TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/30 D5 255196-0/2008

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Spruch

D5 255196-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde der K.F. geb. 00.00.1953, StA. von Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2.11.2004, FZ. 03 09.375-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine usbekische Staatsangehörige tatarischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste ihren Angaben zufolge am 22.3.2003 zusammen mit ihrem damals noch minderjährigen Sohn (AIS Zl. 03 09.378) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Am 25.3.2003, am 22.8.2003 und am 22.12.2003 fanden ihre Einvernahmen vor dem Bundesasylamt statt. Mit Bescheid vom 2.11.2004, Zahl: 03 09.375-BAT, wies das Bundesasylamt in Spruchteil I. den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und erklärte in Spruchteil II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Usbekistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 für zulässig. Gleichzeitig verfügte das Bundesasylamt in Spruchteil III. dieses Bescheides die Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Nachdem dieser Bescheid der Beschwerdeführerin am 4.11.2004 zugestellt worden war, erhob sie dagegen fristgerecht eine Beschwerde.

 

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 25.3.2003 beim Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes an:

 

Nach der Gründung Usbekistans als eigener Staat sei dort der muslimische Nationalismus entflammt. Sie habe ihre Arbeit als Bauingenieur verloren, habe aber als Schneiderin weiterhin gut verdienen können. Als ihr Sohn älter geworden sei, habe die islamische Organisation der Wahabiten Druck auf ihn ausgeübt und ihn zwingen wollen, zum Islam überzutreten. Er sei mehrmals auf der Straße zusammengeschlagen worden. Daher habe sie aus Angst um das Leben und die Zukunft ihres Sohnes beschlossen, mit ihm das Land zu verlassen. Außerdem hätten ihnen die Wahabiten gedroht, die Kehle durchzuschneiden.

 

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 22.8.2003 beim Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Asylantrag noch einmal folgendes an:

 

Sie (gemeint: die Beschwerdeführerin und ihr Sohn) seien Tataren russisch-orthodoxen Glaubens und sie würden daher einer anderen Volksgruppe und einer anderen Religion als die (moslemischen) Usbeken angehören. Der einzige moslemische Gottesstaat in Zentralasien sei jetzt Usbekistan.

 

Die Wahabiten seien sogar in ihr Haus gekommen und hätten ihren Hund getötet. Derartige Vorfälle hätten vor eineinhalb bis zwei Jahren begonnen. Zuerst seien sie gekommen und hätten nur gesagt, dass sie verschwinden sollten. Einmal habe man dann ihren Sohn das Schlüsselbein gebrochen. Etwa eineinhalb bis zwei Monate nach dem Vorfall mit dem Schlüsselbeinbruch seien sie wiedergekommen und hätten ihren Sohn mit einer Holzkeule auf das Bein geschlagen. Als sie selbst damals versucht habe, ihren Sohn zu schützen, hätten diese Männer auch sie geschlagen und sie habe eine Kopfverletzung erlitten. Sie sei am Kopf geschwollen und dunkel gefärbt gewesen. Wenn das Wetter umschlage, habe sie auch heute noch an dieser Stelle Kopfschmerzen.

 

Zum Schluss hätten sie (gemeint wohl: die Wahabiten) ihnen gesagt, dass sie ihnen die Kehle durchschneiden würden, wenn sie Usbekistan nicht verlassen.

 

Kurz vor ihrer Ausreise habe man ihren Sohn das Nasenbein gebrochen. Das wäre schon das zweite oder dritte Mal gewesen, dass man ihm derartiges angetan habe.

 

Von der Einvernehmenden konkret befragt, gab die Beschwerdeführerin auch an, dass sie diese Dinge nur einmal zur Anzeige bringen hätte wollen, damals aber von den Polizisten nur ausgelacht worden sei, sodass sie in weiterer Folge keine Anzeigen mehr erstattet hätte.

 

Auf die Frage der Einvernehmenden, aus welchem Grund ihre Tochter in Usbekistan zurückgeblieben sei, gab die Beschwerdeführerin an: sie sei auch mit ihnen aus Usbekistan ausgereist. Sie seien gemeinsam in die Türkei gereist, wo sie aber ihre Tochter aus den Augen verloren hätte. Ihre Tochter hätte aus denselben Gründen nicht in Usbekistan bleiben können.

 

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 22.12.2003 beim Bundesasylamt war der Beschwerdeführerin von der Einvernehmenden zur Kenntnis gebracht worden, dass der usbekische Staat gegen islamistische Gruppen vorgehe und dass die Bevölkerung daher vor derartigen Übergriffen geschützt werde. Dem entgegnete die Beschwerdeführerin, dass sie keinen Schutz erhalten habe, und begründete dies auf konkrete Befragung folgendermaßen:

 

Sie habe bei einem Notruf angezeigt, dass bestimmte Leute die Kinder geschlagen und sie selbst gestoßen hätten. Die Islamisten hätten gesagt, dass sie weniger als ein Hund sei. Sie hätte die Leute beschreiben können, doch die Polizisten hätten nur gelacht. Die Polizisten hätten sich die Situation angesehen und seien wieder weggefahren. Vielleicht habe man ja ein Protokoll abgefasst, aber sie seien später nicht mehr vorgeladen worden. Wieso die Polizisten gelacht hätten, wisse sie nicht. Nach diesem Vorfall habe sie die Polizisten nicht mehr gerufen.

 

Im o.a. Bescheid vom 2.11.2004 stellte das Bundesasylamt zunächst als maßgebenden Sachverhalt fest:

 

Es werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. In ihrem Fall sei zum jetzigen Zeitpunkt kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 57 FrG festzustellen gewesen.

 

Auf S 9f traf das Bundesasylamt im o.a. Bescheid Länderfeststellungen zur innerpolitischen Lage Usbekistans.

 

Das Bundesasylamt führte sodann im o.a. Bescheid als Beweiswürdigung lediglich aus, dass die von der Beschwerdeführerin "getätigten Ausführungen zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben" werden.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das Bundesasylamt im o.a. Bescheid zu § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (= Spruchteil I.) insbesondere aus:

 

Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme keinerlei Umstände anführen können, die die Annahme rechtfertigen würden, dass sie persönlich in ihrem Heimatstaat bzw. dem Land ihres gewöhnlichen Aufenthaltes Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, das heißt aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt wäre. Zu den von ihr ins Treffen geführten Übergriffen seitens islamischer Fundamentalisten sei anzuführen, dass aus diesen keinesfalls eine Verfolgung aus einem der obzitierten Gründe ableitbar sei, zumal Übergriffe durch Private die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen könnten. Es habe sich um Übergriffe durch Privatpersonen gehandelt.

 

Selbst, wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen führe, dass sie beim Erstatten einer Anzeige von den anwesenden Polizisten ausgelacht worden sei, so könne dieses Fehlverhalten einzelner Polizisten nicht grundsätzlich eine Verfolgung iSd GFK begründen, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren Versuche unternommen hätte, eine Anzeige zu erstatten. Wie auch den Feststellungen zu entnehmen sei, tue der usbekische Staat alles, um die islamisch-religiösen Bewegungen im Land zu kontrollieren bzw. um dem Fundamentalismus Einhalt zu gebieten. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin grundsätzlich jeglicher Schutz vor Übergriffen islamischer Fundamentalisten versagt geblieben wäre.

 

Das Bundesasylamt gelange nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführerin Verfolgung drohe und sei ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen.

 

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt betreffend die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Usbekistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil II.) im Wesentlichen aus:

 

Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 57 Abs. 2 FrG 1997 sei bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG sei es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildern würde und dass diese Gründe objektivierbar seien. Diese Voraussetzung sei jedoch im Falle der Beschwerdeführerin nach Ansicht der Behörde keinesfalls gegeben. Sie habe nämlich vorgebracht, sie befürchte Verfolgung durch islamische Fundamentalisten, und es handle sich hierbei um Privatpersonen. Eine Gefährdung ihrer Person im Sinne des § 57 FrG könne keinesfalls festgestellt werden.

 

Gegen diesen o.a. Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 18.11.2004 fristgerecht eine Beschwerde, in der sie eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machte, dies aber nicht individuell begründete.

 

Sie stelle daher folgende Anträge,

 

den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes I. zu beheben

 

ihr in Österreich Asyl zu gewähren,

 

festzustellen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 AsylG nach Usbekistan unzulässig sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

 

Nach der Gründung Usbekistans als eigener Staat sei dort der muslimische Nationalismus entflammt. Sie (gemeint: die Beschwerdeführerin und ihr Sohn) seien Tataren russisch-orthodoxen Glaubens und sie würden daher einer anderen Volksgruppe und einer anderen Religion als die (moslemischen) Usbeken angehören. Als ihr Sohn älter geworden sei, habe die islamische Organisation der Wahabiten Druck auf ihn ausgeübt und ihn zwingen wollen, zum Islam überzutreten. Er sei mehrmals auf der Straße zusammengeschlagen worden. Einmal habe man dann ihren Sohn das Schlüsselbein gebrochen. Etwa eineinhalb bis zwei Monate nach dem Vorfall mit dem Schlüsselbeinbruch seien sie wiedergekommen und hätten ihren Sohn mit einer Holzkeule auf das Bein geschlagen. Als sie selbst damals versucht habe, ihren Sohn zu schützen, hätten diese Männer auch sie geschlagen und sie habe eine Kopfverletzung erlitten. Sie sei am Kopf geschwollen und dunkel gefärbt gewesen. Außerdem hätten ihnen die Wahabiten gedroht, die Kehle durchzuschneiden. Daher habe sie aus Angst um das Leben und die Zukunft ihrer Familie beschlossen, mit ihren Kindern das Land zu verlassen.

 

Dem Bundesasylamt ist anzulasten, dass es sich in der Begründung des o. a. Bescheides, ausgehend von der bloßen (beweiswürdigenden) Feststellung, dass die getätigten Ausführungen der Beschwerdeführerin "zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben" werden, nicht ordnungsgemäß mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat, und zwar aus folgenden Gründen:

 

1.1. Da seitens der Beschwerdeführerin im Rahmen der drei niederschriftlichen Einvernahmen jeweils im Wesentlichen gleichlautend von den Vorkommnissen in ihrem Herkunftsstaat erzählt wurde, sich insbesondere ihre Aussagen und jene ihres Sohnes hinsichtlich der fluchtauslösenden Ereignisse decken und beide ihre "Fluchtgeschichte" mit eigenen Erlebniswahrnehmungen geschildert haben, erscheint für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes die Vorgangsweise des Bundesasylamtes nicht nachvollziehbar, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin überhaupt nicht auseinanderzusetzen, sondern lediglich durch die Verwendung allgemein gehaltener Textbausteine die Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit eines Vorbringens anzuführen und daran anschließend in nur einem Satz festzuhalten, dass die getätigten Ausführungen "zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben" werden.

 

1.2. Weiters mangelt es dem o. a. Bescheid an aktuellen Länderfeststellungen zum konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Das Bundesasylamt hat keine einzige Quelle bzw. einen einzigen aktuellen Länderbericht zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, einerseits zur Situation der tatarischen Minderheit sowie der orthodoxen Religionsgemeinschaft und andererseits zur daraus resultierenden Situation für die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat, herangezogen bzw. entsprechende Feststellungen im o.a. Bescheid getroffen, die der Beweiswürdigung und/oder der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt werden hätten können. Wenn das Bundesasylamt in der rechtlichen Würdigung des o.a. Bescheides ausführt, dass die von der Beschwerdeführerin dargestellten Übergriffe seitens islamischer Fundamentalisten nicht asylrelevant seien, weil es sich nur um "Übergriffe durch Private" handeln würde und dass von einer Billigung derartiger Übergriffe durch den usbekischen Staat nicht ausgegangen werden könnte, hält der zuständige Senat des Asylgerichtshofes dem entgegen, dass derartige Argumentationen bzw. Begründungen nur auf der Basis von (zuvor getroffenen) konkreten Länderfeststellungen zur Situation der Tataren und der orthodoxen Religionszugehörigen in schlüssiger Weise möglich sind.

 

In dem Ermittlungsverfahren des Bundesasylamtes wurde weiters nicht geprüft, ob sich die Beschwerdeführerin und ihre Familie vor etwaigen weiteren Übergriffen der islamischen Fundamentalisten bzw. der Wahabiten unter staatlichen Schutz hätte stellen können.

 

Ohne notwendiger Befassung mit entsprechendem Länderdokumentationsmaterial - einerseits zur Situation der Tataren sowie der orthodoxen Religionszugehörigen und andererseits zur entsprechenden Schutzwilligkeit bzw. -fähigkeit des Herkunftsstaates - war es dem Bundesasylamt aber auch verwehrt, abschließend die Frage zu beurteilen, ob das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Vorbringen asylrelevant sein könnte oder eben nicht.

 

Die auf das mangelhafte Ermittlungsverfahren gestützten - oben bereits genannten - Begründungen des Bundesasylamtes für die Abweisung des Asylantrages der Beschwerdeführerin stellen daher schwere Mängel im o.a. Bescheid dar.

 

1.3. Angesichts obiger Erwägungen ist als maßgebend festzuhalten, dass im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vor dem Bundesasylamt schwere Mängel aufgetreten sind, die von fehlenden Ermittlungen bis zu mangelhaften Begründungen im erstinstanzlichen Bescheid reichen.

 

1.4. Im weiterzuführenden Verfahren wird das Bundesasylamt folglich das Vorbringen der Beschwerdeführerin eingehend und umfassend zu würdigen haben, wobei eine abschließende Beurteilung der Angaben der Beschwerdeführerin auf deren Asylrelevanz nur im Zusammenhang mit aktuellen und umfassenden Länderfeststellungen zur Situation in Usbekistan von Tataren und orthodoxen Religionszugehörigen und unter der Prüfung erfolgen kann, ob hinsichtlich etwaiger weiterer Übergriffe der islamischen Fundamentalisten bzw. Wahabiten die Schutzwilligkeit bzw. -fähigkeit des Herkunftsstaates gegeben wäre.

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.

(...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt: "Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.4.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.6.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof.

 

2.4. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Hinweis auf die fehlende Asylrelevanz der Beschwerdeführerin könnte im gegenständlichen Fall nach Ansicht des zuständigen Senates des Asylgerichtshofes nur dann das maßgebende Ergebnis einer Prüfung sein, wenn der Beschwerdeführerin damit entgegengetreten werden könnte, dass nach vollständiger Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes - insbesondere zur Situation von Tataren und orthodoxen Religionszugehörigen bei Übergriffen islamischer Fundamentalisten - keine Umstände zu Tage treten, die auf eine Gefährdung iSd GFK schließen lassen. Nur in dieser Form hätte das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall eine abschließende (negative) Glaubwürdigkeitsprüfung in schlüssiger Weise vornehmen können.

 

Das Bundesasylamt hat es unterlassen, "brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen" (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; vgl. auch VwGH v. 30.9.2004, Zl. 2001/20/0135), die eine verlässliche Beurteilung ermöglichen würden, ob der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Usbekistan asylrelevante Verfolgung droht.

 

Hinsichtlich der gebotenen Ermittlungen zur Situation der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.4.2001, Zl. 99/20/0301, ausgeführt, dass zur Abgrenzung einer konkreten, von einem Asylwerber vorgebrachten Fluchtgeschichte zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat eine - je nach Fall unterschiedliche detaillierte - Ermittlung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat notwendig sei. Darüber hinaus erweise sich die Ermittlung dieser Situation auch im Bereich der Feststellung nach § 8 AsylG als unentbehrlich, stelle sie doch den Hintergrund für die Beurteilung der Zulässigkeit einer der dort genannten Rückbringungsmaßnahmen dar (ibid).

 

Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens fehlt eine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Da für die Lösung der Frage, ob die Beschwerdeführerin der Gefahr einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt ist, die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens notwendig ist, hätte es im konkreten Fall jedenfalls weitergehender Ermittlungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin bedurft.

 

Folglich ist das Ermittlungsverfahren betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin mangelhaft geblieben und erweisen sich auch die darauf gestützten Begründungen im o.a. Bescheid als mangelhaft. Die aufgezeigten Mängel sind wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vermeidung der Mängel zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis hätte führen können.

 

Fest steht, dass das Bundesasylamt den Sachverhalt im gegenständlichen Fall so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint.

 

Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahrens vor dem Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.

 

Aus den dargelegten Gründen ist gemäß § 66 Abs. 2 AVG der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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