TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/30 B12 301041-2/2008

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Spruch

B12 301.041-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn J.A., geb. 00.00.1958, StA. Serbien, vertreten durch Dr. Günter KLODNER, SPRAKUIN Integrationsverein, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 173-175/15/2, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Mai 2008, Zl. 08 03.965-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer stellte am 22. April 2005 unter der Zl. 05 05.729-BAW seinen ersten Asylantrag. Dabei gab er an, den Namen J.A. zu führen, am 00.00.1958 geboren und StA. von Serbien zu sein. Seinen Antrag begründete er damit, dass er im Krieg als Angehöriger der UCPMB gegen die Serben gekämpft habe, weshalb er nun trotz Amnestie gesucht werde. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Zl.: 05 05.729-BAW, vom 28. März 2006 wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien festgestellt und der Beschwerdeführer nach Serbien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 11. April 2006 Berufung ein, welche mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 301.041-C1/11E-XV/53/06, abgewiesen wurde, sodass der angeführte Bescheid am 25. März 2008 in Rechtskraft erwuchs.

 

Am 5. Mai 2008 brachte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt, EAST-Ost, ein. Seine bereits in seinem ersten Verfahren getätigten Angaben zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum hielt er dabei aufrecht. Bei seiner niederschriftlichen Befragung vom selben Tag gab der Beschwerdeführer vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass er von seinem Bruder eine Ladung der serbischen Polizei erhalten habe. Weiters hätten seine Kinder in Australien für ihn ein Einreisevisum beantragt. Er würde Österreich sofort verlassen, um nach Australien zu gehen, falls dies möglich werden sollte. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 8. Mai 2008 gab der Beschwerdeführer sodann unter anderem Folgendes an:

 

"(...)

 

F: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben, insbesondere zu Ihrer Person oder vorgelegten Dokumenten etwas berichtigen?

 

A: Nein, ich habe die Wahrheit gesagt.

 

F: Hat sich an Ihren persönlichen Daten, im Besonderen am Namen oder am Geburtsdatum etwas geändert oder möchten Sie dahingehend neue Angaben machen?

 

A: Nein.

 

F: Sie haben am 22.04.2005 unter der AIS 05 05 729 Zahl einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, dieser wurde am 28.03.2006 in 1. Instanz abgewiesen wurde. Eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Berufung wurde beim UBAS abgelehnt. Ihr Verfahren wurde somit am 25.03.2008 rechtskräftig negativ entschieden. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag. Was haben Sie vorzubringen, haben Sie neue Asylgründe?

 

A: Meine Probleme bestehen immer noch, ich habe sogar eine Ladung vom Bezirksgericht in P. - Serbien bekommen. Eigentlich will ich eh nicht mehr in Österreich bleiben, ich war nur mehr auf das Visum für Australien. Mein Sohn in Australien arbeitet bereits daran.

 

F: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen?

 

A: Nein.

 

F: Hat sich an den Gründen, warum Sie Ihr Herkunftsland verlassen und in Österreich um Asyl angesucht haben, etwas geändert?

 

A: Nein, aber ich werde wirklich gesucht, ich habe erst vor zwei Wochen diese Ladung bekommen. Mein Bruder hat mir diese Ladung vom Kosovo aus nach Wien geschickt.

 

F: Warum vom Kosovo aus?

 

A: Ich weiß es nicht.

 

F: Warum haben Sie nicht schon früher versucht Beweismittel vorzulegen?

 

A: Ich weiß nicht.

 

F: Diese Ladung wurde bereits im Dezember 2007 ausgestellt?

 

A: Ich habe diese Ladung aber erst vor zwei Wochen erhalten.

 

F: Warum werden Sie eigentlich nun vom Gericht gesucht?

 

A: Ich weiß es wirklich nicht.

 

F: Aufgrund einer Übersetzung geht dieser Ladung geht hervor, dass Sie eigentlich wegen § 397/1 und 2 Serbisches Strafgesetzbuch und § 33/1 gesucht werden, was wissen Sie darüber?

 

A: Ich glaube dass ist wegen dem Bürgerkrieg im Jahr 2000 als ich Mitglied der UCPMB.

 

V: Im Zuge der Entscheidung der 1.Instanz in Ihrem ersten Verfahren wurden diese Ihre Angaben bez. der Suche der Polizei nach Ihnen und der Angehörigkeit zur UCPMB als unglaubwürdig tituliert bzw. wegen dem Amnestiegesetz hätten Sie nichts zu befürchten gehabt. Nunmehr versuchen Sie dem neuen Beweismittel Ihren alten Grund bzw. Ihr altes Verfahren aufleben zu lassen. Was sagen Sie dazu?

 

A: Aber ich habe eine Ladung für heuer vom Gericht erhalten.

 

F: Werden Sie in diesem Verfahren vertreten?

 

A: Ja, von Dr. Klodner.

 

Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, was sagen Sie dazu?

 

A: Dazu gebe ich an, ich bin damit einverstanden. Ich werde mit mich dem Anwalt in Verbindung setzten.

 

(...)"

 

Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt zur Wahrung des Parteingehörs am 14. Mai 2008 gab der Beschwerdeführer vor einem Organwalter des Bundesasylamtes im Wesentlichen Folgendes an:

 

"(...)

 

F: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

 

A: Ja, Dr. Klodner glaube ich.

 

F: Aus Ihrem ersten Verfahren konnte ersehen werden, dass Sie in der UBAS Verhandlung die Vollmacht des Dr. Klodner aufgekündigt haben?

 

A: Ja, das stimmt auch, aber jetzt vertritt er mich wieder.

 

Anmerkung: Zustellvollmacht vom 05.05.2008 in der Akte.

 

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

 

A: Nein.

 

F: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

 

A: Nein.

 

Erklärung: Sie wurden in der ersten Einvernahme über die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes in Kenntnis gesetzt und zwar wird beabsichtigt Ihren Antrag gem. § 68 AVG zurückzuweisen. Sie haben nun die Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu beziehen?

 

A: Wohin soll ich gehen, ich kann nicht zurück, ich habe niemanden zuhause. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dass ich noch einige Monate hier bleiben darf.

 

F: Aber Ihre Familie ist seit Jahren in Australien?

 

A: Trotzdem wo sollte ich hin.

 

F: Eine Sichtung Ihres in der letzten Einvernahme vorgelegten Beweismittels ergab einen Verdacht der Totalfälschung. Dieses Dokument wurde von der hs. Exekutive einer kriminaltechnischen Untersuchung zugeführt. Somit geht die Behörde davon aus, dass von diesem Dokument keinerlei Beweiskraft ausgeht und es als Untermauerung Ihres Vorbringens keiner Entscheidungsrelevanz zukommt. Außerdem müssen Sie mit einer Strafanzeige rechnen. Nehmen Sie dazu Stellung?

 

A: Ich weiß nichts von einer Fälschung.

 

F: Von wem haben Sie dieses Dokument erhalten?

 

A: Mein Bruder hat es mir aus dem Kosovo aus geschickt.

 

F: Können Sie den Briefumschlag vorlegen?

 

A: Vielleicht ist er in der Wohnung. Ich weiß es nicht.

 

V: Sie konnten in diesem Verfahren keine neuen Gründe bzw. keine Tatsachen vorbringen, welche die Behörde nicht dazu veranlasst Ihren Antrag zurückzuweisen. Was sagen Sie dazu?

 

A: Was soll ich machen. Ich werde eine Berufung machen.

 

F: Wollen Sie noch etwas sagen, vorbringen oder ergänzen?

 

A: Nein.

 

(...)"

 

Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers "gemäß § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF. wegen entschiedener Sache zurückgewiesen" (Spruchpunkt I). Zugleich wurde er "gemäß § 10 Absatz 1 AsylG [...] aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen" (Spruchpunkt II). Begründend hielt das Bundesasylamt fest:

 

"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gelangt die Behörde nach unten angeführter Beweiswürdigung zu folgenden Feststellungen:

 

Die Identität des Antragstellers wurde bereits im ersten Verfahren festgestellt.

 

Der ASt. ist serbischer Staatsangehörige und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

 

Die den Asylantragsteller treffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland hat sich seit der ersten Entscheidung im ersten Asylverfahrens nicht wesentlich geändert.

 

Das erste Asylverfahren der ASt. wurde am 25.03.2008 rechtskräftig abgeschlossen. In diesen Verfahren wurden alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt, sodass darüber nicht mehr neuerlich zu entscheiden ist.

 

In dieser Entscheidung wurde auch der Refoulementsachverhalt im Sinne des § 57 FrG berücksichtigt.

 

Von der erkennenden Behörde kann kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages der ASt. reicht nicht aus, einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen.

 

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung der ASt. aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich nach Serbien entgegenstünden.

 

Beweiswürdigung:

 

Im Zuge des hs. Verfahren wurde vom Ast kein Identitätsdokument vorgelegt, jedoch wurde im ersten Verfahren mittels yugoslawischen Personalausweises seine Identität bewiesen.

 

Hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion, Volkszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit der Antragstellerin wird ihren Angaben deswegen Glauben geschenkt, weil sie über die erforderlichen Sprach- und Lokalkenntnisse verfügt.

 

Hinsichtlich des rechtskräftigen Abschlusses des diesem Asylantrag vorausgegangenen wesentlichen Verfahrens zur Az.: 05 05 729-BAW wurde der diesbezüglich Akt eingesehen und bestehen keine Zweifel.

 

Der ASt. hat keine glaubhaften neuen individuellen Fluchtgründe zu seinem Heimatland Serbien vorgebracht.

 

Zu bemerken wäre diesbezüglich, dass der Ast mittels vorgelegter Polizei bzw. Gerichtsladung seine alten Fluchtgründe wieder aufleben lassen wollte. Jedoch wurde bereits bei einer Grobsichtung des Dokuments von den hs. Dokuprüfern dies sofort als Totalfälschung erkannt.(siehe mail in Akte) Eine Einsendung des Dokuments an die KTU erfolgte umgehend, eine diesbezügliche Strafanzeige wird vermutlich demnächst folgen. Somit kann von diesem Dokument, welches mit ziemlicher Sicherheit eine Totalfälschung ist, in keinster Weise von einem glaubhaften Beweismittel gesprochen werden.

 

Außerdem hat der Ast selbst angegeben, dass sich seine Fluchtgründe nicht geändert hätten, sondern dass er halt nun diese Ladung erhalten hat und deswegen nicht zurückkehren kann. Warum diese jedoch keine Beweiskraft entfaltet wurde jedoch bereits beschrieben.

 

Sofern der ASt seinen nunmehrigen Antrag auf internationalen Schutz damit begründet, dass er wegen seiner bereits im Vorverfahren geschilderten Probleme nicht zurück in sein Heimatland kann, so ist dies nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Der vom ASt. behaupteter Sachverhalt lag, wie dieser selbst angab, schon zum Zeitpunkt seiner Ausreise, also auch zum Zeitpunkt des ersten Antrags auf internationalen Schutz vor. Diese vorgebrachten Angaben des ASt. entbehrten so wie auch im ersten Verfahren der Glaubwürdigkeit bzw. konnte der Ast eine wirtschaftlich ausweglose Situation im Falle der Rückkehr nach Serbien ebenfalls nicht glaubhaft machen.

 

Der ASt. konnte somit neuerlich kein glaubhaftes asylrelevantes Vorbringen tätigen, weiters muss an dieser Stelle auf die Begründungen der Unglaubwürdigkeit im Zuge des Bescheides im ersten Verfahrens verwiesen werden, welche eingehend darlegte, warum die Angaben des ASt. nicht der Wahrheit entsprechen. Da die diesbezüglichen Angaben bereits im Erstverfahren unglaubwürdig waren, der ASt. keine neuen konkreten Tatsachen bzw. glaubhafte bzw. echte Beweismittel vorbringen konnte, seine Angaben auch in diesem Verfahren wiederum nicht glaubwürdig schienen muss dem ASt. wiederum die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist von folgender Gesetzeslage auszugehen:

 

Zu I:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß dem Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes 1968, BGBl Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991 BGBl Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Der obzitierte Bescheid, mit dem der Asylantrag der ASt. abgewiesen wurde, ist sowohl formell als auch materiell rechtskräftig geworden, und darf von der Behörde weder aufgehoben, noch abgeändert werden. Die Ausnahme der §§ 68, 69 und 71 AVG liegen nicht vor.

 

Im gegenständlichen Fall ist vor dem Hintergrund der eigenen Angaben der ASt. - ohne dass auf deren Glaubwürdigkeit einzugehen wäre - davon auszugehen, dass die im zweiten (gegenständlichen) Asylantrag vorgebrachten Gründe, die die ASt. nunmehr als fluchtauslösend bzw. als für die Entscheidung nach den §§ 3 und 8 AsylG relevant erachtet, schon zum Zeitpunkt des Verlassens seines Herkunftsstaates bestanden haben und er diese auch gekannt hatte.

 

Sache des ersten Asylverfahrens aber war der Asylantrag der ASt. und damit sein Ansuchen um Schutz in Österreich vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) sowie das Vorliegen allfälliger Refoulementgründe iSd § 8 AsylG, in welchem Verfahren der ASt. aufgefordert war, sämtliche Gründe zur Beurteilung der dort entscheidungswesentlichen Fragen darzulegen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des zu § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Nur Tatsachen, die erst nach Abschluss des Verfahrens entstanden sind (nova causa superveniens), sind von der Rechtskraft der früheren Entscheidung nicht erfasst.

 

Die ASt. machte zur Begründung seines zweiten (des gegenständlichen) Asylantrages ausschließlich Umstände geltend, die seinen Schilderungen zufolge, schon vor Eintritt der Rechtskraft des Bescheides des Asylamtes vom 28.03.2008 im ersten Asylverfahren bestanden haben. Diese Umstände sind daher von vornherein nicht geeignet, eine neue Sachentscheidung herbeizuführen, zumal diese nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismittel, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2 E. 83 zu § 68 AVG). Anders als die nachträgliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes (nova causa superveniens) ändert das nachträgliche Hervorkommen schon vor der Bescheiderlassung bestandener, aber bisher unbekannt gebliebener relevanter Tatsachen (nova reperta) für sich allein noch nichts an der grundsätzlichen Unabänderlichkeit des Bescheides. Der Grund für die Nichterwähnung dieser Umstände bereits im ersten Asylverfahren ändert an diesem Ergebnis nichts, weil derartige Umstände die Rechtskraft des genannten Bescheides im Wege einer (vom ASt. nicht beantragten) Wiederaufnahme nach § 69 AVG beseitigen könnten, wofür unter anderem aber Voraussetzung ist, dass "neue Tatsachen oder Beweismittel" hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Für die hier allein maßgebliche Frage, ob "entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vorliegt, ist dies hingegen nicht von Bedeutung. Von einer wesentlichen Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes iSd

 

§ 68 AVG seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens kann daher nicht die Rede sein.

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist auch im vorliegenden Fall von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097). Im Übrigen würde auch eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffes oder einer Rechtsnorm bei unverändertem Normbestand für sich allein nicht den Eingriff in die Rechtskraft eines individuellen Verwaltungsaktes berechtigen (vgl. dazu die bei Walte/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 95 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Identität der Sache würde selbst dann vorliegen, wenn die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169).

 

Allgemein bekannte Sachverhaltsänderungen seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens, die vor dem Hintergrund der individuellen Situation des ASt. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichen oder gebieten würden und die das Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen hätte (vgl. dazu etwa VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321), sind nicht ersichtlich.

 

Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des ASt. gelegen ist, noch auf jenen, welche von Amts wegen aufzugreifen ist - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft der bisher ergangenen Bescheide dem neuerlichen Antrag entgegen, weswegen die Asylbehörde zu seiner Zurückweisung verpflichtet ist.

 

Die Antragsstellung soll demnach offenbar die Überprüfung eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens und die Legalisierung des Aufenthaltes des ASt. im Bundesgebiet bewirken. Das Bundesasylamt gelangt im Ergebnis zur Ansicht, dass ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anders lautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, nicht vorliegt.

 

Zu II:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus dem vorangehenden Entscheidungsteil ergibt, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Es liegt kein Aufenthaltstitel, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben ist, vor.

 

Es liegt auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergibt sich somit der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden.

 

Zur Beendigung dieses rechtswidrigen Aufenthaltes ist daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten.

 

Bei der Setzung einer solchen aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

 

Es war daher zunächst zu prüfen, ob die Ausweisung einen Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Antragsstellers darstellt.

 

Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen einen Bereich innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann (EKMR Brüggemann u. Scheuten).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

 

Die ASt. hat keine Verwandten in Österreich vorgebracht.

 

Es liegt somit kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor. Die Ausweisung stellt daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sowie des rechtswidrigen Aufenthalts kann daher nur mit der Maßnahme der Ausweisung vorgegangen werden. Dies vor allem auch, da aus dem Verhalten des Antragstellers keineswegs abgeleitet werden kann, dass Ausreisewilligkeit vorliegt. Die Ausweisung stellt daher das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zu beenden. Die Behörde sieht sich daher außerstande, die Bestimmungen über das Privat- und Familienleben zu Gunsten des Antragstellers anzuwenden und sieht die Ausweisung als dringend geboten an, zumal der Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtswidrig und die Übertretung als von nicht unerheblicher Bedeutung zu werten ist.)

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden."

 

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2008 ergriff der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG und über die mit dieser Entscheidung verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 31. Dezember 2005 gestellt; das Verfahren ist daher nach dem Asylgesetz 2005 zu führen. Der Beschwerdeführer richtet sich mit seiner Beschwerde gegen beide Spruchpunkte.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl. 92/12/0149; 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH v. 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; VwGH v. 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH v. 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 28 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. (Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen.) Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, Zl:

98/20/0467; VwGH 24.02.2000, Zl: 99/20/0173; VwGH 19.07.2001, Zl:

99/20/0418; VwGH 21.11.2002, Zl: 2002/20/0315; VwGH 09.09.1999, Zl:

97/21/0913; VwGH 04.05.2000, Zl: 98/20/0578; VwGH 04.05.2000, Zl:

99/20/0193; VwGH 07.06.2000, Zl: 99/01/0321; VwGH 21.09.2000, Zl:

98/20/0564; VwGH 20.03.2003, Zl: 99/20/0480). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 04.05.2000, Zl: 99/20/0192).

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z. B. VwGH 25.04.2002, Zl: 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl:

96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, Zl: 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. z.B. VwGH 04.11.2004, Zl: 2002/20/0391; VwGH 09.09.1999, Zl: 97/21/0913; VwGH 20.03.2003, Zl: 99/20/0480; und die bei Walter/Thienel, aaO., E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Im vorliegenden Fall ist der zum Vergleich heranzuziehende Vorbescheid der zur GZ 301.041-C1/11E-XV/53/06 ergangene Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. März 2008.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Der Gesetzgeber hat für das Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide sehr kurze Fristen (§ 41Abs. 2, § 37 Abs. 3 AsylG) vorgesehen, andererseits aber die gerichtliche Beschwerdeinstanz dazu verpflichtet, bei einem mangelhaften Sachverhalt der Beschwerde stattzugeben, ohne § 66 Abs. 2 AVG anzuwenden (§ 41 Abs. 3 AsylG). Das Ermessen, das § 66 Abs. 3 AVG der gerichtlichen Beschwerdeinstanz einräumt, allenfalls selbst zu verhandeln und zu entscheiden, besteht somit in einem solchen Verfahren nicht. Aus den Erläuterungen des Gesetzgebers (RV 952 BlgNR 22. GP, 66) geht hervor, dass "im Falle von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesasylamt zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzuweisen" ist. Diese Zulassung stehe einer späteren Zurückweisung nicht entgegen. Daraus und aus den erwähnten kurzen Entscheidungsfristen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die gerichtliche Beschwerdeinstanz im Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide von einer Ermittlungstätigkeit möglichst entlasten wollte. Die Formulierung des § 41Abs. 3 AsylG 2005 ("wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint"), die sich erkennbar an § 66 Abs. 2 AVG anlehnt, schließt somit nicht aus, dass eine Stattgabe ganz allgemein bei Erhebungsmängeln in Frage kommt, die der gerichtlichen Beschwerdeinstanz eine prompte Erledigung unmöglich machen.

 

Im vorliegenden Fall erweist sich der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Mai 2008 hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen als mangelhaft. So stützte der Beschwerdeführer sein vor dem Bundesasylamt erstattetes Vorbringen vor allem auf eine Ladung vom Bezirksgericht P./Serbien, derer zufolge er wegen § 397/1 und 2 sowie § 33/1 des serbischen Strafgesetzbuches gesucht werde. Die gegenständliche Ladung habe er von seinem Bruder aus dem Kosovo erhalten. Der Beschwerdeführer legte die Ladung dem Bundesasylamt vor, welches diese sodann zum Akt nahm (s. BAA_Akt S. 31.). In weiterer Folge sprach das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid aus, dass "in keinster Weise von einem glaubhaften Beweismittel gesprochen werden" könne. Diese Einschätzung wird aufgrund einer "Grobsichtung des Dokuments" getroffen, die den Verdacht einer "Totalfälschung" nahelege. Das Bundesasylamt stützt sich dabei auf die Ansicht von Hrn. M.J., PI T. EAST Ost, der in seiner an den Organwalter des Bundesasylamtes gerichteten e-mail vom 9. Mai 2008 davon ausgeht, dass es sich bei dem durch den Beschwerdeführer vorgelegten Dokument "um eine Reproduktion nach dem elektrofotographischen Verfahren (Inkjet)" handelt. Dieser Verdacht wurde dem Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 14. Mai 2008 auch mitgeteilt.

 

Obgleich sich nun angesichts sowohl der behaupteten Umstände des Erhalts dieser Ladung (der Beschwerdeführer sprach davon, dass er sie von seinem Bruder aus dem Kosovo erhalten habe, obwohl es angeblich von einem serbischen Gericht stammt) als auch der bloßen Sichtung des vorgelegten Dokumentes der Verdacht ergibt, dass es sich dabei tatsächlich um eine Fälschung handelt, wird der bekämpfte Bescheid lediglich auf die genannte e-mail von Hrn. M.J. und auf seine persönliche Einschätzung gestützt. Der einvernehmende Organwalter des Bundesasylamtes sprach am 14. Mai 2008 selbst davon, dass sich nur der "Verdacht" einer Totalfälschung ergeben habe. Das Ergebnis der weiteren Untersuchung durch das kriminaltechnische Büro des Bundeskriminalamtes, welche durch Hrn. M.J. laut seiner e-mail veranlasst wurde (siehe BAA-Akt, S. 49), wartete das Bundesasylamt hingegen nicht ab. Eine substantiierte Expertise bezüglich der Echtheit des vorgelegten Dokuments liegt damit nicht vor. Diese wäre aber unumgänglich, um das Dokument als ein "in keinster Weise glaubhaftes Beweismittel" zu werten. Für die Frage, ob im vorliegenden Fall eine entschiedene Sache gegeben ist, erscheint die Echtheit des Schreibens jedoch von grundlegender Bedeutung. Das Bundesasylamt ist daher dazu angehalten, Ermittlungen hinsichtlich der Echtheit des vorgelegten Dokumentes zu treffen, wobei die Ermittlungsergebnisse dem Beschwerdeführer sodann in einer neuerlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vorzuhalten sein werden.

 

Der Sachverhalt, welcher dem Asylgerichtshof nunmehr vorliegt, ist nach obigen Ausführungen "so mangelhaft", dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Vernehmung) zur Befragung des Beschwerdeführers unerlässlich ist. Die oben angeführten konkret vorzunehmenden Ermittlungen können im Übrigen vom Bundesasylamt wesentlich effizienter vorgenommen werden als vom erkennenden Gerichtshof, weil das Bundesasylamt als Administrativbehörde diesbezüglich über weitaus größere personelle und sachliche Ressourcen verfügt (vgl. dazu auch UBAS 14.12.2005, Zl. 249.125/0-VI/42/04, m.w.N. in der Judikatur des VwGH).

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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