TE OGH 1989/3/8 14Os9/89

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Veröffentlicht am 08.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.März 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Telfser als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald S*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 30.Mai 1988, GZ 11 Vr 630/88-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser und der Verteidigerin Dr. Christa Heller, Rechtsanwältin in Wien, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 30.Mai 1988, GZ 11 Vr 630/88-8, womit Harald S*** des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz in der zuletzt genannten Bestimmung.

Dieser Schuldspruch sowie der Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG 1961 werden aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Harald S*** ist schuldig, am 13.Jänner 1987 in Klagenfurt versucht zu haben, der Rosa L*** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Kunstlederhandtasche im Wert von etwa 300 S, und ca 7.000 S Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er an der von Rosa L*** festgehaltenen Handtasche zerrte.

Er hat hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB begangen.

Gemäß § 13 Abs. 1 (iVm Art IX Abs. 1) JGG 1988 wird der Ausspruch der wegen dieser Jugendstraftat zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 17.Jänner 1972 geborene jugendliche Harald S*** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 30.Mai 1988, GZ 11 Vr 630/88-8, des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 13. Jänner 1988 in Klagenfurt versucht, der Rosa L*** mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch gewaltsames Zerren an der von ihr festgehaltenen Handtasche, fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Kunstlederhandtasche im Wert von etwa 300 S und ca 7.000 S Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Gemäß § 13 Abs. 1 JGG 1961 wurde der Ausspruch und die Vollstreckung der wegen dieser Jugendstraftat zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben. Dieses Urteil ist gegenüber dem Angeklagten und seinem gesetzlichen Vertreter in Rechtskraft erwachsen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Ausspruches nach § 13 Abs. 1 JGG 1961 Berufung erhoben, über die vom Oberlandesgericht Graz noch nicht entschieden worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldspruch steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. In den Entscheidungsgründen wurden zur subjektiven Tatseite folgende wesentliche Feststellungen getroffen:

"...Der Angeklagte wollte Rosa L*** die Tasche in Bereicherungsabsicht wegnehmen, dachte sich jedoch, wenn sich die Zeugin wehrt, würde er aufhören. Er dachte, daß es so schnell gehen werde, daß die Zeugin es gar nicht merke ..." (US 3). Der subjektive Tatbestand des Raubes erfordert jedoch neben dem Bereicherungsvorsatz (wie bei Diebstahl) auch den

(Nötigungs-) Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB), die Sache unter gewaltsamer Ausschaltung oder Überwindung des widerstrebenden Willens des Angegriffenen wegzunehmen. Erfolgt der Angriff auf das Opfer unversehens, wie dies nach den Feststellungen des Jugendschöffengerichtes Harald S*** in seinen Vorsatz aufgenommen hatte, sodaß das Opfer einen auch dem Angreifer bewußt werdenden Behauptungswillen und daher einen Widerstandsentschluß erst gar nicht fassen kann, liegt Diebstahl vor, weil es diesfalls an der räuberischen Nötigung fehlt. In diesem Fall wird vielmehr nur das Überraschungsmoment noch vor bzw ohne Bildung eines Widerstandes seitens des überraschten Opfers ausgenützt (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 22 zu § 142 StGB und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur).

Nach den zitierten Feststellungen des Jugendschöffengerichtes ist daher die Tat des Harald S*** mangels eines Nötigungsvorsatzes rechtsrichtig nur als Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB zu beurteilen.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und gemäß § 292 letzter Satz StPO spruchgemäß zu beheben. Dadurch wurde es jedoch notwendig, die Sanktionierung der Jugendstraftat neu zu beurteilen. Infolge Aufhebung des Urteils ist dabei gemäß Art IX Abs. 1 JGG 1988 im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.

Der Angeklagte hat bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt und ein volles reumütiges Geständnis abgelegt. Er hat seine Tat, die beim Versuch blieb, unter Einwirkung eines Dritten (Richard D***) begangen und stand dabei unter Alkoholeinfluß, der im Sinne des § 35 StGB als mildernd zu berücksichtigen ist. Dem steht erschwerend nichts gegenüber. Entgegen der Annahme des Jugendschöffengerichtes kann aber weder davon ausgegangen werden, daß Harald S*** die Tat aus Hunger beging, weil er vorher zu Hause gegessen hatte, noch daß er sie unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen (siehe insgesamt AS 54).

Die angeführten Umstände rechtfertigen die Annahme, daß der Schuldspruch und die Androhung des Strafausspruches genügt, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Generalpräventive Erwägungen stehen dem nicht entgegen. Die Probezeit von drei Jahren entspricht den Erfordernissen der Spezialprävention. Der § 13 Abs. 1 JGG 1988 ist gegenüber § 13 Abs. 1 JGG 1961 insofern die günstigere Norm, weil nunmehr der Strafausspruch und nicht mehr der Ausspruch und die Vollstreckung einer Geld- oder Freiheitsstrafe für eine Probezeit aufgeschoben werden kann. Darüber hinaus ist nunmehr nach § 14 JGG 1988 bei der Anwendung (unter anderem) des § 13 nur zu berücksichtigen, ob aus besonderen Gründen der Ausspruch einer Strafe unerläßlich scheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Im Fall des nachträglichen Strafausspruches nach § 15 JGG 1988 ist, im Gegensatz zur Regelung der §§ 13 Abs. 1, 46 Abs. 4 JGG 1961, eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht nicht mehr ausgeschlossen. Obwohl Harald S*** die Tat vier Tage vor Vollendung seines 16.Lebensjahres beging, konnte § 4 Abs. 2 Z 2 JGG 1988 wegen seines erheblichen Verschuldens an der im Grenzbereich zum Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB liegenden Tat nicht angewendet werden.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E16733

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00009.89.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19890308_OGH0002_0140OS00009_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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