TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/8 91/19/0086

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Veröffentlicht am 08.07.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §14 Abs2;
AZG §15;
AZG §16 Abs2;
AZG §28 Abs1;
AZG;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Jänner 1991, Zl. MA 63-F 23/90/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Unter dem Datum 1. Februar 1990 erging an den nunmehrigen Beschwerdeführer ein Straferkenntnis des magistratischen Bezirksamtes für den 1./8. Bezirk, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie haben als Vorstandsmitglied und sohin im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der X AG zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeber in Wien 11, Y-Straße,

I.) den Lenker Gottfried V am 27.4.1989 mit einer Einsatzzeit von mehr als 12 Stunden, nämlich 13 Std. 10 Min. zur Dienstleistung herangezogen hat;

II.) folgende Lenker mit einer Lenkzeit von mehr als 8 Stunden zwischen zwei Ruhezeiten zur Arbeitsleistung herangezogen hat, und zwar

1.)

Gottfried V am 6.4.1989 10 Std. 40 Min. und

2.)

Helmuth W am 1.3.1989 10 Std. 35 Min.;

III.) dem Lenker Gottfried V am 2.3.1989 nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von mehr als 4 Stunden, nämlich von 5.40 Uhr bis 15 Uhr, keine gesetzliche Lenkpause gewährt hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad I.) § 16 Abs. 2; ad II.) § 14 Abs. 2; ad III.) § 15 Arbeitszeitgesetz BGBl. Nr. 461/1969.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von ad I.) - III.): je Übertretung S 1.500,-- für 4 Übertretungen S 6.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von ad I.) - III.): je Übertretung 36 Stunden, für 4 Übertretungen 6 Tage gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 600,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d. s. 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher

S 6.600,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)."

              2.              Aufgrund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung bestätigte der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 29. Jänner 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG das erstinstanzliche Straferkenntnis in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges, setzte jedoch in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG die Geldstrafen auf je S 1.000,--, insgesamt S 4.000,--, und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je einen Tag, insgesamt vier Tage, herab, und ermäßigte gemäß § 64 VStG die erstinstanzlichen Kostenbeiträge auf je S 100,--, insgesamt

S 400,--. Gemäß § 65 VStG wurde dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Begründend führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1, 2 und 4 VStG sowie die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, daß im Beschwerdefall keine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vorliege, da das an die Erstbehörde gerichtete Schreiben vom 14. November 1989, mit dem dieser die Bestellung des Manfred J. zum verantwortlichen Beauftragten bekanntgegeben worden sei, aus der Zeit nach der Begehung der angelasteten Übertretungen (27. April, 6. April, 1. März und 2. März 1989) stamme. Da es sich bei diesen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte i.S. des § 5 Abs. 1 VStG handle, bestehe von vornherein die Vermutung eines Verschuldens, die aber durch geeignetes Tatsachenvorbringen und die Beibringung von Beweismitteln widerlegt werden könne. Im vorliegenden Fall, in dem dem Beschwerdeführer aufgrund der Größe des Unternehmens zugebilligt werden müsse, daß er nicht selbst sämtliche Überwachungsaufgaben wahrnehmen könne, sei das mangelnde Verschulden dadurch "nachzuweisen", daß alle Maßnahmen getroffen worden seien, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Es sei durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, daß die im Unternehmen zu beachtenden Vorschriften nicht nur bekannt seien, sondern im Einzelfall tatsächlich eingehalten würden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reiche dabei die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus; es müsse auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgen. Aus den Aussagen der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen gehe hervor, daß die unterste Kontrollstufe im Bereich der Straßenbauabteilung der X Aktiengesellschaft von Manfred J. ausgeübt werde; die Fahrtenbücher der LKW's seien täglich bei ihm zur Durchsicht abzugeben. Vorgesetzter des Manfred J. sei Ing. Friedrich St., der stichprobenartige Kontrollen der Fahrtenbücher durchführe, und der seinerseits Dr. Volker G. untergeordnet sei und von diesem auch kontrolliert werde. Der Beschwerdeführer sei am Aufbau dieser Organisation zur Überwachung der Lenk- und Einsatzzeiten maßgeblich beteiligt gewesen; von ihm gingen auch Weisungen an die genannten Personen zur Kontrolle der Einhaltung der betreffenden Vorschriften aus. Er selbst führe keine Kontrolltätigkeit durch. Durch die Schaffung dieser Kontrollinstanzen für sich allein habe der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung des Arbeitszeitgesetzes kein Verschulden treffe. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht und es habe auch im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt werden können, daß er den von ihm genannten und als Zeugen namhaft gemachten Personen konkrete Aufträge erteilt und die Einhaltung dieser Anordnungen kontrolliert hätte.

              3.              Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht, der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und ihretwegen auch nicht bestraft zu werden, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

              4.              Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß der Zeuge Manfred J. nicht in diesem, sondern in (näher bezeichneten) Parallelverfahren einvernommen worden sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer nicht vom Ergebnis der Vernehmung des Zeugen Dr. G. verständigt worden.

1.2. Beide Behauptungen sind aktenwidrig. Was im besonderen den gerügten Verstoß gegen das Parteiengehör anlangt, so hat laut AV vom 14. Jänner 1991 der im Verwaltungsstrafverfahren für den Beschwerdeführer aufgetretene Vertreter ausdrücklich erklärt, auf eine "neuerliche Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" - die Ermittlungsergebnisse waren dem Beschwerdeführer persönlich zur Kenntnis gebracht worden - zu verzichten.

2.1. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall keine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vorliege, wird in der Beschwerde mit dem Hinweis darauf bekämpft, daß nach der Aussage des Zeugen Manfred J. vom 17. Oktober 1990 diesem die Überwachung der Lenk- und Einsatzzeiten "im fraglichen Zeitpunkt" oblegen sei, und weiters, daß laut Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 26. November 1990 die "tatsächliche Bestellung" des Manfred J. lange vor den gegenständlichen Übertretungen, nämlich mit der Aufgabenzuweisung an ihn bei seinem Eintritt in die Straßenbauabteilung, erfolgt sei.

2.2. Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargetan hat - die Bestellung einer Person zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt wirkt, zu dem der Behörde die Zustimmung dieser Person zur Bestellung nachgewiesen wird. Ausschlaggebend dafür, daß eine zum verantwortlichen Beauftragten bestellte Person in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen tritt, ist demnach das Einlangen eines Nachweises der Zustimmung jener Person zu ihrer Bestellung als verantwortlicher Beauftragter bei der Behörde, wobei dieser Nachweis - so die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.375/A) - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen und bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens einlangen muß. Daß aber Manfred J. seiner Bestellung zugestimmt habe, vor allem der Behörde gegenüber rechtzeitig der Nachweis seiner Zustimmung hiezu erbracht worden sei, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

3.1. Daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung des Arbeitszeitgesetzes kein Verschulden treffe, wurde von der belangten Behörde im wesentlichen wie folgt begründet: Das Kontrollsystem bezüglich der Lenk- und Einsatzzeiten im Bereich der Straßenbauabteilung des Unternehmens sei in drei Stufen gegliedert, wobei der jeweils übergeordnete den unmittelbar untergeordneten Verantwortungsträger auf die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften kontrolliere. Der Beschwerdeführer, der am Aufbau dieser Organisation maßgeblich mitgewirkt habe, erteile seinerseits an die auf den einzelnen Ebenen Verantwortlichen Weisungen, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Da er aber selbst keine Kontrolltätigkeit entfalte, also die Einhaltung seiner Anordnungen nicht überwache - die Schaffung der Kontrollinstanzen an sich reiche für eine Entlastung nicht aus - sei ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichteinhaltung der in Rede stehenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen anzunehmen.

3.2. Wenn die Beschwerde der Argumentation im angefochtenen Bescheid damit zu begegnen versucht, daß der Beschwerdeführer mit der Schaffung dieses Kontrollsystems (dreier Kontrollinstanzen), der Anordnung entsprechender Sanktionen und der Ausübung der "Oberaufsicht" über die "an der Spitze der Kontrollinstitutionen stehenden Mitarbeiter alles getan (hat), was ihm zur Hintanhaltung von Gesetzesverletzungen wie im konkreten Fall zugemutet werden kann", und er sich auf dieses Kontrollsystem habe verlassen dürfen, so wird mit diesem Vorbringen nicht - wie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für erforderlich erachtet (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0177) - auf der Grundlage entsprechenden Tatsachenvorbringens dargetan, wie dieses Kontrollsystem KONKRET funktionieren sollte. Daß der Hinweis auf die (Beteiligung an der) Schaffung des besagten Kontrollsystems diesem Erfordernis nicht genügt, bedarf keiner weiteren Darlegungen. Die Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" reichen gleichfalls nicht aus, um unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten zu lassen. Um von einem WIRKSAMEN Kontrollsystem sprechen zu können, bedarf es der Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis). In diesem Sinn hatten nicht nur der auf der jeweils übergeordneten Ebene des dreistufigen Kontrollsystems Weisungsbefugte, sondern auch der Beschwerdeführer als der - legt man die unbestritten gebliebene Aussage des Zeugen Dr. G. vom 21. Dezember 1990 zugrunde - dem auf der dritten Kontroll-Ebene Anordnungsbefugten in diesen Belangen Übergeordnete die Beachtung ihrer Weisungen zu kontrollieren. Allein auf diese Weise ist gewährleistet, daß die an der Spitze des Unternehmens erteilten Weisungen zur Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Normen auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Ebene der Weisungs-Hierarchie gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Da aber jedenfalls der Beschwerdeführer eine in diesem Sinn zu verstehende Kontrolltätigkeit (Überwachung seiner Anordnungen) nicht ausgeübt hat - die diesbezügliche ausdrückliche Feststellung im angefochtenen Bescheid ist in der Beschwerde unbestritten geblieben -, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems und damit die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verneint hat.

4. Die nach dem Gesagten zur Gänze unbegründete Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190086.X00

Im RIS seit

08.07.1991

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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