TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/30 98/11/0062

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Veröffentlicht am 30.06.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
ZustG §16 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Mag. C in W, vertreten durch Dr. Roland Deissenberger, Rechtsanwalt in Wien I, Dominikanerbastei 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 1998, Zl. MA 65-11/133/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

An den Beschwerdeführer erging wegen eines Vorfalles vom 21. April 1996 eine mit 11. Juni 1996 datierte Aufforderung der Bundespolizeidirektion Wien nach § 103 Abs. 2 KFG 1967. Die diese Aufforderung enthaltende Sendung wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch beim zuständigen Postamt hinterlegt. Die mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebende Mag. T. entnahm nach den Beschwerdeausführungen die Hinterlegungsanzeige dem Briefkasten und behob in der Folge die Sendung beim Postamt. Sie vergaß aber, die Sendung dem Beschwerdeführer auszuhändigen. Als ihm eine Strafverfügung wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 zugestellt wurde und Mag. T. sich an den vorher geschilderten Vorgang erinnerte, brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Abgabe der Erklärung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 ein und teilte gleichzeitig mit, daß bei dem in Rede stehenden Vorfall der Lenker des für ihn zugelassenen Pkws er selbst gewesen sei.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1997 betreffend Zurückweisung dieses Wiedereinsetzungsantrages wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat (Erkenntnis vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0146), erging der angefochtene Bescheid, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag gemäß "§ 71 Abs. 1 Ziffer 1 AVG in Verbindung mit § 24 VStG" abgewiesen wurde.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer das Verschulden der als seine Bevollmächtigte zur Empfangnahme von Poststücken aufgetretenen Mag. T. zu vertreten hätte. Deren Verschulden übersteige das Ausmaß eines Versehens minderen Grades.

Vorauszuschicken ist, daß die Mitzitierung des § 24 VStG im Spruch des angefochtenen Bescheides - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht einräumt - ein Fehlzitat ist, weil die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe (noch) nicht in einem Verwaltungsstrafverfahren ergangen ist, sondern der Ermittlung der Person des Beschuldigten in einem erst einzuleitenden Verwaltungsstrafverfahren gedient hat. Dies Fehlzitat zieht aber keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nach sich, da nicht erkennbar ist, in welcher Hinsicht dieser Umstand Rechte des Beschwerdeführers verletzen würde.

Der Beschwerdeführer ist aber insofern im Recht, als die belangte Behörde zu Unrecht von der Annahme ausgegangen ist, Mag. T. sei als Bevollmächtigte des Beschwerdeführers im Sinne des AVG anzusehen, sodaß er deren Verschulden zu vertreten habe. Der Aktenlage, insbesondere dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nach, ist Mag. T. Mitbewohnerin der Wohnung des Beschwerdeführers und somit Ersatzempfängerin im Sinne des § 16 Abs. 2 Zustellgesetz. Als solche habe sie die in Rede stehende Sendung beim Postamt behoben. Eine allgemeine Bevollmächtigung zur Behebung bzw. Entgegennahme von zuzustellenden Schriftstücken hat der Beschwerdeführer seinen Behauptungen nach nicht erteilt; desgleichen auch keinen speziellen Auftrag zur Behebung der gegenständlichen Sendung. Nach seinem Vorbringen handelt es sich vielmehr um ein faktisches Entgegenkommen von Mag. T. gegenüber dem Beschwerdeführer, zu dem sie in keiner Weise rechtlich verpflichtet war. In dem Vorbringen war lediglich die Rede davon, daß Mag. T. für den Beschwerdeführer Sendungen tatsächlich übernimmt bzw. beim Postamt behebt. Bei diesem Sachverhalt ist es aber (mangels Kenntnis von der Hinterlegung) ausgeschlossen, ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Fristversäumung anzunehmen. Eine derartige - ein Bevollmächtigungsverhältnis im Sinne des AVG voraussetzende - Annahme findet im Inhalt des Verwaltungsaktes keine sachverhaltsmäßige Deckung.

Aus der Sicht des Beschwerdeführers wurde die Fristversäumung durch ein für ihn unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis bewirkt, an welchem ihn kein Verschulden trifft. Der Umstand allein, daß Mag. T. für den Beschwerdeführer regelmäßig Sendungen übernimmt oder behebt, löst auf seiner Seite keine Verpflichtung aus, Mag. T. nach solchen Sendungen von sich aus zu befragen.

Da die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu Unrecht keine Folge gegeben hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998110062.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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