TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/20 E12 245315-0/2008

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Veröffentlicht am 20.11.2008
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Spruch

E12 245.315-0/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus Steininger als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Sovka über die Beschwerde des K.M., geb. 00.00.1971, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.12.2003, FZ. 03 15.904-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 2.6.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA am 4.12.2003, AS 17ff, niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er sei kurdischer Alevite, weswegen sich die Sicherheitsbehörden immer wieder in sein Leben eingemischt hätten. 1998 seien 5 Männer aus seinem Dorf weggegangen. Um einer Befragung durch die Gendarmerie zu entgehen, sei er weggegangen. Es habe aber nie eine gegen ihn persönlich gerichtete Maßnahme gegeben.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 4.12.2003, Zahl: 03 15.904-BAG, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gem. § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig, da es nicht nachvollziehbar ist, dass die Flucht erst 2003 erfolgt, um der Befragung durch die Behörden wegen eines Vorfalls von 1998 zu entgehen. Darüberhinaus habe es nie ein Interesse der Sicherheitsbehörden an der Person des BF gegeben. Im übrigen hätte es selbst bei Unterstellung der Angaben des BF als wahr eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 15.12.2003 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der BF aufgrund von psychischen Problemen teilweise Schwierigkeiten habe, sich an die Situation in seiner Heimat zu erinnern. Dazu wurden 2 Arztbriefe aus dem Jahr 2003 vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass zwar eine depressive Reaktion, aber keine psychotische Erkrankung besteht.

 

Am 28.10.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der BF mit seiner Rechtsvertretung teilnahm. Das Bundesasylamt hat nicht an der Verhandlung teilgenommen. Der BF wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, allerdings durchsetzt mit zahlreichen Widersprüchen, auf die in der Folge noch einzugehen sein wird. Weiters behauptete er, HADEP-Mitglied gewesen zu sein und mehrmals festgenommen worden zu sein. Außerdem legte er eine Bestätigung eines kurdischen Vereins aus 00.00.2008, wonach er Mitglied in diesem Verein sei, sowie einen sozialpsychiatrischen Bericht der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit und ein Konvolut an Befunden in Zusammenhang mit einem Autounfall im Jahr 2005, bei dem der BF schwer verletzt wurde, vor. Die Rechtsvertretung des BF legte darüber hinaus eine Anfragebeantwortung aus einem anderen Verfahren, erstellt von Dr. O.H. am 00.00.2007, vor.

 

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei und Erörterung der aus der Beilage 1 zur Verhandlungsschrift vom 28.10.2008 ersichtlichen Erkenntnisquellen zur asyl- und abschieberelevanten Lage in der Türkei. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges und Parteienvorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit. in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch Sachverhaltsfeststellungen zur asyl- und abschieberelevanten Lage in der Türkei getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken. Obwohl sich - auf die konkrete Situation des BF bezogen- die Situation in der Türkei nicht wesentlich geändert hat, wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wie oben ausgeführt die aktuellen Erkenntnisquellen eingehend erörtert und dieser Entscheidung zugrunde gelegt.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme zur Situation in der Türkei durch den Asylgerichtshof ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGH vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Das Vorbringen des BF zu dessen Herkunft und Identität konnte aufgrund des vorgelegten Personalausweises Nr. 107 362443, ausgestellt am 15.9.1999 vom Einwohnermeldeamt Erzincan, der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

Die Angaben des BF vor dem Asylgerichtshof erwiesen sich aber wie schon seine Angaben vor dem BAA als widersprüchlich und offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend: Während der BF im erstinstanzlichen Verfahren sein Vorbringen darauf stützte, dass er kurdischer Alevite sei und es deswegen laufend Einmischungen, jedoch niemals auf ihn persönlich gerichtete Maßnahmen gegeben habe, steigerte er dieses Vorbringen in der Beschwerdeschrift und in der mündlichen Verhandlung sukzessive. So behauptete er in der Beschwerde, er habe psychische Probleme, werde aufgrund seiner HADEP-Mitgliedschaft von der Polizei verfolgt, sei sogar einmal ein paar Tage festgenommen und geschlagen worden. In der mündlichen Verhandlung erfuhr dieses Vorbringen eine weitere Steigerung dahingehend, dass es mehrere Festnahmen gegeben habe und dass sich der BF zwischenzeitig bei einem kurdischen Verein exilpolitisch betätige. Außerdem sei er krank und würde bei einer Rückkehr in die Türkei als politisch Oppositioneller Probleme mit der Ausstellung einer "grünen Karte" haben. Die Tatsache, dass der BF kurdischer Alevite ist, ist für das ggst. Asylverfahren völlig irrelevant, zumal er selbst zugegeben hat, dass es wegen seiner Religion nie gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgungshandlungen gegeben hat. Dies deckt sich auch mit dem Amtswissen des Gerichtshofes, wonach in der Türkei Religionsfreiheit besteht und die Aleviten mit schätzungsweise 15 Millionen (rund ein Fünftel der türkischen Bevölkerung) die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft der Türkei bilden. Sie werden offiziell zwar nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt, aber als Teil der muslimischen Bevölkerung gesehen.

 

Die Behauptung des BF, er sei von Ende 2001 bis zu seiner Flucht im Jahr 2003 HADEP-Mitglied gewesen ist völlig unglaubwürdig, zumal er nicht einmal einen Mitgliedsausweis vorweisen konnte. Dies wird noch dadurch untermauert, dass der BF im Jänner 2003 in Istanbul völlig problemlos einen Reisepass erhalten hat. Wäre er tatsächlich Parteimitglied gewesen und aus diesem Grund von staatlichen Organen verfolgt, wäre zumindest eine problemlose Ausstellung des Reisepasses nicht möglich gewesen. Dass sich der BF im Jänner 2003 einen Reisepass ausstellen ließ und Anfang Juni nach Österreich kam, ist auch ein gewichtiges Indiz dafür, dass der BF seine "Flucht" offenbar von langer Hand vorbereitet hat. Auch die Angaben des BF zu den Festnahmen sind widersprüchlich und somit unglaubwürdig. Während er beim BAA überhaupt nichts von einer bzw. mehreren Festnahmen erwähnte, spricht er in der Beschwerdeschrift von 1 Festnahme und steigerte dies vor dem Gerichtshof auf mehrere Festnahmen, ohne diese allerdings zeitlich näher einordnen zu können. Auch die angeblichen Misshandlungen schilderte der BF nur äußerst vage und allgemein: In der Beschwerdeschrift spricht er von Schlägen, während er vor dem Gerichtshof von ab und zu ein paar Ohrfeigen spricht. Außerdem gab er an, dass es in Istanbul zu keinerlei Festnahmen odgl. gekommen ist. Umgekehrt behauptete er jedoch, dass die letzte Festnahme ca. 3-4 Monate vor seiner Flucht nach Österreich gewesen sei. Zu dieser Zeit war er jedoch nach seinen Angaben bereits in Istanbul. Aus all diesen Widersprüchen zum Thema HADEP ist ersichtlich, dass es sich dabei offenbar um eine völlig frei erfundene Geschichte handelt, die obendrein bei jeder sich bietenden Gelegenheit noch eine Steigerung erfuhr. Auch die erstmals in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof behauptete exilpoitische Aktivität des BF ist unglaubwürdig: Zum einen konnte er nicht einmal einen Mitgliedsausweis vorlegen, sondern nur eine Bestätigung des Vereins vom 17.10.2008, dass er Mitglied ist und an Veranstaltungen teilnimmt. Die Teilnahme an Demonstrationen wurde nicht einmal behauptet. Das Ausstellungsdatum der Bestätigung mit 17.10.2008, also 11 Tage vor der Beschwerdeverhandlung, spricht alleine schon dafür, dass es sich um eine Gefälligkeitsbestätigung handelt. Außerdem gab der BF selbst an, im Verein selbst keine offizielle Aufgabe zu haben, er besuche auch nur kulturelle Veranstaltungen des Vereins. Vom Vorliegen einer maßgeblichen exilpolitischen Betätigung kann daher nicht die Rede sein. Was den Gesundheitszustand des BF betrifft, wurde ein Konvolut von Befunden vorgelegt. Demnach hatte der BF am 00.2.2005 einen Verkehrsunfall, bei dem er schwere Verletzungen im Gesichtsbereich erlitt. Außerdem leidet der BF an einer Mischung aus Angst und depressiver Störung, welche medikamentös behandelt wird. Das von der Beschwerdeführervertreterin vorgelegte Gutachten vom 10.1.2007, ergangen in einem anderen Asylverfahren, kann für den gegenständlichen Fall nicht herangezogen werden, da wie oben eingehend beschrieben, das Vorbringen des BF zu seiner angeblichen HADEP- Mitgliedschaft als unglaubwürdig eingestuft wurde. Eine PKK-Nähe des BF wurde im übrigen nicht einmal behauptet. Außerdem ergibt sich aus dem Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 25.10.2007, dass Bedürftige das Recht haben, sich von der Gesundheitsverwaltung die Grüne Karte ausstellen zu lassen, die zu kostenloser medizinischer Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem berechtigt. Die Mittellosigkeit des Antragstellers wird seit dem 6.12.2006 unter Beteiligung verschiedener Behörden von amtswegen festgestellt. Die zuständige Kommission des Landratsamtes entscheidet über die Anträge, wobei sich die Bearbeitungszeiten wesentlich verkürzt haben. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich PTBS ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen.

 

Aus diesem Vorbringen resultierend konnte der BF aufgrund der geschilderten Ungereimtheiten und zahlreichen Widersprüche, die zu entkräften er sich auch im Zuge des Beschwerdeverfahrens außerstande sah, konkrete und individuell gegen seine Person gerichtete asylrelevante und eingriffsintensive Verfolgungsmaßnahmen türkischer Autoritäten oder sonstiger Personenkreise nicht glaubhaft machen, weshalb letztlich eine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung aus einem der Gründe der GFK nicht erkannt werden konnte. Doch selbst wenn man den Angaben des BF Glauben schenken würde, könnte daraus keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären. Im Gegenteil - wurde doch seine Unglaubwürdigkeit durch seine persönliche Aussage vor dem AsylGH noch untermauert. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch das Bundesasylamt ausgeht.

 

Aus dem Vorbringen des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Asylgesetz ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur der Straßburger Instanzen muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR vom 7.7.1987, 12877/87-Kalema gg. Frankreich, DR 53, S.254,264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen. Die Bedrohung muss objektiv in Bezug auf den BF gegeben sein. Genau dies ist jedoch hier aus oben geschilderten Gründen nicht der Fall. Einerseits ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine solche Gefahr und andererseits beschränkte sich der BF auf ein Vorbringen, aus welchem sich keine konkrete objektive, auf seine Person zu beziehende Gefahr ableiten ließe. Auch wenn in der Türkei eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Wie sich aus den Länderfeststellungen zur Türkei ergibt, würde der BF im Fall der Rückkehr in die Türkei nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Überdies hat er auch nie behauptet, sein Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Eine existenzbedrohende Gefährdung wurde im übrigen auch nie behauptet. Den BF würden im Fall der Rückkehr keine "außergewöhnlichen Umstände" wie Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen. Auch bestehen keine Hinweise dafür, dass er in eine aussichtslose Lage geraten würde: er verfügt in der Türkei über ein entsprechendes soziales Auffangnetz, zumal seine gesamte Familie (Eltern und 5 Schwestern) dort lebt. Der BF könnte auch, so wie schon vor seiner Ausreise, im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitarbeiten, zumal auch aus den vorgelegten Befunden nicht hervorgekommen ist, dass er an Dauerschäden nach dem Unfall leidet. Das erhaltene Schmerzengeld nach dem Unfall könnte quasi als Startkapital eingesetzt werden. Als 37-jähriger arbeitsfähiger Mann verfügt er im Heimatland über eine Möglichkeit, sich eine Lebensgrundlage zu sichern. Der BF hat auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt. Es ist klarzustellen, dass eine schwere Krankheit des BF im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen ist. Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtssprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in die Türkei nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte. Der Umstand, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielland als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert (mentaler Stress ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. Derartige Nachweise sind aber ebenfalls nicht zu Tage getreten. Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interesssen zulässig sein. Bei körperlichen Erkrankungen im allgemeinen sind nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant. Ein Nachweis für das Vorliegen einer derartigen Erkrankung wurde vom BF aber nie erbracht.

 

Im gegenständlichen Fall ist im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung umfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 AsylG 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

Schlagworte
Abschiebungshindernis, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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