TE OGH 1981/12/3 8Ob137/81

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Veröffentlicht am 03.12.1981
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Norm

ABGB §1311
KFG §102 Abs6

Kopf

SZ 54/184

Spruch

Die Bestimmung des § 102 Abs. 6 KFG über die Sicherung des Fahrzeuges gegen unbefugte Inbetriebnahme dient dem Schutz der Allgemeinheit, nicht aber desjenigen, der es selbst vorsätzlich unbefugt in Betrieb nimmt

OGH 3. Dezember 1981, 8 Ob 137/81 (OLG Innsbruck 1 R 418/80; LG Innsbruck 15 Cg 803/78)

Text

Am 3. September 1978 verschuldete der Beklagte als Lenker des PKW des Klägers einen Unfall, bei dem dieser Wagen beschädigt wurde. Der dem Kläger dabei entstandene Schaden beträgt 48 000 S. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. November 1978, 35 Vr 3415/78, 35 Hv 348/78-6, wurde der Beklagte wegen dieses Vorfalles wegen Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 3 StGB rechtskräftig schuldig erkannt und gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Betrages von 5000 S an den Kläger als Privatbeteiligten verurteilt.

Der Kläger begehrte vorerst den Zuspruch von 52 122 S samt Anhang (44 122 S für Reparaturkosten und 8000 S für Wertminderung), schränkte jedoch das Klagebegehren hinsichtlich der begehrten Wertminderung um 4122 S und im Hinblick auf eine im Zuge des Verfahrens erfolgte Zahlung von 30 000 S, von der nach der Regel des § 1416 ABGB ein Betrag von 5000 S auf die Judikatschuld anzurechnen ist, auf Bezahlung von restlichen 18 000 S samt Anhang ein. Der Beklagte habe auf Grund der unbefugten Inbetriebnahme des Fahrzeuges vollen Schadenersatz zu leisten. Der im Zuge des Verfahrens volljährig gewordene Beklagte stellte das eingeschränkte Klagebegehren letztlich der Höhe nach außer Streit und beantragte Klageabweisung. Der Kläger habe ein Mitverschulden von mindestens 50% zu vertreten, weil er die Autoschlüssel in einem Gasthaus, in dem mehrere Minderjährige, die erfahrungsgemäß an der Inbetriebnahme von Klein-PKW interessiert seien, verkehrten, die Autoschlüssel für jedermann freizugänglich am Tisch abgelegt und unbeaufsichtigt liegen gelassen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger hielt sich am 3. September 1978 im Haus (des Landwirtes) Anton T in F auf, wo er sich mit dem am 26. Mai 1960 geborenen, nicht im Besitz eines Führerscheines befindlichen Beklagten und anderen dort anwesenden Bekannten unterhielt. Er hatte dabei den Zundschlüssel seines Autos auf dem Tisch abgelegt. Der gleichzeitig anwesende Helmut S nahm - als der Kläger am Tisch eingeschlafen war - den Zundschlüssel an sich, fuhr in Begleitung des Beklagten mit dem Wagen des Klägers nach S und ließ dort den Zundschlüssel im Zundschloß stecken. Der Beklagte setzte hierauf den Wagen in Betrieb, um nach F zurückzufahren. Auf der Rückfahrt geriet er - offensichtlich wegen überhöhter Geschwindigkeit - über den Fahrbahnrand, wodurch der PKW beschädigt wurde.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß das Verschulden des Beklagten an dem eingetretenen Schaden nicht in Zweifel gezogen werden könne, weil der Beklagte den Schaden durch unvorsichtiges Fahren bzw. Übertretung von Vorschriften der StVO verschuldet habe. Aber auch den Kläger treffe ein Mitverschulden an dem Eintritt des Schadens, weil er durch sein sorgloses Verhalten die Schwarzfahrt des Beklagten ermöglicht habe. Wer in Gesellschaft mehrerer Leute an einem Tisch, auf dem er den Zundschlüssel für sein Auto offen liegen lasse, einschlafe, ohne vorher den Schlüssel ordnungsgemäß zu verwahren und zu sichern, unterlasse zumutbare Maßnahmen, die geeignet wären, die unbefugte Kraftfahrzeugbenützung zu verhindern. An den Kraftfahrzeughalter würden hier sehr strenge Anforderungen gestellt. Da der Kläger es unterlassen habe, bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalles alles ihm zur Verhütung von Schwarzfahrten Zumutbare zu tun, müsse ihm ein Mitverschulden angelastet werden, das im Vergleich zu dem dem Beklagten infolge des verurteilenden Straferkenntnisses und seiner unvorsichtigen Fahrweise anzulastenden Fehlverhalten im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten des Beklagten zu bewerten sei. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz von 32 000 S (2/3 von 48 000 S). Im Hinblick auf den Zuspruch im Strafverfahren und die geleistete Teilzahlung könne ein weiterer Zuspruch an ihn nicht mehr erfolgen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des restlichen Klagebegehrens ab.

Ausgehend von den erstrichterlichen Feststellungen war es rechtlich der Auffassung, die vom Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Bestimmung des § 6 EKHG über die Regelung der Haftung bei Schwarzfahrten diene lediglich dem Schutz dritter Personen, die aus Anlaß der Schwarzfahrt beschädigt worden seien. Diese Bestimmung könne aber im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, es sei vielmehr von den Schadenersatzbestimmungen des ABGB auszugehen. Der Beklagte habe dem Kläger gegenüber einen strafbaren Tatbestand gesetzt und sei deswegen auch strafrechtlich verurteilt worden. Der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, daß einer aus der Tischrunde seines Bekanntenkreises sein Fahrzeug beschädigen werde. Da der Beklagte jedenfalls verpflichtet gewesen sei, mit fremdem Eigentum auf sorgsamste Weise umzugehen, dies aber nicht getan habe, hafte er allein für den Schaden. Für die Anwendung des § 1304 ABGB fehle die Grundlage; der Beklagte sei daher verpflichtet, dem Kläger den gesamten noch offenen Schaden zu ersetzen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In seiner Rechtsrüge hält der Beklagte seine Auffassung aufrecht, den Kläger treffe ein Mitverschulden von mindestens 50%, weil er den Autoschlüssel frei zugänglich am Tisch abgelegt und unbeaufsichtigt liegen gelassen habe. Der Beklagte bezieht sich damit inhaltlich auf die Vorschrift des § 102 Abs. 6 KFG 1967, wonach der Lenker eines Kraftfahrzeuges, wenn er sich so weit oder so lange davon entfernt, daß er es nicht mehr überwachen kann, u. a. dafür zu sorgen hat, daß das Fahrzeug von Unbefugten nur durch Überwindung eines beträchtlichen Hindernisses in Betrieb genommen werden kann. Bei dieser Vorschrift handelt es sich zweifellos um eine gesetzliche Bestimmung, die zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, also um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB. Es ist jedoch zu einer Haftung nach § 1311 ABGB erforderlich, daß die Interessen verletzt wurden, deren Schutz die übertretene Rechtsnorm bezweckt. Der Zweck der Bestimmung des § 102 Abs. 6 KFG 1967 ist der Schutz der Allgemeinheit; sie bezweckt aber nicht den Schutz jener Person, die sich die Herrschaft über das Fahrzeug selbst anmaßt und es vorsätzlich unbefugt in Betrieb nimmt (vgl. die zu der entsprechenden Bestimmung des § 85 Abs. 6 KFG 1955 ergangene Entscheidung SZ 33/51). Dies führt zu dem Ergebnis, daß der Beklagte, der sich vorsätzlich die Herrschaft über das Fahrzeug anmaßte, einen ihm dabei allenfalls entstandenen Schaden dem Kläger gegenüber aus dessen Verletzung des § 102 Abs. 6 KFG 1967 nicht geltend machen könnte und er andererseits ebensowenig berechtigt ist, dem ihm gegenüber geltend gemachten Ersatzbegehren des Klägers eine Schadenskürzung wegen eines diesbezüglichen Mitverschuldens des Klägers einzuwenden; ein derartiger Einwand würde - wie der OGH in vergleichbaren Fällen mehrfach ausgesprochen hat - einen Rechtsmißbrauch bedeuten (vgl. 8 Ob 70/78 u. a.).

Anmerkung

Z54184

Schlagworte

Inbetriebnahme, unbefugte - eines Kfz, § 102 Abs. 6 KFG ist keine, Schutznorm für den Schwarzfahrer, Schwarzfahrer, § 102 Abs. 6 KFG ist keine Schutznorm

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0080OB00137.81.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19811203_OGH0002_0080OB00137_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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