TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/12 B2 306388-2/2008

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Veröffentlicht am 12.11.2008
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Spruch

B2 306.388-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61, 75 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 durch die Richter Mag. Magele als Einzelrichterin über die Beschwerde der B. geb. G.V., geb. 00.00.1976, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.10.2008, FZ. 08 08.803 EWest, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von B. geb. G.V. vom 22.10.2008 gegen Spruchteil II des Bescheides des Bundesasylamtes vom 03.10.2008, FZ. 08 08.803 EWest, wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Kosovo albanischer Volkszugehörigkeit, stellte erstmalig am 27.06.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz (damals: Asylantrag), wobei sie einen am 00.00.2003 in Pristina ausgestellten UNMIK-Reisepass sowie einen am 00.00.2001 in Pristina ausgestellten UNMIK-Personalausweis (beide lautend auf ihren Geburtsnamen G.V.) vorlegte. Der Reisepass enthielt Aufenthaltstitel für eine "befristete Beschäftigung gemäß § 12 Abs. 2 FrG".

 

2. Anlässlich ihrer niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt am 30.06.2005 gab die Beschwerdeführerin zunächst an, legal in Österreich eingereist und als Landarbeiterin tätig gewesen zu sein. Ihre Mutter lebe wie vier verheiratete Schwestern im Kosovo, zwei Brüder würden sich in Italien aufhalten, ihr Lebensgefährte lebe als Asylwerber in Österreich. Ihren Asylantrag begründete sie wie folgt:

 

"Ich habe mich vor zwei Tagen (Anmerkung: Tag der Antragstellung) dazu entschlossen, da ich kein weiteres Visum mehr bekomme. Mein Lebensgefährte ist hier in Österreich und ich möchte nicht allein zurück, ich möchte bei ihm bleiben."

 

Andere Gründe für die Antragstellung wurden auf konkrete Frage hin ausdrücklich verneint, sie habe auch sonst keinerlei Probleme im Kosovo gehabt. Das im Krieg zerstörte Elternhaus sei von ihren Brüdern wieder instandgesetzt worden.

 

3. Am 00.00.2005 heiratete die Beschwerdeführerin in Linz ihren damaligen Lebensgefährten, den kosovarischen Staatsangehörigen,

B.N..

 

4. Im Verlauf einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21.09.2006 bestätigte die Beschwerdeführerin ausdrücklich, den Asylantrag ausschließlich deshalb gestellt zu haben, weil ihre Aufenthaltsberechtigung nicht verlängert worden sei. Sie sei im Kosovo nie verfolgt worden. Seit Jänner 2005 halte sie sich durchgehend in Österreich auf, zuvor habe sie im Kosovo bei ihren Eltern gelebt und habe dort rund 20 Familienangehörige. Im Kosovo gebe es "keine Arbeit und keine Sicherheit". Ihr am 00.00.2005 in Österreich geborenes Kind habe keine eigenen Fluchtgründe.

 

5. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 28.09.2006, Zahl: 05 09.437-BAL gemäß § 7 AsylG ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin nach "Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies die Asylwerberin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "nach Serbien Montenegro" aus. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Asylwerberin habe keinerlei Verfolgung im Kosovo glaubhaft machen können. Auch für eine existenzielle Gefährdung für den Fall einer Rückkehr in den Kosovo gebe es keinerlei Anhaltspunkte.

 

6. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung und brachte neuerlich vor, im Kosovo keine Existenz zu haben. Insbesondere werde es kaum möglich sein, eine Arbeit zu finden. Zudem habe ihr Gatte beinahe sein gesamtes Geld verbraucht, um sich in Österreich eine Existenz aufzubauen.

 

7. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mit Bescheid vom 29.04.2008, Zl. 306.388-C1/2E-VIII/23/06, diese Berufung gemäß §§ 7, 8 Abs 1 und 2 AsylG abgewiesen, Spruchteil III des bekämpften Bescheides jedoch ersatzlos behoben. Begründend wurde zunächst ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe keine Umstände aufzeigen können, warum die rechtliche Beurteilung der Erstbehörde hinsichtlich der Prüfung des Asylantrages unrichtig sein sollte. Auch eine allgemeine extreme Gefährdungslage sei im Kosovo nicht ersichtlich gewesen. Hinsichtlich der ersatzlosen Behebung der Ausweisung wurde unter Bezugnahme auf die nicht ausgesprochene Ausweisung im ersten Asylverfahren des Ehemannes ausdrücklich (und ausschließlich) auf die Judikatur des VwGH zur Ausweisung von Mitgliedern einer Kernfamilie - explizit genannt "VwGH 16.01.2008, 2007/19/0851-5" - verwiesen.

 

8. Am 19.09.2008 stellte die Beschwerdeführerin - gemeinsam mit ihrem Gatten und den beiden Kindern - ihren zweiten (den nunmehr verfahrensgegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Dazu gab sie im Verlauf der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.09.2008 hinsichtlich ihrer Sprachkenntnisse lediglich "albanisch" an. Ihre Mutter würde im Kosovo leben, ihr Mann und die Kinder in Österreich. Seit dem ersten Asylantrag habe sie das Bundesgebiet nicht mehr verlassen, die damaligen Gründe seien noch immer aufrecht. Zudem müssten sie bei einer Rückkehr von der Sozialhilfe in Höhe von 70 ¿ leben und könnten so die Familie nicht ernähren.

 

9. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.09.2008 gab die Beschwerdeführerin zunächst an, im Februar 2005 in Österreich als Landarbeiterin tätig gewesen zu sein. Befragt zu den Gründen ihres Asylantrages gab sie an, sie sei bereits über vier Jahre in Österreich, ihr Gatte sogar seit über 10 Jahren. Sie möchte ihre Kinder in Österreich in die Schule schicken und wisse nicht, wovon die Familie im Kosovo leben sollte.

 

10. Im Verlauf einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.09.2008 erklärte die Beschwerdeführerin zunächst, ihre Angaben würden auch für die gemeinsamen Kinder gelten. Anschließend gab sie an, sie habe ihren bisherigen Aussagen nichts mehr hinzuzufügen.

 

11. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 03.10.2008, Zl. 08 08.803 EWest, den Antrag auf internationalen Schutz der Asylwerberin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt II).

 

Im angefochtenen Bescheid wurde zunächst ausgeführt, dass der erste Asylantrag gestellt worden sei, da die Aufenthaltsberechtigung der Asylwerberin abgelaufen sei und sie nunmehr offensichtlich versuche, einer drohenden Abschiebung durch Stellung eines neuerlichen Antrages zuvorzukommen. Die Asylwerberin habe nie ein asylrelevantes Vorbringen erstattet und insbesondere auch keine (wesentliche) Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts oder der anzuwendenden Rechtsnormen darlegen können. Für das Vorliegen einer solchen gebe es auch sonst - bei amtswegiger Prüfung - keinerlei Hinweise.

 

Betreffend der Ausweisung wurde zunächst festgehalten, dass auch die Anträge des Gatten und der Kinder gemäß § 68 AVG zurückzuweisen seien. Sonstige Bindungen zu Österreich würden nicht bestehen. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei "das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist.", was auch auf den gegenständlichen Fall zutreffe. Der knapp vierjährige Aufenthalt in Österreich stelle angesichts dessen "keine derart schützenswerte Integration dar". Zudem seien die Kinder in einem "anpassungsfähigen Alter" und sei eine "derartige Integration bzw. Verfestigung der Asylwerberin in Österreich" wie sie der Verfassungsgerichtshof als einer Ausweisung entgegenstehend angesehen habe (VfGH 29.09.2007, Zl. B 1150/07) nicht feststellbar.

 

12. Gegen diesen Bescheid wurde lediglich gegen Spruchteil II (Ausweisung) Beschwerde erhoben. Inhaltlich befasst sich diese Beschwerde jedoch ausschließlich mit der Aufenthaltsdauer und beruflichen Integration des Gatten der Beschwerdeführerin. Zudem habe der Asylgerichtshof - etwa im Erkenntnis C3 247.409 vom 18.09.2008 - bei bereits gut integrierten Familien gegen die Ausweisung entschieden. Es werde daher beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und "die bekämpften Bescheide nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde insofern abzuändern, als die Ausweisung in die Republik Kosova aufgehoben wird".

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß Abs. 3 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen 1. zurückweisende Bescheide a) wegen Drittstaatsicherheit gemäß § 4; b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5; c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und 2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

2.2. Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetztes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entscheidenden Sache (§ 68 AVG).

 

2.3. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden.

 

2.4. Da lediglich gegen Spruchteil II des angefochtenen Bescheides Beschwerde erhoben wurde, erwuchs Spruchteil I des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft.

 

2.5. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Nach Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Eine Ausweisung hat jedoch nicht zu erfolgen, wenn dadurch in die grundrechtliche Position des Asylwerbers eingegriffen wird. Dabei ist auf das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen. In diesem Zusammenhang erfordert Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 m.w.N.).

 

In seinem zu einer Ausweisung nach dem AsylG 2005 ergangenen Erkenntnis vom 29.09.2007, B 1150/07, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessensabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht. Hierbei nennt der VfGH - jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR - die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung. Letztlich hebt der VfGH hervor, dass auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen sei (vgl. auch VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 bis 0219).

 

Ferner weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Das Bundesasylamt hatte die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung im Ergebnis mängelfrei vorgenommen und wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid hingewiesen (vgl. S. 33 bis 38 des angefochtenen Bescheides). In diesem Zusammenhang sei zunächst darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bisher nur auf Grund eines Asylantrages zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409; 17.12.2001, 2001/18/0234; 17.12.2001, 2001/18/0142; 17.12.2001, 2001/18/0162;

31.10.2002, 2002/18/0217; 27.2.2003, 2003/18/0020; 26.6.2003, 2003/18/0141; 10.9.2003, 2003/18/0147; 20.2.2004, 2003/18/0347;

26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im gegenständlichen Fall bringt die Beschwerdeführerin (soweit die inhaltlich ausschließlich auf ihren Gatten bezogene Beschwerde implizit auch auf ihr Verfahren anwendbar ist) gegen die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung im Wesentlichen vor, dass sie im Kosovo keine Lebensgrundlage habe und überdies in Österreich sozial und gesellschaftlich weitgehend integriert sei.

 

Hinsichtlich der angeblich fehlenden Lebensgrundlage im Kosovo (begründet im Wesentlichen mit hohen Kosten der medizinischen Versorgung, fehlender Unterkunft und dem Erhalt von 70 ¿ Sozialhilfe sowie der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage) ist zunächst darauf zu verweisen, dass diese bereits hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides geprüft wurde und sich lediglich als Wiederholung des bisherigen Vorbringens herausstellte.

 

Soweit die Beschwerdeführerin einen unzulässigen (weil unverhältnismäßigen) Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte implizit - es wird nochmals ausdrücklich betont, dass der in der inhaltlich ausschließlich auf den Gatten bezogenen Beschwerde eine konkrete Verletzung der durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführerin mit keinem Wort thematisiert wird - behauptet, sind diese hinsichtlich des Eingriffs in das Privat- und das Familienleben zu differenzieren. Hinsichtlich des Familienlebens ist festzuhalten, dass seitens des Bundesasylamtes hinsichtlich sämtlicher Angehöriger der Kernfamilie der Beschwerdeführerin ebenfalls die Ausweisung in die Republik Kosovo verfügt worden ist, womit entsprechend der ständigen Judikatur des EGMR (und des VwGH) lediglich ein Eingriff in das Privatleben vorliegt. Ein Eingriff in das Recht auf Familienleben ist demgemäß im gegenständlichen Verfahren nicht feststellbar.

 

Hinsichtlich des schützenswerten Privatlebens in Österreich wird auf die Situation der Beschwerdeführerin nicht konkret eingegangen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich die Beschwerdeführerin erst seit Jänner 2005 ununterbrochen (und davor nur wenige Wochen) in Österreich aufhält - was von ihr ausdrücklich im ersten Verfahren dargelegt wurde und durch die vorgelegten Dokumente Bestätigung findet, wobei diese vergleichsweise kurze Zeitspanne von knapp vier Jahren schon grundsätzlich kaum geeignet ist, eine nachhaltige Integration in Österreich zu bewirken. Darüber hinaus beruht der mehrjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich somit wesentlich auch auf aktivem Handeln (Stellen zweier Anträge auf internationalen Schutz) bei vollem Bewusstsein, dass kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling vorliegt. Die Beschwerdeführerin nannte schon im ersten Verfahren die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis als einzigen Grund für die Stellung des Asylantrages. Zudem hat die Beschwerdeführerin in beiden Verfahren nicht angegeben, der deutschen Sprache mächtig zu sein.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrages gestützten Aufenthalts auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde (vgl. N gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05).

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesses eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Staus als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt und auch sozial integriert ist, und selbst dann, wenn er schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Soweit in der Beschwerde auf das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.09.2008, C3 247409, Bezug genommen wird, wonach "bereits bei gut integrierten Familien gegen die Ausweisung entschieden" worden sei, ist festzuhalten, dass der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt massive Unterschiede zum Verfahrensgegenständlichen aufweist. So wurde dem dortigen Beschwerdeführer seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates hinsichtlich der Berufung gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.01.2004 (bezüglich eines Asylantrags vom 09.04.2002) mit mündlich verkündetem Bescheid vom 21.10.2005 aus Gründen des § 8 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 15 AsylG 1997erteilt und diese in der Folge verlängert wurde. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfolgte erst durch Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.03.2008, weshalb der Beschwerdeführer im genannten Verfahren für mehr als zwei Jahre im Besitz eines (nicht bloß auf das Verfahren beschränkten) Aufenthaltstitels war und er sich dementsprechend auch berechtigte Hoffnungen auf einen länger andauernden legalen Aufenthalt in Österreich machen durfte.

 

Darüber hinaus lebte dieser bereits mit seiner Familie seit 2001 durchwegs in Österreich und war seit 24.04.2002 ununterbrochen bei einer österreichischen Firma angestellt und als Mitarbeiter integriert. Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass im genannten Verfahren der gesamten Familie eine nachhaltige Integration (sämtliche Familienmitglieder würden gut Deutsch sprechen, die 2002 und 2003 geborenen Kinder seit längerem den Kindergarten besuchen) attestiert wurde, die hinsichtlich des gegenständlichen Verfahrens gleichfalls nicht gegeben ist. Die erst im September 2004 erstmalig nach Österreich eingereiste Beschwerdeführerin spricht (nach eigenen Angaben) lediglich albanisch, die beiden am 00.00.2005 und am 00.00.2007 in Österreich geborenen Kinder stehen noch nicht einmal in der Nähe einer Einschulung, ein Kindergartenbesuch ist nicht bekannt.

 

Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass private und familiäre Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet nur sehr geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, jedenfalls in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Ausweisung ist daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig, zumal für die Beschwerdeführerin in weiterer Folge keine Hindernisse dagegen bestehen, sich vom Ausland aus um einen Einreise- und Aufenthaltstitel für Österreich zu bemühen.

 

Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von einer Ausweisung der Beschwerdeführerin wiegen demgemäß schwerer als deren Auswirkungen auf dessen Lebenssituation.

 

Schlussendlich ist noch darauf hinzuweisen, dass mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tage auch hinsichtlich der - lediglich im Familienverfahren mitangefochtenen - Bescheide der restlichen Mitglieder der Kernfamilie der Beschwerdeführerin in gleicher Weise entschieden wurde wie hinsichtlich der Beschwerdeführerin selbst.

 

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG Abstand genommen werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, EMRK, Familienverfahren, Integration, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, Privatleben
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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