TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/24 C14 311554-1/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2008
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Spruch

C14 311554-1/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. ROSENAUER als Beisitzer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 über die Beschwerde des S.N., geb. 00.00.1977, StA: Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2007, GZ: 03 14.651-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Verfahrensgang:

 

Der BF (in der Folge: BF) hat am 19.07.2004 nach erfolgtem unrechtmäßigen Grenzübertritt beim Bundesasylamt Wien einen Antrag gem. § 3 Asylgesetz 1997, BGBl. I. Nr. 76/1997 (AsylG 1997) gestellt. Am 21.07.2004, sowie am 19.02.2007 fanden vor dem Bundesasylamt Traiskirchen niederschriftliche Einvernahmen des BF im Asylverfahren statt. Der BF brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund mehrerer Auseinandersetzungen mit kriminellen Privatpersonen von diesen bedroht worden sei und um sein Leben fürchten müsse.

 

Im Verfahren vor dem Bundesasylamt wurden seitens des BF keine Beweismittel für sein Vorbringen in Vorlage gebracht.

 

Das Bundesasylamt Wien wies mit Bescheid vom 26.03.2007, GZ: 04 14.651-BAW, zugestellt am 06.04.2007, den Asylantrag gem. § 7 AsylG 1997 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubwürdig.

 

Gegen den obgenannten Bescheid des Bundesasylamtes richtet sich die fristgerecht eingelangte Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) vom 19.04.2007. Der BF beantragte eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, die Feststellung, dass er Flüchtling im Sinne des § 7 AsylG 1997 sei, eine individuelle Überprüfung seines Vorbringens im Asylverfahren in seinem Heimatland durchzuführen, festzustellen, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 unzulässig sei, dass die Ausweisung gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 unzulässig sei und dass ihm daher eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gem. § 15 AsylG 1997 erteilt werde.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, ab 01.07.2008 die beim UBAS anhängigen Verfahren weiter zu führen. An die Stelle des Begriffs "Berufung" tritt gem. § 23 des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008, mit Wirksamkeit ab 01.07.2008 der Begriff "Beschwerde".

 

Der Asylgerichtshof führte durch die erkennenden Richter in der gegenständlichen Rechtssache am 07.10.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF teilnahm. Weiters anwesend war die nunmehrige Gattin des BF als Vertrauensperson. Dem BF wurden der bisherige Verfahrensgang und der gesamte Akteninhalt vorgehalten.

 

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

I.2.1. Beweisaufnahme:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

-

Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des BAW, beinhaltend die Niederschrift der Einvernahmen vor dem BAT vom 21.07.2004, sowie vom 19.02.2007 und die Berufung des BF vom 19.04.2007.

 

-

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof, sowie Einsichtnahme in folgende in der Verhandlung vorgelegten Dokumente:

 

Heiratsurkunde, ausgestellt am 00.00.2007 vom Standesamt Wien

 

-

Einsicht in aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF.

 

I.2.2. Ermittlungsergebnis:

 

Der Asylgerichtshof geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

I.2.2.1. Zur Person des BF, seiner Fluchtgründe sowie zu seiner Reiseroute:

 

Der BF führt den Namen S.N., ist am 00.00.1977 in Punjab Indien geboren, ist indischer Staatsangehöriger und gehört keiner bestimmten Religionsgemeinschaft an. Der BF ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und war auch nie im Gefängnis oder hatte sonstige Schwierigkeiten mit den Behörden. Er war nicht politisch aktiv und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinaus gehende Probleme in seinem Herkunftsstaat. Er ist seit 00.00.2007 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.

 

Die Fluchtgründe des BF stellen sich nach seinen zuletzt gemachten Angaben zusammengefasst wie folgt dar:

 

Er habe nach seinem Schulabschluss gemeinsam mit einem Freund in Indien ein Holzgeschäft eröffnet. Die Männer, mit denen er später Probleme haben sollte, wären auf dieselbe Schule gegangen und schon damals habe es Streitigkeiten gegeben, da sie einer anderen Gruppe (i.e. Schulsektion) angehört hätten. Eines Tages - vermutlich im Jahr 2003 - wären diese Männer zum Geschäft des BF gekommen und hätten seine dort anwesende Cousine belästigt. Dies sei nicht zum ersten Mal geschehen. Der BF habe daher die Kontrolle über sich verloren und einen der Männer angegriffen und mit einem Holzstemmeisen am Bauch verletzt. Sein Freund habe ihm geraten zu flüchten, da sich die Männer ansonsten an ihm rächen würden. Am nächsten Tag sei er von denselben Leuten in P. verletzt worden, indem sie mit einem Messer etwas in seinen Arm geritzt hätten. Einige Tage später habe er einer weiteren Attacke durch die Flucht auf seinem Motorrad entkommen können.

 

Seine Familie habe ihm geraten nach U. zu seiner Tante zu flüchten, wo er jedoch ebenfalls von den obgenannten Personen angegriffen worden sei. Seine Mutter habe ihm berichtet, dass die Männer in seinem Heimatdorf nach ihm gesucht hätten, außerdem habe die Polizei nach ihm gesucht. Die Familie habe dann einen Schlepper organisiert und der BF sei von New Delhi aus ins Ausland gereist.

 

Der BF sei nicht zur Polizei gegangen, da sie diesen Leuten geholfen hätten und nicht ihm. Es würde oft passieren, dass Leute, die Anzeige erstatten, bis zu einer Verhandlung von den Angezeigten umgebracht würden. Es habe daher von seiner Seite keinen Kontakt mit der Polizei gegeben. Weiters gab der BF - in verschiedenen Versionen - an, dass auch sein Bruder von den gegnerischen Personen bedroht worden sei.

 

Der BF reiste daraufhin im November 2003 von K. nach U.. Von dort fuhr er am 10.01.2004 nach Neu Delhi und flog am selben Tag schlepperunterstützt weiter nach Moskau. Er hatte bei der Ausreise aus Indien keine Probleme und reiste legal mit seinem Reisepass und einem russischen Visum. Von Jänner bis Anfang Juli 2004 hielt er sich in Moskau auf und fuhr dann mit einem LKW eine ihm unbekannte Strecke nach Österreich, wo er am 19.07.2004 an einem unbekannten Grenzübergang unrechtmäßig einreiste. Der Reisepass war ihm zwischenzeitlich vom Schlepper abgenommen worden.

 

I.2.2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Indien decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden vollinhaltlich diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.

 

I.3.: Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

I.3.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Akten des BAW und des Asylgerichtshofes.

 

I.3.2. Die Feststellungen zur Identität (Name und Alter), Staatsangehörigkeit und Herkunft des BF, sowie seinem persönlichen Umfeld und seinen Lebensbedingungen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften - da im Gegensatz zu seinem weiteren Vorbringen nicht widersprüchlich vorgebrachten - Angaben im Verfahren vor dem BAT und in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof, sowie der im Akt in Kopie aufliegenden Heiratsurkunde, ausgestellt am 00.00.2007 vom Standesamt Wien. Hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit dieses Dokuments sind keine Zweifel aufgekommen.

 

I.3.3. Der BF hat eine Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen nicht glaubhaft gemacht.

 

Die Angaben des BF zu seinen Fluchtgründen folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsablauf, weichen jedoch in den insgesamt drei behördlichen Einvernahmen in wesentlichen Details insofern eklatant voneinander ab, als man aufgrund der Intensität eines derartigen Vorfalls davon ausgehen muss, dass eben diese Details in Erinnerung bleiben, sofern das Geschehen tatsächlich stattgefunden hat.

 

In der ersten Einvernahme am 21.07.2004, die dem Geschehen zeitlich am nächsten lag und bei der nach der nach allgemeiner Lebenserfahrung die Erinnerungen noch am frischesten sein sollten, gab der BF an, er habe seine Cousine vor der Belästigung dreier Männer vor seinem Geschäftslokal beschützen wollen und sei in Folge auch von diesen angegriffen worden. Dann habe er sich mit einem Holzstemmeisen zur Wehr gesetzt und einen der Männer verletzt. Dann sei er nach U. geflüchtet. Sein Bruder sei später von den Angreifern entführt und geschlagen worden. Von ihm hätten sie erfahren, wo sich der BF nach seiner Flucht aufgehalten habe.

 

Die Bedroher hätten einer kriminellen Organisation angehört, die sich M. nenne. Weiters bestehe in Indien aufgrund der Verletzung, die der BF einer dieser Personen zugefügt habe, ein Haftbefehl gegen ihn. Diese Niederschrift wurde vom Dolmetscher rückübersetzt und vom BF unterzeichnet.

 

Am 19.02.2007 gab der BF niederschriftlich an, es habe sich um einen parteilichen Streit gehandelt. Zu dem Begriff "M." gab er an, es müsse M. heißen und dies sei die Person, die er verletzt habe. Seine Schwester sei in das Geschäft gekommen und eben dieser M. habe sie belästigt. Es habe sich insgesamt um vier Männer gehandelt. Von einem Haftbefehl wusste der BF nun nichts mehr.

 

In der Einvernahme vor dem Asylgerichtshof gab der BF an, dass seine Cousine vor dem Geschäft von einem gewissen M. belästigt worden sei. Da dies nicht zum ersten Mal geschehen sei, habe der BF die Kontrolle über sich verloren und er sei mit dem Holzstemmeisen auf ihn losgegangen und habe ihn verletzt. Er schmückte die Geschichte nun damit aus, dass M. seiner Schwester angedroht habe, ihr Säure ins Gesicht zu schütten. Die Anzahl der Männer konnte er nicht angeben, er sei so zornig gewesen, dass er sie nicht gezählt habe. Mit parteilichem Streit (siehe Zweiteinvernahme) habe er die Gruppierungen zur Schulzeit gemeint. Der BF bestritt weiters, dass er gesagt habe, dass sein Bruder entführt und geschlagen worden sei und dass er daraufhin den Aufenthaltsort des BF verraten habe. Vielmehr habe dieser nichts verraten und sie hätten lediglich das Handy des Bruders zerstört (was der BF bisher nicht erwähnt hatte).

 

Auf Vorhalt der Widersprüche antwortete der BF mit nicht schlüssigen Erklärungen und Ausflüchten oder zog sich schlicht darauf zurück, dass sein Vorbringen in den vorhergehenden Niederschriften falsch protokolliert worden sei. Diese wurden jedoch rückübersetzt und von ihm abgezeichnet. Insgesamt erscheint die Geschichte - auch abgesehen von den zahlreichen Widersprüchen - konstruiert und unglaubwürdig. Je nach Bedarf oder Erinnerungsvermögen werden Details hinzugefügt, weggelassen oder verändert, sodass von bloßen Behauptungen ausgegangen werden muss, deren nähere Überprüfung sich somit erübrigt.

 

Das Verwaltungsverfahren im Asylverfahren sieht neben der allgemeinen Manuduktionspflicht des AVG (§ 13a leg. cit.) eine Reihe weiterer verfahrenssichernder Maßnahmen vor, um einerseits der Verpflichtung nach § 37 AVG nachhaltig Rechnung zu tragen, sowie andererseits um die in einem solchen Verfahren oft schwierigen Beweisfragen zu klären. Daher ist die erkennende Behörde auch auf die Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze angewiesen. Die Bildung von solchen Erfahrungssätzen ist aber nicht nur zu Gunsten des Asylwerbers möglich, sondern sie können auch gegen ein Asylvorbringen sprechen.

 

Es entspricht der ständigen Judikatur des VwGH, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Von weiteren Erhebungen im Herkunftsland wurde daher Abstand genommen. Da weitere Fluchtgründe weder behauptet noch von Amts wegen hervorgekommen sind, weiters davon auszugehen war, dass die Fluchtgeschichte nicht der Wahrheit entsprach, konnte eine Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden.

 

I.3.4. Die Feststellungen zur Reiseroute und zur legalen Ausreise des BF aus Indien unter Verwendung des eigenen Reisepasses, sowie eines russischen Visums stützen sich auf dessen eigene glaubwürdige - da nachvollziehbare und nicht widersprüchliche - Angaben.

 

I.3.5. Die getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des BF ergeben sich aus den angeführten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Erkenntnisquellen.

 

I.3.6. Im Falle der Verbringung des BF in dessen Herkunftssatt droht ihm kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK.

 

Der BF ist laut eigenen Angaben gesund und arbeitsfähig und nicht in Gefahr, aufgrund einer allenfalls unzureichenden medizinischen Behandlung in eine hoffnungslose, beziehungsweise unmenschliche Lage zu geraten. Er kann sich in seinem Heimatland ein, wenn auch unter Umständen nicht gutes, so doch ausreichendes Einkommen sichern. Dies ergibt sich aus seinen Aussagen und aus den Erkenntnisquellen zum Herkunftssaat. Eine nicht asylrelevante Verfolgung des BF, die das reale Risiko einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK darstellen würde, konnte dieser nicht glaubhaft machen.

 

I.3.7. Es besteht kein reales Risiko, dass der BF in Indien einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen wird. Dies wurde vom BF auch nicht vorgebracht, oder kam im Verfahren sonst wie zu Tage.

 

I.3.8. Selbst wenn dem BF Verfolgung durch Private drohen würde, wovon jedoch nicht auszugehen ist, wäre er in der Lage, innerhalb Indiens vor dieser Verfolgung zu fliehen. Dies ergibt sich aus der einheitlichen Berichtslage und aus dem Umstand, dass er selbst vor dem Bundesasylamt angegeben hatte, nicht von der Polizei gesucht zu werden, sodass er jedenfalls unbehelligt einreisen könnte. Nicht einmal die Polizei ist mangels Meldewesens und Ausweispflicht in der Lage, eine Person, die in Indien verzieht zu finden, wenn es sich nicht um einen landesweit gesuchten Kriminellen handelt. Die Fahndung nach Menschen wird durch das Fehlen eines indienweiten Meldesystems und durch das Fehlen einer Ausweispflicht erheblich erschwert. Um so weniger besteht eine reale Gefahr, dass eine Privatperson ihren indienweit verzogenen Feind finden kann. Die Einreise nach Indien ist dem nach seinen eigenen Aussagen nicht zur Verhaftung ausgeschriebenen BF jedenfalls möglich.

 

Die stereotype Aussage, man werde ihn überall finden, ist unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Auch die bloße Behauptung, er sei nicht zur Polizei gegangen, da diese ohnehin nur den Anderen helfe, reicht keinesfalls zur Annahme, die Behörden des Heimatstaates wären nicht in der Lage oder nicht gewillt, eventuelle Missstände abzustellen.

 

Da der BF, er ist jung, männlich und bei guter Gesundheit und arbeitsfähig, in Indien jedenfalls ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu entgehen.

 

I.3.9. Dem BF steht laut eigener Aussage, einschlägigen Abfragen im Fremdeninformationssystem und dem vorliegenden Verwaltungsakt in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu.

 

I.3.10. Es haben sich im Fall des BF keine Anhaltspunkte ergeben, die bei einer Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK zur Annahme einer Verletzung der genannten Bestimmung und somit zu einer Unzulässigkeit der Ausweisung führten. Familiäre Anknüpfungspunkte durch seine Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin sind zwar gegeben, jedoch fand diese Eheschließung zu einem Zeitpunkt statt, als beiden Partnern klar sein musste, dass der Aufenthalt des BF lediglich ein vorübergehender war. Der BF ist seit 18.07.2004 im Bundesgebiet aufhältig, geht keiner Beschäftigung nach und ist seit 00.00.2007 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Er besucht keine Schulen oder Kurse und hat auch sonst in Österreich keine Verwandten. Allfällige Freundschaften sind zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Diese dennoch nicht unerheblichen privaten Interessen waren gegen das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Asylwesens abzuwägen. Auf Grund der Umstände der Eheschließung, sowie der kurzen Dauer der Ehe, wie auch des insgesamt nicht übermäßig langen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet, war das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Asylwesens höher zu bewerten, als die privaten Interessen des BF.

 

I.3.11. Das Vorbringen in der Berufung ist ebenfalls nicht geeignet, das bisherige Vorbringen des BF zu unterstützen. Die Ausführungen sind kasuistisch und sprechen wiederum von einer Belästigung einer "Schwester", was der BF vor dem Asylgerichtshof vehement bestritten und als Falschprotokollierung bezeichnet hat. Des Weiteren erschöpft sich das Vorbringen in formelhaften Angaben zur Lage in Indien, die jedoch kaum Bezug zur persönlichen Lage des BF aufweisen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Anzuwendendes Recht:

 

In der gegenständlichen Rechtssache sind gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 05) idgF, iVm § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, die Bestimmungen des AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 anzuwenden, zumal der Asylantrag des BF am 19.07.2004 gestellt wurde.

 

Weiters anzuwenden sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 (WV), des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 und des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008, in der jeweils geltenden Fassung.

 

II.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

 

Gem. § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein(VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der BF konnte keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende Verfolgung glaubhaft machen. Eine solche ist auch nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Selbst wenn der BF durch private oder staatliche Organe verfolgt werden würde, stünde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I abzuweisen.

 

II.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Wie bereits ausgeführt konnte der BF keine aktuelle Bedrohung im obgenannten Sinne auch nur annähernd glaubhaft machen.

 

Durch eine Rückführung nach Indien würde der BF nicht in seinen Rechten nach Art. 2 oder 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht ihm in Indien durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der obgenannten Rechte. Eine solche Gefahr wurde seitens des BF weder glaubhaft gemacht, noch ist diese von Amts wegen hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Selbiges gilt für eine reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Daher war die Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt II abzuweisen.

 

II.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Wie bei fremdenpolizeilichen Ausweisungen ist die asylrechtliche Ausweisung jedoch nicht obligatorisch mit der Abweisung des Antrags und der Nicht-Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu verbinden. Diese ist zu unterlassen, wenn sie eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde.

 

Ein Eingriff in das Privatleben liegt im Falle einer Ausweisung immer vor. Dieser ist allerdings nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht schwerwiegender als das öffentliche Interesse Österreichs an einer Ausweisung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung im Fremdenpolizei- und Zuwanderungswesen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Integration des Fremden, der sich seit 19.07.2004 im Bundesgebiet aufhält, aber niemals einen anderen als einen vorübergehenden, asylrechtlichen Aufenthaltstitel hatte. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 festgehalten, dass ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet. Daher war festzustellen, ob der BF, der sich vier Jahre im Bundesgebiet aufhält, inzwischen so stark integriert ist, dass seine Ausweisung eine Verletzung des Rechts auf das Privatleben darstellen würde. Da der BF aber keine Verwandten im Bundesgebiet hat, diese alle in Indien leben würden, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und allfällige freundschaftliche Beziehungen zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, an dem er sich seiner prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst war und er trotz seines langen Aufenthalts nicht hinreichend deutsch kann, sowie eine soziale Integration - vom Freundeskreis abgesehen - nicht zu erkennen war, da keine Schulen, Universitäten, Vereine oder Kurse besucht werden, konnte trotz des Fehlens von Verurteilungen oder schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen, der derzeit bestehenden Selbsterhaltungsfähigkeit und der familiären Verhältnisse keine so starke Integration erkannt werden, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens die öffentlichen Interessen überwiegt. Daher ist eine Verletzung des Rechts auf Privatleben durch die Ausweisung nicht zu erkennen.

 

Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III war daher abzuweisen.

 

II.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, private Verfolgung
Zuletzt aktualisiert am
20.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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