TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/21 92/09/0009

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 litb;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs6;
AVG §72 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):92/09/0010 E 21. Mai 1992

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte

Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Anton S in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. Februar 1991, Zl. 5 - 212 Sche 36/15 - 90, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Strafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0158 bzw. Zl. 90/09/0157, verwiesen, mit welchen die damals angefochtenen Bescheide der belangten Behörde vom 23. und 27. August 1990 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben worden waren. Der Gerichtshof hatte hiebei für bestimmend erachtet, daß die Berufungsbehörde, ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, aus § 17 Abs. 4 des Zustellgesetzes folge, daß jegliches Risiko der Fristversäumnis im Zusammenhang mit dem "Verkommen" einer Hinterlegungsanzeige im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG von vornherein dem Verschulden des Empfängers zuzurechnen sei, jegliche Erhebungen und Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich des Vorliegens der im § 71 Abs. 1 lit. a AVG normierten Tatbestandsvoraussetzungen unterlassen habe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid vom 25. Februar 1991 traf die belangte Behörde folgende Entscheidung:

"Aus Anlaß des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses 90/09/0158-5, in Verbindung mit 90/09/0126, 0127 vom 13.12.1990, wird festgestellt, daß im gegenständlichen Fall kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 vorliegt, und daher der rechtzeitig eingebrachten Berufung des Herrn Anton S, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. U, vom 30.7.1990 gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG 1950, BGBl. Nr. 172, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 357/1990, keine Folge gegeben und der Bescheid des Magistrates Graz - Gewerbeamt, vom 13.7.1990, A 4 - St 652, 700, 701 und 858/1989/307, bestätigt wird."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Spruches weiter ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, daß sein damaliger Vertreter, Mag. W., ihn im gegenständlichen Verwaltungsverfahren nicht vertrete. Der Beschwerdeführer habe erst am 9. April 1990 von der Hinterlegung des Poststückes erfahren. Der Beschwerdeführer sei durch ein unvorhergesehenes und unverschuldetes Ereignis (Nichtausfolgung der Hinterlegungsanzeige durch seinen Dienstgeber) daran gehindert worden, seine Rechte wahrzunehmen und die Berufung auszuführen; dies stelle einen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Nach Wiedergabe des § 71 Abs. 1 lit. a und des § 71 Abs. 2 AVG führt die belangte Behörde weiter aus, im Beschwerdefall sei sachverhaltsmäßig unbestritten, daß das dem Verfahren zugrundeliegende Straferkenntnis am 16. März 1990 hinterlegt worden sei; weiters, daß der seinerzeitige Vertreter des Beschwerdeführers Mag. W. mit Schreiben vom 27. März 1990 "Einspruch" erhoben habe und daß der nunmehrige Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 13. April 1990, eingelangt bei der Strafbehörde erster Instanz am 17. April 1990, unter anderem Wiedereinsetzung beantragt habe. Festgestellt werde auch, daß Mag. W. am 23. März 1990 beim Magistrat Graz - Gewerbeamt eine Vollmacht, datiert mit 1. Dezember 1989, vorgelegt und vor dem Magistrat Graz mit seiner eigenhändigen Unterschrift folgende Niederschrift bestätigt habe:

"Ich lege die Vertretungsvollmacht für den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Gesellschaft, Herrn Anton S, für sämtliche beim do. Amt gegen den Genannten anhängigen Verwaltungsstrafverfahren vor. Diese Vollmacht gilt auch für alle allfälligen Strafverfahren, in die Herr S als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft verwickelt werden könnte."

Der Magistrat Graz habe am 23. März 1990 den Beschwerdeführer über seinen damaligen Vertreter Mag. W. von der Hinterlegung diverser Straferkenntnisse (darunter sei auch das diesem Verfahren zugrundeliegende Straferkenntnis gewesen) schriftlich in Kenntnis gesetzt. Am 27. März 1990 habe Mag. W. dem Magistrat Graz mitgeteilt, daß die hinterlegten Poststücke von ihm nicht behoben werden könnten, weil er keine Postvollmacht besitze, weshalb er "Einspruch" erhebe. Am 13. April 1990 habe der den Beschwerdeführer auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretende Rechtsanwalt als Vertreter des Beschwerdeführers eine Berufung gegen das diesem Verfahren zugrundeliegende Straferkenntnis vorgelegt und den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Die belangte Behörde habe in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. August 1990 das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG verneint, weil § 17 Abs. 4 des Zustellgesetzes zeige, daß das Risiko einer Fristversäumnis bei Verlust einer Hinterlegungsanzeige der Empfänger zu tragen habe. Daß dem Beschwerdeführer auf Grund einer "Verschlampung" seines Dienstgebers die Hinterlegungsanzeige erst am 9. April 1990 übergeben worden sei, habe die belangte Behörde analog dem Zustellgesetz (§ 17 Abs. 4) der Verschuldenssphäre des Beschwerdeführers zugerechnet. Diese Rechtsansicht habe der Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt und festgestellt, daß diese analoge Schlußfolgerung für den Bereich der Wiedereinsetzung unzulässig sei. Dieser Rechtsauffassung trage die belangte Behörde im nunmehrigen (angefochtenen) Bescheid Rechnung und stelle ergänzend fest, daß ein Wiedereinsetzungsgrund schon allein deswegen nicht vorliege, weil der mit Vollmacht ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers Mag. W. nachweislich ab 27. März 1990 von der Hinterlegung der Straferkenntnisse gewußt habe. Daß er nicht tätig geworden sei und den Beschwerdeführer nicht zumindest von der Hinterlegung rechtzeitig verständigt habe (wenn er, wie er mitgeteilt habe, nicht zur Behebung der Poststücke bevollmächtigt gewesen sei), sei wohl der Verschuldenssphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990,

Zlen. 90/09/0126-7, 0127-8). Ergänzend sei dazu noch zu bemerken, daß es aktenkundig sei, daß die Hinterlegungsanzeige beim Dienstgeber des Beschwerdeführers offenbar nur verlegt worden sei, was bei Einschreiten des Vertreters des Beschwerdeführers sofort hätte aufgeklärt werden können. Durch dessen Nichttätigwerden sei die Frist um eine Woche versäumt worden. Gemäß § 71 Abs. 2 AVG sei der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses, das zur Versäumung der Frist geführt habe, oder ab dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt habe, einzubringen. Da Mag. W. aktenkundig ab 27. März 1990 von der Hinterlegung gewußt habe, hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung spätestens am 3. April 1990 eingebracht werden müssen. Tatsächlich habe der nunmehrige Vertreter des Beschwerdeführers Dr. U den Antrag am 13. April 1990 eingebracht.

Nach Wiedergabe einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließend aus, zusammenfassend sei also festzustellen, daß auch bei nochmaliger und genauester Überprüfung der Sachlage ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 25. November 1991, B 411, 413/91, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG (in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990; vgl. deren Art. IV Abs. 2) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung (ebenfalls in der anzuwendenden Fassung vor der Novelle 1990) muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen EINER Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. N.F. Nr. 9.024/A) soll durch das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verhindert werden, daß einer Partei, die gegen ein unverschuldet und unvorhergesehen eintretendes Ereignis persönlich nichts unternehmen konnte, wegen der prozessualen Folgen dieses Ereignisses (Fristversäumnis) die Prüfung ihres materiellen Anspruches verweigert wird, dieser Anspruch mithin untergeht, mag er auch berechtigt sein.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß das zugrundeliegende an den Beschwerdeführer gerichtete erstinstanzliche Straferkenntnis am 16. März 1990 beim Postamt 8051 Graz hinterlegt und die Hinterlegungsanzeige beim Dienstgeber des Beschwerdeführers zurückgelassen wurde. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat er von dieser Hinterlegungsanzeige erst nach Ablauf der Berufungsfrist Kenntnis erlangt. Am 23. März 1990 legte ein Angestellter des Dienstgebers des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz eine umfassende Vertretungsvollmacht für die gegen den Beschwerdeführer anhängigen bzw. künftigen Verwaltungsstrafverfahren vor. Die Strafbehörde erster Instanz informierte daraufhin den Vertreter des Beschwerdeführers, davon, daß insgesamt vier Straferkenntnisse an den Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt worden seien. Hiezu äußerte sich der genannte Vertreter des Beschwerdeführers in einem als "Einspruch" bezeichneten Schriftsatz vom 27. März 1990, in dem er im wesentlichen vorbrachte, diese Straferkenntnisse könnten von ihm nicht behoben werden und müßten daher neuerlich an ihn zugestellt werden.

Mit Schreiben der Strafbehörde erster Instanz vom 5. April 1990 wurde der Beschwerdeführer im Wege seines Vertreters davon in Kenntnis gesetzt, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis rechtskräftig zugestellt worden sei und daher vom Beschwerdeführer insgesamt S 660.000,-- binnen acht Tagen zu zahlen seien.

Daraufhin legte der dem Beschwerdeführer nunmehr auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretene Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 13. April 1990 seine Bevollmächtigung bei der Strafbehörde erster Instanz vor, erhob gleichzeitig Berufung und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Berufung wurde von der belangten Behörde ebenso wie der "Einspruch" vom 21. März 1990 mit Bescheid vom 27. Juni 1990 zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0126, 0127, als unbegründet abgewiesen.

Die im Instanzenzug ergangene negative Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ebenfalls mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0158, - wie bereits einleitend dargelegt - aufgehoben.

Wie der dargestellte Verfahrensablauf zeigt, hat - entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift - daher noch keine materiell-rechtliche Prüfung des zugrundeliegenden erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die Behörde zweiter Instanz stattgefunden. Gegenstand der unter Zl. 90/09/0126, 0127 am 13. Dezember 1990 erfolgten Abweisung der damaligen Beschwerde war die ZURÜCKWEISUNG der Berufung des Beschwerdeführers, weil zur Zeit der Erlassung der Zurückweisungen durch die belangte Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch nicht bewilligt war. Wird aber die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Slg. N.F. Nr. 12.275/A).

Als Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand machte der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 13. April 1990 mit Beweisanbot geltend, daß ihm die Hinterlegungsanzeige nicht ausgefolgt worden und er daher von der Hinterlegung ohne sein Verschulden nicht in Kenntnis gewesen sei. Davon, daß die Hinterlegungsanzeige bei seinem Dienstgeber abgelegt und nicht an ihn ausgefolgt worden sei, habe er erst am 9. April 1990 Kenntnis erhalten.

Nach der Begründung des im zweiten Rechtsgang erlassenen, nunmehr angefochtenen Bescheides ist im vorliegenden Fall ein Wiedereinsetzungsgrund schon allein deswegen nicht gegeben, weil der Vertreter des Beschwerdeführers nachweislich am 27. März 1990 von der Hinterlegung des Straferkenntnisses gewußt hat. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers sei daher gemäß § 71 Abs. 2 AVG verspätet eingebracht worden. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird - entgegen der letzteren Überlegung - ausdrücklich die Feststellung getroffen, daß kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG vorliegt; dies nach der Begründung des angefochtenen Bescheides deshalb, weil der Vertreter des Beschwerdeführers, wie ausgeführt, von der Hinterlegung des Straferkenntnisses gewußt habe und dieser Umstand der Verschuldenssphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen sei. Die Fristversäumnis sei daher durch das Nichttätigwerden des Vertreters des Beschwerdeführers eingetreten.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters grundsätzlich die Partei trifft. Im Beschwerdefall ist aber kein solches Verschulden erkennbar. Die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgte rechtens an den noch unvertretenen Beschwerdeführer durch Hinterlegung. Wäre zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vertretungsvollmacht erteilt gewesen, hätte die Zustellung an den Vertreter erfolgen müssen. Darin, daß die zwischenzeitig erteilte Vertretungsvollmacht diesen nicht zur Behebung des hinterlegten erstinstanzlichen Straferkenntnisses berechtigte, - worauf der Vertreter des Beschwerdeführers ausdrücklich hingewiesen hat - liegt - die Unkenntnis von der erfolgten Hinterlegung bei Erteilung der Vollmacht vorausgesetzt - weder ein Verschulden des Beschwerdeführers noch seines Vertreters vor. Darüber, ob und allenfalls aus welchen Gründen eine Verständigung des alleinbehebungsberechtigten Beschwerdeführers durch seinen Vertreter unterblieben ist, mangelt es dem angefochtenen Bescheid aber an entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung aber in erster Linie auf § 71 Abs. 2 AVG, ohne dies aber im Spruch entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Die belangte Behörde meint, da der Vertreter ab 27. März 1990 von der Hinterlegung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gewußt habe, hätte er spätestens bereits am 3. April 1990 den Wiedereinsetzungsantrag einzubringen gehabt.

Auch dieser Überlegung kommt keine Berechtigung zu.

Die im § 71 Abs. 2 AVG alternativ vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen für die Antragsfrist entsprechen, wie die Wortwahl aber auch teleologische Überlegungen zeigen, den im § 71 Abs. 1 lit. a bzw. lit. b vorgesehenen Wiedereinsetzungsgründen. Dem Wiedereinsetzungsgrund nach lit. a entspricht demnach die Befristung nach § 71 Abs. 2 AVG

erster Tatbestand (Arg.: .... Ereignis .... verhindert

- Aufhören des Hindernisses).

Im Beschwerdefall ist daher maßgebend, wann das Hindernis, die VERSÄUMTE Frist einzuhalten, aufgehört hat. Dies setzt aber, alle anderen Überlegungen über die zur Betreibung des Verfahrens notwendige Kenntnis der Zusammenhänge bzw. die Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers hintangestellt, jedenfalls voraus, daß die Frist versäumt ist, weil ansonsten ja noch die Möglichkeit der fristgerechten Vornahme der Handlung bestanden hätte. Schon daraus folgt aber jedenfalls, daß die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Beginnes des Fristenlaufes im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG mit 27. März 1990 unrichtig ist.

Darüberhinaus ist aber auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, die bloße Kenntnis der Tatsache, daß ein Straferkenntnis an den Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt worden sei, sei dem Aufhören des der Einbringung einer Berufung gegen dieses Straferkenntnis entgegenstehenden Hindernisses gleichzusetzen, unrichtig. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem, denselben Beschwerdeführer wie im vorliegenden Fall betreffenden Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0314, ausgesprochen, die Zustellung einer Mahnung zur Bezahlung einer Geldstrafe sei nicht dem Aufhören des der Einbringung eines Einspruches gegen die Strafverfügung, mit der die Geldstrafe verhängt worden sei, entgegenstehenden Hindernisses gleichzusetzen, weil mit einer Mahnung dem Beschuldigten noch nicht die für den Wiedereinsetzungsantrag maßgebenden Umstände zur Kenntnis gebracht worden sind.

In ähnlicher Weise ist der vorliegende Fall zu beurteilen. Der Vertreter des Beschwerdeführers hatte nämlich mit dem Empfang der Mitteilung von der Hinterlegung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht auch Kenntnis von der vom Beschwerdeführer als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachten Nichtausfolgung der Hinterlegungsanzeige durch dessen Dienstgeber erlangt. Bei der gegebenen Sachlage kann daher die Kenntnis des Vertreters des Beschwerdeführers von der Hinterlegung des Straferkenntnisses nicht als Aufhören des Hindernisses im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG gewertet werden.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten haben erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Erklärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090009.X00

Im RIS seit

17.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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