TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/16 2001/10/0156

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2004
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E15101000;
E3L E15102050;
E3L E15103020;
E6J;
L07003 Landesgesetzblatt Kundmachung Verlautbarung Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
56/03 ÖBB;
59/04 EU - EWR;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

11997E030 EG Art30;
11997E174 EG Art174 Abs2;
11997E234 EG Art234;
31979L0409 Vogelschutz-RL Art4 Abs1;
31979L0409 Vogelschutz-RL Art4 Abs2;
31979L0409 Vogelschutz-RL Art4 Abs3;
31979L0409 Vogelschutz-RL Art4 Abs4;
31979L0409 Vogelschutz-RL Art4;
31979L0409 Vogelschutz-RL;
31985L0337 UVP-RL Art2 Abs1;
31985L0337 UVP-RL;
31990L0220 Freisetzung-RL GVO;
31992L0043 FFH-RL Art12 Abs1 litb;
31992L0043 FFH-RL Art12 Abs1 litd;
31992L0043 FFH-RL Art4 Abs1 UAbs1;
31992L0043 FFH-RL Art4 Abs1;
31992L0043 FFH-RL Art4 Abs5;
31992L0043 FFH-RL Art6 Abs2;
31992L0043 FFH-RL Art6 Abs3;
31992L0043 FFH-RL Art6 Abs4;
31992L0043 FFH-RL Art7;
31992L0043 FFH-RL;
61986CJ0014 Pretore di Salo VORAB;
61986CJ0080 Kolpinghuis Nijmegen VORAB;
61988CJ0131 Kommission / BRD;
61989CJ0057 Kommission / Deutschland;
61990CJ0006 Francovich Bonifaci VORAB;
61990CJ0355 Kommission / Spanien;
61992CJ0091 Faccini Dori VORAB;
61992CJ0431 Kommission / Deutschland;
61995CJ0044 Regina / Secretary of State for the Environment VORAB;
61996CJ0003 Kommission / Niederlande;
61996CJ0081 Burgemeester Haarlemmerliede Spaarnwoude VORAB;
61997CJ0166 Kommission / Frankreich;
61998CJ0096 Kommission / Frankreich;
61998CJ0256 Kommission / Frankreich;
61998CJ0343 Collino Chiappero VORAB;
61998CJ0374 Kommission / Frankreich;
61999CJ0006 Greenpeace Biotechnologie Genmais VORAB;
61999CJ0038 Kommission / Frankreich;
61999CJ0067 Kommission / Irland;
61999CJ0071 Kommission / Deutschland;
61999CJ0220 Kommission / Frankreich;
62000CJ0103 Kommission / Griechenland;
62000CJ0117 Kommission / Irland;
62000CJ0240 Kommission / Finnland;
62001CJ0192 Kommission / Dänemark;
62001CJ0202 Kommission / Frankreich;
62001CJ0324 Kommission / Belgien;
62001CJ0380 Schneider VORAB;
62002CJ0072 Kommission / Portugal;
62002CJ0201 Delena Wells VORAB;
62002CJ0209 Kommission / Österreich;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs2;
AVG §53a impl;
AVG §58 Abs2;
AVG §76 Abs5;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BStG 1971 §14 Abs1;
BStG 1971 §14;
BStG 1971 §4 Abs1;
BStG 1971 §4;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art10;
B-VG Art11;
B-VG Art12;
B-VG Art13;
B-VG Art131;
B-VG Art139;
B-VG Art14;
B-VG Art14a;
B-VG Art14b;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art15;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art7 Abs2;
B-VG Art89 Abs1;
EURallg;
HlG 1989 §3 Abs1;
HlG 1989 §3;
HlG 1989 §5 Abs1;
HlG 1989 §5 Abs5;
NatSchG NÖ 1977 §2 Abs3;
NatSchG NÖ 1977 §6 Abs4;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs1;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs2;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs3;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs4;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs5;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs6;
NatSchG NÖ 2000 §10 Abs7;
NatSchG NÖ 2000 §10;
NatSchG NÖ 2000 §38 Abs6;
NatSchG NÖ 2000 §38 Abs7;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1 Z1;
NatSchG NÖ 2000 §7;
NatSchG NÖ 2000 §8;
NatSchG NÖ 2000 §9 Abs1;
NatSchG NÖ 2000 §9 Abs2 Z3;
NatSchG NÖ 2000 §9 Abs3;
NatSchG NÖ 2000 §9 Abs4;
NatSchG NÖ 2000 §9;
NatSchG NÖ 2000;
NatSchG Stmk 1976 §13a;
NatSchG Vlbg 1997 §35 Abs2;
Trassenverlauf Semmeringbasistunnel 1991;
VerlautbarungsG NÖ 1975 §3 Abs1 litd;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2002/10/0212 2001/10/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerden der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG in Wien, vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in 7033 Pöttsching, Wiener Neustädter Straße 57,

I. gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung 1. vom 12. Juni 2001, Zl. RU 5-B-037/069, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, und 2. vom 21. März 2002, RU 5-B-037/072, betreffend Zurückweisung von Anträgen,

II. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Naturschutzgesetzes,

zu Recht erkannt bzw. den Beschluss gefasst:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Säumnisbeschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1.1. Der beschwerdeführenden Gesellschaft obliegt auf Grund des Bundesgesetzes vom 1. März 1989 über Eisenbahn-Hochleistungsstrecken (Hochleistungsstreckengesetz), BGBl. Nr. 135, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 81/1999, die Planung und der Bau von Hochleistungsstrecken, deren Errichtung nicht von den Österreichischen Bundesbahnen vorgenommen wird.

1.1.2. Mit Verordnung der Bundesregierung über die Erklärung von Eisenbahnen zu Hochleistungsstrecken (1. Hochleistungsstrecken - Verordnung), BGBl. Nr. 370/1989, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 397/1998, wurde ua. die Eisenbahn (Strecke bzw. Streckenteil einschließlich der notwendigen Eisenbahnanlagen) Gloggnitz - Mürzzuschlag zur Hochleistungsstrecke erklärt.

1.1.3. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr übertrug mit Verordnung vom 19. Juli 1989, BGBl. Nr. 405, der Beschwerdeführerin u.a. die Planung und den Bau der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag.

1.1.4. Mit Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr BGBl. Nr. 472/1991 wurde der Trassenverlauf der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag bestimmt. Die Verordnung lautet:

"Auf Grund des § 3 Abs. 1 des Hochleistungsstreckengesetzes, BGBl. Nr. 135/1989, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 576/1989 wird verordnet: Der Trassenverlauf der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag wird im Bereich der Gemeinden Gloggnitz, Payerbach, Reichenau, Breitenstein, Spital am Semmering und Mürzzuschlag wie folgt bestimmt: Die neu herzustellende Trasse beginnt bei km 74,107.459 (östlich Bf. Gloggnitz) und endet bei km 98,928.740 (im Ostteil des Bf. Mürzzuschlag) der Strecke Gloggnitz - Mürzzuschlag. Der Geländestreifen gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. für den Verlauf der neu herzustellenden Trasse, der auch das Hochleistungsstrecken-Baugebiet gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. darstellt, ist aus den beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung sowie bei den Gemeinden Gloggnitz, Payerbach, Reichenau, Breitenstein, Spital am Semmering und Mürzzuschlag aufliegenden Planunterlagen (Plannummer EPA-21-21- A, EPA-21-18.1-A, EPA-21-18.2-B, EPA-21-18.6-A) zu ersehen. Soweit der Geländestreifen im Tunnelbereich in den Planunterlagen nicht gesondert ausgewiesen ist, beträgt dessen Breite jeweils 75 m beiderseits der dargestellten projektierten Bezugsachse."

1.1.5. Mit Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28. November 1994, Z 225.502/67-II/2- 1994, wurde der Beschwerdeführerin die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung, die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung, die forstrechtliche Rodungsgenehmigung und die wasserrechtliche Genehmigung für die Errichtung des Streckenabschnittes Gloggnitz - Mürzzuschlag erteilt.

1.2.1. Mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 verständigte die Beschwerdeführerin die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen von der Genehmigung der Eisenbahnanlage durch den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr und teilte gleichzeitig mit, dass nach ihrer -  in jenem Schreiben näher begründeten - Auffassung die Eisenbahnanlage nach dem Niederösterreichischen Naturschutzgesetz, LGBl. 5500-4 (NÖ NSchG), weder anzeige- noch bewilligungspflichtig sei. Die Beschwerdeführerin hat jedoch mit diesem Schreiben "rein vorsichtshalber unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Aufforderung des dortigen Behördenvertreters anlässlich der eisenbahnrechtlichen Verhandlung in eventu unter Wahrung des Rechtsstandpunktes für die in den beigelegten Projektunterlagen ersichtlichen Bereiche der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag im Bereich Gloggnitz die Anzeige nach § 5 NÖ NSchG erstattet und im Landschaftsschutzgebiet die Bewilligung nach § 6 NÖ NSchG beantragt". In der Eingabe vertrat die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung den Standpunkt, nach dem NÖ NSchG bestehe weder eine Anzeigepflicht für den außerhalb des Landschaftsschutzgebietes Rax - Schneeberg gelegenen Teil des Projektes (Bereich "Gloggnitz") noch eine Bewilligungspflicht für den im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Teil; die im Gesetz hiefür normierten Tatbestandsvoraussetzungen seien nicht gegeben.

1.2.2. Mit Bescheid vom 6. Juni 1995 sprach die Bezirkshauptmannschaft aus, sie nehme die "naturschutzbehördliche Anzeige" für die Errichtung einer Eisenbahnanlage im Grünland außerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans im Gemeindegebiet von Gloggnitz zur Kenntnis. An den Spruch anschließend enthält der Bescheid den "Hinweis", dass über das im Bereich des Landschaftsschutzgebietes "Rax - Schneeberg" liegende bewilligungspflichtige Bauvorhaben Semmering - Basistunnel gesondert entschieden werde; der gegenständliche Bescheid nehme darauf nicht Bezug.

1.2.3. Den zu 1.2.2. genannten Bescheid behob die belangte Behörde über Berufung der Niederösterreichischen Landesumweltanwaltschaft mit Bescheid vom 2. Oktober 1995 (ersatzlos), weil er nach Ablauf der Untersagungsfrist nach § 5 Abs. 2 NSchG erlassen worden war. In der Begründung wird dargelegt, mangels fristgerechter Untersagung stehe der Errichtung der Eisenbahnanlage gemäß dem ergänzten Ansuchen nichts im Wege.

1.2.4. Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gab mit Bescheid vom 10. Februar 1998, Z 9-N-914/106, dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 1994 auf naturschutzbehördliche Bewilligung des Semmeringbasistunnels, beginnend vom Tunnelportal bis zur Landesgrenze Niederösterreich/Steiermark, keine Folge und untersagte die Ausführung des Tunnels gemäß dem vorgelegten Projekt.

1.2.5. Mit Bescheid der Landesregierung vom 9. Juni 1998 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den zu 1.2.4. genannten Bescheid keine Folge gegeben. Der Spruch des Bescheides wurde wie folgt neu gefasst: "Der Antrag der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG vom 19. Dezember 1994 um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag gemäß dem naturschutzbehördlichen Einreichprojekt 1994, Projektsteil II - Anlagen im Landschaftsschutzgebiet 'Rax - Schneeberg' (von km 76,963-KG-Grenze Gloggnitz/Eichberg bis km 93,673, - Landesgrenze Niederösterreich/Steiermark), wird abgewiesen. Weiters wird das Vorhaben auf Grund der Anzeige gemäß § 5 NÖ Naturschutzgesetz vom 29. Dezember 1995 untersagt." Die belangte Behörde gründete ihren Bescheid auf das NÖ NSchG in der Fassung der am 20. Februar 1998 in Kraft getretenen Novelle LGBl. 5500-5.

2.1. Aus Anlass der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 2, 5 Abs. 3 und 6 Abs. 4 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-5, ein.

2.2. Mit Erkenntnis vom 25. Juni 1999, G 256/98, hob der Verfassungsgerichtshof § 2 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500- 5, als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass § 2 des NÖ Naturschutzgesetzes in der Fassung vor der Novelle LGBl. 5500-5 wieder in Kraft tritt. Im Übrigen stellte er das Gesetzesprüfungsverfahren ein. Begründend legte der Verfassungsgerichtshof unter anderem dar, die Bundeskompetenz "Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen" schließe Regelungen der Länder, zu welchen diese gem. Art. 15 Abs. 1 B-VG berufen sind und die auch Eisenbahnen betreffen, nicht von vornherein aus; sodann führte er aus:

"Sind - wie in einer solchen Konstellation - für ein Projekt mehrere Genehmigungen nebeneinander erforderlich und diese überdies nach den Rechtsvorschriften verschiedener Kompetenzträger zu erteilen oder zu versagen, so bedeutet dies freilich - wie schon in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes klargestellt wurde - nicht, dass jeder Kompetenzträger in der Ausgestaltung seiner Gesetzgebungskompetenz auch in dem Sinne völlig frei wäre, in seiner Regelung einen bestimmten Regelungsaspekt absolut zu setzen und damit die Kompetenzen anderer Gebietskörperschaften auszuhöhlen oder zu unterlaufen. Der den Bundesstaat konstituierenden Bundesverfassung muss nämlich unterstellt werden, die Grundlage einer harmonisierenden Rechtsordnung zu sein, in der (allenfalls divergierende) Interessen von Bund und Ländern, auch soweit diese in Akten der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden, aufeinander abgestimmt sind. Der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Landes- (ebenso wie jener des Bundes-)gesetzgebers ist deshalb insoweit eingeschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Effektivität von Regelungen der gegenbeteiligten Rechtssetzungsautorität darstellen (VfSlg. 10292/1984, S 763). Dies bedeutet auch, dass die zur Gesetzgebung berufenen Gebietskörperschaften die Interessen, die von der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft wahrzunehmen sind, durch den Gesetzgebungsakt nicht unterlaufen dürfen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 5.10.1998, G 117/98). Es ist dem Gesetzgeber ebenso wenig erlaubt, Regelungen zu treffen, die auf eine kompetenzwidrige Nachprüfung allenfalls bereits vorliegender Bewilligungsakte oder auf eine kompetenzwidrige Vorwegnahme der Versagung einer solchen Bewilligung hinausliefen (VfSlg. 8984/1980). Wenn daher der Landesgesetzgeber seine naturschutzrechtlichen Regelungen auf ein Sachgebiet erstreckt, welches im Übrigen kompetenzrechtlich in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zugeordnet ist, dann dürfen diese Regelungen nicht einen Inhalt haben, der eine Beachtung des verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebotes nicht zulässt und dadurch ein Unterlaufen der gegenbeteiligten Kompetenz, sei es durch Versagung der Bewilligung, sei es durch die Erteilung unverhältnismäßiger Auflagen ermöglicht. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an einem den eisenbahnrechtlichen Vorschriften unterliegenden Vorhaben je nachdem ein ganz unterschiedliches sein kann, ob es sich um eine auch in ihrer Bedeutung für den Fernverkehr wichtige Eisenbahnstrecke für den öffentlichen Personen- und Güterverkehr oder ob es sich etwa um eine lokalen Bedürfnissen dienende Seilbahn handelt. Ob und bejahendenfalls welche öffentliche Interessen mit welchem Gewicht jeweils im Spiele sind, kann daher auf das Maß der gebotenen, wechselseitigen Rücksichtnahme auf die Kompetenzausübung der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft nicht ohne Einfluss sein. Ungeachtet der nicht zu bezweifelnden Befugnis des Landesgesetzgebers, vermeidbare Eingriffe in Naturschutzinteressen zu untersagen bzw. durch die Erteilung von Auflagen und Bedingungen für einen entsprechenden Ausgleich zu sorgen, muss daher im Falle von Eingriffen, die nicht vermeidbar sind und deren nachteilige Folgen auch nicht ausgeglichen werden können, zumindest in Form einer Abwägung zwischen den Interessen des Naturschutzes und den anderen, den Eingriff bewirkenden Interessen auch für die gebotene Berücksichtigung kompetenzfremder Interessen Raum sein. Eine derartige, aus den genannten Gründen verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung lässt das NÖ Naturschutzgesetz nicht (mehr) zu: Es enthält seit der Novelle LGBl. 5500-5 weder ein Verbot der Beeinträchtigung solcher wichtiger Interessen nach der Art des § 2 Abs. 3 leg. cit. in der früheren Fassung, noch sieht es - als einziges Landesgesetz über den Naturschutz - bei den Bewilligungs- bzw. Versagungstatbeständen eine Interessenabwägung vor: Entgegen dem Vorbringen der NÖ Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren kann insbesondere in der Wendung '(wenn die Beeinträchtigung) ...

nicht weitgehend ausgeschlossen ... (werden kann)' in den in

Prüfung gezogenen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 NÖ Naturschutzgesetz die Ermöglichung einer Interessenabwägung nicht erblickt werden. Die genannte Bestimmung lässt nämlich gegenüber der Konsequenz der Versagung der Bewilligung - abgesehen von einer Sonderregelung für die Land- und Forstwirtschaft im letzten Satz des § 6 Abs. 4 leg. cit. - dann keinen Ausweg offen, wenn mit einem Projekt ein nicht vermeidbarer, durch Vorschreibung von (nicht unverhältnismäßigen) Vorkehrungen nicht (weitgehend) ausgleichbarer Eingriff verbunden ist. Das NÖ Naturschutzgesetz ermöglicht somit die Verhinderung der Errichtung oder des Ausbaus von Verkehrswegen jedweder, somit auch solcher von ganz besonderer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, und zwar ungeachtet des Gewichts der Beeinträchtigung der vom Naturschutzgesetz legitimerweise geschützten Interessen. Denn die erforderliche naturschutzbehördliche Genehmigung ist schon dann zu versagen, wenn die Eingriffe in die Interessen des Naturschutzes nicht weitgehend vermieden werden können. Damit kann aber der Bund an der Erfüllung der ihm kompetenzmäßig übertragenen Sicherstellung eines gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden, leistungsfähigen Eisenbahn- und Straßennetzes auch in Fällen gehindert werden, in denen die vom Land wahrzunehmenden Naturschutzinteressen nicht etwa jene außergewöhnliche Dimension erreichen, die das Amt der Salzburger Landesregierung mit einigen der von ihm genannten Beispiele im Auge hat. Die niederösterreichische Regelung erweist sich daher als geeignet, die Kompetenzausübung des Bundes völlig zu unterlaufen, und damit als verfassungswidrig."

2.3. Mit Erkenntnis vom 25. Juni 1999, B 1287/98, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die beschwerdeführende Gesellschaft durch den Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 1998 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sei, und hob den Bescheid auf. Begründend verwies der Verfassungsgerichtshof unter anderem darauf, dass die dem bekämpften Bescheid zu Grunde gelegte, im Gesetzesprüfungsverfahren aufgehobene Rechtslage die aus verfassungsrechtlicher Sicht gebotene Berücksichtigung der vom Bund wahrzunehmenden und keiner weiteren Überprüfung durch das Land unterliegenden gesamtwirtschaftlichen Interessen am Ausbau einer bestehenden Eisenbahnstrecke nicht zugelassen habe.

3.1. Mit Bescheid vom 10. August 1999 behob die belangte Behörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 10. Februar 1998 (vgl. oben 1.2.4.) gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen zurück.

3.2. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1999, Zl. 99/10/0204, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4.1. Am 21. Juli 2000 erhob die beschwerdeführende Gesellschaft vor dem Verwaltungsgerichtshof die zur Zl. 2000/10/0116 protokollierte Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, weil die belangte Behörde nach Aufhebung ihres Bescheides vom 10. August 1999 durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. 3.2.) keinen Ersatzbescheid erlassen hatte.

4.2. Mit Verfügung vom 25. Juli 2000 trug der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

4.3. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2000 beantragte die belangte Behörde eine Verlängerung der Entscheidungsfrist um "weitere 18 Monate, das ist bis zum 2. Mai 2002", weil umfangreiche Rechtsfragen verfassungsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Natur zu lösen seien, durch das Inkrafttreten des NÖ NSchG 2000 eine neue Rechtslage geschaffen worden sei, Umweltanwaltschaft und Antragsteller umfangreiches neues Vorbringen erstattet hätten und umfangreiche Erhebungen von Sachverständigen, insbesondere in Richtung des Vorhandenseins von Feuchtgebieten und von Alternativen zum eingereichten Projekt, durchzuführen seien.

4.4. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2000, der belangten Behörde zugestellt am 21. Dezember 2000, verlängerte der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidungsfrist um sechs Monate ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses.

4.5. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 2001, Zl. 2000/10/0116, wurde das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wegen Nachholung des versäumten Bescheides (siehe unten 5.1.) durch die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingestellt.

5.1. Mit dem (erst-)angefochtenen Bescheid vom 12. Juni  2001 wies die belangte Behörde den zu 1.2.1. angeführten Antrag der Beschwerdeführerin neuerlich ab.

5.2. Spruchpunkt 1 des Bescheides lautet:

"Der Antrag der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen am 20. Jänner 1995, um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag gemäß dem naturschutzrechtlichen Einreichprojekt 1994, Projektsteil II - Anlagen im Landschaftsschutzgebiet 'Rax - Schneeberg' (von km 76,963 - KG-Grenze Gloggnitz/Eichberg bis km 93,673 - Landesgrenze Niederösterreich/Steiermark), wird gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1, § 8 Abs. 4, § 10 i.Z.m. § 38 Abs. 6 NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. 5500-0 (NÖ NSchG 2000), abgewiesen."

5.3. Mit Spruchpunkt 2 dieses Bescheides verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin,

"die Kosten (Barauslagen) für die geohydrologischen Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. Hans Rudolf Keusen, Geotest AG, Zollikofen, Schweiz, gemäß Bescheid vom 18. April 2000 und Bescheid vom 3. April 2001 in der Gesamthöhe von S 439.326,48 (EUR 31.927,10) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides zu bezahlen".

5.4. 1. Vor Eingehen auf die - einschließlich des Inhaltsverzeichnisses insgesamt 408 Seiten umfassende - Bescheidbegründung ist auf Folgendes hinzuweisen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Im Zentrum steht die Verpflichtung, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglicher Weise - mit eigenen Worten (vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0076) - aufzuzeigen, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen die Behörde bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich diese im Einzelnen stützen (vgl. z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 60 AVG, E 19, 27 referierte hg. Rechtsprechung).

5.4.2. Im vorliegenden Fall kann keine Rede davon sein, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides der Verpflichtung der Behörde zur klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, der bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und der Beurteilung der Rechtsfrage entspräche. Die Bescheidbegründung wird mit der allgemeinen, nur punktuell zum Beschwerdefall in Beziehung gesetzten Erörterung "rechtlicher Rahmenbedingungen" (Seiten 10 bis 70, 234 Fußnoten mit Zitaten von Schrifttum und Rechtsprechung) eingeleitet; sodann folgt die wörtliche - weitgehend offenbar durch Kopieren aus den betreffenden Unterlagen übernommene - Wiedergabe verschiedener im Verfahren eingeholter Stellungnahmen und Gutachten von Sachverständigen und sonstigen Stellen (Seiten 84 bis 350), die ihrerseits - wenigstens zum Teil - ganz offenkundig nicht auf eigenständig von den Betreffenden erhobenen Befunden beruhen, sondern sich auf die Wahrnehmungen Dritter beziehen bzw. diese kommentieren und bewerten. Eigenständige Tatsachenfeststellungen sind im angefochtenen Bescheid nur ansatzweise, nämlich im Rahmen des von der Behörde als "rechtliche Gesamtbeurteilung" bezeichneten Abschnittes der Bescheidbegründung unter Kapitel "Erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes" (Seiten 383 bis 386) zum Teil auch - vermengt mit rechtlichen Erwägungen und Zitaten, Darlegungen zur Beweiswürdigung und Darstellung von Verfahrensschritten - im Unterkapitel "Prüfung von Alternativen nach Art. 6 FFH-RL iVm § 10 Abs. 5 NÖ NSchG 2000" (Seiten 386 bis 403) enthalten. Eine vollständige Wiedergabe der Bescheidbegründung in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ist daher weder erforderlich noch sinnvoll; insbesondere kann die Wiedergabe von Darlegungen unterbleiben, die keinen erkennbaren Bezug zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens aufweisen oder die wörtliche Wiederholung von an anderer Stelle schon Gesagtem darstellen. Die belangte Behörde hat es unterlassen, die Bescheidbegründung klar zu gliedern. Der Wiedergabe dieser Begründung im vorliegenden Erkenntnis wurde daher vom Verwaltungsgerichtshof eine numerische Gliederung beigegeben, die im Original nicht enthalten ist; diese dient dem besseren Überblick. Soweit sich bei der Auseinandersetzung mit den Fragen, welche Vorstellungen die belangte Behörde hinsichtlich des der Beurteilung zu Grunde zu legenden Sachverhaltes und der anzuwendenden Rechtsvorschriften gehabt haben könnte (eindeutige Festlegungen in diese Richtungen sind der Bescheidbegründung in wesentlichen Punkten nicht in der erforderlichen Deutlichkeit und Vollständigkeit zu entnehmen), ein weiteres Eingehen auf bestimmte Passagen der Bescheidbegründung erforderlich erweist, wird dies bei der Erörterung der Beschwerdegründe Platz finden.

5.5.1. Unter dem Titel "rechtliche Rahmenbedingungen" vertritt die belangte Behörde nach umfangreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung zunächst die Auffassung, aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich klar und eindeutig die kompetenzrechtliche Notwendigkeit, die Interessen des Bundes im Bereich des Eisenbahnrechts gegenüber den Interessen des Landes im Bereich des Naturschutzes ganz allgemein (auf der Gesetzesebene) und (im Konkreten) auf der Vollzugsebene abzuwägen. Der niederösterreichische Landesgesetzgeber bzw. die zuständige Naturschutzbehörde dürfe das besondere eisenbahnrechtliche Interesse an der Eisenbahnstrecke bzw. Hochleistungsstrecke von Gloggnitz bis Mürzzuschlag nicht untersuchen oder in Frage stellen. Die Naturschutzbehörde dürfe vielmehr im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenz lediglich prüfen, ob es "naturschutzrechtliche" Interessen gebe, die als wichtiger oder höherrangig einzustufen seien als die Interessen des Bundes an der Verwirklichung der Hochleistungsstrecke von Gloggnitz bis Mürzzuschlag. Von besonderer Bedeutung sei dabei, dass der Bund (die Bundesregierung in der Hochleistungsstrecken-Verordnung BGBl. Nr. 370/1989) nicht eine konkrete Streckenführung von Gloggnitz bis Mürzzuschlag zur Hochleistungsstrecke erklärt, sondern lediglich das Interesse des Bundes dokumentiert habe, "dass - ganz allgemein - zum einen eine Hochleistungsstrecke und zum anderen von Gloggnitz bis Mürzzuschlag" errichtet werden solle. Dies bedeute, dass die konkrete Streckenführung durch den Bund noch nicht festgelegt und "insoweit auch im Rahmen der kompetenzrechtlich gebotenen Interessenabwägung unterschiedliche Streckenführungen für die Hochleistungsstrecke von Gloggnitz bis Mürzzuschlag ins Kalkül zu ziehen" seien. Die besonderen Naturschutzinteressen des Landes Niederösterreich könnten sich sowohl aus dem NÖ Naturschutzrecht als auch - was von vornherein ein besonders hochrangiges Interesse dokumentiere - aus primär- und sekundärrechtlichen "EG-Vorschriften" ergeben. Eben diese vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich hervorgehobene Verpflichtung zur Abwägung der im konkreten Fall relevanten kompetenzrechtlichen Interessen des Bundes im Bereich des Eisenbahnrechts mit den Interessen des Naturschutzes lege nun § 4 Abs. 1 NÖ NSchG 2000 unmissverständlich fest.

5.5.2. Ferner vertritt die Behörde aufgrund der näher dargelegten Rechtsentwicklung und zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, die unterirdischen Teile der Eisenbahnanlage seien "Baulichkeiten" im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 3 iVm § 5 Abs. 1 Z. 1 des NÖ NSchG LGBl. 5500-5. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, die Bewilligung der Errichtung unterirdischer Baulichkeiten nach § 6 Abs. 4 leg. cit. zu versagen. Hätten diese Baulichkeiten Auswirkungen auf die Landschaft bzw. auf das Landschaftsbild, wären auch sie vom Schutzzweck des § 6 leg. cit. umfasst, sodass eine Versagung der Bewilligung in Betracht käme. Durch das Inkrafttreten des NÖ NSchG 2000 "hat sich in diesen Fragen keine Änderung der Rechtslage ergeben". Es sei daher im Sinne des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu überprüfen, ob die geplante Baulichkeit einschließlich ihrer unterirdisch gelegenen Teile den vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Auswirkungsbezug auf geschützte Güter innerhalb des zum Landschaftsschutzgebiet erklärten Teiles der Erdoberfläche habe. Diese geschützten Güter seien das Landschaftsbild, die Landschaft in ihrer Schönheit und Eigenart und der Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und den Fremdenverkehr. Insbesondere sei zu prüfen, ob die geplanten unterirdischen Baulichkeiten im Sinne des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes "in ihren Auswirkungen eindeutig und signifikant an der Erdoberfläche - und somit in der Landschaft bzw. im Landschaftsbild - in Erscheinung treten".

5.5.3. § 6 Abs. 4 des NÖ NSchG LGBl. 5500-5 ordne an, dass die Bewilligung zu versagen sei, wenn das Landschaftsbild, die Landschaft in ihrer Schönheit und Eigenart oder der Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und den Fremdenverkehr dauernd und maßgeblich beeinträchtigt werde und die Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen weitgehend ausgeschlossen werden könne. Bei der Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung ausgeschlossen werden könne, sei das "Vorsorgeprinzip" zu beachten. Dieses stelle den über die bloße Gefahrenabwehr hinausgehenden Grundsatz dar, dass das Entstehen von Umweltbelastungen vermieden und die Natur schonend in Anspruch genommen werden solle. Maßnahmen, deren naturschädlicher Charakter lediglich möglich, wenn auch nicht hinreichend wahrscheinlich erscheine, seien zu unterlassen und zu unterbinden. Umso mehr müssten solche Maßnahmen dann unterlassen oder unterbunden werden, wenn sich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Beeinträchtigung bemessbar und hinreichend hoch darstelle. Sei die Zukunftsprognose im Hinblick auf die Auswirkungen bzw. Beeinträchtigungen unsicher und verbleibe ein nicht unerhebliches Restrisiko, müsse die Behörde die Bewilligung versagen, und zwar mit der Begründung, dass die Beeinträchtigung auch durch Vorschreibung von Vorkehrungen nicht ausgeschlossen werden könne. Bestehe eine Unsicherheit, ob eine Vorkehrung die Beeinträchtigung ausschließen könne, dürfe aufgrund des Vorsorgeprinzips und im Sinne einer Risikoverhinderung die Bewilligung nicht erteilt werden; eines "Vollbeweises" bedürfe es hiebei nicht. Für die Versagung der Bewilligung reiche, dass die Beeinträchtigung "wahrscheinlich nicht ausgeschlossen" werden könne. Die Rechtsprechung des EuGH deute darauf hin, dass nach dem Grundsatz der Vorsorge der zuständigen Behörde bei der Beurteilung der Gefahren für die menschliche Gesundheit und - was im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung sei - die Umwelt weitreichende "Ermessensbefugnisse" zukämen und dabei auch die Einschränkung bzw. das Verbot beantragter Maßnahmen im Rahmen der Entscheidungsmöglichkeiten liegen müsse. Bei der Anwendung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL) und der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (VSch-RL) bedeute das Vorsorgeprinzip, dass bei der Vornahme einer Verträglichkeitsprüfung im Zweifel zugunsten der Vermeidung von Umweltbelastungen zu entscheiden sei. In diesem Sinne werde "das Vorsorgeprinzip an sich als ein im EG-Vertrag selbst verankertes Prinzip auch bei einer Güter- bzw. Interessenabwägung der Behörde heranzuziehen sein".

5.5.4. Auf der Grundlage allgemeiner Darlegungen zum "Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht im Allgemeinen", in denen von der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts, den Grundsätzen der Gleichwertigkeit, Einheitlichkeit und größten Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, der richtlinienkonformen Interpretation, dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts und der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien die Rede ist und Lehre und Rechtsprechung zu diesen Themenkomplexen referiert wird, bezieht sich die belangte Behörde auf das vorliegende Verfahren (zusammengefasst) auf folgende Weise:

5.5.4.1. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation sei für den vorliegenden Fall, in dem zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung der zweiten Instanz das NÖ Naturschutzgesetz 2000 "als nationale Umsetzungsvorschrift und nicht die einschlägigen Richtlinien der Gemeinschaft unmittelbar" anzuwenden seien, "umso wichtiger", weil die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung insbesondere und gerade für die Bestimmungen eines zur Umsetzung erlassenen Gesetzes gelte. Damit seien im Zweifelsfall die entsprechenden Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 im Lichte des Wortlautes und Zweckes der FFH-RL und der VSch-RL auszulegen, damit das in diesen Richtlinien angestrebte Ergebnis erreicht werde.

5.5.4.2. Der Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechts sei im vorliegenden Fall insbesondere dann ausschlaggebend, wenn sich die Frage stelle, inwieweit eine doppelte Bindung der Behörde bestehe. Gerade im vorliegenden Fall bestünden durch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes verfassungsrechtliche Vorgaben für die Behörde, insbesondere die verfassungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht und die Verpflichtung zur Interessenabwägung betreffend. Andererseits habe die belangte Behörde aber auch "die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des europäischen Naturschutzrechtes" zu beachten. Wo sich aus beiden Regelungskomplexen - wie insbesondere im Bereich der Alternativenprüfung und der Interessenabwägung - Konflikte ergäben, käme, wenn eine richtlinienkonforme Interpretation nicht mehr möglich sei, der Vorrang des Gemeinschaftsrechtes zum Tragen. Es sei nämlich durch die Rechtsprechung des EuGH klargestellt, dass dem Gemeinschaftsrecht auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht der Vorrang zukäme. Diesen Darlegungen werden Erörterungen zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien vorangestellt; inwieweit die belangte Behörde die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit bestimmter Richtlinienregelungen im vorliegenden Verfahren als gegeben erachtet, kann dem nicht entnommen werden.

5.5.5.1. Im vorliegenden Verfahren seien die FFH-RL und die VSch-RL "maßgeblich". Das NÖ Naturschutzgesetz 2000 sei "seitens des Landes Niederösterreich der Kommission als Umsetzung der beiden Richtlinien mitgeteilt" worden. Es enthalte in § 37 auch einen "eindeutigen Umsetzungshinweis". Die erwähnten Richtlinien seien auf der primärrechtlichen Grundlage des Art. 74 EG (früher Art. 130r EGV) "und somit im Anwendungsbereich des dort verankerten Vorsorgeprinzips" erlassen worden. Die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21. März 2000, C-6/99, Greenpeace France) deute darauf hin, dass nach dem Grundsatz der Vorsorge der zuständigen Behörde bei der Beurteilung von Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt weitreichende Ermessensbefugnisse zukämen und dabei auch die Einschränkung bzw. das Verbot beantragter Maßnahmen im Rahmen der Entscheidungsmöglichkeiten liegen müsse. Bei der Vornahme einer Verträglichkeitsprüfung sei daher "im Zweifel wohl zu Gunsten der Vermeidung von Umweltbelastungen zu entscheiden". Das Vorsorgeprinzip als im EG-Vertrag verankertes Prinzip sei auch bei einer Güter- bzw. Interessenabwägung heranzuziehen.

5.5.5.2. Das im vorliegenden Verfahren berührte Landschaftsschutzgebiet "Rax - Schneeberg" sei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowohl als Vogelschutzgebiet nach Art. 4 VSch-RL als auch als besonderes Schutzgebiet nach Art. 4 Z. 1 der FFH-RL "gemeldet" worden. Aufgrund der "jüngst" durchgeführten flächenscharfen Erhebung der gemeinschaftsrechtlich relevanten Gebiete sei am 5. April 2001 seitens der ständigen Vertretung der Republik Österreich der Europäischen Kommission eine überarbeitete Gebietsmeldung betreffend die alpine biogeographische Region und somit auch für das Gebiet AT 1212A00 "Nordöstliche Randalpen Hohe Wand-Schneeberg-Rax" übermittelt worden. Dieses gemeldete Natura 2000-Gebiet sei für das vorliegende Projekt maßgeblich.

5.5.6. Bei der in Rede stehenden Eisenbahnanlage handle es sich um ein "Projekt" im Sinne der FFH-RL. Aus Art. 7 FFH-RL ergebe sich die Pflicht zur Vornahme einer Naturverträglichkeitsprüfung für Vogelschutzgebiete "ab dem Datum für die Anwendung der FFH-RL bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat als Vogelschutzgebiet erklärt oder als solches anerkannt wird". Ferner habe die Verwaltungsbehörde das sich aus der FFH-RL iVm Art. 10 EG ergebende Verschlechterungsverbot wahrzunehmen und dabei "die konkreten Vorgaben der Naturverträglichkeitsprüfung anzuwenden". Bei der Bewertung der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien sei die beschwerdeführende Gesellschaft nicht als "Privater" oder "Bürger" anzusehen, sondern dem Mitgliedstaat Republik Österreich zuzurechnen. Dieser habe daher "umso mehr" das Verschlechterungsverbot zu beachten.

5.5.7. Durch das am 31. August 2000 kundgemachte NÖ NSchG 2000 würden Bestimmungen über Europaschutzgebiete (§ 9) und die Verträglichkeitsprüfung (§ 10) eingeführt, die sich eng am Wortlaut der FFH-RL orientierten. Gemäß § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 seien Projekte in Europaschutzgebieten auch unabhängig von der nationalen Ausweisung als Europaschutzgebiet mit Verordnung der Landesregierung gemäß § 9 einer Naturverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, wenn dies die NÖ Umweltanwaltschaft beantrage. § 38 Abs. 6 diene dazu, "die von der NÖ Landesregierung im Wege der ständigen Vertretung Österreichs bei der EU gemeldeten Gebiete zu schützen, und zwar im Zeitpunkt ab der Meldung (das ist der Zeitpunkt, in dem die Gebietsmeldung seitens der ständigen Vertretung namens der Republik Österreich der Europäischen Kommission übermittelt wurde) bis zur nationalen Gebietsausweisung durch Verordnung der Landesregierung im NÖ Landesgesetzblatt". Die Verpflichtung zum Schutz der gemeldeten Gebiete ergebe sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht und beinhalte, dass durch die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung sichergestellt werde, dass der Erhaltungszustand der gemeldeten Gebiete nicht verschlechtert und somit das Gebiet als Bestandteil des Natura 2000 - Netzwerkes nicht in Frage gestellt werde. Es sei davon auszugehen, "dass Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und damit die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung in anhängigen Verfahren bereits vor dem Inkrafttreten des § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 - sei es im Wege der richtlinienkonformen Interpretation, sei es durch unmittelbare Anwendung - für die zuständigen Behörden geboten war". Daher habe die "Neuerlassung des NÖ NSchG 2000" materiell gesehen auch keine neue Rechtslage im Sinne von zusätzlichen Anforderungen an das beantragte Projekt bewirkt. Mit § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 werde "der NÖ Umweltanwaltschaft die gesetzliche Aufgabe übertragen, in gemeinschaftsrechtskonformer Weise im Wege des Antragsrechts dem vom EuGH judizierten Verschlechterungsverbot im Sinne der Vorgaben des Art. 10 EG nachzukommen". Im Hinblick auf das Inkrafttreten des NÖ NSchG 2000 vor Erlassung des vorliegenden Bescheides seien im Rahmen der vorliegenden Verwaltungssache, welche eben das von der Antragstellerin zur naturschutzbehördlichen Bewilligung beantragte Projekt umfasse, auch die durch § 10 iVm § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 neu hinzutretenden rechtlichen Gesichtspunkte der Naturverträglichkeitsprüfung mit zu berücksichtigen. Dies erscheine schon deshalb sachgerecht, weil diese Gesichtspunkte im bisherigen Verfahren schon im Wege der richtlinienkonformen Interpretation bzw. allenfalls der unmittelbaren Anwendung des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL berücksichtigt hätten werden müssen und bereits berücksichtigt worden seien.

5.5.8. Für die Durchführung der Naturverträglichkeitsprüfung sei in Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL ein Stufenverfahren festgelegt. Zunächst sei in einer Prognose zu prüfen, ob Projekte, welche nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hiefür nicht notwendig sind, das Schutzgebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten. Hiebei genüge die Wahrscheinlichkeit erheblicher Auswirkungen, um mit der eigentlichen Prüfung auf Verträglichkeit zu beginnen. Die eigentliche Prüfung auf die Verträglichkeit habe in Bezug auf die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu erfolgen. Als Grundlage für die Feststellung des Erhaltungszieles des Gebietes dienten die Informationen in den Standardbögen der Meldungen der Mitgliedstaaten. Unter Bezug auf diese Erhaltungsziele werde geprüft, ob das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt werde. Dabei sei auf einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff der "Erheblichkeit", der durch die Rechtsprechung des EuGH noch nicht klar gestellt sei, zurückzugreifen.

5.5.9. Im Rahmen der nach § 6 Abs. 4 FFH-RL und der nach § 10 Abs. 5 NÖ NSchG 2000 vorzunehmenden Naturverträglichkeitsprüfung sei zu prüfen, ob dem mit dem vorliegenden Projekt verfolgten zwingenden öffentlichen Interesse durch weniger beeinträchtigende Alternativlösungen einschließlich allenfalls der "Nulloption" ebenso entsprochen werden könnte. Dabei sei zu beachten, dass - wie der Verfassungsgerichtshof ausgeführt habe - mit der Hochleistungsstrecken-Verordnung unter anderem die Rechtsgrundlage für die Bestimmung des Trassenverlaufs der verordneten Hochleistungsstrecke gemäß § 3 Abs. 1 Hochleistungsstreckengesetz geschaffen worden sei. Es sei damit auch eine verkehrspolitische Festlegung im Hinblick auf die Prioritätensetzung beim Eisenbahnbau verbunden. Hingegen scheide die Trassenverordnung als rechtsverbindliche Dokumentation des Bundesinteresses aus.

5.5.10. Nachdem im Sinne des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes der Auswirkungszusammenhang zwischen dem beantragten Projekt und dem betroffenen Landschaftsschutzgebiet bzw. gemeldeten Natura 2000-Gebiet hydrogeologisch nachgewiesen worden sei, seien im Hinblick auf die FFH-RL und die VSch-RL die Amtssachverständigen für Naturschutz befragt worden, ob sich das beantragte Projekt auf das Vogelschutzgebiet sowie das nominierte Natura 2000-Gebiet "Nordöstliche Randalpen: Hohe Wand-Schneeberg-Rax" erheblich auswirken könnte. Die Amtssachverständigen für Naturschutz hätten in Form einer Prognose dargelegt, dass eine derartige Beeinträchtigung durchaus möglich sei.

5.5.11. Im Hinblick auf den Antrag der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft gemäß § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 vom 5. September 2000 sei in der Folge eine Naturverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Die Ausführungen der Amtssachverständigen für Naturschutz in ihrem Gutachten vom 4. August 2000 zeigten, dass die vom beantragten Projekt betroffenen prioritären und sonstigen FFH-Feuchtlebensräume "bis auf mitteleuropäische Ebene hinauf" bedeutende Aspekte hätten und ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Natura 2000 - Gebietes seien. Für alle untersuchten Feuchtlebensräume liege ein zum Teil hohes naturschutzfachliches Konfliktpotential vor. Eine Verminderung dieser Flächen bzw. Verarmung des Artenspektrums beeinträchtige damit das Gebiet als solches erheblich. Die Bestände von Arten gemäß der VSch-RL Anhang I und der FFH-RL Anhang II seien für das Gebiet als bedeutend anzusehen.

5.5.12. Die Alternativenprüfung habe ergeben, dass zum beantragten Projekt eine Alternative bestehe, die besser gewährleiste, dass das gemeldete Natura 2000-Gebiet nicht beeinträchtigt werde. Es wäre daher eine Neufassung des Projektes vorzunehmen gewesen, was im gegenständlichen Verfahren nicht geschehen sei. Daher sei die Naturverträglichkeitsprüfung mit einer Abweisung zu beenden.

5.6.1. Sodann wird unter dem Titel "chronologische Darstellung des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens" dargelegt, die Behörde habe "infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1999 und in weiterer Folge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes" ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt.

5.6.2. Zunächst sei Dr. Hans Rudolf Keusen zum hydrogeologischen Sachverständigen bestellt worden. Sodann seien "aufgrund des von Dr. Hans Rudolf Keusen in seinem hydrogeologischen Gutachten vom 28.2.2000 (neuerlich festgestellten) hydraulisch-hydrogeologischen Wirkungszusammenhanges zwischen dem geplanten Tunnel und den Schutzzielen des Landschaftsschutzgebietes die Amtssachverständigen für Naturschutz mit der Gutachtenerstellung beauftragt" worden. Die Amtssachverständigen für Naturschutz Dipl. Ing. Bohusch, Dr. Edelbauer und Dr. Haas seien in diesem "ersten Gutachten" zum Ergebnis gelangt, "dass die Auswirkungen an der Erdoberfläche durch den prognostizierten Einfluss auf die Feuchtgebiete insbesondere das Schutzgut Schönheit und Eigenart der Landschaft, teilweise auch den Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und den Fremdenverkehr dauernd und maßgeblich beeinträchtigen werden und dass sich das Projekt Semmeringbasistunnel auf das Vogelschutzgebiet sowie das nominierte Natura 2000-Gebiet 'Nordöstliche Randalpen: Hohe Wand - Schneeberg - Rax' erheblich nachteilig auswirken" könne.

5.6.3. Mit Schreiben vom 14. Juni 2000 seien den "Parteien des Verfahrens" die bereits vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Dr. Hans Rudolf Keusen: hydrogeologisches Gutachten vom 28. Februar 2000; Dipl. Ing. Bohusch, Dr. Edelbauer und Dr. Haas: naturschutzfachliches Gutachten vom 18. April 2000; Umweltdachverband ÖGNU: Vorerhebung des Naturraumpotentials in Teilbereichen des Bezirkes Neunkirchen unter besonderer Berücksichtigung von Feuchtgebieten im Zusammenhang mit Natura 2000) zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Weiters sei mitgeteilt worden, dass "aufgrund dieses Zwischenergebnisses des Ermittlungsverfahrens gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates eine Naturverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, da sich das Projekt Semmering Basistunnel auf das Vogelschutzgebiet sowie auf das nominierte Natura 2000-Gebiet 'Nordöstliche Randalpen:

Hohe Wand-Schneeberg-Rax' erheblich nachteilig auswirken" könne. Im Zuge dieses Verfahrens werde "auch eine Prüfung von Alternativen betreffend die ökologischen Auswirkungen erforderlich sein und wurde die Eisenbahnhochleistungsstrecken AG daher ersucht, bekannt zu geben, welche Alternativlösungen zum vorliegenden Projekt ihr bekannt seien". Dazu habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. Juli 2000 eine umfangreiche, mit 14 im Einzelnen aufgezählten Beilagen versehene Stellungnahme abgegeben.

5.6.4. Mit Schreiben vom 9. August 2000 habe die Behörde "den Parteien des Verfahrens das naturschutzfachliche Gutachten vom 4. August 2000, gemeinsam bearbeitet von den Amtssachverständigen Dipl. Ing. Bohusch, Dr. Edelbauer und Dr. Haas, sowie zwei Studien der ÖGNU über den betroffenen Naturraum zur Kenntnis gebracht".

5.6.5. Am 5. September 2000 habe die NÖ Umweltanwaltschaft einen Antrag gemäß § 38 Abs. 6 NÖ NSchG 2000 auf Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung für das vorliegende Projekt eingebracht. Weiters sei auf einen Zwischenbericht der Forschungsanstalt Arsenal - Research zu den hydrogeologischen und hydrodynamischen Verhältnissen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Projekt hingewiesen und mit Schreiben vom 26. September 2000 ein zweiter Zwischenbericht der Firma Arsenal - Research vorgelegt worden. Weiters habe der NÖ Umweltanwalt eine "veröffentlichte Alternative von Univ.Prof. Dipl. Ing. Dr. Engel" vorgelegt. Diese Alternativvariante habe die NÖ Umweltanwaltschaft einer "Überprüfung nach den Beurteilungskriterien der FFH- und der VSch-RL" unterzogen und die entsprechende Studie vorgelegt.

5.6.6. Mit Schriftsätzen vom 7. September 2000, 21. November 2000, 9. Februar 2001 und 30. April 2001 habe die Beschwerdeführerin mit zahlreichen fachlichen Stellungnahmen und Gutachten sowie sonstigen Unterlagen versehene Stellungnahmen vorgelegt. Ergänzende Stellungnahmen seien weiters von Seiten des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. Keusen, vom NÖ Landesbaudirektor, von der Abteilung Wasserwirtschaft - Dr. Milota sowie von der Abteilung Gesamtverkehrsangelegenheiten - Univ.Prof. Dr. Zibschuka eingeholt worden.

5.7. Im Teil D. der Bescheidbegründung werden unter dem Titel "Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)" auf den Seiten 84 bis 350 folgende Aktenbestandteile wörtlich wiedergegeben:

1. "Hydrogeologische Stellungnahme von Dr. Christian Milota, Abteilung Wasserwirtschaft vom 16. Februar 2001" (Seiten 84 bis 113),

2. "Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz vom 4. August 2000, gemeinsam bearbeitet von Dipl. Ing. Peter Bohusch (Fachgebiet Waldökologie), Dr. Jutta Edelbauer (Fachgebiet Botanik), Dr. Werner Haas (Fachgebiet Zoologie)", Seiten 113 bis 203,

3. "Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz vom 26. März 2001, gemeinsam bearbeitet von Dipl. Ing. Peter Bohusch (Fachgebiet Waldökologie), Dr. Jutta Edelbauer (Fachgebiet Botanik), Dr. Werner Haas (Fachgebiet Zoologie)", Seiten 203 bis 314,

4. "Hydrogeologische Stellungnahme von Dr. Christian Milota, Abteilung Wasserwirtschaft vom 22. März 2001" (Seite 314 bis 316),

5. "Naturschutzfachliche Stellungnahme des NÖ Landesbaudirektors - Vortragender Hofrat Dipl. Ing. Peter Kunerth vom 9. März 2001" (Seiten 317 bis 320),

6. "Verkehrsfachliche Stellungnahme von Univ.Prof. Dr. Friedrich Zibuschka, Abteilung Gesamtverkehrsangelegenheiten vom 27. März 2001" (Seiten 321 bis 350).

5.8.1. In der "hydrogeologischen Stellungnahme von Dr. Christian Milota, Abteilung Wasserwirtschaft vom 16. Februar 2001" wird zunächst dargelegt, der Sachverständige sei von der Behörde um Stellungnahme ersucht worden, "ob bzw. welche Widersprüche aus den vorliegenden hydrogeologischen Unterlagen und Beurteilungen erkennbar sind und gegebenenfalls welchen der widersprüchlichen Aussagen aus fachlicher Sicht zu folgen sind und es ist zu beurteilen, ob die von den Amtssachverständigen für Naturschutz bzw. dem Umweltdachverband ÖGNU getätigten Annahmen und Szenarien aus hydrogeologischer Sicht bestätigt werden können". Der Sachverständige habe für die Stellungnahme 19 näher bezeichnete "Unterlagen" verwendet (dabei handelt es sich zum Teil um Projektunterlagen des eisenbahnrechtlichen Verfahrens, zum anderen um im Naturschutzverfahren eingeholte Stellungnahmen und Gutachten). Weiters habe der Sachverständige "aus den umfangreichen Kartenunterlagen näher dargestellte Darstellungen für die Beurteilung und Interpretation herangezogen". Schließlich seien "auch noch Übersichtsbegehungen im Bereich der möglicherweise betroffenen Feuchtgebiete samt Diskussion der Problematik mit den im Verfahren involvierten Naturschutzsachverständigen erfolgt". Sodann wird dargelegt, dass aufgrund der äußerst komplexen geologischen und geotektonischen Verhältnisse des Semmeringgebietes und mit Berücksichtigung der Tatsache, dass der geplante Semmeringbasistunnel teilweise Überlagungshöhen von bis zu 900 m (Bereich Kampalpe) aufweise, exakte, auf Punkt und Komma gebrachte geologische, hydrogeologische bzw. hydraulische Aussagen auch bei noch so detaillierter und umfangreicher Vorerkundung nicht erwartet werden könnten. Es wäre fachlich unseriös derartige Aussagen zu formulieren, sodass unter diesen Rahmenbedingungen die vorliegenden Unterlagen fallweise verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zuließen.

5.8.2. Im Folgenden besteht die Stellungnahme aus der kursiv gesetzten Kommentierung von Zitaten, die den eingangs angeführten Unterlagen entnommen sind. Ein eigenständig erhobener Befund ist nicht ersichtlich; auch den bloß punktuellen Zitaten der herangezogenen Unterlagen kann eine umfassende Beschreibung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht entnommen werden.

5.8.3 Abschließend werden "zusammenfassende Folgerungen und Interpretationen" des Sachverständigen wie folgt wiedergegeben:

"Vorausschickend muss in Erinnerung gebracht werden, dass die äußerst komplexen geologischen Verhältnisse im Bereich des vorgesehenen Semmeringbasistunnels eindeutige und exakte Prognosen nicht erlauben. Dies auch bei noch so umfangreichen Erkundungen. Vielmehr sind unterschiedlichste Szenarien mit gleicher Eintrittswahrscheinlichkeit denkbar und somit bei allen weiteren Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Anknüpfend daran und an die eingangs formulierten Rahmenbedingungen (vgl. S 5, Allgemeines) kann daher festgehalten werden, dass unter allen Gutachtern weitestgehende Einigkeit über die Beeinträchtigung von Berta- und Eselbach-Quelle besteht. Unterschiedliche Auffassungen, und dies quer durch die Gutachten, gibt es jedoch über das Maß der möglichen Beeinflussung durch den geplanten Tunnel. Die Anschätzungen dazu reichen von der Überlegung, dass ein vollständiges Austrocknen weder bei der Berta- noch bei der Eselbach-Quelle angenommen wird (vgl. Joanneum 07/1992) bis hin zur Aussage von Riedmüller (04/1999), nach der im Extremfall auch ein Versiegen von Berta- und Eselbach-Quelle angeführt wird. Auch Schneider kommt in seinem Ausführungen (10/1997) zur Ansicht, dass das höchste Gefährdungspotential im Bereich der Überlaufquellen aus dem Karbonatkomplex der Kaltenbergantiklinale und zwar für die Eselbach- und Berta-Quelle ('Schüttungsrückgang bei ungenügenden bzw. nicht greifenden Maßnahmen im Zuge des Tunnelvortriebes zur Hintanhaltung von Bergwassserabsenkungen') liegt. Daher kann nach dem derzeitigen Wissens- und Erkundungsstand nicht ausgeschlossen werden, dass der vorgesehene Tunnelvortrieb sowohl die Berta- als auch die Eselbach-Quelle im Hinblick auf ihre Schüttungen maßgeblich beeinträchtigen sollte. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass dieselbe Gefahr für Feuchtgebiete im Umfeld der beiden Quellen (lt. ÖGNU-Studien Nr. 2,4 und ev. 5 bzw. 10 und 15) besteht. Diese Feuchtbereiche haben zwar keinen direkten Zusammenhang mit den beiden genannten 'Hauptquellen', sie treten allerdings in vergleichbarer geologisch-tektonischer Situation auf, sodass ihre Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden sollte. Im Sinne der Betrachtung unterschiedlicher Szenarien muss bedacht werden, dass die 'maßgebliche Beeinträchtigung' auch bis zum gänzlichen Versiegen der Berta- und Eselbach-Quelle führen kann. Für die Bereiche 'Adlitzgräben' und 'Rotgraben' liegen ebenfalls unterschiedliche Aussagen im Hinblick auf deren mögliche hydrogelogische Beeinflussung durch den geplanten Tunnelvortrieb vor. Die grundsätzliche Aussage seitens der HL-AG-Gutachter geht von keiner (maßgeblichen) Beeinträchtigung dieser Areale aus. Dazu muss allerdings auch bemerkt werden, dass etwa im Gutachten 07/2000 (Joanneum) von Fürlinger bemerkt wird, dass über den Bereich Adlitzgräben keine näheren Angaben existieren und trotzdem gefolgert wird, dass hier aufgrund der 'hydrogeologischen Situation' und der Entfernung zur geplanten Trasse 'mit keinen Beeinträchtigungen zu rechnen ist'. Dem muss gegenübergestellt werden, dass hydrogeologische bzw. hydrochemische Untersuchungen (Joanneum Research, Sulfatgebiete) sowie geotektonische Überlegungen (Riedmüller) sehr wohl eine Entwässerungsrichtung aus dem Bereich Kampalpe bzw. auch Kaltenberg in Richtung Osten und somit in den Bereich Adlitzgräben, Rotgraben zulassen. Weiters sind die Überlegungen zur Großtektonik dabei zu berücksichtigen, wonach gerade die bekanntermaßen wasserführenden N-S-Störungen hier am O

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten