TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/13 E10 311946-3/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2008
beobachten
merken
Spruch

E10 311.946-3/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. R. ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau S. DUTZLER über die Beschwerde des A. H., geb. am 00.00.1996, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.06.2008, FZ. 07 08.847-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte erstmals durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am 27.10.2006 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde diese erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie zu ihrem in Österreich lebenden Mann habe wollen, da dieser erkrankt sei und Unterstützung bräuchte. Anträge auf Erteilung von Visa seien durch die österreichische Botschaft abgelehnt worden. Sie habe während der Schulzeit eine Mietwohnung in Istanbul gehabt und habe im Sommer im Dorf bei ihren Eltern gelebt. Im Dorf hätten Soldaten die Lebensmitteleinkäufe kontrolliert und sei sie von den Soldaten beschimpft worden, da diese davon ausgegangen wären, dass sie die PKK mit Nahrungsmittel unterstützt hätte. In Istanbul habe sie keine Probleme gehabt, sie wolle in Österreich für sich und ihre Kinder ein Leben aufbauen. Da der Gatte am 08.01.2007 in Innsbruck verstarb, erhalte sie eine Witwen- und Waisenpensionen. Die Söhne hätten keine eigenen Fluchtgründe.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 20.04.2007, Zahl: 06 11.514-BAI, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 22.05.2007, Zl. 311.946-1/2E-IV/44/07, abgewiesen.

 

Die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde beim VwGH wurde mit Beschluss, Zahl: 2007/01/0739-5, vom 06.09.2007 abgelehnt.

 

Am 25.09.2007 stellte die gesetzliche Vertreterin für sich und ihre zwei Söhne erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Im Wesentlichen brachte sie vor, dass sie nach dem Tod ihres Mannes von der Familie ausgestoßen worden sei. In ihrer Heimatprovinz Bingöl herrsche Krieg. Im Falle der Rückkehr würde sie mit einem älteren Mann zwangsverheiratet werden. Die Kinder hätten keine Schulmöglichkeit und es bestehe keine Möglichkeit eines anderen Aufenthaltes.

 

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.10.2007, Zahl: 07 08.847 EASt West, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29.10.2007, Zl. 311.946-2/2Z-XVI/48/07, wurde der Berufung gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 4 AsylG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.11.2007, Zl. 311.946-2/3E-XVI/48/07, wurde der Berufung gem. § 41 Abs. 3 iVm § 34 Abs. 4 AsylG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Verfahrens an das BAA zurückverwiesen.

 

Am 02.06.2008 erfolgte eine neuerliche Einvernahme der gesetzlichen Vertreterin vor dem BAA und wurde ihr das Parteiengehör gewährt.

 

Mit Bescheid des BAA vom 02.06.2008, FZ. 07 08.847-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 25.09.2007 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin, dass sie ihre Heimat ausschließlich wegen der Krebserkrankung ihres Gatten verlassen hat, da sie mit diesem zusammen sein wollte, als glaubwürdig. Das übrige Vorbringen wurde mit umfangreicher Begründung als nicht glaubwürdig erachtet. Diesbezüglich wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 18.06.2008 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben und wurde auf das Vollmachtverhältnis zu den RA Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer hingewiesen, Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen das Vorbringen in seinen wesentlichen Teilen wiederholt. Es wurde das Ermittlungsverfahren moniert und angeführt, dass die Lebensumstände der gesetzlichen Vertreterin zu wenig ermittelt worden seien.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Rahmen der freien Beweiswürdigung in sich schlüssig und stimmig.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich daher diesen beweiswürdigenden Argumenten an.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass sich das als unglaubwürdig gewertete Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin vor dem Hintergrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens als unglaubwürdig erwies.

 

Ergänzend zu den Ausführungen des Bundesasylamtes ist festzustellen, dass das Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin, sie würde im Falle der Rückkehr zwangsverheiratet werden, auch schon zum Zeitpunkt des bereits rechtskräftigen Erstbescheides der Fall gewesen wäre, da sich seither die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben, da sich die BF hierbei lediglich auf behauptetermaßen bestehende Sitten und Bräuche berief und nicht einen erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 22.05.2007, Zl. 311.946-1/2E-IV/44/07 konkreten Sachverhalt vorbrachte, weshalb diesbezüglich nicht meritorisch zu entscheiden ist.

 

Ungeachtet der o.a. Ausführungen wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die Angaben der Mutter des BF zum Zwang einer Heirat mit einem ältern Mann gegen ihren Willen unglaubwürdig sind, weil ihre Ausführungen in diesem Punkt nicht nachvollziehbar sind. Sie bringt nämlich einerseits vor, ihre Familie würde sie zu einer solchen Heirat zwingen, in der Berufungsschrift vom 15.10.2007 bringt sie jedoch vor, ihre Familie hätte sich von ihr gänzlich abgewandt, weil sie sich weigerte einen anderen Mann zu heiraten. Aus diesen Ausführungen wäre entnehmbar, dass die Familie von ihr wünschte, einen solchen Mann zu heiraten, sie die Mutter des BF dazu aber nicht bewegen konnte, was von der Familie damit geahndet wurde, dass man sich von der Mutter des BF abwandte und eine solche Weigerung nicht weitere Zwangsmaßnahmen zur Folge gehabt hätte. Auch ist zu bedenken, dass die Mutter des BF seit der Hochzeit mit ihrem verstorbenen Gatten in dessen Familienverband übertrat, was auch für den BF gilt.

 

Sofern in der Beschwerde seitens der gesetzlichen Vertreterin das Ermittlungsverfahren moniert wird, wird festgestellt, dass nach Ansicht des AsylGH wie bereits oben ausgeführt das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Dieser ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären. Von ihr konnten keine nachvollziehbaren Ausführungen dargelegt werden, welche geeignet waren, vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das Bundesasylamt auszugehen. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der gesetzlichen Vertreterin ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

Zu den Beschwerdeangaben, die gesetzliche Vertreterin müsse ohne finanzielle Unterstützung ihres Gatten nach Bingöl zurück gehen, wo sie auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen wäre, welche ihr nur helfen würde, würde sie einen anderen Mann heiraten und sie zur sozialen Gruppe verwitweter Kurdinnen ohne familiären Rückhalt gehöre, wird auf die Feststellungen des BAA verwiesen, wonach diese Angaben als absolut nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig gewürdigt wurden, insbesondere, da die gesetzliche Vertreterin vor ihrer Ausreise ca. 10 Jahre lang in Istanbul lebte und dort ihr Hauptwohnsitz gewesen ist und sie dort mit ihren Söhnen wieder Unterkunft nehmen kann (AS 401-403 gesetzl. Vertreterin). Weiters wird in diesem Zusammenhang auf die bereits rechtskräftig getroffenen Feststellungen im UBAS Bescheid vom 22.05.2007, Zahl:

311.945-1/2E-IV/44/07, verwiesen (AS 73-75 gesetzl. Vertreterin), in welchem aufgrund des Anspruchs auf Witwen- und Waisenpensionen davon ausgegangen wurde, dass diese Einkünfte sowohl eine Sicherung von Unterkunft und Unterhalt, als auch die ebenfalls erforderliche Bestreitung von Kosten einer privaten Krankenversicherung ermöglichen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Vertreterin über mehrere Jahre hinweg überwiegend in Istanbul gelebt hat und ihr das Leben als alleinerziehende Mutter nicht unzumutbar wäre.

 

Zu den Beschwerdeangaben, die gesetzliche Vertreterin würde im Falle einer Rückkehr den Forderungen der PKK schutzlos ausgeliefert sein, sie würde gezwungen sein, für die PKK Unterstützungshandlungen zu setzen und sie könne keinen Schutz erwarten, wird festgestellt, dass diese Angaben ins leere gehen, da im erstinstanzlichen Bescheid die Zumutbarkeit der Rückkehr nach Istanbul festgestellt wurde, wo die BF ihren Hauptwohnsitz hatte und diese selbst ausführte, dass sie in Istanbul keine Probleme gehabt habe (AS 323 gesetzl. Vertreterin).

 

Zur Beschwerdeangabe, die Erstbehörde wäre verpflichtet gewesen eine gutachterliche Stellungnahme zu den Fragen einzuholen, ob die gesetzliche Vertreterin als alleinerziehende Mutter von zwei minderjährigen Söhnen von ihrer Familie Unterstützung erhalte und ob sie in der Lage wäre, ohne Gefahr einer Verfolgung durch die Mitglieder der PKK in K. zu wohnen, ohne die PKK zu unterstützen, wird festgestellt, dass dieser Beweisantrag keine konkreten Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand hat und sich somit auf einen Erkundungsbeweis bezieht. Erkundungsbeweise dienen jedoch nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren unzulässig. Daher ist die Behörde nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN) und diesem Beweisantrag im gegenständlichen Fall aus o. a. Erwägungen nicht gefolgt werden muss.

 

Zu der Beschwerdeangabe, dass die zwei Söhne im fortgeschrittenen Alter von der PKK zwangsrekrutiert und dadurch unmittelbar in den Konflikt mit dem türkischen Staat hineingezogen werden würden, wird festgestellt, dass diese Angabe eine in hohem Maße bloß spekulative Entwicklung darstellt, die bei einer den BF möglichen und zumutbaren Aufenthaltsnahme in Istanbul , wo sie ca. 10 Jahre vor der Ausreise aus der Türkei gelebt haben, nicht mit relevanter Wahrscheinlichkeit eintreten könnte. Diesbezüglich wird auch auf die bereits rechtskräftigen Feststellungen des UBAS Bescheides vom 22.05.2007, Zahl: 311.945-1/2E-IV/44/07, hingewiesen (AS 75 gesetzl. Vertreterin).

 

Zur Beschwerdeangabe, dass die gesetzliche Vertreterin bzw. ihre Söhne in Österreich Verwandte hätten, welche sich um sie kümmern und sie unterstützen würden, wird auf die Feststellungen des BAA auf AS 405 des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen, wonach diese Angabe mit umfangreicher Begründung als nicht glaubwürdig gewürdigt wurde und diese zum Inhalt gegenständlichen Bescheides erklärt.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich festzustellen, dass die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft wird, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 idgF zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559;

8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005;

21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde];

31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre.

 

Ein systematisches, flächendeckendes Vorgehen gegen Kurden, welches dieser Personengruppe einen Verbleib in der Türkei unerträglich machen würde, ist nicht feststellbar. Der Umstand, dass die Türkei gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete welche Österreich bietet (vgl. für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964, oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99) ist jedenfalls irrelevant. Sonstige außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände, welche im Rahmen einer Außerlandeschaffung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964) führen, kamen ebenfalls nicht hervor. Jedenfalls ist aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (vgl. VfSlg. 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984; ebenso: kein Hinweis auf die Existenz einer allgemein existenzbedrohenden Notlage im Sinne einer allgemeinen Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) in Verbindung mit den individuellen Situation des BF (ein jugendlicher, der bisher sein Leben im Herkunftsstaat meistern konnte [vgl. Erk. d. VwGHs vom 22.8.2007, Zahlen 2005/01/0015-6, 2005/01/0017-8] und sich in der Pflege und Obhut seiner Mutter befindet, deren Existenzgrundlage in der Türkei gesichert) kein Hinweis hierauf ableitbar, welche zur gegenteiligen Feststellung führen könnte. Hier ist insbesondere der Umstand bemerkbar, dass die Mutter des BF Anspruch auf eine Witwenpension hat, welche sie sich auch in die Türkei überweisen lassen kann. Ein Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen in Bezug auf das Territorium der Türkei ist nicht feststellbar. Hinweise auf einen Sacherhalt Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe scheiden schon aufgrund der Ausgestaltung des türkischen Strafrechts aus.

 

Aus dem Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Ebenfalls bestehen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung in den Herkunftsstaat auf unzulässige Weise in das Privat- und Familienleben des BF gem. Art. 8 EMRK eingegriffen werden würde.

 

Dazu wird festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden hat, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Der gegenständliche Asylantrag war abzuweisen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären. Es liegt daher bei Erlassung dieses Bescheides kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

 

Bei Ausspruch der Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs. 1 EMRK).

 

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern auch zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

 

Der BF hat in Österreich die aus dem Akteninhalt ersichtlichen Verwandten. Es ergeben sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit diesen in besondere Beziehungsintensität, etwa Pflege, Unterhalt, sonstige Abhängigkeiten, welche einen zwingenden Aufenthalt in Österreich voraussetzen, steht. Vielmehr wird auf die Feststellungen des BAA in AS 405 (gesetzliche Vertreterin) verwiesen, wonach sich aus den Angaben der gesetzlichen Vertreterin eben eine derartige Beziehungsintensität nicht ergibt. Ihre Söhne sind im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen wie sie selbst. Sie möchte jedoch offensichtlich mit ihren Söhnen ihr weiteres Leben in Österreich gestalten und hält sich bereits ca. 2 Jahre im Bundesgebiet auf.

 

Die Ausweisung des BF stellt bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, aufgrund der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und der unwiderlegt bestehenden Bindungen jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben. Auch kann im Zweifel für den BF nicht ausgeschlossen werden, dass er zu seinen in Österreich aufhältigen Verwandten -wenn schon nicht familiäre- zumindest private Beziehungen hegt, wobei hier besonders darauf hinzuweisen ist, dass aufgrund der in Art. 8 Abs. 1 EMRK genannten gleichwertigen Tatbestände die hypothetische Frage, ob er zu seinen Verwandten sogar familiäre Beziehungen pflegt, offen bleiben kann, da dies aufgrund der rechtlichen Gleichwertigkeit der Tatbestände, insbesondere in Bezug aufgrund des wortgleich anwendbaren Eingriffsvorbehaltes des Abs. 2 leg. cit., zu keinem anderen Ergebnis führen würde.

 

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim Bundesasylamt als auch beim AsylGH um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich einer der Art. 8 (2) EMRK genannter Tatbestände, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

 

Es ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

 

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg.cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

 

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für die Beschwerdeführerin grundsätzlich nicht mehr möglich ihren Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

 

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Es bleibt ihm aber trotz Ausweisung unbenommen -wie anderen Fremden auch- danach vom Ausland aus einen Aufenthaltstitel zu beantragen und bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen so auf legale Art. und Weise einzureisen bzw. hier zu leben.

 

Der Ausspruch einer Ausweisung bedeutet mit deren Durchsetzbarkeit für den Fremden die Verpflichtung Österreich unverzüglich zu verlassen. Nur im Falle der Verhängung einer Ausweisung kann die Sicherheitsbehörde diese, im Interesse eines geordneten Fremdenwesens notwendige, Ausreiseverpflichtung erforderlichenfalls -dh. mangels Freiwilligkeit des Fremden- auch durch eine behördliche Maßnahme durchsetzen.

 

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 u.a erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Der Rechtssprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art. "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

In seinem jüngsten Urteil Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart. war, dass der Forbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

 

Der GH führte weiters -wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der BF getroffen, weil es BF 1 grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater von BF2 , einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall BF 1 trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

 

Weiters wird hier auf das jüngste Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

 

Es ist nicht erforderlich, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

 

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

 

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

 

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

 

In den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 entwickelten diese unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR folgende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog"):

 

Folgende Faktoren sind im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen:

 

-

Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046),

 

-

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271)

 

-

und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00),

 

-

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

-

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582;

9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560;

16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

 

-

die Bindungen zum Heimatstaat,

 

-

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch

 

-

Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und

 

-

Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch

 

-

die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Im gegenständlichen Fall stellte der BF durch seine gesetzliche Vertreterin unmittelbar nach der Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Erst nach der Setzung bereits beschriebener aufenthaltsbeendender Maßnahmen stellte die gesetzliche Vertreterin weitere, nämlich die zweiten Asylanträge, offensichtlich um ihren aufgrund der eingeleiteten fremdenpolizeilichen Maßnahmen ungewissen Aufenthalt im Bundesgebiet neuerlich zu legalisieren und die Durchsetzung der Außerlandesschaffung zumindest vorübergehend zu vereiteln.

 

Aus dem Verhalten der gesetzlichen Vertreterin in ihrer Gesamtheit ist augenscheinlich ersichtlich, dass diese das Asylrecht offensichtlich missbräuchlich heranzog, um ihren bzw. den Aufenthalt ihrer Söhne im Bundesgebiet zu legalisieren.

 

Mögen die gesetzlichen Vertreterin bzw. ihre Söhne auch über private Beziehungen verfügen, ist dem nochmals entgegenzuhalten, dass kein Sachverhalt festgestellt wurde, aus welchem eine besondere Beziehungsintensität, wie etwa Pflege, Unterhalt oder sonstige Abhängigkeit begründet würde, welche einen zwingenden Aufenthalt in Österreich gebieten würde. Auch würde eine Ausreise aus dem Bundesgebiet die BF nicht zwingen, ihre freundschaftlichen und sonstigen privaten Bindungen gänzlich abzubrechen. Es stünde ihnen frei, diese etwa durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder im Rahmen von Urlaubsaufenthalten dieser Personen in der Türkei aufrecht zu erhalten.

 

Die gesetzliche Vertreterin reiste mit ihren Söhnen nach Abweisung ihrer Anträge auf Visa durch die österreichische Vertretungsbehörde in der Türkei illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und hat somit erkennen lassen, dass sie bereit ist, einschlägige gesetzliche Vorschriften zu missachten.

 

Sie konnte somit deren weiteren Aufenthalt bloß durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages legalisieren. Nach Abweisung der Asylanträge waren die BF illegal im Bundesgebiet aufhältig. Dieser Umstand war der gesetzlichen Vertreterin offenbar auch bewusst und sah sie sich veranlasst zu versuchen, die Außerlandesschaffung durch die Einbringung weiterer unzulässiger Asylanträge zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Der auf asylrechtliche Bestimmungen basierende Aufenthalt ist daher insbesondere auch im Lichte der vom EGMR im Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 zu betrachten.

 

Zusammengefasst ist daher zu sagen, dass die durch Stellung unbegründeter und im Anschluss unzulässiger Asylanträge ermöglichten Anknüpfungspunkte gem. Art. 8 EMRK im Rahmen der gegenständlichen Interessensabwägung im Lichte des im Vorabsatz angeführten Urteils des EGMR zu sehen sind, wo dieser die grundsätzliche Unbeachtlichkeit der während eines Asylverfahrens begründeten privaten Anknüpfungspunkte feststellte, was ebenfalls gegen einen weiteren Verbleib der BF im Rahmen einer Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK spricht.

 

Ebenso gelten ab diesem Zeitpunkt die sonst bereits getroffenen Ausführungen zur Ausweisung speziell von Asylwerbern.

 

Der zwischen Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 22.05.2007, GZ: 311.946-1/2E-IV/44/07 und der Stellung des nunmehr zu prüfenden Antrages liegende Aufenthalt und darauf basierende Anknüpfungspunkte gem. Art. 8 EMRK ist schon deswegen nicht schützenswert, weil er dem BF gar nicht möglich gewesen wäre, wenn die gesetzliche Vertreterin keinen unbegründeten Asylantrag gestellt hätte und nach Abweisung des Asylantrages das Bundesgebiet verlassen hätte. Ebenso handelt es sich um eine kurzfristige Zeitspanne, die keinen qualifizierten Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK auslöste.

 

Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien bringt bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verblieb des BF im Bundesgebiet.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip).

 

Im Rahmen eines Vergleiches mit den Verhältnissen im Herkunftsstaat sind folgende Überlegungen anzustellen:

 

Die gesetzliche Vertreterin verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Türkei, wurde dort sozialisiert und spricht die dort vorherrschende türkische Sprache, ebenso die Kurdische und war den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Lage, in der Türkei ihr Leben zu meistern. Es deutet nichts darauf hin, dass es ihr im Falle einer Rückkehr in deren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich mit ihren Söhnen in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren und neuerlich ihr Leben dort zu meistern, insbesondere da verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Istanbul gegeben sind. Im Gegensatz hierzu ist diese -in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, hat hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und war im Rahmen der im nunmehrigen erstinstanzlichen Asylverfahren getätigten Befragungen auf die Beiziehung eines Dolmetschers angewiesen, was auch auf ihre Söhne durchschlägt.

 

Ebenso kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, dass die gesetzliche Vertreterin eine dermaßen qualifizierte Tätigkeit ausübte bzw. über dermaßen hervorragende Qualifikationen verfügt, dass die Setzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen in Österreich eine nicht wieder oder nur schwer schließbare Lücke hinterließe, wobei hier neuerlich darauf hinzuweisen ist, dass es ihr bzw. ihren Söhnen frei steht, sich von der Türkei aus um einen Aufenthalt und eine Beschäftigung in Österreich zu bemühen.

 

Im Rahmen einer Gesamtschau kann daher auch nicht festgestellt werden, dass eine Gegenüberstellung der von der gesetzlichen Vertreterin in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen, mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung, zu einem Überwiegen der privaten Interessen dieser bzw. ihrer Söhne am Verbleib in Österreich, gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

 

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung der Ausweisung ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel (etwa im Vergleich zu den in §§ 60 ff FPG 2005 idgF) handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erscheint.

 

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten