2008) Die kosovarische Staatsbürgerschaft sollen nach dem Buchstaben der Verfassung alle Bürger der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien erhalten, die am 01.01.1989 ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo hatten. Somit können auch die 150.000 Serben, die beim Abzug jugoslawischer Truppen im Juni 1999 aus dem Kosovo geflüchtet waren, um den Pass des neuen Staates ansuchen. (derStandard.at, Verfassungsdebatte abgeschlossen, 06.03.2008) Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Überschattet wurden die Wahlen durch den Druck aus Zentralserbien auf Kandidaten der Kosovo-Serben, auf eine Kandidatur zu verzichten, aber auch durch die stockenden Verhandlungen zum Status des Kosovo. 120 Sitze im Parlament, davon sind 20 Sitze für Minderheiten reserviert, standen zur Disposition. Es gibt eine fünf Prozent Klausel für den Einzug in das Parlament, was zahlreiche kleinere Parteien zu einer gemeinsamen LISTE mit Großparteien veranlasste. (ÖB Pristina, Kosovo Wahl 2007 Kurzbericht, 18.11.2007) Der designierte Ministerpräsident des Kosovo und Chef der Demokratischen Partei (PDK), Hashim Thaci, hat am Montagabend mit der Demokratischen Liga (LDK) von Präsident Fatmir Sejdiu eine Einigung über eine Regierungskoalition erreicht. Der Koalitionsvertrag dürfte laut der Nachrichtenagentur Kosovapress am Mittwoch unterzeichnet werden. Sejdiu bleibt demnach in seinem derzeitigen Amt. (Die Presse.com, Kosovo: Koalition unter Wahlsieger Thaci steht, 25.12.2007) Die PDK wird in der neuen Regierung sieben Minister stellen, die LDK fünf. Drei Ministerposten sollen den Minderheiten zufallen, davon zwei der serbischen. Bei der jüngsten Wahl am 17. November sicherte sich die PDK 37 und die LDK 25 der 120 Parlamentssitze.

 

20 Sitze im Parlament waren den Minderheiten vorbehalten. Damit löste die bisher stärkste Oppositionspartei des früheren Kommandanten der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) Thaci die von dem verstorbenen Ex-Präsidenten Ibrahim Rugova gegründete LDK als führende politische Kraft im Kosovo ab. Die konstituierende Parlamentssitzung muss bis zum 5. Jänner abgehalten werden. (Die

Presse.com, Kosovo: Koalition unter Wahlsieger Thaci steht, 25.12.2007)

 

Menschenrechte:

 

Im Kosovo ist die kurze öffentliche Debatte über den Verfassungsentwurf abgeschlossen worden. Die Verfassung wurde im Einklang mit den Vorgaben von

 

UNO-Chefvermittler Martti Ahtisaari zur "überwachten" Unabhängigkeit des Kosovo ausgearbeitet. Die Republik Kosovo wird im Verfassungsentwurf als "unabhängiger, souveräner, demokratischer, einheitlicher und unveräußerlicher Staat aller seiner Bürger" definiert. "Der Kosovo erhebt weder Gebietsansprüche auf irgendeinen Staat oder Staatsteil noch wird er Vereinigung mit irgendeinem Staat oder Staatsteil fordern", steht im ersten Absatz des Verfassungsentwurfes in Anspielung auf die verbreitete Furcht vor einem "Großalbanien". Der Kosovo sei eine multiethnische Gesellschaft, die auf demokratische Weise verwaltet werde. Albanisch und Serbisch seien die Amtssprachen, auf Kommunalebene stünden auch die türkische, bosniakische und die Roma Sprache entsprechend den gesetzlichen Regelungen im Gebrauch. (derStandard.at, Verfassungsdebatte abgeschlossen, 06.03.2008) Das Gesetzeswerk bezüglich Anti-Diskriminierung beinhaltet wichtige Teile der Gemeinschaftsrichtlinien. Im März 2007 richtete die Regierung für jedes Ministerium Menschenrechtsabteilungen ein, die unter anderem auch für die Überwachung der Durchsetzung der Anti-Diskriminierungsgesetzgebung verantwortlich sind. Die Umsetzung dieser Gesetze blieb aber trotzdem mangelhaft und auch die Hebung des öffentlichen Bewusstseins bei Setzung diskriminierender Akte im öffentlichen Leben des Kosovo brachte keine konkreten Ergebnisse. (Commission of the European Communities, Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, Nov. 2007) Menschenrechtsfragen werden durch eine Ombudsperson Institution, eingerichtet durch die UNMIK Verordnung Nr. 2000/38, überwacht. Diese Institution ist unabhängig und zeigt Menschenrechtsverletzungen oder Missstände in der Zivilverwaltung auf. Seit ihrer Einrichtung ist sie multi-ethnisch besetzt. Die Ombudsperson Institution spielt eine wesentliche Rolle in der Sicherstellung der Menschenrechte und beim Schutz der Minderheiten dar. (UK Home Office, Operational Guidance Note, Republic of Serbia (including Kosovo), June 2006) Im Juli 2007 wurde eine sog. Rechtshilfekommission, die für die Durchführung und mit den Vorgaben von UNO-Chefvermittler Martti Ahtisaari zur "überwachten" Unabhängigkeit des Kosovo ausgearbeitet. Die Republik Kosovo wird im Verfassungsentwurf als "unabhängiger, souveräner, demokratischer, einheitlicher und unveräußerlicher Staat aller seiner Bürger" definiert. "Der Kosovo erhebt weder Gebietsansprüche auf irgendeinen Staat oder Staatsteil noch wird er Vereinigung mit irgendeinem Staat oder Staatsteil fordern", steht im ersten Absatz des Verfassungsentwurfes in Anspielung auf die verbreitete Furcht vor einem "Großalbanien". Der Kosovo sei eine multiethnische Gesellschaft, die auf demokratische Weise verwaltet werde. Albanisch und Serbisch seien die Amtssprachen, auf Kommunalebene stünden auch die türkische, bosniakische und die Roma Sprache entsprechend den gesetzlichen Regelungen im Gebrauch. (derStandard.at, Verfassungsdebatte abgeschlossen, 06.03.2008) Das Gesetzeswerk bezüglich Anti-Diskriminierung beinhaltet wichtige Teile der Gemeinschaftsrichtlinien. Im März 2007 richtete die Regierung für jedes Ministerium Menschenrechtsabteilungen ein, die unter anderem auch für die Überwachung der Durchsetzung der Anti-Diskriminierungsgesetzgebung verantwortlich sind. Die Umsetzung dieser Gesetze blieb aber trotzdem mangelhaft und auch die Hebung des öffentlichen Bewusstseins bei Setzung diskriminierender Akte im öffentlichen Leben des Kosovo brachte keine konkreten Ergebnisse. (Commission of the European Communities, Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, Nov. 2007) Menschenrechtsfragen werden durch eine Ombudsperson Institution, eingerichtet durch die UNMIK Verordnung Nr. 2000/38, überwacht. Diese Institution ist unabhängig und zeigt Menschenrechtsverletzungen oder Missstände in der Zivilverwaltung auf. Seit ihrer Einrichtung ist sie multi-ethnisch besetzt. Die Ombudsperson Institution spielt eine wesentliche Rolle in der Sicherstellung der Menschenrechte und beim Schutz der Minderheiten dar. (UK Home Office, Operational Guidance Note, Republic of Serbia (including Kosovo), June 2006) Im Juli 2007 wurde eine sog. Rechtshilfekommission, die für die Durchführung und Überwachung des Rechtshilfesystems verantwortlich ist, vom Premierminister ernannt. Diese Behörde besteht aus einem Rechtshilfekoordinationsbüro in Pristina und aus weiteren fünf regionalen Rechtshilfebüros. Im Allgemeinen wurden auf diesem Gebiet zwar einige Fortschritte erzielt, allerdings bestehen nach wie vor erhebliche Defizite bei der Durchsetzung von Rechtshilfe sowohl in Zivil- als auch Strafrechtssachen. Die Einbindung der Ombudsperson Institution bei Gerichtsverfahren, könnte den gegenwärtigen Stand der Rechtshilfe auf ein höheres Niveau befördern. (Commission of the European Communities, Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, Nov. 2007)

 

Behandlung nach Rückkehr:

 

UNHCR hält trotz der aus seiner Sicht nach wie vor nicht unkritischen Sicherheits- und Versorgungslage im Kosovo zwangsweise Rückführungen von Kosovo-Albanern für hinnehmbar, wenn diese nach international anerkannten Maßstäben nicht individuell schutzbedürftig sind. (Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Serbien (Kosovo), Stand. Sept. 2007, Nov. 2007).

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und stammt aus dem Ort B. in der Gemeinde P.. Er verließ am 7. 5. 2008 mit Hilfe eines Schleppers sein Heimatland und reiste illegal nach Österreich. Am 8. 5. 2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Kosovo mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und er von seiner Mutter des Hauses verwiesen wurde. In weiterer Folge lebte er bei seinem Großvater, der jedoch eine geringe Pension bezieht. Nachdem sich der Beschwerdeführer erfolglos um Arbeit bemühte und wegen der prekären finanziellen Situation auch nicht bei seinem Großvater bleiben wollte, flüchtete er nach Österreich. Er lebt in Österreich mit seinem Vater in einem gemeinsamen Haushalt, wobei eine sonstige soziale Anbindung oder sonstige soziale Integration nicht festgestellt werden konnte.

 

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers und resultieren aus seinen Einvernahmen vor der Polizeiinspektion Traiskirchen und dem Bundesasylamt sowie dem oben zitierten Dokumentationsmaterial.

 

Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 4. 10. 1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25. 3. 1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24. 11. 1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8. 6. 2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30. 11. 2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22. 2. 2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21. 6. 2001, Zahl 99/20/0460). Insbesondere wird im Bescheid des Bundesasylamtes umfassend auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen (BAA-Bescheid S. 14 f). Wirtschaftliche Gründe nach Art. 1 Abschnitt A der GFK rechtfertigen die Ansehung als Flüchtling grundsätzlich nicht, wenn nicht der völlige Verlust der Existenzgrundlage droht (VwGH 13.5.1998, 96/01/0045; 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer von seiner Mutter des Hauses verwiesen wurde, er keine Arbeit gefunden habe und er in Ermangelung von Geldmitteln nicht bei seinem Großvaters im Kosovo bleiben haben wollen, ist zwar glaubwürdig, fällt allerdings nicht unter einen Tatbestand des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention.

 

Auf Grund der getroffenen Länderfeststellungen ist sichergestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Kosovo eine Existenzgrundlage vorfinden würde.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers erfüllt eine mit einer maßgebenden Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr allerdings nicht einmal ansatzweise.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich somit den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

 

Rechtlich ergibt sich folgendes:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 -VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Verfahrensgegenständliche Beschwerde wurde dem zur Entscheidung berufenen Senat mit 1. Juli 2008 in Anwendung des § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 zugeteilt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Spruchpunkt I:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22. 12. 1999, 99/01/0334; 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9. 9. 1993, 93/01/0284; 15. 3. 2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH E vom 19. 10. 2000, Zl. 98/20/0233).

 

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keiner asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ausgesetzt ist. Eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende Verfolgung ist auch nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt.

 

Es gibt seit den Unruhen der serbischen Minderheiten kurz nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos im Februar keine Vorkommnisse, sodass die Lage als stabil bezeichnet werden kann. Der KPS (Kosovo Police Service) hat die sicherheitsbehördliche Lage unter Kontrolle. Gerade in den südlichen Teilen des Landes kann die Lage als ruhig beschrieben werden. An den Grenzen zu Serbien kommt es zu keinen Behinderungen, sodass es keine Einschränkungen des Personen- oder Warenverkehrs gibt. Weiters wird speziell die Sicherung der Menschrechte durch die errichtete Ombudsperson Institution gewährt. Diese ist unabhängig und multiethnisch besetzt.

 

Die Wahrscheinlichkeit, etwaigen menschenrechtswidrigen Maßnahmen oder Handlungen zum Opfer zu fallen, kann in diesem Zusammenhang als gering angesehen werden. Überdies finden sich in den vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen zufolge keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einreisekontrolle wegen seiner Asylantragstellung behördlichen Übergriffen ausgesetzt wäre.

 

Spruchpunkt II:

 

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Kern nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003;

entspricht § 8 AsylG 1997 in der Stammfassung) iZm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) zu geschehen hatte;

sie gehen allenfalls darüber hinaus. (Dagegen gibt es in der neuen Rechtslage keine Entsprechung zu den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 iZm § 57 Abs. 2 FrG, also dem zweiten Absatz dieser fremdengesetzlichen Bestimmung.) Deshalb kann zur Auslegung insoweit grundsätzlich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16. 7. 2003, 2003/01/0059; 19. 2. 2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege.

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25. 11. 1999, 99/20/0465; 8. 6. 2000, 99/20/0203; 8. 6. 2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25. 1. 2001, 2000/20/0367; 25. 1. 2001, 2000/20/0438; 25. 1. 2001, 2000/20/0480; 21. 6. 2001, 99/20/0460;

16. 4. 2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zum Teil durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27. 2. 2001, 98/21/0427; 20. 6. 2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21. 8. 2001, 2000/01/0443; 26. 2. 2002, 99/20/0509; 22. 8. 2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2. 8. 2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30. 9. 1993, 93/18/0214).

 

Wie bereits oben ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, sodass die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG von vornherein ausscheidet. Zu prüfen bleibt, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Dafür findet sich aber im festgestellten Sachverhalt kein Anhaltspunkt. Exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 16. 7. 2003, 2003/01/0059, mit Verweis auf VwGH 21. 8. 2001, Zl. 2000/01/0443). Auch aus der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation im Kosovo lässt sich keine sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehende konkrete, den Beschwerdeführer betreffende Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ableiten. Wie unter den Feststellungen zum Herkunftsland des Beschwerdeführers ersichtlich, unterliegen Rückkehrer keinen rechtlichen Beschränkungen bei ihrer Rückkehr in den Kosovo. Was die Versorgungssituation des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland anbelangt, wird auf die Angaben des Beschwerdeführers bei den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt verwiesen, wonach die Mutter des Beschwerdeführers mit ihren weiteren drei Söhnen in einem Wohnhaus lebt. Der Großvater des Beschwerdeführers lebt ebenfalls in derselben Ortschaft, wodurch davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer über einen familiären Rückhalt in seinem Heimatland verfügt und bei einer Rückkehr dorthin nicht völlig auf sich allein gestellt ist. Zudem erhält die Familie finanzielle Unterstützung seitens des in Österreich lebenden Vaters des Beschwerdeführers.

 

Im Übrigen schließt sich der Asylgerichtshof den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

 

Spruchpunkt III:

 

Die Behörde erster Instanz prüfte die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Recht auf Familienleben gemäß Artikel 8 Absatz 1 EMRK und kam zu dem rechtsrichtigen Ergebnis, dass im Falle des Beschwerdeführers kein diesbezüglicher Grundrechtseingriff vorliegt. Zwar halten sich auch der Vater und der Onkel des Beschwerdeführers in Österreich auf, wobei beide auch die Niederlassungsbewilligung besitzen. Einem Familienleben mit dem Vater des Beschwerdeführers ist - trotz des gemeinsamen Haushaltes - allerdings entgegen zuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits erwachsen ist und sich in diesem Alter das Gewicht der Beziehungen zwischen Familienangehörigen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, relativiert (VwGH 29. 6. 1995, 95/17/0832). Ebenso gilt es die Gewichtung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung mit den persönlichen Interessen des Auszuweisenden abzuwiegen. Hier bedarf es der Berücksichtigung der Faktoren wie ein legaler Aufenthalt im Bundesgebiet über längerer Zeit (VfGH 17. 3. 2005, G78/04).

 

Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann somit kein Familienbezug zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person in Österreich begründet werden. Infolge eines fehlenden Eingriffes in Artikel 8 Absatz 1 EMRK unter dem Gesichtspunkt des Familienlebens des Beschwerdeführers bedarf es einer - wie von der Erstbehörde zutreffender Weise nicht vorgenommenen - Interessensabwägung im Rahmen des materiellen Gesetzesvorbehaltes nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht.

 

Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Artikel 8 Absatz 2 EMRK).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16. 6. 2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30. 11. 1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16. 9. 2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 7. 10. 2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

Im Falle des am 8. 5. 2008 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren keine weiteren Anhaltpunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Selbst der gemeinsame Haushalt mit seinem Vater kann keine Aufenthaltsverfestigung rechtfertigen, die die Annahme eines Überwiegens der Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde. Durch den gerade einmal rund fünfmonatigen Aufenthalt hier in Österreich wird dies kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers kann daher im Falle einer Ausweisung in den Kosovo nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, Intensität, Interessensabwägung, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, soziale Verhältnisse, wirtschaftliche Gründe
Zuletzt aktualisiert am
20.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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