TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/1 2006/20/0005

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Veröffentlicht am 01.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des A, geboren 1986, vertreten durch Dr. Alois Leyrer, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Alserstraße 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Oktober 2005, Zl. 256.197/1-II/04/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte am 16. Oktober 2003 in das Bundesgebiet und beantragte am selben Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 2. Dezember 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen an, er gehöre der Volksgruppe der Ibo an. Sein verstorbener Vater sei Mitglied der Kultvereinigung der Ogboni gewesen. Nach dessen Tod hätten die Ogboni den Beschwerdeführer zum Beitritt bringen wollen. Sie hätten gesagt, sie würden dem Beschwerdeführer das Haus seines Vaters nur geben, wenn er ihnen beitrete. Im Falle seiner Rückkehr würde er von den Ogboni umgebracht werden, weil sie den Besitz seines Vaters haben wollten. Der Beschwerdeführer habe im Jahr zuvor in seinem Dorf einen Autounfall gehabt; der Mechaniker habe ihm mitgeteilt, dass das Auto in Ordnung gewesen sei; dieser Unfall stehe im Zusammenhang mit Drohungen der Ogboni.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 2. Dezember 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur allgemeinen Situation in Nigeria und zum Kult der Ogboni. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei durchgehend vage und oberflächlich gewesen. Er habe lediglich wiederholt pauschal in den Raum gestellt, nach dem Tod seines Vaters von Angehörigen der Ogboni-Sekte bedroht und verfolgt worden zu sein, mit dem Ziel, ihn zum Beitritt zur Sekte zu bewegen. Trotz wiederholter Nachfrage seien so gut wie keine Details, Interaktionen oder glaubhafte Emotionen ans Licht getreten, die den kleinsten Hinweis liefern hätten können, dass es sich bei der Schilderung des Vorbringens um tatsächlich erlebte Ereignisse gehandelt hätte. Das Vorbringen sei aber auch deshalb nicht glaubhaft, weil die Behauptungen des Beschwerdeführers den vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen zu den Ogboni (diese seien eine "Gesellschaft der Yoruba", denen Ibo grundsätzlich nicht angehörten) widersprechen würden. In Nigeria herrschten keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Abschiebung des Beschwerdeführers dorthin unzulässig machen würden. Schließlich sei auch die Ausweisung des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht unzulässig.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Berufung, die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß "§ 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 bzw. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003" abwies. Der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag im Wesentlichen mit einer Gefährdungssituation, die ihm aus der früheren Zugehörigkeit seines Vaters zu "einer Kultvereinigung, die Ogboni genannt wird", erwachse, begründet. Der Beschwerdeführer sei dem vom Bundesasylamt bei der Einvernahme am 2. Dezember 2004 gemachten Vorhalt sowie der im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen - unter Berufung auf mehrere Quellen untermauerten - Feststellung, wonach "die Ibo ... keinen Zugang zu dieser Gruppe" hätten bzw. "der Kult mit der Bezeichnung Ogboni ... der Volksgruppe der Yoruba zugeordnet" werde, weder bei seiner Einvernahme noch in der Berufung substantiiert entgegen getreten. Die belangte Behörde pflichte hinsichtlich des konkreten Gefährdungsvorbringens der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes bei, zumal dessen Ansicht von der Unvereinbarkeit dieses Vorbringens mit der angegebenen Volksgruppe des Beschwerdeführers mit den Erkenntnissen der belangten Behörde im Einklang stehe. Auch die sonstige vom Bundesasylamt vorgenommene Gefahrenbeurteilung begegne keinen Bedenken, umso weniger, als es der Beschwerdeführer unterlassen habe, eine Unrichtigkeit derselben in der Berufung konkret aufzuzeigen. Die Beibehaltung der nichtzielstaatsbezogenen Ausweisung im Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides sei im Interesse der möglichsten Wahrung der Dispositionsfreiheit des Beschwerdeführers erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Soweit die Beschwerde geltend macht, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob bzw. warum der Vater des Beschwerdeführers als Ibo doch der Kultvereinigung der Ogboni angehört und welche Auswirkungen dies auf den Beschwerdeführer gehabt habe, zeigt sie keine Unschlüssigkeit der vom Bundesasylamt angestellten und von der belangten Behörde übernommenen beweiswürdigenden Überlegungen auf, weil sich dieses Beschwerdevorbringen - ebensowenig wie die Berufung - nicht substantiiert gegen die Feststellung, dass Ibo grundsätzlich keinen Zugang zu dem den Yoruba zuzurechnenden Kult der Ogboni hätten, wendet. Mit dem Hinweis, dass es nach der Lebenserfahrung "im menschlichen Zusammenleben ein gänzliches Nie nicht gibt", kann eine Unschlüssigkeit der getroffenen Beweiswürdigung nicht aufgezeigt werden.

Auch mit dem Vorbringen, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil er der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seinem Berufungsvorbringen nicht entgegengetreten ist und keinen dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehenden oder darüber hinausgehenden Sachverhalt neu und in konkreter Weise behauptet hat (vgl. zur Verhandlungspflicht etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2006, Zl. 2005/20/0616).

Schließlich ist auch nicht zu erkennen, inwieweit die belangte Behörde ihre Manuduktionspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer verletzt haben und inwieweit die Ermittlungen über Nigeria unvollständig geblieben sein sollten, zumal in der Beschwerde auch die Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt wird.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Bei der unveränderten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das - nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangene - hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 1. März 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006200005.X00

Im RIS seit

04.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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