TE OGH 1992/1/29 1Ob1/92

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Veröffentlicht am 29.01.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Kellner und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ignaz K*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Philipp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 108.600,05 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24. September 1991, GZ 12 R 38/91-15, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 9. Jänner 1991, GZ 2 Cg 89/90-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.245 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Vorprozess erhob eine Geschäftsfrau (in der Folge Klägerin im Vorprozess) gegen den Kläger vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien das Begehren auf Rückzahlung eines Betrages von S 500.000, den sie als Mietinteressentin dem Kläger als damaligem Mieter auf eine in Höhe von 7,5 Mio S vereinbarte Ablöse angezahlt habe. Da das Mietobjekt jedoch in der Folge nicht auf sie übergegangen sei, stünde ihr schon deshalb der Rückzahlungsanspruch zu.

Das angerufene Gericht wies die Klage noch vor der Zustellung an den Beklagten zurück, weil dem Begehren kein Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen zugrundeliege; deshalb sei ein Gerichtshof erster Instanz zuständig.

Über Antrag der Klägerin im Vorprozess hob das Gericht die Zurückweisung auf und überwies die Rechtssache gemäß § 230 a ZPO antragsgemäß dem nicht offenbar unzuständigen Handelsgericht Wien. Der Kläger meldete in seiner Klagebeantwortung die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit an, weil nach § 49 Abs 2 Z 5 JN die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien gegeben sei. Das Handelsgericht Wien verhandelte über die Unzuständigkeitseinrede abgesondert, wies die Klage mit Beschluss vom 11.1.1989 zurück und verhielt die Klägerin im Vorprozess zum Ersatz der mit S 62.368 bestimmten Verfahrenskosten an den Kläger.

Es stellte fest, die Klägerin im Vorprozess betreibe im ersten Stock des Hauses einen Handel mit Bekleidung; sie suche schon seit längerer Zeit nach einem ebenerdig gelegenen Verkaufslokal. Der Kläger habe im Erdgeschoss dieses Hauses bis November 1986 einen Handel mit Juwelen und Schmuck betrieben. Als die Klägerin im Vorprozess von der Absicht des Klägers erfahren habe, sein Geschäftslokal aufzugeben, hätten die Streitteile im Vorprozess vereinbart, dass die Klägerin im Vorprozess dem Kläger 7,5 Mio S bezahle, wenn dieser seine Mietrechte aufgeben und der Hauseigentümer mit ihr einen Mietvertrag abschließen würde. Damit sei lediglich abzugelten gewesen, dass der Klägerin im Vorprozess die Mietrechte an dem bisher vom Kläger bzw dessen Ehegattin benützten Geschäftslokal übertragen werden; sie hätte weder das Inventar noch das Warenlager o.dgl. übernehmen sollen. Zur Bekräftigung dieses Vertrages habe sie eine Anzahlung von S 500.000 geleistet. Zur Übertragung der Mietrechte sei es jedoch nicht gekommen, weil der Kläger bzw seine Ehegattin trotz wiederholten Verlangens nicht ausgezogen seien und die Klägerin im Vorprozess ein anderes Lokal gefunden habe.

Rechtlich meinte das Handelsgericht, der Klagsanspruch falle in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte, weil Bestandstreitigkeiten im weitesten Sinn und daher auch Streitigkeiten über Ablösen, die nicht von den Bestandvertragsteilen bezahlt würden, nach dem Willen des Gesetzgebers von einheitlichen Gerichtstypen judiziert werden sollten.

Gegen diesen Beschluss erhob die Klägerin im Vorprozess Rekurs, dessen Gleichschrift das Handelsgericht Wien dem Kläger zustellte; in der Rekursbeantwortung wies dieser auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hin.

Mit Beschluss vom 11.4.1989 verwarf das Oberlandesgericht Wien die Unzuständigkeitseinrede des Klägers und verhielt ihn zum Ersatz der mit S 31.800,55 und S 14.431,50 bestimmten Kosten des Zuständigkeitsstreites bzw Rekurskosten an die Klägerin im Vorprozess. Die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte nach § 49 Abs 2 Z 5 JN sei nur dann gegeben, wenn die Vertragsteile des Bestandverhältnisses untereinander einen Rechtsstreit führen. Ablösestreitigkeiten gehörten somit nur dann vor die Bezirksgerichte, wenn die Ablöse von einem Vertragsteil zurückgefordert werde. Stünden einander - wie hier - nicht die künftigen, gegenwärtigen oder ehemaligen Parteien eines Bestandvertrages gegenüber, sei die bezirksgerichtliche Zuständigkeit zu verneinen.

Mit der Frage, ob das Rechtsmittel angesichts § 45 JN überhaupt zulässig sei, setzte sich das Rekursgericht indessen nicht auseinander.

Den Revisionsrekurs des Klägers wies der Oberste Gerichtshof zurück. Der im § 45 JN angeordnete Rechtsmittelausschluss gelte auch für den Fall, dass erst die zweite Instanz die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes bejahe; deshalb sei auch nicht zu prüfen, ob nicht schon der Rekurs an das Gericht zweiter Instanz unzulässig gewesen sei.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz seines mit S 108.600,05 sA bezifferten Schadens. Das Oberlandesgericht habe den Rekurs unvertretbarerweise als zulässig erachtete und die dem Kläger günstige Entscheidung des Handelsgerichtes Wien für ihn unanfechtbar zu seinem Nachteil abgeändert. Damit sei nicht bloß die erstinstanzliche Kostenentscheidung, nach der ihm die Klägerin im Vorprozess Verfahrenskosten von S 62.368 zu ersetzen gehabt hätte, beseitigt worden, sondern er müsse der Gegnerin darüber hinaus selbst aufgrund des zweitgerichtlichen Kostenausspruches Kosten von S 31.800,55 und S 14.431,50 ersetzen.

Die beklagte Partei wendete ein, die vom Oberlandesgericht Wien unterstellte Zulässigkeit des Rechtsmittels beruhe auf vertretbarer Rechtsauffassung. Habe das Handelsgericht Wien das nach seiner Auffassung sachlich zuständige Gericht nicht bezeichnet, sei der Rekurs nach Fasching (LB2 Rz 232) zulässig. Überdies habe das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Klage a limine zurückgewiesen, weshalb auch das Handelsgericht Wien die Klage mit der Begründung, das erstgenannte Gericht sei doch zuständig, habe zurückweisen können. In solchen Fällen werde durch Erhebung eines Rekurses sehr oft ein negativer Kompetenzkonflikt erspart, weshalb die Rekurszulässigkeit schon unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut des § 45 JN zu bejahen sei. Im Übrigen hätte das Oberlandesgericht Wien bei Zurückweisung des Rekurses gemäß § 47 JN von Amts wegen als Kompetenzkonfliktsgericht das zuständige Gericht bestimmen müssen und wäre so zum gleichen sachlichen Ergebnis gelangt wie als Rekursgericht; dies hätte auch zu den gleichen Kostenfolgen geführt. Letztlich werde ein zumindest gleichteiliges Mitverschulden des Klägers eingewendet, weil er in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 72.400,04 statt und wies das Mehrbegehren von S 36.200,01 Ab. Der Wortlaut des § 45 JN sei eindeutig. Die Rechtsmittelzulässigkeit könne auch nicht damit begründet werden, dass das an sich sachlich zuständige Gericht mit dem Sitz in derselben Gemeinde seine Zuständigkeit bereits rechtskräftig verneint habe, weil durch die Zurückweisung der Klage vor deren Zustellung keine Bindungswirkung entfalte. Bei der Überweisung nach § 230 a ZPO könne daher die Unzuständigkeitseinrede auch darauf gestützt werden, dass das zuerst angerufene Gericht zuständig sei. Die divergierenden Zuständigkeitsentscheidungen beruhten darauf, dass das Bezirksgericht Innere Stadt Wien von den Klagsangaben, das Handelsgericht Wien hingegen von den Ergebnissen des Zuständigkeitsstreites ausgegangen sei. In solchen Fällen liege auch kein negativer Kompetenzkonflikt vor. Das formale Argument Faschings sei schon deshalb nicht stichhältig, weil jedenfalls nur Wiener Gerichte örtlich zuständig hätten sein können. Die beklagte Partei sei daher ersatzpflichtig, doch treffe den Kläger ein Mitverschulden: Habe dieser eine Rechtsmittelbeantwortung erstattet, treffe ihn auch die Obliegenheit, auf alle für seinen Standpunkt günstigen Umständen hinzuweisen. Die Abwägung schlage im Verhältnis 1 : 2 zugunsten des Klägers aus.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren bloß mit S 9.621 sA statt, wies das Mehrbegehren von S 98.979,05 sA ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die von der höheren Instanz nicht gebilligte Rechtsansicht löse dann keine Amtshaftung aus, wenn die getroffene Entscheidung bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbar sei. Weiche die beanstandete Rechtsauffassung ohne sorgfältige und damit auch schriftlich begründete Erwägungen von einer klaren Gesetzeslage oder ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ab, falle dem Organ jedoch regelmäßig ein Verschulden zur Last, es sei denn, dass bei rechtmäßigem Verhalten das gleiche Ergebnis erzielt worden wäre. Das Oberlandesgericht Wien habe nicht erörtert, weshalb es den Rekurs entgegen dem klaren Wortlaut des § 45 JN als zulässig erachtet habe. Das Übersehen eines Rechtsmittelausschlusses sei als Verschulden zu beurteilen. Das Formalargument Faschings habe der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung EvBl 1985/128 widerlegt. Das Handelsgericht Wien habe überdies unzweifelhaft das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als zuständig angesehen. Auch das weitere Argument für die Rechtsmittelzulässigkeit - die Vermeidung eines Kompetenzstreites - sei nicht stichhältig, weil der Rechtsschutz damit gerade erschwert werde: Das amtswegige, raschere und kostengünstigere Verfahren nach § 47 JN würde durch das teurere und wegen der Zweiseitigkeit des Rekurses auch langsamere Verfahren verdrängt. Das könne aber nicht der Sinn eines verbesserten Zugangs zum Recht sein. Würde das Rekursgericht den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss bestätigen, wäre eine Kompetenzentscheidung nach § 47 JN dennoch notwendig, sofern schon eine bindende Zurückweisung durch ein anderes Gericht vorliege. Sei durch eine weitere Entscheidung bereits ein negativer Kompetenzkonflikt geschaffen worden, solle dieser auch mit den ökonomischen Mittel des § 47 JN gelöst werden. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei das Oberlandesgericht Wien jedoch mit einem negativen Kompetenzkonflikt konfrontiert gewesen, weil zwei konkurrierende Gerichte ihre Zuständigkeit rechtskräftig verneint hätten. Erst wenn ein Zuständigkeitsstreit im Rechtsmittelweg nicht mehr gelöst werden könne, sei das Verfahren nach § 47 JN einzuleiten. Das sei hier der Fall. Selbst wenn die Zurückweisung gemäß § 230 a ZPO formal aufgehoben werde, bleibe die Entscheidung über die Unzuständigkeit des überweisenden Gerichtes aufrecht. Der Überweisungsantrag nach § 230 a ZPO sei bloß ein Rechtsbehelf zur Wahrung der Gerichtsanhängigkeit, nicht aber ein Rechtsmittel zur Bekämpfung der Unrichtigkeit der Unzuständigkeitsentscheidung. Bei gegenteiliger Auffassung müsste das Gericht, das die Klage schon einmal a limine zurückgewiesen hat, seine sachliche Zuständigkeit gegebenenfalls neuerlich prüfen. Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 habe aber die Verminderung der Zuständigkeitsstreitigkeiten bezweckt. Bejahe man einen Kompetenzkonflikt, sei die Einwendung der beklagten Partei, das Oberlandesgericht Wien hätte bei rechtmäßigem Alternativverhalten als „Kompetenzgericht“ eine sachlich gleiche Entscheidung mit gleichen Kostenfolgen getroffen, beachtlich. Spätestens seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 hätten die Gerichte von Amts wegen dazu beizutragen, dass Zuständigkeitsstreitigkeiten rasch gelöst werden. Müssten die Gerichte bei einem Kompetenzkonflikt die Entscheidung durch das übergeordnete Gericht herbeiführen, müsse das Rekursgericht, sei es zugleich auch übergeordnetes Gericht, den Zuständigkeitsstreit aus Anlass eines unzulässigen Rekurses sofort entscheiden. Wäre das Oberlandesgericht Wien gesetzeskonform vorgegangen, hätte es den Rekurs zwar zurückweisen, sogleich aber auch von Amts wegen über den Kompetenzkonflikt entscheiden müssen. Dabei hätte das Handelsgericht Wien als für den Rechtsstreit zuständig bestimmt werden müssen, weil der Ablösestreit nicht zwischen den Parteien eines Bestandvertrages geführt worden sei; die Streitteile des Vorprozesses hätten auch nicht beabsichtigt, untereinander ein Bestandverhältnis für die Zukunft zu begründen. Für Ablösestreitigkeiten zwischen dem gegenwärtigen und dem künftigen Mieter sei bis zur Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 die Wertzuständigkeit ausschlaggebend gewesen. Das Handelsgericht Wien hätte seinen Unzuständigkeitsbeschluss vom 11.1.1989 ersatzlos aufheben müssen, womit auch die Kostenersatzpflicht der Klägerin im Vorprozess weggefallen wäre. Der Kläger sei daher in diesem Umfang nicht beschwert. Allerdings wäre bei der Zurückweisung des Rekurses auszusprechen gewesen, dass die Rechtsmittelwerberin ihre Rekurskosten selbst zu tragen habe. Da der Kläger aufgrund des unzutreffenden Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien die Rekurskosten jedoch unabhängig vom Prozessausgang zu ersetzen habe, sei er in diesem Umfang (S 14.431,50) benachteiligt worden. Außerdem hätte das Oberlandesgericht Wien als Kompetenzgericht über die Kosten des Zuständigkeitsstreites nicht absprechen dürfen, wäre es doch von Amts wegen tätig geworden und wäre ihm damit auch gar kein Kostenantrag vorgelegen. Über die Kosten des Zuständigkeitsstreites hätte das Handelsgericht Wien im fortgesetzten Verfahren entscheiden müssen. Diese Kosten hätte der Kläger unabhängig vom Verfahrensausgang jedenfalls selbst tragen müssen, weil er in dem durch seine Einrede veranlassten Zwischenstreit unterlegen sei. Auch im Umfang seines Begehrens von S 31.800,55 wäre der Kläger bei rechtmäßigem Vorgehen des Oberlandesgerichtes Wien seiner Gegnerin kostenersatzpflichtig geworden. Der Ersatzanspruch des Klägers von S 14.431,50 sei zu kürzen; hätte er in der Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen, wäre es nicht zu der dem Kläger benachteiligenden Entscheidung über die Rekurskosten gekommen. Auch wenn die Prozessparteien zur Beantwortung eines Rechtsmittels nicht verpflichtet seien, müssten sie doch schon im eigenen Interesse auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hinweisen. Dieses Mitverschulden des Klägers habe das Erstgericht zutreffend mit einem Drittel ausgemessen, so dass der berechtigte Ersatzanspruch bloß S 9.621 betrage.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Er bekämpft - abgesehen davon, dass ihm ein Mitverschulden zur Last gelegt wurde, weil er in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin im Vorprozess nicht hingewiesen hatte - letztlich bloß die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz, die Rechtslage wäre nicht anders gewesen, hätte das Oberlandesgericht Wien als Kompetenzgericht entschieden, und die daran geknüpfte Annahme rechtmäßigen Alternativverhaltens.

Vorerst ist jedoch auf den von der beklagten Partei auch noch in deren Revisionsbeantwortung vertretenen Standpunkt einzugehen, die Auffassung des Rekursgerichtes im Vorprozess, dass trotz des Wortlautes des § 45 JN ein Rechtsmittel dann zulässig sei, wenn das Gericht, das nach der angefochtenen Entscheidung sachlich zuständig wäre, bereits vorher seine sachliche Unzuständigkeit rechtskräftig ausgesprochen hat, sei vertretbar. Dementgegen lässt jedoch der - insofern eindeutige - Wortlaut dieser Bestimmung eine solche Ausnahme von dem dort angeordneten Rechtsmittelausschluss nicht zu. Nach einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1985/128; 1 Ob 630/91; 9 ObA 135/91; 3 Ob 96/88; 9 ObA 69/87; 6 Ob 591/86) ist daher der Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit jedenfalls dann unanfechtbar, wenn sich aus der Unzuständigkeitsentscheidung im Zusammenhalt mit dem in der Klage angeführten Wohnsitz des Beklagten ergibt, dass das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz in derselben Gemeinde hat; gleiches muss auch dann gelten, wenn sich das sonst für die örtliche Zuständigkeit maßgebliche Anknüpfungselement (wie hier die Lage des Bestandgegenstandes - vgl § 83 Abs 1 iVm § 49 Abs 2 Z 5 JN) daraus zwanglos ableiten lässt. Da das Handelsgericht Wien den Ablösestreit als eine in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallende Rechtssache im Sinne des § 49 (sc Abs 2 Z 5) JN beurteilte und der davon berührte Bestandgegenstand im ersten Wiener Gemeindebezirk liegt, wäre zur Erledigung dieser Rechtssache das Bezirksgericht Innere Stadt Wien - das seinen Sitz in derselben Gemeinde hat - berufen gewesen. Der Auffassung der beklagten Partei, Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie sprächen für eine Ausnahme von diesem Rechtsmittelausschluss, wenn die Zuständigkeitsfrage im Rekursweg sofort geklärt werden könnte, hat schon das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass eine sofortige Klärung im Falle einer zuständigkeitsverneinenden Entscheidung durch das letztinstanzliche Rechtsmittelgericht gar nicht möglich wäre und überdies unter Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie dem kompetenzgerichtlichen Verfahren (§ 47 JN) der Vorzug gebührte, weil es rascher und kostensparender ist als das zweiseitige und (seit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 obendrein jedenfalls dreiinstanzliche) Rechtsmittelverfahren. Dass das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Klage zurückwies, ehe es diese dem Gegner zustellte, ist im vorliegenden Fall bedeutungslos, weil im Vorprozess nicht dieser Beschluss, sondern die über Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ergangene Entscheidung des Handelsgerichtes Wien angefochten wurde.

Das Rekursgericht im Vorprozess hat den im § 45 JN angeordneten Rechtsmittelausschluss nicht erörtert, obwohl er der sachlichen Erledigung des Rechtsmittels entgegenstand. Das allein legt ein Organverschulden nahe; die Erörterung des im § 45 JN angeordneten Rechtsmittelausschlusses hätte wegen des Wortlautes dieser Bestimmung und der daran anknüpfenden einhelligen höchstgerichtlichen Rechtsprechung keinesfalls zur Bejahung der Rekurszulässigkeit führen dürfen. Die beklagte Partei müsste demnach als Rechtsträger der gerichtlichen Organe für den Schaden einstehen, der dem Kläger aus der ihm nachteiligen sachlichen Erledigung des Rekurses im Vorprozess in seinem Vermögen erwachsen ist, sofern nicht die Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens berechtigt sein sollte.

Diese vom Gericht zweiter Instanz für berechtigt gehaltene Einwendung der beklagten Partei kann dahin zusammengefasst werden, das Oberlandesgericht Wien hätte das Handelsgericht Wien nach Vorlage der Akten auch in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit gemäß § 47 JN als für die Rechtssache zuständiges Gericht bestimmen müssen; das hätte zur Folge gehabt, dass auch die dem Kläger günstige Kostenentscheidung dieses Gerichtes aufgehoben worden wäre. Die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten ist zwar auch im Amtshaftungsprozess grundsätzlich beachtlich (JBl 1991, 647; 1 Ob 22/91; 1 Ob 40/91; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht3 AT, 281), doch kann einer solchen Einwendung nur dann Erfolg beschieden sein, wenn die dem Ausgang des Zuständigkeitsstreits im Vorprozess als rechtmäßiges Alternativverhalten zugrundegelegte Vorgangsweise des Oberlandesgerichtes Wien nicht bloß vertretbar, also nicht schuldhaft, sondern auch richtig - demnach „rechtmäßig“ - ist (1 Ob 22/91). Das ist jedoch mit dem Berufungsgericht zu bejahen:

Die Lösung dieser Frage hängt zum einen davon ab, ob die Verfahrenslage nach der Zurückweisung der Klage durch das Handelsgericht Wien als negativer Kompetenzkonflikt im Sinne des § 47 JN zu beurteilen ist, zum andern auch aber davon, ob das Oberlandesgericht Wien nach Vorlage der Akten zur Erledigung des Rekurses durch das Handelsgericht Wien in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit nach der vorher genannten Bestimmung im gleichen Sinn hätte entscheiden müssen.

Ein negativer Kompetenzkonflikt ist dann gegeben, wenn mehrere Gerichte ihre Zuständigkeit derart verneint haben, dass die Zuständigkeit eines weiteren Gerichtes nicht mehr in Betracht kommt (1 Nd 525/82), und diese Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen sind (Fasching, LB2 Rz 240). Das trifft im vorliegenden Fall zu, weil die Klägerin im Vorprozess den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.10.1987 unangefochten ließ und sich auf die Antragstellung nach § 230 a ZPO beschränkte. Dieser Antrag führte zwar zur Aufhebung der Zurückweisung, die Klägerin im Vorprozess unterwarf sich damit jedoch der Entscheidung des angerufenen Gerichtes über dessen Unzuständigkeit (Simotta, Der Überweisungsantrag nach § 230 a ZPO, JBl 1988, 359, 360; vgl auch Fucik, Die Zuständigkeit nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, RZ 1985, 261, 263): Im Ausspruch der Überweisung der Klage ist die Entscheidung über die eigene Unzuständigkeit enthalten. Dass das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Klage a limine zurückwies, so dass seinem Beschluss keine bindende Wirkung im Sinne des § 46 Abs 1 JN zukam, ändert nichts daran, dass die Entscheidung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist. Da - wie schon erörtert wurde - auch der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11.1.1989 gemäß § 45 JN unanfechtbar war, lagen dem Oberlandesgericht Wien nach Vorlage der Akten zur Erledigung des von der Klägerin im Vorprozess dessenungeachtet ergriffenen Rekurses gegen diesen Beschluss zwar einander widersprechende, aber bereits rechtskräftige Beschlüsse über die Zuständigkeit vor, so dass es in Wahrheit mit einem negativen Kompetenzkonflikt konfrontiert war (vgl Simotta aaO 368), zumal infolge der Überweisung der Klage an das Handelsgericht Wien auch die Zuständigkeit eines anderen Gerichts - etwa des Landesgerichtes für ZRS Wien (2 Ob 599/89; ähnlich auch 6 Ob 568/81) - nicht mehr in Betracht kam (§ 230 a ZPO iVm § 43 Abs 3 JN).

Diesen Kompetenzkonflikt zu entscheiden, war gemäß § 47 Abs 1 JN gleichfalls das Oberlandesgericht Wien als das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht berufen. Nach Abs 2 der genannten Bestimmung erfolgt diese Entscheidung auf Antrag einer Partei, auf Anzeige eines beteiligten Gerichtes oder aus Anlass der Entscheidung über einen Rekurs gegen die Unzuständigkeitsentscheidung mit Beschluss. Motiv für den letzten - erst durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingefügten - Anlassgrund der Kompetenzkonfliktsentscheidung ist nach den Materialien (JAB 1337 BlgNR 15.GP, 3) die Vermeidung eines Mehraufwandes an Zeit und Mühe, sofern das Rekursgericht die Unzuständigkeitsentscheidung bestätigt; ist das Rechtsmittelgericht auch nach § 47 Abs 1 JN zuständig, soll es den Zuständigkeitsstreit von Amts wegen entscheiden und das zur Erledigung der Rechtssache zuständige Gericht bestimmen. Der Gesetzgeber wollte damit die Behebung verfahrensverzögernder Kompetenzkonflikte beschleunigen (vgl auch Fasching aaO Rz 240). Dann muss aber die Vorlage eines unzulässigen Rechtsmittels gegen die Unzuständigkeitsentscheidung, die den Zuständigkeitsstreit heraufbeschworen hat, der im Ausschussbericht referierten Verfahrenslage - die Bestätigung eines solchen Beschlusses durch das gleichzeitig auch nach § 47 Abs 1 JN zuständige Gericht - gleichgehalten werden. Es wäre - am Anliegen des Gesetzgebers gemessen - ein Wertungswiderspruch, würde man bei der Zurückweisung des Rekurses anders als bei dessen sachlicher Erledigung die Pflicht des Rechtsmittelgerichtes zur amtswegigen Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit verneinen: Die Interessenlage der Prozessparteien ist bei beiden Verfahrenskonstellationen gleich. Im Übrigen hätte das Rekursgericht im Vorprozess die - an sich verfehlte (§ 523 ZPO) - Vorlage der Akten als Anzeige des in Wahrheit schon gegebenen Zuständigkeitsstreits durch das Prozessgericht im Sinne des § 47 Abs 2 JN behandeln und auch deshalb nicht bloß den unzulässigen Rekurs zurückweisen, sondern zugleich den Kompetenzkonflikt entscheiden müssen.

Bei gesetzmäßiger Vorgangsweise („rechtmäßigem Alternativverhalten“) hätte das Rekursgericht im Vorprozess - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob - das Handelsgericht Wien als zuständiges Gericht bestimmen müssen, weil dieses zu Unrecht seine Zuständigkeit verneint hat: Zu entscheiden war ein Ablösestreit zwischen Mieter und Mietinteressent und nicht zwischen Bestandvertragsparteien, der nach § 49 Abs 2 Z 5 JN idF vor der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 nicht in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fiel (RZ 1985/51; vgl auch SZ 16/42 und JBl 1953, 488); zutreffend bemerkt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang, dass die Streitteile des Vorprozesses untereinander auch gar kein Bestandverhältnis beabsichtigt hatten. Maßgeblich war deshalb die Wertzuständigkeit gemäß § 50 bzw § 51 JN; das Handelsgericht Wien hätte auch - selbst wenn es mit einem Teil der Rechtsprechung (2 Ob 599/89) das Landesgericht für ZRS Wien als sachlich zuständig angesehen hätte - seine sachliche Zuständigkeit nicht mehr ablehnen dürfen (§ 43 Abs 3 JN).

Hätte demnach das Oberlandesgericht Wien, wie es nach der Verfahrenslage geboten gewesen wäre, mit unanfechtbarem Beschluss (§ 47 Abs 3 JN) das Handelsgericht Wien als zur Erledigung des Vorprozesses zuständiges Gericht bestimmt, hätte es gleichzeitig auch den Unzuständigkeitsbeschluss dieses Gerichtes aufheben müssen (EvBl 1980/123; Fasching Komm I 293; anders in LB2 Rz 240: Das für zuständig erklärte Gericht habe seinen Unzuständigkeitsbeschluss aufzuheben, was aber im vorliegenden Fall am Streitausgang nichts ändern würde). Damit wäre aber auch die in den Unzuständigkeitsbeschluss aufgenommene Kostenentscheidung wegen der Akzessorietät des Kostenersatzanspruches (Fasching LB2 Rz 468) beseitigt worden, so dass dem Kläger die ihm zunächst vom Handelsgericht Wien zugesprochenen Kosten nach dem Ergebnis des rechtmäßigen Alternativverhaltens des Oberlandesgerichtes Wien letztlich doch nicht zuerkannt worden wären. Die von diesem Gericht mit S 31.800,55 bestimmten Kosten der Klägerin im Vorprozess für den Zuständigkeitsstreit hätte das Handelsgericht Wien dem Kläger nach dem Streitausgang - volle Klagsstattgebung - ohnehin auferlegen müssen; nicht anders hätte die Kostenentscheidung lauten dürfen, wäre über die Kosten des Zuständigkeitsstreits als eines Zwischenstreits unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache abgesprochen worden, weil der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit nach der gebotenen Kompetenzkonfliktsentscheidung als rechtmäßigem Alternativverhalten gleichfalls kein Erfolg beschieden gewesen wäre.

Einzig und allein die der Klägerin im Vorprozess vom Oberlandesgericht Wien zuerkannten Rekurskosten hätte sie, wäre das Rechtsmittel zurückgewiesen worden, selbst tragen müssen; insoweit ist das von der beklagten Partei eingewendete Mitverschulden des Klägers zu prüfen. Sie stützt die Einwendung darauf, dass er in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen habe. Diesem Einwand trat der Kläger in erster Linie mit dem Argument entgegen, er wäre nicht einmal zur Erstattung einer Rekursbeantwortung verpflichtet gewesen. Zu Recht hielten ihm die Vorinstanzen entgegen, dass das Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB, das der beklagte Rechtsträger dem Geschädigten auch im Amtshaftungsprozess einwenden kann (Schragel, AHG2 Rz 155), weder Rechtswidrigkeit noch Verschulden voraussetzt, sondern schon dann anzunehmen ist, wenn der Geschädigte mit seinen Rechtsgütern sorglos umgeht (SZ 54/85 uva; Schragel aaO; Koziol Haftpflichtrecht2 I 236 f). Erhebt eine Partei ein unzulässiges Rechtsmittel, so muss sich deren Gegner den Vorwurf gefallen lassen, er handle gegen seine eigenen Interessen, wenn er trotz des Rechtsmittelausschlusses keine Rechtsmittelbeantwortung erstattet bzw - wie im vorliegenden Fall - in der ohnehin erstatteten Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hinweist. In solchen Fällen ist ihm ein Mitverschulden deshalb anzulasten, weil er - obwohl hiezu imstande - die Gelegenheit, das höhere Gericht auf den Rechtsmittelausschluss aufmerksam zu machen und dadurch die Gefahr des Übersehens oder Verkennens dieser Bestimmung von sich abzuwenden, ungenützt verstreichen lässt. Die Vorinstanzen haben das Mitverschulden mit einem Drittel ausgemessen; dieser Verschuldensteilung kann beigetreten werden.

Dementsprechend hat das Berufungsgericht den berechtigten Teil des Ersatzbegehrens zutreffend auf S 9.621 vermindert, so dass der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E28282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00001.92.0129.000

Im RIS seit

01.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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