TE UVS Niederösterreich 1994/11/28 Senat-GF-93-090

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Spruch

Die Beschuldigte H R, vertreten durch Dr. J B, Rechtsanwalt in **** G*** E*********, K***** F**** J**** Straße *, hat gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft G vom *. J`** 199*, Zl. 3-****-9*, betreffend Bestrafung nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG) fristgerecht Berufung erhoben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch das Mitglied Dr. M über diese Berufung wie folgt entschieden:

 

 

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, keine Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, daß

 

1. die Wortfolge

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

 

Zeit: **.**.199* - **.** Uhr

Ort:  O**************

Fahrzeug: Lkw und Anhänger **-**** und **-*****"

durch die Wortfolge

"Sie haben als Arbietgeberin mit dem Sitz in **** S********, B***straße *, nicht dafür gesorgt, daß vom Lenker H B die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes eingehalten wurden." ersetzt wird,

 

 

2. nach dem Wort "Überprüfung" die Wortfolge "in O**************" eingefügt wird,

 

3. anstelle des Fahrzeugkennzeichens "*-****" das Fahrzeugkennzeichen "**-****" tritt und

 

4. die Strafnorm "§ 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz" zu lauten hat.

 

Die Berufungswerberin hat gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, S 400,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu zahlen.

Text

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

 

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

 

Zeit: **.**.199* - **.** Uhr

Ort:  O**************

Fahrzeug: Lkw und Anhänger **-**** und **-*****

Tatbeschreibung:

Anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat am **.**.199* um **.** Uhr wurde festgestellt, daß H B den Lkw und Anhänger *-**** und **-***** gelenkt hat und kein persönliches Fahrtenbuch mit sich führte bzw. dieses den zur Kontrolle berechtigten Arbeitsinspektionsorganen auf deren Verlangen nicht vorgewiesen hat.

 

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift, verhängte Strafe und entstandene Verfahrenskosten:

 

Übertretung gemäß § 17 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/69 i.d.g.F.

 

Geldstrafe gemäß § 6 Abs. 2 ArbIG 1974 i.V.m. § 28 AZG  2.000,00 S Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden

 

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2

des Verwaltungsstrafgesetzes     200,00 S

      ----------

    Gesamtbetrag 2.200,00 S"

 

In der fristgerecht eingebrachten Berufung bekämpft die Beschuldigte das erstinstanzliche Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und beantragt dessen Aufhebung. Begründend führt die Beschuldigte aus, sie habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, daß sie mit Wirkung vom . J** 199* sämtliche Agenden im Zusammenhang mit der Überwachung des Fuhrparkes und insbesondere die Einteilung der Fahrzeuge und deren Lenker sowie deren Kontrolle an den in ihrem Unternehmen mitarbeitenden Sohn, J R, übertragen habe. Dazu habe sie die eidesstattliche Erklärung ihres Sohn vom **. A***** 199* vorgelegt. Der bekämpfte Bescheid setze sich überhaupt nicht mit dieser Erklärung auseinander, sondern vermeine, es handle sich lediglich um Schutzbehauptungen. Warum es sich um Schutzbehauptungen handeln solle, wenn im Zuge des Verfahrens nachgewiesen werde, daß ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG bestellt sei, sei nicht ersichtlich, da ja gerade ein Ermittlungsverfahren dazu diene, derartige Umstände zu erheben. Im Sinne der amtswegigen Wahrheitsforschung hätte die Strafbehörde bei Zweifeln dieses Vorbringen durch entsprechende Ermittlungen, wie Einvernahme der Beschuldigten oder ihres Sohnes näher erforschen müssen. Gemäß § 17 Abs. 1 AZG sei nicht der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer persönlich verantwortlich, Fahrtenbücher oder Durchschriften der Wochenberichtsblätter dieser Bücher zu führen. Aus § 17 Abs. 1 und 2 AZG und dem Erkenntnis des VwGH vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0341, ergäbe sich zweifelsfrei, daß die persönlichen Fahrtenbücher von den Lenkern und den Beifahrern zu führen seien. Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 AZG normiere jedoch somit ausschließlich eine persönliche Verpflichtung des Lenkers und Beifahrers. Die Überwälzung einer derartigen Verpflichtung und einer Kontrollpflicht auf den Dienstgeber sei daher unzulässig.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Unbestritten ist, daß der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Lenker bei der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den *. Aufsichtsbezirk am **. D******* 199* kein persönliches Fahrtenbuch mit sich geführt hat und daher ein solches Fahrtenbuch auf Verlangen des Arbeitsinspektors auch nicht vorweisen konnte.

 

In der Berufung wird unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0341, eingewendet, daß der Normadressat des § 17 Abs. 1 AZG nicht der Arbeitgeber sei und die in dieser Bestimmung angeführten Pflichten ausschließlich den Lenker treffen. Hiebei übersieht die Berufungswerberin, daß in dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung deshalb aufgehoben hat, weil dem Beschuldigten angelastet wurde, er habe als Arbeitgeber für namentlich bezeichnete Lenker kein persönliches Fahrtenbuch geführt und der Tatvorwurf richtig lauten hätte müssen, er habe als Arbeitgeber nicht dafür gesorgt, daß die Lenker die gesetzlichen Vorschriften des § 17 Abs. 1 AZG beachtet hätten. Aus den Erkenntnissen des VwGH vom 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0009, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/11/0201, geht klar hervor, daß sich die Pflicht des Arbeitgebers nicht in den im § 17 Abs. 2 AZG angeführten Handlungen (Ausgabe der Fahrtenbücher, mindestens einmalige monatliche Überprüfung und Verwahrung der Bücher nach deren Abschluß) erschöpft. Aus der dem AZG allgemein innewohnenden Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Verhaltensweisen seiner Arbeitnehmer, die insbesondere aus § 28 Abs. 1 AZG abzuleiten ist, ergibt sich vielmehr einwandfrei, daß der Arbeitgeber auch im Falle der Nichtbeachtung der Vorschriften des § 17 Abs. 1 AZG durch den Lenker (Nichtmitführen und Nichtvorweisen der Fahrtenbücher) verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist.

 

Die Berufungsbehörde hatte daher davon auszugehen, daß der äußere Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 AZG erfüllt ist.

 

Das Vorbringen der Berufungswerberin, daß sie ihren Sohn J R im J*** 199* zum verantwortlichen Beauftragten bestellt habe, ist nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich ein gemäß § 9 Abs. 1 VStG verantwortlicher Arbeitgeber nur dann auf einen an seiner Stelle verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 bis 4 VStG) berufen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein aus der Zeit vor Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Tat stammender Zustimmungsnachweis zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten eingelangt ist. Ein aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammender Zustimmungsnachweis liegt nur dann vor, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat, etwa in Form einer entsprechenden Urkunde oder einer Zeugenaussage, vorhanden war. Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt es zur Erbringung des vom Gesetz geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der Beschuldigte auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll. Die von der Beschuldigten vorgelegte eidesstattliche Erklärung ihres Sohnes J R, die im übrigen keine klare Abgrenzung des sachlichen Aufgabenbereiches betreffend die Wahrnehmung der Belange des Arbietszeitgestzes im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. August 1994, Zl. 94/11/0207 und 0208, enthält, ist mit 17. August 1992 datiert und stammt damit nicht aus der Zeit vor der Tat. Die in der Berufung von der Beschuldigten beantragte Einvernahme ihres Sohnes zum Beweis dafür, daß dieser vor der Tat zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde, war entbehrlich, weil sich eine erst im Berufungsverfahren abzulegende Zeug

enaussage zu diesem Beweisthema unter Berücksichtigung der Judikatur des VwGH (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 30.9.1991, Zl. 91/19/0230) als untauglich erweist. Der Sohn der Beschuldigten J R kann daher nicht als im Tatzeitpunkt gültig bestellter verantwortlicher Beauftragter, angesehen werden.

 

Da die Beschuldigte als verantwortliche Arbeitgeberin im gesamten Verfahren auf kein der Judikatur des VwGH entsprechendes Kontrollsystem (vgl. Erkenntnisse des VwGH vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0086, 20. Juli 1992, Zl. 91/19/0201 und 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0009) betreffend die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch ihre Lenker verweisen konnte, hatte die Berufungsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 VStG von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen.

 

Milderungs- oder Erschwerungsgründe liegen nicht vor.

 

Das AZG soll unter anderem den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor unzumutbaren zeitlichen Belastungen gewährleisten. Die im Abschnitt 4 des AZG enthaltenen Sonderregelungen für das Lenken von Kraftfahrzeugen durch Berufskraftfahrer dienen nicht nur dem Schutz des Berufslenkers, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit vor Unfällen, die aus einer Übermüdung des Lenkers herrühren. Weil es sich hiebei um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern handelt, ist - wie auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - bei Übertretungen der einschlägigen Bestimmungen des AZG ein strenger Maßstab anzulegen. Der vorliegenden Übertretung ist deshalb ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen, weil durch das Nichtmitführen bzw. Nichtvorweisen des Fahrtenbuches durch einen Lenker die Kontrolle der Einhaltung der im

4. Abschnitt des AZG enthaltenen Sonderregelungen für Kraftfahrzeuglenker durch das hiezu berufene Arbeitsinspektorat nicht nur erschwert, sondern auch vereitelt werden kann.

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschuldigten (monatliches Nettoeinkommen ca. S **.000,--, keine Sorgepflichten, Vermögen S * Mio., Schulden in nicht näher bezifferter Höhe) erweist sich die von der Behörde erster Instanz festgelegte Strafe, die nur im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt ist, als durchaus schuld- und tatangemessen. Die verhängte Geldstrafe soll der Beschuldigten und anderen Arbeitgebern den Unrechtsgehalt der Übertretung deutlich vor Augen führen und sie in Hinkunft dazu verhalten, durch ein wirksames innerbetriebliches Kontrollsystem die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch ihre Lenker sicherzustellen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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