TE OGH 1987/10/20 11Os115/87

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Veröffentlicht am 20.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut K*** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgeschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 11.Juni 1987, GZ 15 Vr 179/87-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, des Angeklagten Helmut K*** und des Verteidigers Dr. Wiederkehr zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.April 1969 geborene (zum Tatzeitpunkt noch jugendliche) Helmut K*** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, erster (richtig: zweiter) Deliktsfall, StGB schuldig erkannt. Darnach tötete er am 5. Februar 1987 in Vöcklamarkt vorsätzlich den Johann H*** durch Versetzen von neun Messerstichen in den Rücken und die Brust mit einem Fixiermesser (1) und nahm ihm hiedurch mit Gewalt und dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung ca. 2.000 S, drei Packungen Zigaretten und sechs Kleinflaschen der Marke "Jägermeister" weg (2). Die Geschwornen bejahten einstimmig die anklagekonform gestellten Hauptfragen und ließen demgemäß die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I (in Richtung § 75 StGB) und Bejahung der Hauptfrage II (in Richtung §§ 142, 143, zweiter Fall, StGB) an sie gerichtete Zusatzfrage, ob die Gewaltanwendung beim Raub den Tod des Johann H*** zur Folge hatte (§ 143, höchster Strafsatz, StGB), unbeantwortet.

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) zunächst darin, daß der Schwurgerichtshof trotz "genügender Anhaltspunkte" im Beweisverfahren (neben der Mord- und Raubfrage) keine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach dem § 87 Abs. 2 StGB gestellt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dabei verkennt die Beschwerde aber die gesetzlichen Voraussetzungen für die Stellung einer derartigen Eventualfrage:

Gemäß dem § 314 StPO sind an die Geschwornen entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) nur dann zu richten, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die es, wären sie erwiesen, in dem Bereich der näheren Möglichkeit rücken (SSt. 44/29, EvBl. 1978/119 = LSK 1978/139, 13 Os 108/84, 13 Os 177/84; 11 Os 137/85 uva), daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz (das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte) fällt. Das Vorbringen muß dabei so konkret sein, daß bei Beachtung der objektivierten Tatelemente die gewünschte Deutung des Geschehens logisch und empirisch naheliegend ist (SSt. 39/50, 51/29).

Wenn nun die Beschwerde gegen die Richtigkeit der Protokollierung der Einlassungen des Angeklagten vor der Gendarmerie und während der Voruntersuchung (auf welche Angaben sich die Geschwornen ua in ihrer Niederschrift bezogen - ON 61/III) Bedenken anmeldet, unternimmt sie lediglich den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Geschwornen in Zweifel zu ziehen. Der den Tötungsvorsatz leugnenden Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung trug der Schwurgerichtshof dadurch Rechnung, daß er eine Zusatzfrage nach Raub mit (nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig herbeigeführter) Todesfolge stellte. Da Idealkonkurrenz zwischen den Körperverletzungsdelikten nach den §§ 83 bis 87 StGB mit dem Verbrechen des Raubes im Hinblick auf die beim Eintritt schwerer Verletzungsfolgen einsetzende höhere Strafdrohung nicht möglich ist (Leukauf-Steininger2 RN 44 zu § 142 StGB und die dort zitierte Judikatur), der Angeklagte aber niemals in Abrede stellte, die Verletzungen dem Johann H*** deshalb zugefügt zu haben, um ihn berauben zu können, fehlt es an jedem Tatsachensubstrat für die Annahme, daß Helmut K*** ohne gleichzeitigen Raubvorsatz nur absichtlich verletzen wollte. Es wurde daher die begehrte Eventualfrage zu Recht nicht gestellt und den Geschwornen im übrigen die Rechtslage auch im Rahmen der Rechtsbelehrung dargelegt (S 245, 246/III).

Die gleichfalls vermißte Fragestellung danach, ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB vorlägen, beträfe nur die Sanktion, ob nämlich neben der Freiheitsstrafe auch noch eine Maßnahme zu verhängen wäre, damit - zum Nachteil des Angeklagten - die Straffrage, die aber die Geschwornen nicht allein, sondern gemeinsam mit dem Schwurgerichtshof zu entscheiden haben (§ 338 StPO). Eine derartige Fragestellung kommt sohin nach der Prozeßordnung nicht in Betracht.

Aus diesem Grund geht auch die im Rahmen der Bemängelung der Rechtsbelehrung (Z 8) erhobene Rüge fehl, daß zu dieser Problematik den Geschwornen keine Belehrung erteilt worden sei. Richtig ist der Hinweis der Beschwerde, daß in einer Passage der Rechtsbelehrung ausgeführt wird, bei anklagekonformem Schuldspruch betrage die Strafdrohung 2 1/2 bis 7 1/2 Jahre (S 241/III). Im Gesetz ist allerdings eine schriftliche Belehrung der Geschwornen zur Straffrage nicht vorgesehen, weil als Folgen der Bejahung oder Verneinung der Fragen im Sinn des § 321 Abs. 2 StPO lediglich der Schuld- oder der Freispruch, nicht aber die Sanktionen anzusehen sind. Zu erläutern sind Rechtsbegriffe, sohin die gesetzlichen Mermale der strafbaren Handlung, auf welche die Fragen gerichtet sind, sowie die in den einzelnen Fragen vorkommenden Fachausdrücke (SSt. 53/61, 55/82 und die dort zitierte Vorjudikatur). Wenn der Schwurgerichtshof daher in seine zwar nicht notwendigen, anderseits aber auch nicht unzulässigen Ausführungen zur Straffrage auch die (im übrigen Zusammenhang unverständliche) Passage aufnahm: "Wird aber einerseits Mord angenommen und andererseits Raub - in diesem Falle hat die Gewaltanwendung nicht den Tod eines Menschen zur Folge -, so ist für den jugendlichen Täter im Gesetz eine Freiheitsstrafe von 2 1/2 bis 7 1/2 Jahren vorgesehen" (S 241/III), kann darin nach Lage dieses Falles kein Umstand erblickt werden, der bei den Geschwornen Mißverständnisse oder Irrtümer über die Subsumtion des von ihnen als erwiesen angenommenen Sachverhalts indizieren könnte. Dies deshalb, weil eine Nichtigkeit bewirkende Unrichtigkeit einer Rechtsbelehrung nur aus ihrem an den Erfordernissen der §§ 321, 323, 327 StPO zu messenden Inhalt abzuleiten ist (12 Os 59/83, 13 Os 64/86) und an mehreren Stellen auch in Erläuterung der Bestimmung des § 11 Z 1 JGG die richtigen Strafsätze für die Verbrechen nach dem § 75 und den §§ 142, 143 StGB angegeben wurden (S 231, 237, 241/III oben).

Es liegt sohin keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vor, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB und des § 11 (Z 1) JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 (vierzehn) Jahren und wertete bei der Strafbemessung als erschwerend, daß der Angeklagte bereits einmal einschlägig vorbestraft wurde und zwei strafbare Handlungen verschiedener Art beging, und als mildernd das teilweise reumütige Geständnis und die (laut Sachverständigengutachten) vorliegende Grenzdebilität. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung an.

Soweit die Berufung bemängelt, daß dem Urteil nicht zu entnehmen sei, ob der Angeklagte mit vorgefaßtem Mordvorsatz in das Lokal des später getöteten Johann H*** ging oder den Mordentschluß erst in einer Art Panikstimmung faßte, zeigt sie lediglich die Eigenart geschwornengerichtlicher Urteile auf, die keine Sachverhaltsschilderung und auch keinerlei Bezugnahme auf die Niederschrift der Geschwornen enthalten dürfen (§ 342 StPO). Die beim Berufungswerber vorliegende Grenzdebilität fand Berücksichtigung und ein nicht daraus resultierender Erziehungsmangel, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tat stünde (EvBl. 1983/140, LSK 1983/38), wird weder in der Berufung aufgezeigt noch ist er den Akten zu entnehmen. Gerade die auch im Rechtsmittel erwähnte Gefühlskälte des Berufungswerbers ist aber ein seine Gefährlichkeit dokumentierender Umstand (§ 32 StGB); sie kann bei Beurteilung des Schuld- und Unrechtsgehalts der Tat nicht außer Betracht bleiben. So gesehen ist unter weiterer Berücksichtigung, daß die Tat nur kurz vor Vollendung des 18.Lebensjahres begangen wurde, die nahe der Obergrenze des für Jugendliche geltenden Strafsatzes ausgemessene Unrechtsfolge nicht überhöht. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E11903

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00115.87.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19871020_OGH0002_0110OS00115_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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