TE OGH 1984/8/21 9Os83/84

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Veröffentlicht am 21.08.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. August 1982, GZ 28 E Vr 1208/82-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. August 1982, GZ 28 E Vr 1208/82-10, verletzt insofern, als eine Anrechnung der im Verfahren AZ 28 E Vr 552/82 desselben Gerichtshofes vom Verurteilten Helmut A erlittenen Vorhaft vom 12. März 1982, 13 Uhr, bis 14. März 1982, 11,30 Uhr, unterblieben ist, das Gesetz in der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 2 StPO.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird aus Anlaß der gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes das genannte Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB betreffend Punkt C/1 und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Helmut A wird für das ihm laut dem aufrechtbleibenden Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB, das Vergehen des Betruges nach Par 146 StGB, das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB gemäß §§ 129, 28 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Mai 1982, GZ 28 E Vr 552/ 82-13, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 4 (vier) Monaten und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die ausgesprochene Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 StGB wird die im Verfahren AZ 28 E Vr 552/82 des Landesgerichtes Linz erlittene Vorhaft vom 12. März 1982, 13 Uhr, bis 14. März 1982, 11,30 Uhr, auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe angerechnet.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Mai 1982, GZ 28 E Vr 552/82-13, wurde der am 20. Jänner 1964 geborene Helmut A wegen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 15 StGB und Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, erster Fall, StGB (Tatzeiten zwischen 31. Jänner 1982 und 24. März 1982) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt, die ihm gemäß Par 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Gleichzeitig wurden ihm die Weisungen erteilt, eine geregelte Arbeit binnen 14

Tagen dem Gericht nachzuweisen, eine monatliche Schadensgutmachung von mindestens 2.000 S vorzunehmen und sich alkoholischer Getränke zu enthalten.

Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die Vorhaft vom 12. März 1982, 13 Uhr, bis 14. März 1982, 11,30 Uhr (S 7, 91, 114), auf die Strafe angerechnet. In der Folge wurde Helmut A mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. August 1982, GZ 28 E Vr 1208/ 82-10, wegen Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB, Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB, Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB und Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB (Tatzeiten zwischen 31. März 1982 und 16. April 1982) zu einer (zusätzlichen) Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt, wobei (da sämtliche der neuerlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten vorher verübt worden waren) auf das Urteil vom 11. Mai 1982 gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen wurde. Auch in diesem Strafverfahren wurde die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Am 2. August 1982 beantragte die Staatsanwaltschaft im Verfahren AZ 28 E Vr 552/82 des Landesgerichtes Linz, den Verurteilten formell zur Einhaltung der Weisungen zu ermahnen (S 118 unten), worauf dieser am 5. Oktober 1982

vernommen wurde (S 123) und die Staatsanwaltschaft am 27. Oktober 1982 den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (nach § 53 Abs. 3 StGB) beantragte (S 124). Helmut A sprach sich bei seiner Anhörung gegen den Widerruf aus (S 129), konnte allerdings eine Schadensgutmachung nicht nachweisen. Da in der Zwischenzeit zum AZ U 383/82 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung und zum AZ 28 E Vr 2938/82 des Landesgerichtes Linz (ON 19 und 22) neuerlich Verurteilungen erfolgt waren, wurde mit Beschluß vom 10. März 1983 (ON 23) die bedingte Strafnachsicht sowohl wegen der Nachverurteilungen als auch der Nichtbefolgung der Weisung auf Schadensgutmachung widerrufen. Diesen Beschluß änderte das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht allerdings mit Beschluß vom 17. August 1983, 8 Bs 292/83 (ON 30), dahin ab, daß der Widerrufsantrag abgewiesen, die Probezeit auf fünf Jahre verlängert und die Beistellung eines Bewährungshelfers durch das Erstgericht angeordnet wurde.

Auch im Verfahren AZ 28 E Vr 1208/82 des Landesgerichtes Linz wurde mit Beschluß vom 11. März 1983 (ON 15) die bedingte Strafnachsicht unter Hinweis auf die AZ 28 E Vr 2938/82 desselben Gerichtes erfolgte Verurteilung widerrufen, ohne daß in diesem Strafakt eine Anhörung des Verurteilten aktenkundig wäre (§ 495 Abs. 3 StPO). Auch diesen Widerrufsbeschluß änderte das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht mit Beschluß vom 17. August 1983, 9 Bs 295/83 (ON 21) ab, indem der Widerruf abgelehnt, ebenfalls die Probezeit auf fünf Jahre verlängert und die Bestellung eines Bewährungshelfers durch das Erstgericht angeordnet wurde. Allerdings wurde (wegen vermeintlicher Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses) die bereits erlassene Strafvollzugsanordnung nicht widerrufen, weshalb Helmut A am 12. August 1983, 12,45 Uhr, zum Strafvollzug vorgeführt (ON 22) und erst am 29. August 1983, 12 Uhr, wieder entlassen (ON 24) wurde. Da jedoch zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde durch die Generalprokuratur weitere Strafverfahren gegen Helmut A anhängig waren (sohin eine Anrechnung dieser zu Unrecht vollzogenen Strafhaft zu erwarten war), wurden diese und die anderen aufgezeigten Gesetzesverletzungen nicht zum Gegenstand der Beschwerde nach § 33 Abs. 2 StPO gemacht. In der Zwischenzeit wurde tatsächlich - wie der Oberste Gerichtshof telefonisch erheben konnte -

Helmut A im Strafverfahren AZ 28 E Vr 229/83 des Landesgerichtes Linz diese (zu Unrecht vollzogene) Strafhaft auf eine rechtskräftig ausgesprochene und schon in Vollzug gesetzte Strafhaft von 18 Monaten angerechnet.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht wurde von der Generalprokuratur die gesetzwidrige Unterlassung der Anrechnung der zum AZ 28 E Vr 552/82 erlittenen Vorhaft in dem im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehenden Strafverfahren 28 E Vr 1208/82

aufgezeigt (SSt 48/90) und die diesbezügliche Ergänzung des Urteils beantragt.

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich jedoch anläßlich dieser Beschwerde, daß das (zu ergänzende) Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. August 1982, GZ 28 E Vr 1208/ 82-10, mit einer dem Verurteilten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) behaftet ist, die gemäß § 290 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 292 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war (EvBl 1973/172). Mit dem genannten, gemäß § 458 Abs. 2 StPO mittels eines Protokolls- und Urteilsvermerks beurkundeten Urteil wurde Helmut A - wie bereits angeführt - auch wegen der (in Tateinheit begangenen) Vergehen nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB und §§ 223 Abs. 2, 224 StGB verurteilt. Inhaltlich des als Urteilssachverhalt übernommenen Strafantrages (ON 4 in Verbindung mit ON 10) liegt ihm zur Last, am 31. März 1982 in Linz dadurch, daß er auf dem nicht zugelassenen Moped, Marke Zündapp, ein selbst verfertigtes (im Akt erliegendes) Kennzeichen (mit der Nr L 77.272 - ON 5) anbrachte und mit dem Moped umherfuhr,

1. dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß nicht zuge lassener Kraftfahrzeuge vom öffentlichen Straßenverkehr absichtlich einen Schaden dadurch zuzufügen versucht zu haben, daß er Beamte der Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Zulassung des Kraftfahrzeuges, zur Duldung seiner weiteren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu verleiten suchte, und 2. eine falsche inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtsverhältnisses gebraucht zu haben.

Die Verurteilung des Helmut A wegen dieser Straftat (auch) wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB erfolgte jedoch rechtsirrig. Die strafbare Täuschung über die Tatsache der Verkehrszulassung des Mopeds ist nämlich schon in dem eine solche Täuschung generell indizierenden Gebrauch der falschen Urkunde (des nachgemachten Kennzeichens) zum Beweise eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache pönalisiert. Folgerichtig kann neben dem § 223 Abs. 2 StGB der lediglich subsidiäre Auffangtatbestand des § 108 Abs. 1 StGB tateinheitlich nicht verwirklicht werden. Es war daher der Schuldspruch wegen §§ 15, 108 Abs. 1 StGB aus dem Urteil auszuschalten, ohne daß es eines formellen Freispruches bedurfte (siehe zu all dem SSt 51/33 und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen, nach § 129 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen in diesem Strafverfahren sowie mit den gemäß § 40 StGB zu berücksichtigenden, im Verfahren 28 E Vr 552/82 des Landesgerichtes Linz abgeurteilten Straftaten und mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt, sein Geständnis und der Umstand, daß er teilweise (bei Diebstählen und der unbefugten Ingebrauchnahme von Fahrzeugen) von einem Mittäter verführt wurde.

Trotz der auffallenden Häufung zahlreicher Straftaten innerhalb einer relativ kurzen Zeit ist der Oberste Gerichtshof der Meinung, daß bei gemeinsamer Aburteilung nur eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden wäre (§ 40 StGB), zumal die (auch dort) strafbestimmenden Einbruchsdiebstähle im Vorverfahren gravierender waren, so daß eine Zusatzstrafe mit vier Monaten auszusprechen war. Auf den Zeitpunkt des Ersturteils bezogen war eine günstige Prognose und damit auch die bedingte Strafnachsicht noch gerechtfertigt, so daß der Oberste Gerichtshof auch die neu zu bemessende Strafe bedingt nachsah. Allerdings wird dem Verschlimmerungsverbot Rechnung tragend der Beginn der Probezeit ab der Rechtskraft des nunmehr teilweise aufgehobenen Urteiles (6. August 1982) zu berechnen sein (Mayerhofer-Rieder, E 70 zu § 292 StPO, E 50, 51 zu § 293 StPO). Inwieweit die in der Zwischenzeit begangenen neuerlichen Straftaten (Strafverfahren 27 E Vr 3134/83 und 28 E Vr 229/83 des Landesgerichtes Linz) Anlaß für einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht sein werden, wird das Erstgericht nach Durchführung eines entsprechenden Verfahrens (§ 495 StPO) zu entscheiden haben. Die von der Generalprokuratur aufgezeigte rechtsirrtümlich unterlassene Vorhaftanrechnung war nunmehr im Rahmen des neuen Strafausspruches nachzuholen.

Anmerkung

E04629

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00083.84.0821.000

Dokumentnummer

JJT_19840821_OGH0002_0090OS00083_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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