TE Vfgh Erkenntnis 2000/11/28 WI-11/00

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Veröffentlicht am 28.11.2000
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Stmk GdWO 1960 §67
Stmk GdWO 1960 §69

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; Wertung zweier Stimmzettel zu Recht als ungültig

Spruch

I. Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 19.3.2000 fand ua. die mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 20.12.1999, LGBl. 1999/107, ausgeschriebene Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Wenigzell statt.

1.2. Dieser Wahl lagen von der Österreichischen Volkspartei - ÖVP, der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) und der Freiheitlichen Partei Österreichs - FPÖ eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Wenigzell gemäß §48 Steiermärkische Gemeindewahlordnung - GWO, LGBl. 1960/6 (WV), idF LGBl. 1999/82, abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zu Grunde.

1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde vom 20.3.2000 entfielen von den 959 abgegebenen und als gültig gewerteten Stimmen - 15 Stimmzettel wurden als ungültig erachtet - auf:

       ÖVP ................... 537 Stimmen (9 Mandate)

       SPÖ ................... 178 Stimmen (2 Mandate)

       FPÖ ................... 244 Stimmen (4 Mandate).

1.4.1. Mit einer am 21.3.2000 bei der Gemeinde Wenigzell eingereichten und auf §81 GWO gestützten Eingabe (an die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung) erhob der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der SPÖ Einspruch gegen das Wahlergebnis mit der Begründung, dass zwei bestimmte Stimmzettel für die SPÖ als gültig abgegeben erachtet werden müssten, weil sich der Mittelpunkt des Kreuzes auf den Stimmzetteln jeweils im Kreis für die SPÖ befinde.

1.4.2. Mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom 11.5.2000 wurde dieser Einspruch abgewiesen.

In der Begründung des Bescheides heißt es wörtlich ua. wie folgt:

"Auf zwei Stimmzetteln befindet sich jeweils ein liegendes Kreuz, welches sich über drei Linien jener Spalte erstreckt, in welcher sich die Kreise für die Anzeichnung der Parteien befinden. Bei beiden dieser Stimmzettel liegt der Schnittpunkt des Kreuzes in der Rubrik des Kreises der SPÖ. Der Schnittpunkt befindet sich außerhalb des Kreises.

Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert nun, dass 'aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Partei der Wähler wählen wollte' (§67 Abs2 GWO).

Diese von der GWO aufgestellte Voraussetzung trifft auf keinen dieser zwei in Streit gezogenen Stimmzettel zu, da in beiden Fällen das Kreuz über insgesamt drei Zeilen gezogen wurde. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Schnittpunkt des Kreuzes in einer der Zeilen liegt, die von der Anzeichnung erfasst und betroffen wurden (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes WI-4/89, VfSlg. 6207/1970, 10.802/1986).

Der Verfassungsgerichtshof stellt in seinem Erkenntnis vom 1.3.1990, WI-4/89-15 fest, dass eine derartige Ausfüllung sowohl, weil sie offen lasse, für welche Parteiliste sich der Wähler, so er überhaupt gültig wählen wollte, tatsächlich entschied, als auch wegen des mehrere Parteilisten erfassenden Zeichens, die Ungültigkeit eines derartigen Stimmzettels nach sich zieht.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt als 'Wahlgerichtshof' in ständiger Rechtsprechung die Auffassung (siehe Erkenntnis 5861/1968, 6750/1972, WI-7/84-16), dass die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen streng gebunden sind und die Bestimmungen der Wahlordnung strikt nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden müssen.

Es wird daher der Wahlbehörde bei der Bewertung der gegenständlichen Stimmzettel Recht gegeben und werden die in Streit gezogenen Stimmzettel als richtig beurteilt gewertet."

Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ am 15.5.2000 zugestellt.

1.5.1. Mit ihrer am 13.6.2000 zur Post gegebenen und auf Art141 B-VG gestützten Eingabe focht die SPÖ die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Wenigzell beim Verfassungsgerichtshof an und begehrt die "Aufhebung des Wahlverfahrens ab dem Beginn der Auszählung der Stimmen".

1.5.2. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Erstattung einer Gegenschrift aufgeforderte Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung legte die Wahlakten vor, gab jedoch keine Stellungnahme ab; sie beantragte, der Anfechtungswerberin die Prozesskosten aufzuerlegen und "der belangten Behörde den Aufwandersatz zuzuerkennen."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 14.847/1997). Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2.1. Nach §68 Abs1 VerfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

2.1.2.2. Ein derartiger, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Wenigzell beim Verfassungsgerichtshof ausschließender Instanzenzug ist gemäß der Bestimmung des §81 Abs1 GWO vorgesehen: danach kann eine Wahl ua. wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens binnen zwei Wochen - vom Ablauf des ersten Kundmachungstages (des Wahlergebnisses) an gerechnet - vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter jeder wahlwerbenden Partei schriftlich mit Einspruch bekämpft werden.

Über den bei der Gemeindewahlbehörde schriftlich zu erhebenden Einspruch entscheidet in erster und letzter Instanz die Landeswahlbehörde (§81 Abs4 und 6 GWO).

2.1.2.3. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.4.2. ergibt, wurde der vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ am 21.3.2000 gemäß §81 GWO wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergriffene Einspruch mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom 11.5.2000 als unbegründet abgewiesen.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der 15.5.2000, das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landeswahlbehörde an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ (sh. schon Pkt. 1.4.2.).

2.1.2.4. Der letzte Tag der Anfechtungsfrist wäre demgemäß der 12.6.2000 gewesen. Da dieser Tag aber ein Feiertag (Pfingstmontag) war, ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen (§126 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG), weshalb die am 13.6.2000 zur Post gegebene Wahlanfechtung (sh. Pkt. 1.5.1.) rechtzeitig eingebracht wurde.

2.1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens sieht die Anfechtungswerberin in Folgendem gelegen:

Zwei Stimmzettel (Nr. 4 und Nr. 5) seien sowohl von der Gemeinde- als auch von der Landeswahlbehörde als ungültig bewertet worden, obwohl eindeutig erkennbar sei, dass die SPÖ gewählt werden sollte, und die beiden strittigen Stimmzettel daher der SPÖ zugerechnet hätten werden müssen. In beiden Fällen befinde sich nämlich der Mittelpunkt des Kreuzes in dem für die SPÖ vorgesehenen Kreis; eine Verwechslung erscheine unmöglich; das Kreuz auf dem Stimmzettel Nr. 4 sei wohl einer "eher zittrigen Hand zuzuordnen, während am anderen Stimmzettel (Nr. 5) eine eher überschwängliche Strichführung erfolgt" sei. Die behauptete Rechtswidrigkeit habe das Wahlergebnis wesentlich beeinflusst. Bei der angenommenen Gültigkeit der beiden Stimmzettel wären für die Anfechtungswerberin 178 plus 2, somit 180 Stimmen abgegeben worden. Daraus hätte sich die Wahlzahl mit 60 errechnet und es wäre das 15. Mandat der SPÖ zugefallen.

2.2.2. Die beiden streitverfangenen Stimmzettel zeigen das folgende Bild:

STIMMZETTEL NICHT DARSTELLBAR !

2.2.3. Der mit "Gültige Ausfüllung" überschriebene §67 GWO lautet:

"(1) Zur Stimmenabgabe darf nur der vom Wahlleiter gleichzeitig mit dem Wahlkuvert dem Wähler übergebene amtliche Stimmzettel verwendet werden.

(2) Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, z. B. durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist.

(3) Der Stimmzettel ist auch gültig ausgefüllt, wenn zwar eine Parteiliste angezeichnet wurde, auf der Rückseite des Stimmzettels aber die Bewerber einer anderen Partei oder verschiedener Parteien, gereiht und gestrichen wurden. Diese Reihungen und Streichungen gelten in diesem Falle als nicht beigesetzt bzw. als nicht erfolgt."

§69 GWO - übertitelt mit "Ungültige Stimmzettel" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde, oder

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder

3. überhaupt keine Parteiliste oder kein Bewerber angezeichnet wurde, oder

4. zwei oder mehrere Parteilisten oder Bewerber verschiedener Parteilisten angezeichnet wurden, oder

5. eine Liste angezeichnet wurde, die nur eine Listennummer, aber keine Parteibezeichnung enthält, oder

6. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.

(2) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene Parteien lauten, so zählen sie, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt, als ein ungültiger Stimmzettel.

(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."

2.2.4. Auf Grund der Aktenlage ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der eine streitverfangene Stimmzettel weist ein (liegendes) Kreuz auf, das über die drei (je eine Listennummer, einen Kreis sowie eine bestimmte Kurz- und Parteibezeichnung enthaltende) Zeilen und - nach unten hin - auch noch über die letzte für eine Partei vorgesehene Zeile hinausreicht; der Kreuzungspunkt befindet sich knapp innerhalb des Kreises in der zweiten Zeile.

Der zweite streitverfangene Stimmzettel ist mit einem (liegenden) Kreuz angezeichnet, das über drei (je eine Listennummer, einen Kreis, eine bestimmte Kurz- und Parteibezeichnung enthaltende) Zeilen reicht, wobei sich der Kreuzungspunkt knapp außerhalb des Kreises in der zweiten Zeile befindet.

2.2.5.1. Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels nach der GWO erfordert nun, dass "aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte" (§67 Abs2 erster Satz GWO). Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links von einer Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, dass er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen wollte (§67 Abs2 zweiter Satz GWO). Diese von der GWO aufgestellten Voraussetzungen treffen auf keinen der beiden in Rede stehenden Stimmzettel zu:

Im Fall des in diesem Erkenntnis zuerst abgebildeten Stimmzettels ragt das (liegende) Kreuz nicht bloß über den Kreis neben der Parteibezeichnung der SPÖ hinaus (was für sich allein noch nicht zur Ungültigkeit der Stimme führen würde), sondern ist über sämtliche eine Listennummer, einen Kreis, eine Kurz- und Parteibezeichnung enthaltende Zeilen gezogen, wobei es (nach unten hin) sogar noch über die letzte für eine bestimmte Partei vorgesehene Zeile hinaus reicht. An der Ungültigkeit des Stimmzettels vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kreuzungspunkt (knapp) innerhalb des Kreises in der zweiten Zeile liegt. Bei einer solchen besonderen Konstellation kann nämlich nicht mehr davon gesprochen werden, dass in einem (neben einer Parteibezeichnung) vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz angebracht worden und so aus dem Stimmzettel eindeutig zu erkennen wäre, für welche Parteiliste sich der Wähler, so er überhaupt gültig wählen wollte, tatsächlich entschied (§67 Abs2 erster Satz GWO).

Auf den zweiten Stimmzettel treffen die von der GWO aufgestellten Voraussetzungen für die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels deshalb nicht zu, weil - wie eingangs festgehalten - das Kreuz außerhalb des Kreises und über insgesamt drei Zeilen gezogen wurde. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Schnittpunkt des Kreuzes in einer der Zeilen liegt, die von der Anzeichnung erfasst und betroffen wurden.

2.2.5.2. Die beiden strittigen Stimmzettel wurden darum von den Wahlbehörden zu Recht als ungültig abgegebene Stimmen (§69 Abs1 Z4 und 6 GWO) gewertet (vgl. auch VfSlg. 10.802/1986, 12.288/1990 und VfGH 3.12.1999 WI-4/99).

3.1. Der Wahlanfechtung war daher nicht stattzugeben.

3.2. Kosten konnten nicht zugesprochen werden, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG (vgl. dazu auch §27 VerfGG) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VfSlg. 15.357/1998).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:WI11.2000

Dokumentnummer

JFT_09998872_00W0I011_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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