TE OGH 1991/1/15 1Ob630/91

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Veröffentlicht am 15.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein der S*****, vertreten durch Dr.Karl Zingher und Dr.Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich J*****, vertreten durch DDr.Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 5.September 1991, GZ 41 R 465/91-19, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 19.November 1990, GZ 7 C 598/90-10, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei beantragte die Verurteilung des Beklagten zur Räumung einer diesem bis zum Abschluß eines Mietvertrages bloß zur vorübergehenden Benützung überlassenen Wohnung, die er, da ein Vertrag letztlich nicht zustande gekommen sei, nun titellos bewohne.

Der Beklagte wendete ein, zwischen den Streitteilen sei es über die Vermietung der Wohnung an ihn gegen Verrichtung bestimmter Hausbesorgerarbeiten und einen demgemäß ermäßigten Zins zu einer Einigung gekommen. Erst bei der Verhandlungstagsatzung vom 26.6.1990 erhob er die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, allerdings erst nach dem Vortrag der von den Parteien bis dahin erstatteten Schriftsätze. Bei der ersten Tagsatzung hatte der Beklagte bloß die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben.

Das Erstgericht sprach aus, daß es sachlich unzuständig sei, und wies die Klage zurück. Es führte aus, zwischen den Parteien sei eine Vereinbarung zustande gekommen, mit der dem Beklagten die Wohnung gegen Entrichtung eines ermäßigten Zinses und Verrichtung von Hausbesorgerarbeiten überlassen worden sei. Die an sich vorgesehene schriftliche Ausfertigung des Vertrages hätte bloß "deklarativen Charakter" gehabt. Es sei damit ein Hausbesorgerdienstverhältnis begründet worden; für Klagen auf Räumung einer Hausbesorgerdienstwohnung seien jedoch die "Arbeitsgerichte" zuständig.

Das Gericht zweiter Instanz wies den dagegen erhobenen Rekurs der klagenden Partei zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 45 JN sei auch anzuwenden, wenn ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit deshalb verneine, weil es der Auffassung sei, daß es sich dabei um eine Arbeits- oder Sozialrechtssache handle. Dabei genüge es, wenn das als zuständig erachtete Gericht eindeutig bestimmbar sei: Da der Beklagte seinen Wohnsitz im 22. Wiener Gemeindebezirk habe, könne das nur das Arbeits- und Sozialgericht Wien sein. Der im § 45 JN verankerte Rechtsmittelausschluß sei auch dann wirksam, wenn das Gericht eine bereits verfristete Unzuständigkeitseinrede aufgreife, sodaß der Rekurs ungeachtet der Tatsache, daß die vom Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit bereits präkludiert gewesen sei, zurückzuweisen sei.

Der von der klagenden Partei gegen den zweitinstanzlichen Beschluß erhobene Rekurs ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Da die Rekurse gegen Beschlüsse des Gerichtes zweiter Instanz, sofern sie nicht jedenfalls unzulässig sind, den im § 528 Abs 1 ZPO vorgesehenen Zulässigkeitsbeschränkungen unterworfen sind, wäre das Rechtsmittel der klagenden Partei nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer der dort umschriebenen erheblichen Rechtsfragen abhinge. Das Gericht zweiter Instanz begründete seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses lediglich damit, daß - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur "Anwendbarkeit des § 45 JN im Verhältnis zu den §§ 240 Abs 2, 441 ZPO" fehle. Damit wird indessen keine erhebliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) bezeichnet:

Ist das Rechtsmittel unzulässig, ist jedwede Überprüfung des bekämpften Beschlusses durch die höhere Instanz ausgeschlossen; deren Anrufung bleibt in solchen Fällen selbst dann verwehrt, wenn eine Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender Verfahrensverstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (RZ 1989/91). Der zur Vermeidung bzw Abkürzung eines Zwischenstreits über die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes im § 45 JN angeordnete Rechtsmittelausschluß kann schon deshalb - wie übrigens das Rekursgericht selbst erkannt hat - auch nicht dadurch umgangen werden, daß der Rechtsmittelwerber geltend macht, das Erstgericht habe mit seinem Beschluß einer nach § 441 bzw § 240 Abs 2 ZPO präkludierten Unzuständigkeitseinrede des Beklagten stattgegeben.

Auch die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Die Fassung des § 45 JN mag sprachlich nicht geglückt sein, zweifellos kann der hier maßgebliche Teil dieser Bestimmung aber nur so gelesen werden, daß Entscheidungen des Gerichtes, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar sind, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat (vgl Fasching, LB2 Rz 231); diese Auffassung liegt auch der Rechtsprechung, die die Auslegung des Rechtsmittelausschlusses bei die sachliche Zuständigkeit verneinenden Entscheidungen zum Gegenstand hat, zugrunde (EvBl 1985/128; 6 Ob 591/86; 9 Ob A 69/87; 3 Ob 96/88; 9 Ob A 135/91). Nach dieser Judikatur ist der Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit jedenfalls dann unanfechtbar, wenn sich aus der Unzuständigkeitsentscheidung im Zusammenhalt mit dem in der Klage angeführten Wohnsitz des Beklagten ergibt, daß das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz in derselben Gemeinde hat. Da das Erstgericht die Rechtssache als Arbeitsrechtssahe (§ 50 ASGG) beurteilte und der Beklagte seinen Wohnsitz nach den Klagsangaben im 22. Wiener Gemeindebezirk hat, wäre zur Entscheidung dieser Rechtssache gemäß § 2 Abs 2 und 3 ASGG das Arbeits- und Sozialgericht Wien, das seinen Sitz in derselben Gemeinde wie das Erstgericht hat, berufen.

Nach einhelliger, teils auch veröffentlichter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die erstgerichtliche Unzuständigkeitsentscheidung somit gemäß § 45 JN unanfechtbar, sodaß die Frage, ob das Erstgericht die vom Beklagten erst nach seinem Sachvorbringen erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit berücksichtigen bzw seine Unzuständigkeit auch noch in diesem Verfahrensstadium von Amts wegen wahrnehmen durfte, in höherer Instanz ungeprüft bleiben muß.

Der Revisionsrekurs ist deshalb mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) als unzulässig zurückzuweisen.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, mit dem es dem Rekurs im Hinblick auf den im § 45 JN angeordneten Rechtsmittelausschluß zurückwies, ist kein Beschluß im Sinne des § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO, weshalb das Rechtsmittelverfahren nicht mehr zweiseitig und daher die Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten gleichfalls zurückzuweisen ist (9 Ob A 61/87; 6 Ob 591/86).

Anmerkung

E27957

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00630.91.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19910115_OGH0002_0010OB00630_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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