TE OGH 1989/9/5 11Os90/89

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Veröffentlicht am 05.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich Andreas A*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 9. Mai 1989, GZ 15 Vr 1.366/88-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Verteidigers Dr. Stoff, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem (formell) freisprechenden Teil (vom Verbrechen nach den §§ 142, 143 StGB und vom Vergehen nach dem § 231 Abs. 1 StGB) und im Strafausspruch (samt dem Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Juli 1970 geborene, zuletzt beschäftigungslose Erich Andreas A*** des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Punkt I./1.), des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 (alte Fassung) StGB (Punkt I./2.), des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (Punkt II./), der Vergehen des Betruges nach dem § 146 StGB (Punkt III./), des Diebstahls nach dem § 127 StGB (Punkt IV./), der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (Punkt V./) und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB (Punkt VI.), des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB (Punkt VII./) sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB (Punkt VIII./) schuldig erkannt und hiefür nach dem § 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB sowie des § 5 JGG zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt. Weiters wurde gemäß dem § 22 Abs. 1 StGB die Unterbringung des Erich Andreas A*** in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet, diese Anstaltseinweisung jedoch gemäß dem § 45 Abs. 1 StGB gleichfalls für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Hingegen wurde Erich Andreas A*** mit demselben Urteil von der weiteren gegen ihn erhobenen Anklage, das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142, 143 Abs. 1 (2. Fall) StGB und das Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach dem § 231 Abs. 1 StGB dadurch begangen zu haben, daß er in Bad Ischl 1./ am 21.September 1988 der Gerlinde L*** unter Vorhalten eines 30 cm langen Messers, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Höhe von 500 S, mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Zueignung des Geldes unrechtmäßig zu bereichern; und 2./ im November 1988 vorsätzlich einen (für einen anderen ausgestellten) amtlichen Ausweis, nämlich den Führerschein des Rudolf H***, im Rechtsverkehr gebrauchte, als wäre er für ihn ausgestellt, indem er diesen Führerschein dem Uhrmachermeister Harald B*** (beim Verkauf von Diebsgut) zum Nachweis seiner Identität vorlegte, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die von der Staatsanwaltschaft ergriffene, auf die Z 4, 5 und 9 lit. a, der Sache nach auch auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nach gegen die erwähnten beiden Freisprüche betrifft darüber hinaus aber auch den dem Angeklagten angelasteten Diebstahl, soweit A*** - dem Anklagevorwurf zuwider (vgl. Bd. II, S 264 dA, Punkt IV./) - nicht des Diebstahls von insgesamt 120 Kisten Leergebinden (im Gesamtwert von 8.256 S), sondern nur eines Teiles hievon, nämlich bloß des Diebstahls von 30 Kisten Leergebinden (vgl. Punkt IV./ des Schuldspruchs, Bd. II, S 357 dA) schuldig gesprochen wurde.

Rechtliche Beurteilung

1./ Zum Freispruch des Angeklagten wegen Vergehens

nach dem § 231 Abs. 1 StGB:

Das Schöffengericht begründete den Freispruch des Angeklagten von dem Anklagevorwurf, im November 1988 das Vergehen nach dem § 231 Abs. 1 StGB dadurch begangen zu haben, daß er den Führerschein des Rudolf H*** anläßlich des Verkaufes von Diebsgut dem Uhrmachermeister Harald B*** in Bad Ischl zum Nachweis seiner (des Angeklagten) Identität vorlegte, sinngemäß im wesentlichen damit, daß er bloß die Identität des (angeblichen) Eigentümers dieser Sachen (Rudolf H***) beim Verkauf darzutun versucht und demnach diesen fremden Ausweis im Rechtsverkehr nicht so gebraucht habe, als wäre er für ihn selbst ausgestellt.

Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft in ihrer Mängelrüge einen diesem Freispruch anhaftenden formalen Begründungsmangel geltend, indem sie auf die mit der (vom Erstgericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen) Verantwortung des Angeklagten unvereinbare Darstellung des Harald B*** vor der Gendarmerie (Bd. I, S 379 dA) verweist, aus der ua hervorgeht, daß der Angeklagte damals selbst als Verkäufer auftrat, also von einem fremden Führerschein zum Nachweis seiner eigenen Identität Gebrauch machte. Dieser Aussage des Harald B*** vor der Gendarmerie läßt sich nicht entnehmen, daß der Angeklagte behauptete, die von ihm angebotenen Gegenstände gehörten einem anderen, und daß er den Führerschein dieses (angeblichen) Eigentümers vorlegte. Der Hinweis im angefochtenen Urteil, daß die Angaben des in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Uhrmachermeisters Harald B*** zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten nicht geeignet seien, ist bei dieser Aktenlage zumindest undeutlich, weil den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann, ob und allenfalls aus welchen Erwägungen das Erstgericht diesen die Verantwortung des Angeklagten formal widerlegenden Angaben den Glauben versagte, oder ob es von einem nicht aktenkonformen Inhalt der Aussage des Harald B*** vor der Gendarmerie ausging. Dem Ersturteil haftet daher insoweit eine Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO an.

2./ Zum Freispruch des Angeklagten wegen Verbrechens

des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143

2. Fall StGB (begangen am 21.September 1988 an Gerlinde L***):

Nach den wesentlichen, die Vorfälle vom 21.September 1988 betreffenden Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte Erich Andreas A*** die damals 19-jährige Gerlinde L*** am Abend dieses Tages durch die Äußerung, es würde sonst "etwas passieren" unter gleichzeitiger Vortäuschung des Besitzes einer Schußwaffe sowie durch die Androhung, sie zu erschießen, genötigt, ihn mit ihrem PKW von Bad Goisern (St. Agatha) zunächst nach Bad Ischl zu bringen, sodann die Fahrt zur Rettenbachalm (im Gemeindegebiet von Bad Ischl) fortzusetzen, und sie unterwegs gezwungen, ihm die Lenkung des Fahrzeuges zu überlassen. Auf der Rettenbachalm hielt ihr der Angeklagte ein 30 cm langes Militärmesser gegen die Brust, erzwang solcherart von ihr, sich außerhalb des Fahrzeuges vollständig zu entkleiden, und vollzog sodann an der widerstandsunfähigen Frau im Freien den Geschlechtsverkehr, wobei er das Messer vorübergehend neben sich in den Boden gesteckt hatte. Während der anschließenden Rückfahrt von der Rettenbachalm nach Bad Ischl machte der Angeklagte, der weiterhin das Fahrzeug der Gerlinde L*** lenkte, wieder kehrt, fuhr erneut mit ihr auf die Rettenbachalm und erzwang dort im PKW einen weiteren Geschlechtsverkehr. Noch auf dem Almgebiet nahm der Angeklagte (vgl. Ersturteil Bd. II, S 366, 389 f) auch Einsicht in den auf Gerlinde L*** lautenden Zulassungsschein und fragte sie, ob sie Geld bei sich habe. Nach ihrer Antwort, daß sie nur über 20 S verfüge, erkundigte sich der Angeklagte, ob sie noch mehr Geld besitze, worauf sie erklärte, daß sie auch noch eine 500-Schilling-Note bei sich habe. Über Aufforderung des Angeklagten, ihm dieses Geld zu geben, händigte Gerlinde L*** den 500-Schilling-Schein aus. Gerlinde L*** übergab dem Angeklagten das Geld zwar aus Angst, doch bedrohte er sie anläßlich der Geldforderung und Geldübergabe weder wörtlich noch mit dem Messer (Ersturteil, Bd. II, S 390 dA).

Aufgrund dieser Feststellung verneinte das Erstgericht einen vom Angeklagten an Gerlinde L*** (durch Abnötigen der 500-Schilling-Note) verübten schweren Raub im Sinn der §§ 142 Abs. 1, 143, 2. Fall, StGB, weil die vorangegangenen Bedrohungen der Gerlinde L*** durch verschiedene Äußerungen sowie durch Vorhalten eines Militärmessers nur eine Nötigung (zur Fahrt nach Bad Ischl und auf die Rettenbachalm sowie zum Überlassen der Lenkung des Fahrzeuges) sowie die Erzwingung der geschlechtlichen Hingabe zum Ziel hatten, nicht aber auch die Ausfolgung der 500-Schilling-Note. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß Gerlinde L*** dem Angeklagten die 500-Schilling-Note aus Angst und unter dem Eindruck der vorangegangenen Vorfälle ausgefolgt habe (Ersturteil, Bd. II, S 391 dA).

Der Staatsanwaltschaft kann zwar, wenn sie den Freispruch des Angeklagten von diesem Raubfaktum bekämpft, nicht beigepflichtet werden, soweit sie den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO in der vom Erstgericht mit Zwischenerkenntnis ausgesprochenen Abweisung des vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung der Zeugin Barbara A*** erblickt; betrifft doch das Beweisthema, zu dem diese Zeugin gehört werden sollte, nicht das hier in Rede stehende Raubfaktum (vgl. Bd. II, S 348 dA). Diese Zeugin ist nämlich (am 21. September 1988) erst nach den Vorfällen auf der Rettenbachalm in Bad Ischl in das vom Angeklagten gelenkte Fahrzeug der Gerlinde L*** zugestiegen und kommt daher als Tatzeugin für die Übergabe der 500-Schilling-Note nicht in Betracht.

Von Barbara A***, die im übrigen bereits vor der Gendarmerie ausgesagt hatte (Bd. I, S 461-463 dA), war daher zu diesem Vorfall keine weitere Aufklärung zu erwarten, zumal im Antrag keine Hinweise auf zusätzliches Wissen dieser Zeugin gegeben wurden. Ebenso erübrigte sich die Einvernahme des vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung beantragten Zeugen Peter H***, durch den nachgewiesen werden sollte, daß der Angeklagte mit dem - vorher von Gerlinde L*** erhaltenen - 500-Schilling-Schein nach dem Betanken des Fahrzeuges an der BP-Tankstelle dieses Zeugen in Bad Ischl bezahlte und sich den Restbetrag behielt (Bd. II, S 348 dA). Denn dies nahm das Erstgericht ohnedies aufgrund der Aussage der Zeugin Gerlinde L*** (Bd. II, S 338 dA) und der dieser Aussage letztlich nicht widersprechenden Verantwortung des Angeklagten (vgl. Bd. II, S 348 dA) als erwiesen an (Ersturteil, Bd. II, S 393 und 394 dA).

Des weiteren kann auch der Mängel- und Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft (Z 5, der Sache nach auch Z 10) insoweit nicht gefolgt werden, als sie auf die der Notzucht nachfolgenden Bedrohungen der Gerlinde L*** durch den Angeklagten Bezug nimmt und dem Erstgericht in diesem Zusammenhang zum Vorwurf macht, einen Konnex zwischen diesen (späteren) Drohungen und dem Abnötigen der 500-Schilling-Note unerörtert gelassen zu haben. Denn nach den mängelfrei auf die Angaben der Zeugin Gerlinde L*** gestützten Urteilsfeststellungen (vgl. Bd. I, S 457 dA und Bd. II, S 15 und 340 dA) verfolgte der Angeklagte mit diesen späteren Drohungen, die er erst nach den Vorfällen auf der Rettenbachalm (nach Abnahme der 500-Schilling-Note) in Bad Ischl äußerte (indem er andeutete, er habe gute Freunde, sie würden Gerlinde L*** die Gurgel durchschneiden), nur das Ziel, das Tatopfer von einer Anzeigeerstattung gegen ihn abzuhalten; ein Vorhaben, das er auch tatsächlich erreichte (Ersturteil, Bd. II, S 367 dA). Die Darstellung der Zeugin L*** über die Vorgänge auf der Rettenbachalm bietet im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensergebnissen allerdings gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte bei der Abnahme der 500-Schilling-Note zwar nicht direkt Gewalt anwandte oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ausdrücklich drohte, jedoch eine bei Gerlinde L*** vorgelegene Zwangslage, ausgelöst durch die vorangegangenen Vorfälle und die damit verbundene Einschüchterung, ausnützte. Die Ausnützung einer vom Täter zunächst aus anderen Gründen (hier: zur Erzwingung der Fahrt mit dem PKW, des Überlassens der Lenkung des Fahrzeuges sowie des Geschlechtsverkehrs) geschaffenen Zwangslage begründet aber nur dann Raub, wenn der Täter erneut gegen die Person Gewalt oder (qualifizierte) Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) als Mittel der Sachbemächtigung einsetzt (Kienapfel, BT II2, RN 56 bis 58 zu § 142 StGB). Zieht hingegen der Täter, so wie dies nach den bisherigen Verfahrensergebnissen bei der Wegnahme der 500-Schilling-Note indiziert erscheint, bloß aus den Folgen der von ihm vorher gegen das Tatopfer eingesetzten Mittel !Gewalt und (qualifizierte) Drohung Nutzen, bringt aber diese Mittel nicht zur Sachbemächtigung zum Einsatz, scheidet eine Tatbeurteilung als Raub aus. Gerade dieser Konnex zwischen dem Einsatz eines Raubmittels und der Sachbemächtigung lag aber nach den Urteilsfeststellungen zum bekämpften Freispruch (vom Anklagevorwurf des Raubes) nicht vor. Hingegen kommt in einem solchen Fall der Ausnützung einer schon vorher aus anderen Gründen geschaffenen Zwangslage des Opfers durch den Täter, der sodann ohne (weiteren) auf Sachbemächtigung gerichteten Einsatz eines Raubmittels (also ohne weitere Gewalt gegen die Person und ohne Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) dem bereits vorher - mit anderer

Zielsetzung - eingeschüchterten Tatopfer Geld (mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz) wegnimmt - worauf auch die Staatsanwaltschaft in ihrer der Sache nach auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge an sich zutreffend hinweist -, eine Tatbeurteilung als Bedrängnisdiebstahl im Sinn des § 128 Abs. 1 Z 1 StGB in Betracht. Die Darstellung der Zeugin Gerlinde L***, aufgrund der vorangegangenen Vorfälle aus Angst vor dem Angeklagten der Wegnahme der 500-Schilling-Note keinen Widerstand entgegengesetzt zu haben, weist darauf hin, daß sie sich durch die vorangegangene, vor allem auf Erzwingung eines mehrfachen Geschlechtsverkehrs gegen sie gerichtete Vorgangsweise des Angeklagten auch noch später im Zeitpunkt der Abnahme des Geldes in einem bedrängten und hilflosen Zustand befand, den der Angeklagte dazu ausnützte, sich des Geldes zu bemächtigen; muß doch in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, daß sie sich damals mit dem Angeklagten des nachts allein in einem Waldgebiet befand und dort keine Hilfe erwarten konnte. Der Annahme einer Tatqualifikation nach dem § 128 Abs. 1 Z 1 StGB steht auch nicht entgegen, daß der Täter die Bedrängnis oder Hilflosigkeit des Tatopfers selbst herbeiführte. Im angefochtenen Urteil fehlen aber eindeutige Feststellungen, insbesondere zur subjektiven Tatseite, ob nämlich der Angeklagte bei der Wegnahme der 500-Schilling-Note im Bewußtsein der damaligen bedrängten und hilflosen Lage der Gerlinde L*** und unter bewußter Ausnützung dieser Lage handelte, sodaß eine abschließende, von der Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsrüge angestrebte Beurteilung dieses Vorfalls als Diebstahl nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil hiezu getroffenen Tatsachenfeststellungen derzeit nicht möglich ist.

3./ Zum - der Sache nach ergangenen - Freispruch

vom Vergehen des Diebstahls von 90 Kisten Leergebinde:

Als nicht begründet erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft jedoch, soweit sie sich in ihrer Verfahrensrüge (Z 4) auch dadurch beschwert erachtet, daß der von ihr in der Hauptverhandlung beantragte Zeuge Peter H***, der auch zur Anzahl der im Diebstahlsfaktum (Punkt IV./ des Schuldspruchs) vom Angeklagten in seinem PKW transportierten und bei diesem Zeugen eingelösten Leergebinden gehört werden sollte (vgl. Beweisantrag, Bd. II, S 348 und 349 dA), vom Erstgericht nicht vernommen wurde. Durch die vom Erstgericht mit Zwischenerkenntnis in der Hauptverhandlung ausgesprochene Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Zeugen auch zu diesem Beweisthema konnte nämlich der öffentliche Ankläger in seinem Strafverfolgungsrecht nicht beeinträchtigt werden:

Entgegen dem Anklagevorwurf, demzufolge dem Angeklagten angelastet wurde, in der Zeit von Oktober bis November 1988 (in mehrfachen Zugriffen) gemeinsam mit anderen Mittätern insgesamt 120 Kisten Leergebinde im Werte von 8.256 S aus dem Lagerhaus in Bad Goisern gestohlen zu haben (Bd. II, S 264 und 269 dA), nahm das Erstgericht nur die Wegnahme von (zumindest) 30 Kisten Leergebinde als erwiesen an (Bd. II, S 376 dA) und fällte nur in diesem Umfang - ohne allerdings bezüglich der restlichen 90 Kisten einen hier gebotenen formellen Freispruch des Angeklagten gemäß dem § 259 Z 3 StPO zu verkünden - einen Schuldspruch wegen Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB. Es erachtete die Verantwortung des Angeklagten, nur am Diebstahl von etwa 30 Kisten Leergebinde beteiligt gewesen zu sein (Bd. II, S 301 und 302 dA), aufgrund der Verfahrensergebnisse nicht für widerlegbar.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin zuwider war auch durch den beantragten Zeugen H*** keine weitere Aufklärung über den tatsächlichen Umfang der Diebstähle von Leergebinden durch den Angeklagten zu erwarten. Peter H*** wurde nämlich hiezu bereits im Vorverfahren von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gehört. Er erklärte bei dieser Einvernahme, daß er - auf der von ihm gepachteten BP-Tankstelle in Bad Ischl - zwar in der letzten Zeit vom Angeklagten und dessen Freundeskreis öfter Leergebinde übernommen, aber jeweils höchstens zwei Kisten eingelöst habe. Dies sei auch zuletzt der Fall gewesen, als er vom Angeklagten zwei Bierkisten mit Leergebinden zurücknahm; hiebei sei ihm aufgefallen, daß der Kofferraum des PKWs des Angeklagten mit Bierkisten (samt Leergebinden) voll beladen gewesen sei (Bd. I, S 389 dA). Diese Aussage des Zeugen H*** reicht aber für die von der Beschwerdeführerin angestrebte Feststellung nicht aus, daß der Angeklagte mehr als die ihm laut Schuldspruch Punkt IV./ angelasteten 30 Kisten gestohlen hatte, zumal von der Staatsanwaltschaft anläßlich des Antrages auf Vernehmung des Zeugen nicht etwa behauptet wurde, daß dieser Zeuge weitere, über seine Darstellung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hinausgehende Angaben über den Umfang des von ihm beim Angeklagten wahrgenommenen Diebsgutes machen könnte. Das Erstgericht durfte somit ohne Beeinträchtigung des Strafverfolgungsrechtes des öffentlichen Anklägers von der Vernehmung dieses Zeugen absehen.

Sohin war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem formell freisprechenden Teil (vom Verbrechen nach den §§ 142, 143 StGB und vom Vergehen nach dem § 231 Abs. 1 StGB) und demzufolge auch im Strafausspruch (samt dem Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese (teilweise kassatorische) Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E18204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00090.89.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19890905_OGH0002_0110OS00090_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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