TE UVS Wien 1999/02/15 07/36/442/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.1999
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Spruch

I. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Ing Josef K, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk, vom 25.8.1995, Zl MBA 15-S 12357/94, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk, vom 24.3.1995, Zl MBA 15-S 12357/94 bewilligt.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch den Vorsitzenden Dr Pipal, den Berichter Mag Fritz und die Beisitzerin Dr Rotter über die Berufung des Herrn Ing Josef K, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk, vom 24.3.1995, Zl MBA 15-S 12357/94, betreffend Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

zu I. und II. Auf Grund einer Anzeige des Gendarmeriepostens G vom 1.12.1994 wurde der Berufungswerber (Bw) vom Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz am 4.1.1995 zur Rechtfertigung aufgefordert, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A-GmbH zu verantworten habe, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeber mit dem Standort in Wien, H-Straße, am 16.11.1994 auf ihrer Baustelle eines Mehrparteienwohnhauses in G, E-gasse, die jugoslawischen Staatsangehörigen Nevrus B, Petrit P, Nezir P und Mehmet Be, als Baufhilfsarbeiter beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer weder gültige Beschäftigungsbewilligungen erteilt noch gültige Arbeitserlaubnisse oder gültige Befreiungsscheine ausgestellt worden seien. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung konnte dem Bw unter dessen Wohnanschrift in Wien, He-straße im Jänner 1995 zunächst nicht zugestellt werden, weil sich der Bw laut einem Vermerk auf dem Rückscheinkuvert zu dieser Zeit auf einem Auslandsaufenthalt befunden habe.

Mit Schreiben vom 1.2.1995 richtete die Erstbehörde eine gleichlautende Aufforderung zur Rechtfertigung an den Bw; dieses Schreiben ist laut dem Rückschein (RSa, Formular 3 zu § 22 des Zustellgesetzes) am 2.2.1995 vom Bw persönlich übernommen worden. Wenngleich der Bw in dem genannten Schreiben der Erstbehörde vom 1.2.1995 aufgefordert worden war, sich zu dem Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung der vier namentlich genannten ausländischen Staatsbürger entweder anläßlich der Einvernahme bei der Erstbehörde am 9.2.1995 oder schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt zu rechtfertigen, hat sich der Bw zu diesem Vorwurf nach der Aktenlage nicht geäußert.

Unter dem Datum 24.3.1995 erging - nachdem der Bw sich zum Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung vier namentlich genannter ausländischer Staatsbürger nicht geäußert hatte - gegen den Bw ein Straferkenntnis, in welchem die ihm vorgeworfenen Taten wortgleich wie in der vorangegangenen Aufforderung zur Rechtfertigung umschrieben wurden. Dafür wurde über den Bw gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a erster Strafsatz des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe in der Höhe von S 60.000,-- (zusammen S 240.000,--), im Falle der Uneinbringlichkeit je 14 Tage (zusammen 56 Tage) Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit insgesamt S 24.000,-- bestimmt. In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die erstinstanzliche Behörde auf die Anzeige des Gendarmeriepostens G sowie darauf, daß der Bw von der gebotenen Gelegenheit zur Rechtfertigung keinen Gebrauch gemacht habe. Bei der Strafbemessung sei eine einschlägige rechtskräftige Vorstrafe als erschwerend gewertet worden; mildernd sei kein Umstand gewesen. Dieses Straferkenntnis ist letztlich (zunächst war eine Zustellung an der Firmenadresse versucht worden) laut dem Rückschein (und den eigenen Angaben des Bw) am 13.4.1995 (an der Wohnanschrift des Bw) von der Ehefrau des Bw übernommen worden.

Mit einer am 20.6.1995 zur Post gegebenen Eingabe erhob der Bw ua gegen das genannte Straferkenntnis "Einspruch".

In einer weiteren (am 30.6.1995 zur Post gegebenen und am 3.7.1995 eingelangten) Eingabe, beinhaltend einen Antrag auf neuerliche Zustellung und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden mit der gleichzeitig nachgeholten Berufung gegen das Straferkenntnis vom 24.3.1995, führte der Bw im wesentlichen aus, seine Ehegattin Angelika K habe das Straferkenntnis als Mitbewohnerin am 13.4.1995 übernommen, sie habe dieses Straferkenntnis aber weder an ihn weitergeleitet noch ihn über dieses Schriftstück informiert. Erst als er Zahlungsaufforderungen erhalten habe, die er allerdings vorerst mit einem anderen Verfahren in Zusammenhang gebracht habe, habe er am 26.6.1995 durch Akteneinsicht von dem Straferkenntnis Kenntnis erlangt. Das Straferkenntnis wäre wegen des Vorliegens besonders wichtiger Gründe gemäß § 22 zweiter Satz AVG zu eigenen Handen zuzustellen gewesen (er sei ja immerhin verpflichtet worden, einen Gesamtbetrag von S 264.000,-- zu bezahlen). Er habe im Juni 1995 verschiedene Zahlungsaufforderungen und Mahnungen erhalten, doch habe er angenommen, daß sich diese Aufforderungen auf das ihm bekannte Verfahren zur Zl MBA 15 - S 7285/94 beziehen, in dem ihm ein Straferkenntnis zugegangen sei und gegen das er Berufung erhoben habe (ha protokolliert zur Zl UVS-07/V/08/00046/97). Dies habe er dem Magistrat auch mit Schreiben vom 12.6.1995 mitgeteilt. Da auf den Zahlungsaufforderungen verschiedene Geschäftszahlen enthalten gewesen seien, habe er sämtliche Geschäftszahlen angeführt. Den verschiedenen Geschäftszahlen habe er keine besondere Bedeutung beigemessen (eventuell Einbringungsgeschäftszahlen). Da er nur von einem Straferkenntnis Kenntnis gehabt habe, gegen das er nach seiner Überzeugung Berufung eingebracht gehabt habe, habe er diese Zahlungsaufforderungen auf dieses Verfahren bezogen. Erst bei der Akteneinsicht am 26.6.1995 habe er vom gesamten Sachverhalt Kenntnis erlangt, insbesondere auch von der Versäumung der Berufungsfrist.

Soweit aus dem oben dargestellten Sachverhalt ihm oder seiner Gattin ein Verschulden zuzurechnen sei, sei dieses aus folgenden Gründen als gering einzustufen: Er habe die letzten Jahre die A-GmbH aufgebaut und sein gesamtes Vermögen und seine gesamte Arbeitskraft in dieses Unternehmen investiert. Im November 1994 sei der Konkurs über sein Unternehmen eröffnet worden. Er sei damit völlig mittel- und einkommenslos. Dennoch müsse er sich mit andrängenden Gläubigern auseinandersetzen, die Mithaftungen im Zusammenhang mit der A-GmbH ihm gegenüber geltend machten. Tatsächlich sei er nicht einmal in der Lage, die notwendigsten Zahlungen zu leisten und sei er auf Unterstützung durch Dritte angewiesen. Da er sogar mit der Miete im Rückstand sei, drohe ihm und seiner Familie auch ein Räumungsverfahren. Das Problem werde noch dadurch verschärft, daß er Familie -  seine Gattin, die im vierten Monat schwanger sei und eine zweijährige Tochter - habe und insbesondere auch die Existenzangst seiner Gattin zu internen Konflikten führe. Alles in allem befinde er sich doch in einer außergewöhnlichen Situation, in der auch einzelne Fehlleistungen entschuldbar seien. Auch seelische Zustände könnten Ereignisse iSd § 146 ZPO (Wiedereinsetzungsgründe) sein. Der Umstand, daß er bei der Akteneinsicht am 26.6.1995 habe feststellen müssen, daß nun insgesamt mehr als 2 Millionen Schilling Geldstrafen über ihn verhängt worden seien und er damit mehrere Monate Ersatzfreiheitsstrafe abbüßen müßte, habe seine Situation nicht verbessert. Sie habe aber seinen Rechtsanwalt Dr Christian R, mit dem er auch befreundet sei, veranlaßt, ihn zu unterstützen, obwohl er auch nicht in der Lage sei, sein Honorar zu bezahlen. Diese Geldstrafen beruhten übrigens allesamt auf dem gleichen Sachverhalt, daß nämlich ein Subunternehmer der A-GmbH, die Firma G-GmbH, offenbar Ausländer ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigt habe.

Außerdem sei seine Gattin auch nicht seine Vertreterin, sodaß ein allfälliges Verschulden ihrerseits nicht ihm zugerechnet werden könne. Seine Gattin habe jedenfalls die von ihr übernommenen Poststücke mit anderen Papieren verräumt und seien diese bei ihnen nicht mehr auffindbar.

Da er jedenfalls ohne jedes eigene Verschulden von der Zustellung des Straferkenntnisses keine Kenntnis erlangt habe, sei die Versäumung der Berufungsfrist auf ein unvorhergesehenes Ereignis zurückzuführen, das die Wiedereinsetzung rechtfertige. Schließlich brachte der Bw auch noch vor, die A-GmbH habe die Baumeisterarbeiten auf der gegenständlichen Baustelle zur Gänze an den Subunternehmer, die Firma G-GmbH, weitergegeben. Die auf der Baustelle angetroffenen Arbeiter könnten daher nur Beschäftigte dieser Firma gewesen sein.

Bemerkt sei, daß die Berufung des Bw gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 24.3.1995 beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Zl UVS-07/36/00442/95 protokolliert wurde. Der vom Bw mit Schriftsatz vom 29.6.1995 beim UVS Wien (und gleichzeitig auch bei der Erstbehörde) eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ha zunächst zur Zl UVS-07/V/36/00066/95 protokolliert worden.

In seiner Stellungnahme vom 20.7.1995 (beim UVS Wien am 10.8.1995 eingelangt) zu einem Verspätungsvorhalt betonte der Bw, daß ihm zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens vom 12.6.1995 nur das Straferkenntnis vom 27.1.1995, Zl MBA 15 - S 7285/94, bekanntgewesen sei. Dagegen habe er eine Berufung vom 25.4.1995 erhoben. Darauf habe sich sein Schreiben vom 12.6.1995 bezogen. Daß er im Betreff mehrere Geschäftszahlen angeführt habe, sei darauf zurückzuführen, daß ihm eben verschiedenste Mahnungen und Zahlungsaufforderungen zugekommen seien, auf denen diese Geschäftszahlen enthalten gewesen seien. Er habe diese Geschäftszahlen allerdings alle dem ihm bekannten Verfahren zugeordnet. Er stelle daher klar, daß es sich bei seinem Schreiben vom 12.6.1995 nicht um eine Berufung in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache handle. Das Straferkenntnis im gegenständlichen Verfahren sei ihm bis zum 12.6.1995 überhaupt noch nicht bekanntgewesen.

Erst durch eine Vorsprache beim Magistratischen Bezirksamt für den

15. Bezirk und durch eine Akteneinsicht am 26.6.1995 habe er vom gegenständlichen Straferkenntnis Kenntnis erlangt. Er habe daraufhin am 30.6.1995 den Antrag auf neuerliche Zustellung bzw Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Berufungsfrist eingebracht (vorsichtshalber sowohl beim MBA 15 als auch beim UVS Wien). Als Bescheinigungsmittel für den darin dargestellten Sachverhalt habe er die Vernehmung seiner Gattin und seine eigene Vernehmung angeboten.

Mit Berufungsbescheid vom 4.8.1995, Zlen UVS-07/36/00442/95, UVS-07/V/36/00066/95, wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Berufung des Bw gemäß § 66 Abs 4 AVG als verspätet zurück. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Bw entsprechend der behördlichen Anordnung am 13.4.1995 durch Übergabe an einen Ersatzempfänger (Ehegattin des Bw) rechtswirksam zugestellt worden sei. Eine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen des Bw sei nicht geboten gewesen. Die Berufung sei daher verspätet (über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde die Behörde erster Instanz zu entscheiden haben). Die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde des Bw wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.6.1997, Zl 95/09/0266, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 25.8.1995 wurde der Antrag des Bw auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom 24.3.1995, Zl MBA 15 - S 12357/94 abgelehnt. Begründend führte die Erstbehörde aus, das Straferkenntnis sei von der Gattin des Bw am 13.4.1995 übernommen worden. Nach Angaben des Bw habe dieser am 26.6.1995 erstmals von der Existenz des Straferkenntnisses (im Zuge einer Akteneinsicht bei der Erstbehörde) Kenntnis erlangt. Eine Zustellung der Straferkenntnisse zu eigenen Handen schreibe das Gesetz nicht vor, auch lägen bei der Verhängung von Verwaltungsstrafen die mit dem Bescheid verbundenen Rechtsfolgen im Vergleich mit anderen Bescheiden in ihrer Bedeutung und Gewichtigkeit nicht über dem Durchschnitt. Nur wenn die Behörde aus besonders wichtigen Gründen die Zustellung zu eigenen Handen angeordnet hätte, was im gegebenen Fall nicht erforderlich gewesen sei, wäre das Schriftstück nur dann ordnungsgemäß zugestellt, wenn dies in einer im § 22 AVG vorgeschriebenen Form geschehen wäre. Eine Ersatzzustellung wäre in diesem Fall an eine im § 21 Abs 1 ZustG genannte Person unzulässig und könnte nicht als ordnungsgemäße Zustellung angesehen werden. Da die Zustellung des Straferkenntnis somit ordnungsgemäß erfolgt sei, lägen keine im § 71 Abs 1 Z 1 AVG angeführten Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung (ha protokolliert zur Zl UVS-07/V/36/00091/95) brachte der Bw vor, die Erstbehörde gehe mit ihrer Begründung nur seinem Antrag auf neuerliche Zustellung nach, setze sich jedoch mit den Wiedereinsetzungsgründen nicht auseinander. Die Argumentation der Behörde "Da die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist, liegen keine Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung vor" sei rechtlich haltlos. Tatsächlich sei es genau umgekehrt, denn nur wenn die Zustellung wirksam sei, wäre über die Wiedereinsetzungsgründe zu entscheiden. Andernfalls hätte schon seinem Antrag auf neuerliche Zustellung Folge gegeben werden müssen. Da ihn seine Gattin über das von ihr übernommene Straferkenntnis nicht informiert habe, sei er durch dieses für ihn unvorhergesehene und unabwendbares Ereignis jedoch verhindert gewesen, fristgerecht Berufung zu erheben. Es wäre daher seinem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben.

Mit ha Schreiben vom 23.10.1995 wurde die Magistratsabteilung 6 - Stadtkasse für den 12./15. Bezirk um eheste Übermittlung der Zahlungsaufforderungen und Mahnungen ersucht, die an den Bw nach Rechtskraft des gegenständlichen Straferkenntnisses ergangen seien. Zu dieser Anfrage übermittelte die MA 6 - Rechnungsamt einen Kontoauszug (Computerausdruck), auf dem ersichtlich ist, daß es in der gegenständlichen Angelegenheit eine Mahnung mit dem Datum 30.5.1995 gegeben hat.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 1.12.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Bw, der in Begleitung von Rechtsanwalt Dr Christan R erschienen war, teilnahm und in der Frau Angelika K und Herr Martin H als Zeugen einvernommen wurden.

In dieser Verhandlung erklärte der BwV zunächst, zum Zeitpunkt der Tat sei der Bw gar nicht mehr Geschäftsführer der A-GmbH gewesen. Er sei zu dieser Zeit bereits als Geschäftsführer abberufen gewesen oder habe er die Geschäftsführerposition zurückgelegt gehabt; genau wisse er das nicht mehr. Auch wies der BwV darauf hin, daß von der Gattin des Bw am 13.4.1995 zwei Straferkenntnisse als Ersatzempfängerin übernommen und diese nicht an den Bw weitergeleitet worden seien. Es wäre im vorliegenden Fall eine besondere Härte, wenn jemand wegen einer einmaligen Fehlleistung hier sogar wahrscheinlich eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müßte.

Bei seiner Einvernahme als Beschuldigter gab der Bw folgendes an:

"Wenn mir die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1.2.1995 vorgelegt wird (von mir persönlich übernommen am 2.2.1995), so gebe ich an, daß ich mit Frau Ho vom MBA f 15. Bezirk telefoniert habe. Wenn mir vorgehalten wird, daß eine Stellungnahme von mir nicht aktenkundig ist, gebe ich an, wenn sich nichts im Akt befindet, so habe ich schriftlich wahrscheinlich nichts unternommen.

Wenn ich gefragt werde, wann ich vom gegenständlichen Straferkenntnis das erste Mal erfahren habe, so gebe ich an, es muß Anfang Juni gewesen sein, als ich Erlagscheine bekommen habe. Der Bw wird innerhalb einer Frist von 14 Tagen sämtliche Erlagscheine, Zahlungsaufforderungen und Mahnungen die er im Zusammenhang mit der Übertretung des AuslBG erhalten hat, dem UVS Wien vorlegen.

Ich habe mich, nachdem ich diese Erlagscheine bekommen habe, mit Herrn RA Dr R in Verbindung gesetzt. Dieser riet mir, Akteneinsicht zu nehmen. Ich bin daraufhin zum Magistrat gegangen und habe mir die Akten kopiert.

Der BwV gibt an, er könne nicht angeben, wann sich der Bw mit ihm telefonisch in Verbindung gesetzt hat. Aus seinem Akt ergibt sich als erster Termin der 28.6.1995, nachdem die Aktenkopien überbracht worden sind. Der Bw gibt hiezu an, daß es ca 1 1/2 Wochen davor gewesen sein muß.

Ich habe Ende April einen Bescheid bekommen, den ich selbst in die Hände bekommen habe. Gegen diesen Bescheid habe ich per Fax eine Berufung gemacht. Ein Faxprotokoll darüber habe ich nicht. Wie ich dann die ganzen Erlagscheine und Zahlungsaufforderungen bekommen habe, habe ich diesen Brief vom 12.6.1995 geschrieben. Ich dachte, daß diese Erlagscheine mit meiner gefaxten Berufung zu tun haben und habe mich gewundert, warum ich solche Erlagscheine bekomme. Wenn mir vorgehalten wird, daß in diesem Schreiben auf "die og Forderungen", "gegen alle angeführten Punkte" und von mehreren Baustellen die Rede ist, so gebe ich an, daß wir im Jahre 1994 vier Baustellen hatten. Auf drei davon war die Fa G als Subunternehmen beschäftigt. Herr F war nur auf der einen Baustelle, auf der wir tätig waren. Wenn ich über eine Baustelle etwas wissen wollte, habe ich, da wir keine Ingenieure haben, Herrn F geschickt. Herr F hatte kein Weisungsrecht, was dort gemacht werden sollte und auch kein personalmäßiges Weisungsrecht. Immer wenn ich irgendwelche Schreiben oder Aufforderungen betreffend der Anschuldigung von Schwarzarbeit bekommen habe, habe ich Herrn W angerufen und die Schreiben in Kopie übergeben. Da es um die Fa G gegangen ist, hat Herr W gesagt, gib mit die Papiere, unser Anwalt wird das erledigen. Nachdem die Erlagscheine gekommen waren, war es offensichtlich, daß dieser Rechtsanwalt nichts unternommen hat. Von einem Verfahren von den vieren habe ich gewußt, daß es läuft. Auf was sich die Wiederaufnahme (ich dachte, daß ich dann noch einmal vorgeladen werde; was genau rechtlich ist, weiß ich nicht) konkret bezogen hat, weiß ich nicht. Bei diesem einen Verfahren handelt es sich um die Zahl S-7285/94. Zu dem Zeitpunkt habe ich vom Verfahren S-8377/94 nichts gewußt. Die Berufung gegen das Straferkenntnis MBA 15 S-8377/94 ist mit 19.10.1994 datiert. Ich habe meine Frau gefragt, ob sie zwei behördliche Briefe auf einmal übernommen habe, was sie bejaht hat. Diese sind wohl mit den Zeitschriften weggeschmissen worden. Ich war vom September 1994 bis April 1995 arbeitslos. Desweiteren hat meine Frau am 25.4.1995 ein Straferkenntnis z Zl MBA 15 S-7285/94 übernommen, woraufhin ich eine mit 25.4.1995 datierte Berufung erhoben habe. Dieses ist auf einer bestimmten Stelle gelegen, wo ich es dann aufgefunden habe.

Über Befragen des BwV:

Wenn ich gefragt werde, wenn ich im April 1995 und davor in zahlreichen behördlichen Verfahren nicht mitgewirkt habe, gebe ich an, daß ich zu dieser Zeit schon einige Monate arbeitslos war und durch den Konkurs der Firma mein gesamtes Geld verloren habe. Ich wußte, daß auf Grund des Konkures große Zahlungsverpflichtungen auf mich zukommen werden und daß allgemein in der Familie eine große Anspannung und ein schlechtes Klima war. Im April 95 haben wir dann auch von der Schwangerschaft meiner Frau erfahren und die hätten wir schon aus gesundheitlichen Gründen nicht abbrechen dürfen. Bei uns hat sich dann die Existenzangst durch ein kleines Kind verdoppelt. Ich habe natürlich versucht, irgendeinen Job zu finden, um Geld zu verdienen. Ich bin dann nach Tschechien zu meinem Partner gefahren, der mir auch nicht helfen konnte. Wenn ich gefragt werde, warum ich nach Erhalt der Zahlscheine diese nur einem Verfahren zugeordnet habe, gebe ich an, daß ich nachdem ich nur von einem Verfahren die Kenntnis hatte (nämlich: Zl MBA 15-S 7285/94), die Zahlungsaufforderungen diesem einen Verfahren zugeordnet habe. Von diesem Verfahren, war mir klar, daß irgend etwas kommen wird, wenn ich Berufung erhoben habe, doch dachte ich nicht an Erlagscheine.

Die in dem Schreiben vom 12.6.1995 aufscheinenden Geschäftszahlen habe ich von den mir zugegangenen Erlagscheinen abgeschrieben. Ich habe vom gegenständlichen Straferkenntnis bei der Akteneinsicht (nach der Aktenlage am 26.6.1995) Kenntnis erlangt. Bei der Akteneinsicht hat mir Frau Ho auch gezeigt, daß die Zustellung an meine Gattin erfolgt ist.

Über Befragen des Verhandlungsleiters:

Ich habe, nachdem ich von der Unschuld in allen Verfahren überzeugt war, in den Schreiben vom 12.6.1995 alle Zahlen aus den Erlagscheinen draufgeschrieben. Ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht in den mir zugegangenen Aufforderungen zur Rechtfertigung nachgesehen."

Die Zeugin Angelika K gab bei ihrer Einvernahme folgendes an:

"Wenn mir der Rückschein (AS 13) vorgelegt wird, so gebe ich an, daß die Unterschrift von mir stammt. Ich habe bestimmt auch schon vorher ein paarmal solche Schriftstücke übernommen und die Übernahme mit meiner Unterschrift bestätigt. Ich habe diese Briefe vorher immer auf einen bestimmten Platz hingelegt. Manchmal habe ich meinem Mann gesagt, daß solche Briefe gekommen sind, manchmal hat er sie selber gefunden. Ich weiß ganz genau, daß an diesem Tag zwei Briefe gekommen sind. Es kann sein, daß mehrere Sachen mit der Post gekommen sind. Ich habe diese zwei Briefe wie immer auf einen bestimmten Platz hingelegt und zwar auf einen Kasten, auf dem oben Zeitungen liegen. Ich habe die Briefe auf die Zeitungen gelegt. Ich habe nicht gewußt, daß es so wichtig ist. Nachher, wie die Briefe schon verschwunden waren, hat mich mein Mann auf die Wichtigkeit solcher Schriftstücke hingewiesen. Mein Mann hat mich irgendwann Anfang Sommer gefragt, ob ich im Frühjahr irgendwelche Schriftstücke übernommen habe, was ich bejaht habe. Wir haben in dieser Zeit ziemliche Probleme gehabt und mein Mann hat sich darum gekümmert, irgendwas zu tun."

Schließlich machte der Zeuge Martin H bei seiner Einvernahme folgende Angaben:

"Ich war zum Zeitpunkt der Zustellung im gegenständlichen Fall der zuständige Zusteller. Ich kann mich erinnern, daß an dieser Adresse sehr oft behördliche Schriftstücke zugestellt worden sind. Ab und zu war der Bw selbst, ab und zu die Gattin zu Hause, die dann die Sendungen (die Gattin, soweit sie dies durfte) übernommen haben. An den konkreten Fall kann ich mich nicht erinnern. Ich könnte mich nicht erinnern, daß die Ehegattin des Bw an diesem Tag einen verwirrten Eindruck gemacht hatte. Von der gegenständlichen Abgabestelle (bzw den dort wohnhaften Personen) sind mir niemals Reklamationen betreffend Zustellungen zugekommen. Es hat nur einmal etwas gegeben, als ein Nachsendeauftrag auf Dauer erteilt wurde und uns der Bw dann telefonisch mitgeteilt hat, daß er doch an dieser Adresse wohnhaft sei."

In der Folge holte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien einen Firmenbuchauszug betreffend die A-GmbH ein. Aus diesem Firmenbuchauszug geht hervor, daß der Bw zur Tatzeit tatsächlich nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-GmbH gewesen ist (zur fraglichen Zeit war vielmehr Herr Thomas Hr handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufen). Ferner geht aus diesem Auszug hervor, daß das Ausscheiden des Bw als Geschäftsführer aus der A-GmbH am 1.10.1994 eingetragen worden ist.

Mit Schreiben vom 15.12.1995 teilte der Bw mit, daß im Juni 1995 zugestellte Mahnungen bzw Zahlungsaufforderungen nicht mehr aufgefunden haben werden können. Daß Anfang Juni 1995 in den Verfahren MBA 15 - S 12357/94, S - 7285/94, S - 11601/94 und S - 8377/94 Zahlungsaufforderungen bzw Mahnungen verschickt worden seien, müßte sich aus den Akten nachvollziehen lassen. Er könne urkundlich nachweisen, daß er zum Tatzeitpunkt 16.11.1994 bereits fast zwei Monate lang nicht mehr Geschäftsführer der A-GmbH gewesen sei. Er sei mit Umlaufbeschluß vom 19.9.1994 mit Wirkung ab diesem Tag als Geschäftsführer abberufen worden (eine Kopie dieses Umlaufbeschlusses lag bei). Zum Geschäftsführer sei Herr Thomas Hr bestellt worden. Die Unterfertigung des Umlaufbeschlusses sei notariell beglaubigt, sodaß an der Echtheit und am Zeitpunkt kein Zweifel bestehen könne. Der Löschungsantrag sei am 22.9.1994 überreicht worden. Der Bewilligungsbeschluß stamme vom 30.9.1994. Seine Löschung als Geschäftsführer sei am 1.10.1994 eingetragen worden. Der gegenständliche Vorfall habe sich erst am 16.11.1994 ereignet, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er längst nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Es stehe daher schon nach der Urkundenlage fest, daß seine Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und er - obwohl eindeutig unschuldig - voraussichtlich acht Wochen Ersatzfreiheitsstrafe absitzen müßte. Er ersuche daher nochmals, seinem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.

Mit ha Schreiben vom 29.7.1997 teilte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der Erstbehörde mit, daß der VwGH mit Erkenntnis vom 26.6.1997, Zl 95/09/0266 die Beschwerde des Bw gegen den (Zurückweisungs-)Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4.8.1995, Zlen UVS-07/36/00442/95 und UVS-07/V/36/00066/95, als unbegründet abgewiesen habe. Eine Kopie dieses Erkenntnisses sowie die vom UVS Wien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete Gegenschrift wurden der Erstbehörde übermittelt. Wie die vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gepflogenen Erhebungen ergeben hätten, sei der Bw zum Tatzeitpunkt nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-GmbH gewesen. Auch wurde angemerkt, daß die Strafe exorbitant hoch bemessen worden sei. Das Straferkenntnis der Erstbehörde vom 24.3.1995, Zl MBA 15 - S 12357/94 sei in Rechtskraft erwachsen. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien sei nur mehr ein Verfahren betreffend des Antrages des Bw auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anhängig. Unabhängig von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung nun tatsächlich bewilligt werden könnte oder nicht, ersuchte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien, den vorliegenden Sachverhalt in Richtung einer allfälligen Anwendbarkeit des § 52a Abs 1 VStG zu prüfen (allenfalls nach Einräumung des Parteiengehörs an das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten). Wenn die Erstbehörde nicht von der Möglichkeit der amtswegigen Aufhebung des Straferkenntnisses Gebrauch machen sollte, so wurde um neuerliche Wiedervorlage des gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes ersucht. Diesem Schreiben waren der gesamte erstinstanzliche Verwaltungsstrafakt zur Zl MBA 15 - S 12357/94 (im Original) und zahlreiche Kopien von Unterlagen (zB des Firmenbuchauszuges und des Verhandlungsprotokolls vom 1.12.1995) angeschlossen. Mit Schreiben vom 28.1.1999 teilte die Erstbehörde mit, der Strafakt Zl MBA 15 - S 12357/94 sei am 2.9.1997 an das AMS Wien übermittelt worden und dort in Verstoß geraten. Eine amtswegige Aufhebung sei somit nicht vorgenommen worden. In einem bei der Erstbehörde aufgenommenen AV vom 20.1.1999 ist festgehalten worden, daß nach Rücksprache mit dem AMS Wien der gegenständliche Akt dort nicht vorhanden sei, es würde auch kein Protokoll geführt. Eine Nachfrage beim Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten habe ergeben, daß der Akt auch dort nicht angekommen sei.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, daß laut Mitteilung der Erstbehörde der gesamte erstinstanzliche Verwaltungsstrafakt zur Zl MBA 15 - S 12357/94 in Verstoß geraten ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mußte daher bei der obigen Wiedergabe des Verfahrensablaufes auf den Inhalt des Berufungsbescheides vom 4.8.1995, der Gegenschrift im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Zl 95/09/0266 und den eigenen Angaben des Bw in den im Zuge des Berufungsverfahrens eingebrachten Eingaben zurückgreifen. I. Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist:

Gemäß (dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden) § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß gemäß § 71 Abs 2 leg cit binnen 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Gemäß § 72 Abs 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB das Erk vom 21.5.1992, Zl 92/09/0009) soll durch das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verhindert werden, daß einer Partei, die gegen ein unverschuldet und unvorhergesehen eintretendes Ereignis persönlich nichts unternehmen konnte, wegen der prozessualen Folgen dieses Ereignisses (Fristversäumnis) die Prüfung ihres materiellen Anspruches verweigert wird, dieser Anspruch mithin untergeht, mag er auch berechtigt sein. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß das zugrundeliegende an den Bw gerichtete erstinstanzliche Straferkenntnis am 13.4.1995 durch einen "Mitbewohner der Abgabestelle" (und zwar der Ehegattin des Bw) übernommen wurde. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ist in seinem Berufungsbescheid vom 4.8.1995, Zlen. UVS-07/36/00442/95, UVS-07/V/36/00066/95 davon ausgegangen, daß die am 13.4.1995 durch Übergabe an einen Ersatzempfänger vorgenommene Zustellung des Straferkenntnisses als eine gegenüber dem Bw wirksame, die Berufungsfrist in Lauf setzende Bescheiderlassung anzusehen ist (vgl dazu auch näher die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im oben zitierten Erkenntnis vom 26.6.1997).

Als Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand machte der Bw mit seinem Antrag vom 29.6.1995 mit Beweisanbot geltend, daß seine Ehegattin das Straferkenntnis nicht an ihn weitergeleitet und sie ihn über dieses Schriftstück auch nicht informiert habe. Erst im Zuge einer Akteneinsicht bei der Erstbehörde am 26.6.1995 habe er vom Straferkenntnis erfahren.

Die Erstbehörde begründete ihre Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages damit, daß die Zustellung des Straferkenntnisses ordnungsgemäß erfolgt sei und daher keine im § 71 Abs 1 Z 1 AVG angeführten Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung vorlägen.

Dieser Überlegung kommt aber keine Berechtigung zu. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Behauptung eines Rechtsnachteiles, dh die Behauptung, durch eine Fristversäumung eines Anspruches verlustig gegangen zu sein. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, daß eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben. Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Schriftstückes (Bescheides oder Ladung) nicht rechtswirksam dh unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang rechtswidrig, daher die Zustellung nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungs- oder sonstigen Rechtsmittelfrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl zum Ganzen das Erk des VwGH vom 29.9.1993, Zl 92/12/0018). Völlig verfehlt ist also die abschließende Schlußfolgerung der Erstbehörde, daß die Zustellung des Straferkenntnisses ordnungsgemäß erfolgt sei und somit keine im § 71 Abs 1 Z 1 AVG angeführten Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen. Die Wirksamkeit der Ersatzzustellung ist nämlich eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages. Andernfalls hätte (mangels wirksamer Zustellung) gar keine Frist zu laufen begonnen und hätte daher auch keine Frist versäumt werden können (vgl dazu das Erk des VwGH vom 22.2.1996, Zl 94/11/0315).

Der Bw brachte in seiner Eingabe vom 29.6.1995 auch vor, er habe im Juni 1995 verschiedene Zahlungsaufforderungen und Mahnungen erhalten, wobei er angenommen habe, daß sich diese Aufforderungen auf das ihm bekannte Verfahren, Zl MBA 15 - S 7285/94 beziehen, in dem ihm ein Straferkenntnis zugegangen sei und gegen das er Berufung erhoben habe. Da auf den Zahlungsaufforderungen verschiedene Geschäftszahlen enthalten gewesen seien, habe er auf seinem Schreiben vom 12.6.1995 sämtliche Geschäftszahlen angeführt. Diesen verschiedenen Geschäftszahlen habe er keine besondere Bedeutung beigemessen. Da er nur von einem Straferkenntnis Kenntnis erlangt habe, gegen das er nach seiner Überzeugung Berufung eingebracht habe, habe er diese Zahlungsaufforderungen auf dieses Verfahren bezogen. Erst bei seiner Akteneinsicht am 26.6.1995 habe er dann vom gesamten Sachverhalt Kenntnis erlangt, insbesondere auch von der Versäumung der Berufungsfrist.

Wie aus einem von der MA 6 - Rechnungsamt übermittelten Kontoauszug ersichtlich ist, ist an den Bw in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache zur Zl MBA 15 - S 12357/94 eine Mahnung mit Datum 30.5.1995 ergangen. Es ist also davon auszugehen, daß diese Zahlungsaufforderung (Mahnung) dem Bw entsprechend seinem Vorbringen Anfang Juni 1995 zugekommen ist.

Gemäß § 71 Abs 2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB das Erk vom 17.5.1991, Zl 90/06/0148) ist die Zustellung einer Mahnung (Zahlungsaufforderung, Erlagschein) nicht dem Aufhören des der Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis, mit der die Geldstrafe verhängt wurde, entgegenstehenden Hindernisses gleichzusetzen, weil dieser Umstand dem Beschuldigten noch nicht die für den Wiedereinsetzungsantrag maßgebenden Umstände zur Kenntnis bringen mußte. Über ha Ersuchen, die Zahlungsaufforderung und Mahnungen, die an den Bw nach Rechtskraft des gegenständlichen Straferkenntnisses ergangen seien, zu übermitteln, wurde von der MA 6 ein Computerausdruck übermittelt, aus dem das Datum der Mahnung (nämlich 30.5.1995) hervorgeht. Eine Übermittlung von Kopien dieser Schriftstücke war offenbar nicht mehr möglich (und offenbar auch keine näheren Angaben, wann ihm diese zugestellt worden sind). Nach ha Auffassung mußte der Bw mit dem Empfang der Zahlungsaufforderung (Mahnung, Erlagschein) nicht auch Kenntnis von der von ihm als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachten Nichtausfolgung des Straferkenntnisses durch seine Ehegattin erlangt haben. Es fällt vielmehr das Hindernis im Falle einer sodann durch den Bw erfolgten Einsicht in den maßgebenden Verwaltungsstrafakt, bei welchem der Umstand, daß eine Ersatzzustellung erfolgt ist, das Straferkenntnis aber dem Bw nicht übergeben worden ist, bekannt wird, weg (vgl das Erk des VwGH vom 17.5.1991, Zl 90/06/0149). Denn damit war es dem Bw möglich, einen Antrag auf Wiedereinsetzung unter Hinweis darauf, daß er das Straferkenntnis nicht übergeben bekommen habe, zu stellen. Da somit nach ha Auffassung die Wiedereinsetzungsfrist erst mit Ablauf des 26.6.1995 zu laufen begonnen hat, hat der Bw den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag (am 30.6.1995 zur Post gegeben) rechtzeitig eingebracht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien geht auf Grund der glaubwürdigen Angaben des Bw, die von seiner Ehegattin bestätigt worden sind, davon aus, daß Frau Angelika K die - das gegenständliche Straferkenntnis enthaltende - Sendung übernommen hat. Sie hat dann diesen Brief auf einen Kasten gelegt, auf dem auch Zeitungen gelegen sind. In der Folge ist dann die Sendung mit anderen Papieren verräumt worden. In der Verhandlung am 1.12.1995 gab der (zur damaligen Zeit zuständige) Zusteller an, ab und zu sei der Bw selbst, ab und zu auch die Gattin zu Hause gewesen, die dann die behördlichen Sendungen (die Gattin, soweit sie dies durfte) übernommen haben. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß Frau Angelika K (die Ehegattin) Mitbewohnerin der Wohnung des Bw und somit Ersatzempfängerin im Sinne des § 16 Abs 2 ZustG ist. Als solche hat sie die in Rede stehende Sendung am 13.4.1995 übernommen. Dieses Straferkenntnis hat Frau K dann nicht dem Bw übergeben, sondern auf einen Kasten hingelegt, wobei dieses dann offenbar zusammen mit Zeitungen und Werbematerial weggeworfen worden ist. Bei diesem Sachverhalt ist es aber (mangels Kenntnis von der Ersatzzustellung) ausgeschlossen, ein Verschulden des Bw an der Fristversäumung anzunehmen. Aus der Sicht des Bw wurde die Fristversäumung somit durch ein für ihn unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis bewirkt, an welchem ihn kein Verschulden trifft. Der Umstand allein, daß seine Gattin für ihn regelmäßig Sendungen übernimmt, löste auf seiner Seite auch keine Verpflichtung aus, seine Gattin nach solchen Sendungen von sich aus zu befragen (vgl dazu das Erk des VwGH vom 30.6.1998, Zl 98/11/0062).

Auf Grund dieser Überlegungen war dem Antrag des Bw auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist Folge zu geben.

II. Zum Vorwurf der unbewilligten Beschäftigung von Ausländern (Übertretungen des AuslBG):

Vorweg ist anzumerken, daß die Berufung des Bw gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 24.3.1995 zunächst mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4.8.1995 als verspätet zurückgewiesen wurde (einer dagegen erhobenen Beschwerde war mit Erkenntnis des VwGH vom 26.6.1997, Zl 95/09/0266, keine Folge gegeben worden). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen, was bedeutet, daß der Zurückweisungsbescheid dann rechtmäßig ist, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war (vgl das Erk eines verstärkten Senates des VwGH vom 23.10.1986, VwSlg 12275/A). Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl das Erk des VwGH vom 19.3.1996, Zl 95/11/0392). Mit der unter Spruchpunkt I. getroffenen Entscheidung (Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist) ist der Berufungsbescheid (Zurückweisungsbescheid) des UVS Wien vom 4.8.1995 außer Kraft getreten. Damit war das Verfahren im Stande der Erlassung des Straferkenntnisses vom 24.3.1995 fortzuführen.

Gemäß § 3 Abs 1 AuslBG in der im vorliegenden Fall (nach dem Tatzeitpunkt) anzuwendenden Fassung gemäß BGBl Nr 450/1990 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14 a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ... bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis zu S 60.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 240.000,--. Für die Einhaltung der Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, deren Übertretung dem Bw angelastet wird, ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes der Arbeitgeber und nur dieser haftbar (vgl zB das Erk des VwGH vom 26.9.1991, Zl 91/09/0046). Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist gemäß § 9 Abs 1 VStG, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Das ist im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren handelsrechtlicher Geschäftsführer (vgl das Erk des VwGH vom 23.4.1992, Zl 92/09/0006, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Auf Grund einer Anzeige des Gendarmeriepostens G vom 1.12.1994 wurde der Bw vom Magistrat der Stadt Wien am 4.1.1995 zur Rechtfertigung zum Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung von vier namentlich genannten ausländischen Staatsbürgern aufgefordert. Unter dem Datum 24.3.1995 erging dann - nachdem der Bw sich zu diesem Vorwurf nicht geäußert hatte - gegen den Bw ein Straferkenntnis, in welchem ihm zur Last gelegt wurde, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A-GmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeberin an einer näher bezeichneten Baustelle vier namentlich genannte Ausländer beschäftigt habe, obwohl für diese keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vorgelegen sei. In der Verhandlung (zur Zl UVS-07/V/36/00091/95) am 1.12.1995 wies der BwV darauf hin, daß der Bw zur Tatzeit gar nicht mehr Geschäftsführer der A-GmbH gewesen sei. In seiner Eingabe vom 15.12.1995 führte der Bw näher aus, er sei mit Umlaufbeschluß vom 19.9.1994 mit Wirkung ab diesem Tag als Geschäftsführer abberufen worden. Seine Löschung als Geschäftsführer sei am 1.10.1994 in das Firmenbuch eingetragen worden. Aus dem eingeholten Firmenbuchauszug geht ebenfalls hervor, daß der Bw zum Tatzeitpunkt (am 16.11.1994) nicht (mehr) handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-GmbH gewesen ist, weshalb er für die verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen auch nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang ist die Erstbehörde darauf hinzuweisen, daß eine allfällige Nichtäußerung des Beschuldigten zu einer Aufforderung zur Rechtfertigung nichts an der allgemeinen, dem Offizialprinzip korrespondierenden Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit ändert (vgl dazu das Erk des VwGH vom 21.10.1998, Zl 96/09/0210). Die Erstbehörde hat wegen der vier von ihr angenommenen Übertretungen des AuslBG Geldstrafen in der Höhe von je S 60.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von je 14 Tagen) verhängt. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat bereits in seiner Gegenschrift (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Zl 95/09/0266) darauf hingewiesen, daß die Erstbehörde (abgesehen davon, daß diese den unrichtigen Strafsatz gewählt hat; richtigerweise wäre der dritte Strafsatz heranzuziehen gewesen) die in dem von ihr herangezogenen ersten Strafsatz des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG vorgesehene höchste Geldstrafe (S 60.000,-- pro unberechtigt beschäftigten Ausländer) verhängt hat, wobei zu Unrecht eine einschlägige rechtskräftige Vorstrafe als erschwerend gewertet wurde (das im Vorstrafenverzeichnis aufscheinende Straferkenntnis zur Zl MBA 15 - S 1505/93 sei durch Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19.4.1994, Zl UVS-07/04/01061/93 behoben worden). Die Erstbehörde hat ferner die Ersatzfreiheitsstrafe jeweils mit 14 Tagen (das ist die im § 16 Abs 2 VStG vorgesehene Höchststrafe) bemessen. Auf Grund dieser Überlegungen regte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Schreiben vom 29.7.1997 bei der Erstbehörde an, den vorliegenden Sachverhalt in Richtung einer allfälligen Anwendbarkeit des § 52a Abs 1 VStG zu prüfen (allenfalls nach Einräumung des Parteiengehörs an das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten). Nach Mitteilung der Erstbehörde habe diese den gegenständlichen Strafakt am 2.9.1997 an das AMS Wien übermittelt und sei der Akt dort in Verstoß geraten. Eine amtswegige Aufhebung wurde von der Erstbehörde nicht vorgenommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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