TE OGH 1989/10/31 2Ob599/89

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Veröffentlicht am 31.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** W***, 1080 Wien,

Ebendorferstraße 2, vertreten durch Dr. Julius Jeannee und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ernst F*** Gesellschaft m.b.H., 1050 Wien, Diehlgasse 17-19, vertreten durch Mag. DDr. Paul G. Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,004.178,32 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2. August 1989, GZ 14 Nc 31/89-28, womit der Antrag der beklagten Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien abgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der beim Bezirksgericht Floridsdorf anhängig gemachten und von diesem gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Landesgericht Eisenstadt, von diesem wiederum gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Kreisgericht Wiener Neustadt überwiesenen Klage (AZ 1 Cg 604/89 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt) begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines Benützungsentgelts von S 1,004.178,32 s.A. wegen titelloser Benützung der Liegenschaft EZ 1445 KG Brigittenau, die sie (Klägerin) im Wege der Zwangsversteigerung erworben habe. Die bereits zur Räumung der Liegenschaft verurteilte Beklagte, die niemals einen Titel zur Benützung gehabt, sondern die Liegenschaft lediglich prekaristisch benützt habe, habe dafür ein angemessenes Benützungsentgelt zu entrichten.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Kreisgericht Wiener Neustadt vom 7.7.1989 beantragte die Beklagte, die das Klagsvorbringen bestritten und Abweisung des Klagebegehrens beantragt hatte, gemäß § 31 JN die Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien, weil die zu besichtigende Liegenschaft in Wien liege, ein Sachverständiger aus dem Wiener Bereich zu bestellen sein werde und die Beklagte nunmehr ihren Firmensitz in Wien habe. Die Klägerin sprach sich gegen den Delegierungsantrag aus. Das Kreisgericht Wiener Neustadt erachtete die Delegierung für zweckmäßig.

Das Oberlandesgericht Wien gab dem Delegierungsantrag nicht Folge. Gemäß § 31 Abs 1 JN könne eine Delgierung in streitigen Rechtssache nur an ein Gericht gleicher Gattung erfolgen. Es müsse sich daher immer um ein Gericht handeln, das im konkreten Fall sachlich und funktionell zuständig sei. Da es sich im vorliegenden Fall um eine Klage auf Zahlung von Benützungsentgelt wegen von Anfang an bestehender titelloser Benützung handle, sei die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts im Sinne des § 51 Abs 1 JN nicht gegeben, weil die Beklagte zwar eine Handelsgesellschaft sei, es sich jedoch nicht im Sinne des § 51 Abs 1 JN um eine Streitigkeit aus Handelsgeschäften handle.

Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien wendet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Delegierung des Handelsgerichts Wien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (JBl 1960, 451, Fasching ZPR Rz 209), sachlich aber nicht berechtigt. Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, ein Gericht gleicher Gattung im Sinne des § 31 Abs 1 JN liege dann vor, wenn das Gericht sachlich oder funktionell zuständig sei; das Handelsgericht Wien sei in der vorliegenden Sache jedenfalls funktionell zuständig. Nach der Klagserzählung sei aber auch die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien gegeben. Als Handelsgeschäft sei eine Rechtshandlung dann anzusehen, soweit sie nach der Verkehrsauffassung, sei es nachteilig, sei es fördernd, auf das Handelsgewerbe einwirke. Daß die Verwendung der Liegenschaft für Betriebszwecke der Beklagten für das Handelsgewerbe förderlich, ja seinen Fortbestand zu sichern geeignet war, könne nicht bezweifelt werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Die Delegierung obliegt dem Oberlandesgericht innerhalb seines Sprengels, außerhalb desselben dem Obersten Gerichtshof. Ein Gericht gleicher Gattung muß im konkreten Fall sachlich oder funktionell zuständig sein (vgl. Fasching, Komm. I 231, Anm. 2 zu § 31 JN). Funktionelle Zuständigkeit ist die Anknüpfung an eine bestimmte Funktion des Gerichts, die Zuordnung zu einer diesem Gericht obliegenden besonderen Geschäftstätigkeit, zB Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklagen (vgl. Fasching aaO 217). Eine derartige funktionelle Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien liegt entgegen der Auffassung des Rekurses im vorliegenden Fall nicht vor. Das Oberlandesgericht Wien hat aber auch ohne Rechtsirrtum die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien für die Behandlung der gegenständlichen Rechtssache verneint. Gemäß § 51 Abs 1 Z 1 JN gehören vor die selbständigen Handelsgerichte Streitigkeiten aus Handelsgeschäften, wenn die Klage gegen einen Kaufmann, eine Handelsgesellschaft oder eine registrierte Genossenschaft gerichtet ist und das Geschäft auf seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft ist.

Gemäß § 343 Abs 1 HGB sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Voraussetzung für die Zuständigkeit des Handelsgerichts ist, daß der Anspruch aus einem Handelsgeschäft abgeleitet wird und somit in einem sachlichen Zusammenhang mit der Gewerbetätigkeit steht und aus dem Handelsgeschäft selbst geltend gemacht wird (vgl. Fasching aaO 319, Anm. 3 zu § 51 Abs 1 Z 1 JN); nicht in die Zuständigkeit des Handelsgerichts nach § 51 Abs 1 Z 1 JN fallen Ansprüche nach Auflösung des Geschäftes oder Rücktritt vom Geschäft (etwa Bereicherungsansprüche oder Rückforderung des irrig Geleisteten). Schadenersatzansprüche gegen eine Kaufmann gehören nur dann vor die Handelsgerichte, wenn sie aus der Erfüllung, Schlechterfüllung oder Vereitelung eines Handelsgeschäfts abgeleitet werden (Fasching aaO). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Klage auf Zahlung von Benützungsentgelt wegen von Anfang an titelloser Benützung einer Liegenschaft durch die Beklagte. Nach den dargelegten Grundsätzen liegt hier keine Streitigkeit aus einem Handelsgeschäft vor, so daß, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, auch die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien im Sinne des § 51 Abs 1 Z 1 JN nicht gegeben ist.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E18820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00599.89.1031.000

Dokumentnummer

JJT_19891031_OGH0002_0020OB00599_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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