TE OGH 1991/3/21 15Os10/91

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Veröffentlicht am 21.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtsofes Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Winge als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinz Ludwig L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4.Oktober 1990, GZ 39 Vr 1248/90-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, sowie des Verteidigers Dr. Grün, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Heinz Ludwig L***** wurde mit dem bekämpften Urteil des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (B IV) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (A I und B I), des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB (A II), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (A III), der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (A IV), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB (B II), der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (B III), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB (B V) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (B VI) schuldig erkannt und hiefür nach § 201 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt sowie gemäß § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf Gründe der Z 5, 5 a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil nur in den Schuldsprüchen B II, III 1, IV und V sowie im Ausspruch über die Anordnung der Anstaltsunterbringung.

Nach dem Inhalt der zuletzt bezeichneten Schuldsprüche liegt ihm zur Last, er habe in der Nacht zum 8.Mai 1990 und an diesem Tag in I***** Sigrid B***** durch die Äußerung, sie umzubringen, wobei er ihr ein Messer am Nacken ansetzte, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (B II), weiters die Genannte mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen, Erfassen am Arm, Festhalten und Mitzerren, zum Verlassen der Wohnung und Aufsuchen zweier Gastlokale (B III 1) und überdies durch Erfassen, Festhalten und Niederhalten, somit gleichfalls durch Gewalt, zur Duldung des Beischlafs, eines Analverkehrs und zur Vornahme eines Mundverkehrs (B IV) sowie zur Duldung einer nicht im § 201 StGB umschriebenen geschlechtlichen Handlung, nämlich des Einführens einer Bierflasche in die Scheide (B V), genötigt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die auf das polizeiamtsärztliche Untersuchungsergebnis vom 8. Mai 1990 gegründete Annahme seiner Zurechnungsfähigkeit zu den hier relevanten Tatzeiten (US 15); diese Begutachtung sei - so meint er - nur auf den Zeitpunkt seiner Untersuchung abgestellt.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich die eine Volltrunkenheit des Angeklagten verneinende Beurteilung des Amtsarztes nach dem ausdrücklichen Inhalt des Untersuchungsberichtes auch auf den in der Anzeige angegebenen Deliktszeitraum bezieht (S 27).

Auch der weitere Vorwurf, die Urteilsbegründung zur Verneinung einer vollen Berauschung sei unvollständig, weil sie die Angaben der Zeugin B*****, wonach der Beschwerdeführer damals "offensichtlich stark betrunken" gewesen sei (S 35), übergehe, geht fehl.

Abgesehen davon, daß sich der Angeklagte im Verfahren erster Instanz gar nicht auf eine Volltrunkenheit zur Tatzeit berief, sondern sich selbst nur als leicht alkoholisiert bezeichnete (S 42) und erklärte, er habe gewußt, was er mache (S 45), widerspricht die Beurteilung seines damaligen Zustandes durch die Zeugin, die ersichtlich keine medizinischen Erfahrungen hat, keinesfalls dem amtsärztlichen Untersuchungsergebnis, demzufolge (bloß) eine mittelstarke, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließende Alkoholisierung vorlag (S 25 f).

Dies gilt auch für die in der Beschwerde zitierten Angaben des Zeugen Inspektor H***** (S 189), wonach der Angeklagte anläßlich seiner Verhaftung "die längste Zeit nicht wach zu bringen" war und einen alkoholisierten Eindruck machte; auch diese Beobachtung läßt sich mit einer mittelstarken Alkoholisierung vereinbaren und bedurfte daher keiner besonderen Erörterung in der - in gedrängter Darstellung abzufassenden - Urteilsbegründung.

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang auf den - im Urteil allerdings nicht verwerteten - Blutalkoholbefund von (nur) 1,7 %o verwiesen, den die rund 2 Stunden nach den abschließenden Sexualdelikten dem Angeklagten abgenommene Blutprobe ergab (S 115), ein Wert, der nach forensischer Erfahrung keine Volltrunkenheit indiziert.

Mit der Behauptung, es stehe nicht mit Sicherheit fest, ob Sigrid B***** ihre (als Lebensgefährtin) hinsichtlich der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB erteilte Ermächtigung auch in der Hauptverhandlung aufrecht erhalten habe, weil das Gericht sie nicht auf die Möglichkeit einer Rückziehung hingewiesen habe, wird weder ein Begründungsmangel noch ein anderer Nichtigkeitsgrund dargetan.

Rechtliche Beurteilung

Die Zeugin B***** hat - wovon ersichtlich auch die Beschwerde ausgeht - die vorliegend zur Verfolgung des Beschwerdeführers wegen gefährlicher Drohung nach § 107 StGB erforderliche Ermächtigung erteilt (S 36, 70). Diese Ermächtigung wurde nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles bis zum Schluß der Verhandlung nicht zurückgenommen. Daher konnte das Schöffengericht vom Vorliegen einer rechtswirksamen Verfolgungserklärung ausgehen (US 23), ohne daß es diesbezüglich einer näheren Begründung bedurfte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen war es aber auch nicht verhalten, die Zeugin B***** auf die Möglichkeit einer Zurücknahme der Ermächtigung hinzuweisen. Denn aus der von der Beschwerde ins Treffen geführten - im übrigen nicht unter Nichtigkeitssanktion stehenden - Bestimmung des § 47 a StPO, die eine Fürsorgepflicht in bezug auf den durch eine Straftat Verletzten normiert (vgl. Foregger-Serini StPO4 Erl. II zu § 47 a), kann eine Verpflichtung des Gerichtes, den Verletzten zu einer den Angeklagten begünstigenden Rücknahme der erteilten Ermächtigung und/oder des gestellten Verfolgungsantrages anzuleiten, nicht abgeleitet werden (igS 14 Os 109/88).

Soweit die Beschwerde nunmehr vorbringt, es bestünden Heiratsabsichten, handelt es sich um eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Neuerung, auf die hier demnach (schon deshalb) nicht einzugehen ist.

Die Mängelrüge geht daher zur Gänze fehl.

Die Ausführungen in der Tatsachenrüge (Z 5 a), mit welchen dargetan werden soll, daß gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin Sigrid B***** deshalb gravierende Bedenken bestehen, weil die Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit der Genannten zur Tatzeit infolge der potenzierenden Wirkung von Alkohol und antiepileptischen Medikamenten beeinträchtigt gewesen sei und im übrigen die Aussagen dieser Zeugin auch sonst keineswegs so überzeugend seien, wie dies das Schöffengericht annehme, sind insgesamt nicht geeignet, jene sich aus den Akten ergebenden erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der - auf die Bekundungen dieser Zeugin gegründeten - Urteilsfeststellungen zu erwecken, auf die der Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO abstellt.

Abgesehen davon, daß der gerichtspsychiatrische Sachverständige Univ.Prof. Dr. P***** in seinem Gutachten, auf das sich das Urteil bezieht (US 19), eine Potenzierung der Wirkung von Alkohol und Antiepileptika ausdrücklich verneint hat (S 139), wird die Behauptung des Beschwerdeführers, Sigrid B***** sei zur Tatzeit unter dem Einfluß von Alkohol und/oder eines epileptischen Anfalls gestanden, durch die aktenkundigen Verfahrensergebnisse in keiner Weise gestützt. Im Gegenteil: Die Aussage des die Zeugin kurz nach der Tat untersuchenden Arztes Dr. L***** spricht eindeutig gegen die Annahme einer Alkoholisierung oder eines epileptischen Anfallsgeschehens im maßgebenden Zeitpunkt (S 149 f). Damit entbehren aber alle in der Beschwerde angestellten Erwägungen über eine durch gleichzeitigen Alkohol- und Medikamentenkonsum verursachte Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfähigkeit der Zeugin konkreter, sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte.

Soweit in diesem Zusammenhang die Unterlassung der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens moniert und damit inhaltlich (primär) eine Verfahrensrüge (Z 4) geltend gemacht wird, fehlt dem Angeklagten mangels dahingehender Antragstellung im Verfahren erster Instanz die Beschwerdelegitimation.

Mit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen wird aber auch nicht (iS der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO; vgl. hiezu EvBl. 1988/108 = NRsp 1988/236) ein gravierender Verstoß des Gerichtes gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung aufgezeigt, demzufolge die Sachverhaltsermittlung derart mangelhaft geblieben sei, daß deshalb erhebliche Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter bestünden.

Auf die in der Beschwerde hervorgehobenen Abweichungen in den Angaben der Zeugin B***** nahm das Schöffengericht bei Würdigung der Beweiskraft ihrer Aussagen entsprechend Bedacht (US 18 ff), maß ihnen jedoch mit einsichtiger Begründung keine die Glaubwürdigkeit beeinträchtigende Bedeutung zu (US 20). Der Sache nach bekämpft der Beschwerdeführer (auch insoweit) lediglich nach Art einer - im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren (nach wie vor) unzulässigen - Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Soweit der Beschwerdeführer letztlich auf "epilepsiebedingte Veränderungen" der Zeugin abstellt, die in Anpassung "an das soziale Umfeld" zu einer Falschaussage geführt haben sollten, mangelt es wieder an jeglichen sich aus den Akten ergebenden konkreten Anhaltspunkten dafür.

Auch die Tatsachenrüge versagt daher.

In der Subsumtionsrüge (Z 10) bringt der Beschwerdeführer vor, das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB (hier: durch das erzwungene Einführen einer Bierflasche in die Scheide) sei gegenüber dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB "subsidiär" oder durch die Verurteilung wegen des letztbezeichneten Verbrechens "konsumiert".

Keiner dieser Fälle der Scheinkonkurrenz liegt indes vor.

In Frage käme wegen des konstatierten engen zeitlichen Zusammenhanges (US 14, 22) eine Beurteilung als sogenannte typische Begleittat. Von einer Typizität der Unzuchtshandlung des Einführens einer Bierflasche in die Scheide der Frau als Begleiterscheinung eines Beischlafs kann aber keinesfalls gesprochen werden (13 Os 72/80, 13 Os 12/86, 15 Os 122/89 ua).

Zudem stellte das Schöffengericht - wenngleich erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 22) - fest, daß der Unzuchtsakt des Einführens einer Bierflasche in die Scheide des Opfers auf einem gesonderten Willensentschluß des Angeklagten beruhte, um die Frau besonders zu demütigen. Beruhen aber die teils im Beischlaf (oder dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen), teils in geschlechtlichen Handlungen anderer Art bestehenden Tathandlungen auf gesonderten Willensentschlüssen des Täters, so sind sie als in Realkonkurrenz verübt zu beurteilen (12 Os 159/89, 9 Os 85/86, 13 Os 12/86 uvam); daran hat auch die Strafgesetznovelle 1989 nichts geändert (vgl. abermals 12 Os 159/89).

Die - unter Behauptung von Feststellungsmängeln - eine Tatbeurteilung nach § 287 StGB anstrebende weitere Subsumtionsrüge übergeht die ausdrückliche Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte "während der ganzen Tatzeit" (der an Sigrid B***** verübten Delikte) zwar stark alkoholisiert war, sich aber nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand (US 15). Sie hält daher insoweit nicht, wie es bei Ausführung einer Rechtsrüge erforderlich wäre, am festgestellten Urteilssachverhalt fest und ist somit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer in der Strafzumessungsrüge (Z 11) von der urteilsfremden Annahme ausgeht, er habe die Taten (gegenüber Sigrid B*****) im Zustand einer seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Alkoholisierung verübt.

Soweit er letztlich in dieser Rüge den Ausspruch der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB mit der Behauptung bekämpft, die Grundlagen für die Annahme einer ungünstigen Verhaltensprognose im Sinn des § 21 Abs. 2 StGB seien unzureichend und unzutreffend beurteilt, macht er keinen der Fälle des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO geltend, sondern wendet sich gegen eine nur mit Berufung anfechtbare Ermessensentscheidung (Foregger-Serini StPO4 Erl. III zu § 435; Mayerhofer/Rieder StGB3 E 35 zu § 21). Auf das bezügliche Vorbringen ist daher (erst) im Rahmen der Behandlung der Berufung einzugehen, mit welcher ohnedies auch der Maßnahmenausspruch bekämpft wird.

Aus den angeführten Gründen war somit die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit acht Vergehen sowie die Wiederholung der Vergehens der Körperverletzung und des Diebstahls als erschwerend, dagegen den Umstand, daß es beim Diebstahl in keinem Fall beim Versuch blieb, sowie die verminderte Dispositionsfähigkeit des Angeklagten als mildernd und gelangte auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe zur Verhängung der eingangs angeführten Freiheitsstrafe.

Der Berufungswerber vermag nicht aufzuzeigen, daß weitere ihm zugute zu haltende Milderungsumstände übergangen worden wären.

Angesichts der zutreffend festgestellten und richtig gewichteten Strafzumessungsgründe erscheint die ausgemessene Freiheitsstrafe durchaus der personalen Täterschuld und dem Unwert der verschuldeten Taten angemessen, sodaß dem Begehren die Strafe zu reduzieren, nicht nähergetreten werden kann.

Aber auch die gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB gerichtete Berufung und das als Berufungsausführung anzusehende bezügliche Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde sind nicht berechtigt.

Entgegen der Meinung des Berufungswerbers ergeben sich aus der "Strafkarte" sehr wohl hinreichende Grundlagen für diesen Ausspruch. Die Gerichtsakten, die der Strafregisterauskunft zugrundeliegen und in der Hauptverhandlung verlesen wurden (S 254), enthalten massive Anhaltspunkte für eine deviante Sexualität des Angeklagten und immer wiederkehrende gewichtige Aggressionsakte gegen Frauen, zum Teil unter Einsatz eines Messers. So nötigte der Angeklagte eine Frau durch Versetzen eines Schlages zur Ausübung der Geheimprostitution (27 E Vr 136/76 des Landesgerichtes Linz), unternahm wiederholt mit einer Unmündigen den Beischlaf, wobei er sie schwängerte (23 Vr 424/77 des Landesgerichtes Linz), nötigte eine Lebensgefährtin, die er wiederholt in alkoholisiertem Zustand schlug, unter Ansetzen eines Messers zum Geschlechtsverkehr (8 c Vr 10.128/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) und attackierte wiederholt eine weitere Lebensgefährtin, zum Teil gleichfalls mit einem Messer (Urteilsfakten A I 1 und 2).

Der Sachverständige Univ.Prof. Dr. P***** konstatierte an Hand der Akten und einer psychiatrischen Exploration vom 2. Oktober 1990 (S 223 ff) beim Angeklagten eine tiefgreifende Neurose auf der Grundlage einer abnormen Sexualität, nämlich einer Neigung zu sexuellen Praktiken mit Gewaltanwendung, wobei auch sadistische Züge eine Rolle spielen, und eines Alkoholmißbrauches; die abnorme Sexualität hat eine ungemeine Durchschlagskraft und ist ohne längerfristige Therapie nicht zu bewältigen (S 239 f).

Durchaus mit Grund wurde daher eine seelische Abartigkeit von höherem Grad festgestellt, deren Ausfluß die urteilsgegenständlichen Sexualdelikte sind.

Zutreffend wurde vom Sachverständigen auch auf die Bagatellisierungstendenzen des Berufungswerbers verwiesen (S 237 iVm S 233), die die Einsicht in die Notwendigkeit einer Behandlung und eine Behandlungswilligkeit vereiteln (S 241).

Demnach ist auch die Schlußfolgerung durchaus gerechtfertigt, der Berufungswerber werde unter dem Einfluß seiner seelischen Abartigkeit höheren Grades weiterhin mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen (S 241).

Der Hinweis des Angeklagten, der Sachverständige habe (auch) ausgeführt, es seien "weiterhin Handlungen im bisherigen Umfang zu befürchten" (S 243), ändert daran nichts, sind doch Aggressionsakte, mit denen Frauen zum Teil unter Waffeneinsatz zu Beischlaf und anderen sexualbezogenen Handlungen genötigt werden, unzweifelhaft Taten mit schweren Folgen, zumal diese nach allen konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu beurteilen sind, sohin nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, deren Gewicht durch die in der Sozietät bestehenden insofern normativen Wertvorstellungen rechtstreuer Menschen bestimmt wird (Leukauf-Steininger StGB2 RN 13 zu § 21; SSt. 49/52 = EvBl. 1979/88; EvBl. 1981/87 ua).

Auf eine "mangelnde Sozialisation" stützt sich der Meinung des Berufungswerbers zuwider das Erstgericht bei seiner Prognoseentscheidung gar nicht; die darauf bezogenen Berufungsausführungen gehen daher ins Leere.

Die vom Berufungswerber ins Treffen geführte nunmehrige Alkoholabstinenz spricht nicht gegen die konkrete Befürchtung weiterer Delinquenz, weil sie (ersichtlich nur) durch die Gegebenheiten der Haft bedingt ist. Desgleichen stehen nunmehrigen Heiratsabsichten der Zeugin B***** und des Angeklagten der Befürchtung gleichartiger schwerwiegender Aggressionsakte, wie sie bisher gegen Lebensgefährtinnen verübt wurden, nicht entgegen.

Letztlich vermag der vom Berufungswerber vorgebrachte Umstand, daß der Sachverständige Univ.Prof. Dr. P***** auch die Angaben von Tatopfern verwertete und nicht bloß die bagatellisierende Darstellung des Angeklagten, und auch Gutachten über Belastungszeugen zu erstellen hatte, keine Zweifel an seiner Expertise zu erwecken.

Auch der Berufung des Angeklagten war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Anmerkung

E25588

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00010.91.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19910321_OGH0002_0150OS00010_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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